Simone Franke: „Wir müssen über Endometriose reden!“

Zehn Jahre lang leidet die Hamburger Künstlerin Simone Franke unter starken Bauchschmerzen bis sie endlich eine Diagnose bekommt: Endometriose. Die Krankheit, bei der Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutterhöhle vorkommt, ist immer noch eine große Unbekannte – obwohl sie die zweithäufigste gynäkologische Krankheit ist. Simone Franke will das ändern und hat deswegen ein Buch mit Endometriose-Tipps geschrieben, ein Blog gestartet und sogar ein Kunstprojekt ins Leben gerufen. Wir treffen sie in ihrem Atelier in Hamburg-Volksdorf und sprechen über ihr Leben mit Endometriose.

femtastics: Wann wurde Endometriose bei dir festgestellt?

Simone Franke: Das war 2013, nachdem ich über zehn Jahre unter Beschwerden litt.

Endometriose wird oft fälschlicherweise als starke Regelschmerzen abgetan, richtig?

Viele kennen Endometriose nicht und die, die es kennen, denken oft, es würde sich dabei nur um starke Regelschmerzen handeln. Das stimmt allerdings so auch nicht ganz. Starke Regelschmerzen sind bei vielen das Hauptsymptom, ja. Bei mir war es anders: Ich hatte ständig Bauchschmerzen, die während der Menstruation aber gingen. Das waren eher Oberbauchschmerzen, verbunden mit Übelkeit und einem ständigen Schwächegefühl. Während des Eisprungs hatte ich immer die stärksten Schmerzen. Ich hatte auch Regelschmerzen, aber nicht so doll, dass sie nicht auszuhalten waren.

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Simone hat sich in ihrer Wohnung ein Atelier eingerichtet.

Ich finde es schlimm, dass die Krankheit so verharmlost wird.

Was genau passiert bei der Endometriose?

Einmal im Monat blutet es in den Körper rein und es entstehen schmerzhafte Entzündungen und Verwachsungen, die oft auch die Organe betreffen. Ich kenne Frauen, die deswegen eine künstliche Blase oder einen künstlichen Darmausgang haben. Der komplette Bauch ist eine einzige Wunde. Ich finde es schlimm, dass die Krankheit so verharmlost wird. Rheuma zum Beispiel kennen alle, aber wenn du sagst, dass du Endometriose hast, kennt das entweder keiner oder man denkt, die hat halt Regelschmerzen.

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Simones Atelier kann man – auch mit ihrer Begleitung – mieten.

Ist Endometriose ein Stück weit ein Tabuthema?

Dadurch, dass viele Frauen eher nicht über ihre Regelschmerzen sprechen – und die meisten Endometriose-Patienten haben eben die meisten Probleme während der Tage – ist es ein Tabuthema. Wer redet da schon gern drüber?

Über die Menstruation wird eben nicht gesprochen, sie wird in Kauf genommen und erduldet. Wenn Männer die Menstruation hätten, wäre dies eventuell anders. Dennoch entsteht durch die Endometriose auch ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden.

Da so viel Zeit bis zur Diagnose und anschließender Therapie vergeht, fallen sehr viele Frauen im Job aus. Ich lag teilweise zwei Wochen im Bett und dachte, ich hätte eine Gastritis.

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So viel Lebenszeit geht verloren.

Was hast du damals gemacht, als die Beschwerden anfingen?

Ich bin erstmal zu Hausärzten gegangen, die alle auf Gastritis getippt haben. Irgendwann wurde ich zum Frauenarzt geschickt, weil man nun dachte, es sei vielleicht eine Zyste. Die Frauenärztin hat aber auch nichts gefunden …

… also bist du zum nächsten Arzt gegangen?

Ich habe es irgendwann aufgegeben und habe mir einen Heilpraktiker gesucht. Die Behandlung hat zwar die Symptome zeitweise gelindert, die Ursache hat er aber auch nicht gefunden. Währenddessen sind zehn Jahre ins Land gezogen, es war der Horror. So viel Lebenszeit geht verloren. Dabei habe ich nur die leichteste Form der Endometriose.

Tatsächlich vergehen im Durchschnitt drei bis elf Jahre, bis bei Betroffenen die Diagnose Endometriose gestellt wird. Wie kann das sein?

Bei den meisten Frauen, die Endometriose haben, ist das so. Es ist wichtig, dass die Krankheit bekannter gemacht wird. Nach meiner Erfahrung haben niedergelassene Frauenärzte leider nicht besonders viel Ahnung von Endometriose. In Hamburg gibt es zwei Endometriose-Zentren mit Spezialisten, aber normale Ärzte wissen über Behandlungsmethoden oft nicht Bescheid.

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Halten Frauen vielleicht auch zu viel aus? Dauert es deswegen unter anderem so lange, bis die Diagnose gestellt wird?

Das denke ich auch, ja. Man hat das immer im Kopf, dass man während der Regel nun mal starke Bauchschmerzen hat und damit klar kommen muss. Ich habe irgendwann gedacht, dass meine Bauchschmerzen psychosomatisch sind. Alle Ärzte haben mich immer gefragt, ob ich Stress hätte. Deswegen habe ich lange versucht, meine Psyche und meine Seele zu bearbeiten. Das hat mich in meinem Leben zwar auch weitergebracht, aber der Weg dahin war extrem schwierig.

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Hattest du schubweise Beschwerden oder konstant?

Am Ende waren es konstante Schmerzen, die immer schlimmer wurden. Ich hatte das Gefühl, ich fahre auf 20 Prozent meines Energie-Levels. Mein Leben habe ich irgendwie so eingerichtet, dass ich funktionieren konnte. Ich hatte auch ein paar Mal von Endometriose gelesen, habe es aber wegen der starken Regelschmerzen, die ich eben nicht hatte, immer beiseite geschoben.

Irgendwann konntest du nicht mehr?

In 2013 ging gar nichts mehr, ich war mehrere Male in der Notaufnahme, weil die Schmerzen unerträglich waren. Ich konnte nur noch im Bett liegen und hatte absolut keine Energie mehr. Dann habe ich mich selbst im Endometriose-Zentrum angemeldet und die Ärzte haben schließlich eine Bauchspiegelung gemacht. Endlich hatte ich die Diagnose.

Konnte dir dann schnell geholfen werden?

Nach der ersten OP ging es mir schon ein bisschen besser, aber noch nicht richtig gut. Bei mir war der Darm an die Hüfte gewachsen, Verwachsungen entstehen oft bei Endometriose durch die ständigen Entzündungen. Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass was vergessen wurde. Letztes Jahr hatte ich dann noch eine OP und seitdem geht es mir gut.

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Trotzdem ist die Krankheit nach wie vor da. Kann sie jederzeit wiederkommen?

Ja, es gibt keine wirkliche Heilung. Erst in den Wechseljahren klingen die Symptome bei den meisten Frauen ab.

Wird zu wenig in die Forschung über Endometriose investiert?

Das kann gut sein, das kann ich aber nicht beurteilen. Schulmedizinisch kann man aktuell nur operieren oder eine Hormontherapie machen, die übrigens auch viele Frauen nicht vertragen. Man kann sich auch künstlich in die Wechseljahre versetzen lassen, aber das hat auch viele Nebenwirkungen. Nach der OP steht man oft da und denkt: Und jetzt? Der OP-Bericht wird beim Frauenarzt abgeheftet und das war’s. Man weiß noch nicht mal, wie Endometriose entsteht – selbst das ist nicht erforscht …

… obwohl Endometriose die zweithäufigste gynäkologische Erkrankung bei Frauen ist.

Es gibt Frauen, die merken gar nichts von der Erkrankung – erst, wenn sie ein Kind haben wollen. Endometriose kann leider zu Unfruchtbarkeit führen.

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Wie war dein Weg mit der Krankheit?

Ich bin der Meinung, dass jede Krankheit einen – unbewussten – seelischen Hintergrund hat. Es ist hilfreich, sich diesem Hintergrund zu nähern, sei es zum Beispiel über Homöopathie oder Kinesiologie. Ich habe außerdem naturheilkundlich weitergemacht mit Sauerstofftherapien und Enzymen. Das hilft mir gut, kostet aber natürlich viel Geld und man muss alles selbst bezahlen.

Tauscht du dich mit anderen Endometriose-Patientinnen aus?

Es gibt eine Facebook-Gruppe „Hilfreiche Endometriose-Tipps“, bei der ich mich mit anderen Frauen austausche. Es gibt auch mehrere Selbsthilfe-Gruppen in Hamburg, da war ich aber auch noch nicht.

Manchmal hat man auch keine Lust mehr, sich ständig mit der Krankheit zu beschäftigen, oder? Sie ist eh omnipräsent im Alltag.

Das Schicksal anderer berührt mich sehr und ich möchte es teilweise nicht zu sehr an mich ranlassen. Ich will nicht permanent an die Krankheit denken müssen. Der Austausch ist aber wichtig.

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Hat dir auch deine Arbeit als Künstlerin dabei geholfen?

Auf jeden Fall. Kunst ist eine tolle Möglichkeit, alles rauszulassen. So entsteht am Ende sogar etwas Schönes aus dem Schmerz. Und durch die Kunst kann ich mir meinen Tag frei einteilen. Ich arbeite vormittags vier Stunden und kann mir sonst den Tag frei einteilen und so Rücksicht auf meinen Körper nehmen. Die Energie für einen 40-Stunden-Job haben Endometriose-Patientinnen oft gar nicht. Ich habe auch ein Endometriose-Kunstprojekt. Das geht aber langsam voran, weil es mir – zum Glück – sehr gut gerade geht.

Das Kunstprojekt ist eine tolle Idee, um noch mehr Aufmerksamkeit auf die Krankheit zu lenken. Es muss noch viel mehr darüber berichtet werden! Selbst bei meiner Recherche habe ich nicht viel zu dem Thema bei großen Medien finden können. Seit wann bist du künstlerisch tätig?

Die Kunst ist schon immer Teil meines Lebens, hauptberuflich mache ich es seit 2009. Ich habe mein Atelier in meiner Wohnung, was man auch stundenweise mit Material und meiner Unterstützung mieten kann. Ich bin Seminarleiterin für Ausdrucksmalerei. Letztes Jahr habe ich den Galeristen Gerd Uhlig kennengelernt und seitdem arbeiten wir zusammen. Gerade läuft in seiner Galerie meine Ausstellung „Melancholie“. Die Bilder, die ich dort ausstelle, spiegeln Momentaufnahmen meiner Gefühlswelt wider.

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Und du hast ein Buch mit Endometriose-Tipps geschrieben.

Durch die OP letztes Jahr war ich zehn Tage krank geschrieben. Mir ging es aber relativ schnell wieder gut, also hatte ich viel Zeit und habe mit dem Schreiben begonnen. Es gab einfach noch kein Buch mit Endometriose-Tipps und ich wollte meine Erfahrungen und mein Wissen, das ich im Laufe der Jahre angesammelt habe, gerne weitergeben und teilen. In dem Buch stelle ich über 50 verschiedene Maßnahmen aus den Bereichen alternative Heilmethoden, Körper- und Bewegungstherapien und Entspannung vor. Außerdem noch Möglichkeiten, den seelischen Ursachen auf die Spur zu kommen. Da es schulmedizinisch keine nebenwirkungsarmen Behandlungsmöglichkeiten gibt, finde ich es wichtig, dass die betroffenen Frauen sich auch selbst informieren und eigenverantwortlich mit der Krankheit und ihren Symptomen umgehen. Und es gibt sehr viele alternative Behandlungsformen, die äußerst hilfreich sein können.

Außerdem hast du ein Blog gestartet – was passiert hier?

Hier gibt es fortlaufend Artikel von mir, in denen ich Frauen helfen möchte, mit der Krankheit und den vielfältigen Symptomen umzugehen, sodass sie wieder mehr Lebensfreude haben.

Das hilft sicherlich vielen Frauen weiter. Vielen Dank für das Gespräch, liebe Simone!



Hier findet ihr Simone Franke:

Fotos: Pelle Buys

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13 Kommentare

  • Silvia sagt:

    Danke für diesen tollen, inspirierenden Beitrag. Ich selbst leide auch unter Endometriose. Nachdem ich vor 5 Jahren die Pille abgesetzt habe, hat es begonnen – eine Spirale aus unerträglichen Schmerzen, Schwächeanfällen und einem ständigen Krankheitsgefühl. Ich habe manchmal wimmernd und heulend tagelang im Bett gelegen, keine Schmerzmittel haben geholfen. Als ich endlich eine Frauenärztin fand, die die Diagnose stellen konnte, wurde mir einiges klarer. Meine Frauenärztin ist stark davon überzeugt, dass Verhütungsmittel und hormonell wirksame Kosmetika zu einem Großteil Schuld an der Erkrankung sind. Sieht man von hormonellen Wirkstoffen ab, kann sich der Körper durch natürliche Therapien wieder erholen. Weil die Schulmedizin mir immer wieder riet mich einer OP zu unterziehen und anschließend eine Wechseljahrstherapie einzuleiten (mit wohlgemerkt 25 Jahren!!!), habe ich mir Hilfe in der traditionellen chinesischen Medizin gesucht. Ein halbes Jahr ging ich zu Akupunktursitzungen und begann mit Yoga… heute habe ich zwar immer noch Regelschmerzen, die sind aber verschwindend gering im Gegensatz zu meinen Erlebnissen nach dem Absetzen der Pille. Inzwischen ist jede Monatsblutung ohne Schmerztabletten ein riesen Gewinn, über den ich mich wahnsinnig freuen kann. Ich rate allen, die ähnliches erleben: hört NICHT auf die Schulmedizin. Die Wechseljahrstherapien, Hormonspritzen, etc. fügen dem Körper wieder und wieder Gift hinzu, den er nicht benötigt um sich zu regenerieren. Nur wenn nichts anderes klappt, sollte man das in Erwägung ziehen.
    Passt auf euch auf!

    • Liebe Silvia,

      genauso sehe ich das auch. Schön, dass dir TCM und Yoga so gut weiterhelfen. Mir haben vor allem eine Ernährungsumstellung und die regelmäßige Einnahme von Bromelain, Kurkuma und Weihrauch geholfen.

      Alles Liebe für dich!

      Simone

  • Elisabeth Sukowski-Pfohlmann sagt:

    Ich leide seit Jahrzehnten an Verwachsungen nach 4 Bauch ops hatte ich starke Schmerzen der Darm hatte sich mit dem Bauchraum verklebt. An Lösung war nicht zu denken. Viele Tableten nichts half, dann habe ich Oxycodon genommen das einzige was half, etwas. Aber dann gab mir eine Freundin Chia Samen 1-2 Esslöffel mit Jogurt und es ging mir besser. Kein Abführmittel,
    das bläht und die Schmerzen werden schlimmer,auch kein Leinsamen. Schmerzmittel
    machen Verstopfungen und das ist Mord. Aber mit Chiasamen ist es optimal.
    Irgendwie mus ich nun noch von den Schmerzen-mitteln runter.
    Viel Glück allen.

  • Ein wunderbarer Beitrag zu einem Thema, welches leider immer noch viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommt. Immer häufiger begegnen mir Frauen in meiner Praxis bei denen es extrem lange gedauert hat bis eine Diagnose gestellt wurde. Endometriose ist so viel mehr als „nur“ Regelschmerzen und eine ganzheitliche Therapie sollte hier im Fokus stehen.

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