Trendforscherin Sabrina Shairzay analysiert, was wir morgen tragen

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26. Mai 2017
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Bevor Modeunternehmen eine neue Kollektion planen, gehen sie zunächst auf Trendrecherche: Was passiert in der Politik, Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft? Welche Themen werden in den kommenden Jahren bestimmen, wie wir leben, handeln und einkaufen? Letztlich spiegeln sich sogenannte Makro-Trends immer auch in der Mode wider. Eine Frau, deren Job darin besteht, solche Trends zu erkennen und zu analysieren, ist Sabrina Shairzay. Sie ist Head of Trend für alle Damenkollektionen bei C&A. Außerdem arbeitet sie als Head of Product Design & Development auch an der Lingerie, Nachtwäsche, Bademode und den Accessoires mit. Wir treffen Sabrina, die gebürtig aus New York kommt und in der C&A Zentrale in Düsseldorf arbeitet, zum Interview beim C&A Collection Room, dem Event, auf dem das Unternehmen seine neuesten Kollektionen präsentiert.

femtastics: Du hast Modedesign am Fashion Institute of Technology in New York studiert. Was hat dich an der Mode interessiert?

Sabrina Shairzay: Es hat mich immer fasziniert, wie sehr die Mode, die wir tragen, uns beeinflusst. Sie kann uns ein gutes Gefühl und Selbstbewusstsein geben, sie kann unsere Stimmung komplett verändern. Ich fand die Vorstellung großartig, diese Mode zu machen – vielleicht das neue Lieblings-Outfit für jemanden, den Look, in dem sich jemand total wiederfindet, oder das Outfit fürs erste Date, in dem man sich super selbstbewusst fühlt.

Hattest du als Kind schon Berührung mit dem Thema?

Meine Oma väterlicherseits hat Hochzeitskleider gemacht. Und meine Oma mütterlicherseits kann wahnsinnig gut stricken und häkeln – sie hat mir schon als ich klein war viel beigebracht. Kleidung zu machen, spielte in meiner Familie also schon lange eine Rolle.

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Sabrina zeigt mir die Trendboards, die sie im Rahmen ihrer Recherche erstellt hat.

Wie verlief dein Berufsweg vom Studium bis zur Position als „Head of Trend“?

Ich habe in allen möglichen Bereichen und Firmen gearbeitet: von Premium Denim-Brands bis zu kleinen Mode-Startups. Irgendwann bin ich vom Design in den Verkauf gewechselt – so bin ich zu C&A gekommen. Ich fand es faszinierend, den Weg eines neues Kleidungsstücks vom Design bis zum Verkauf im Store zu verfolgen.

Wie kamst du auf die Idee, in Europa zu arbeiten?

Ich war während des Studiums in Italien: Wir haben eine Partneruni in Florenz und dort habe ich studiert. Ich fand es so großartig, dass ich dachte, ich muss unbedingt nach Europa zurückkommen.

Wenn wir Trends analysieren, beginnen wir auf einer Makro-Ebene. Es geht darum, was in der Welt passiert, welche gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Strömungen erkennbar sind, und was die Art und Weise, wie Menschen leben und konsumieren, beeinflusst.

Zu deinen Aufgaben gehört es, neue Trends zu finden. Wie machst du das?

Wenn wir Trends analysieren, beginnen wir auf einer Makro-Ebene. Es geht darum, was in der Welt passiert, welche gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Strömungen erkennbar sind, und was die Art und Weise, wie Menschen leben und konsumieren, beeinflusst. Verändert sich etwas im Familienleben, in der Gender-Debatte? Das alles beeinflusst, wie wir uns kleiden – ob es uns bewusst ist oder nicht.

Welche Trends habt ihr erkannt?

Zum Beispiel den, dass die Menschen globale Reisende sind. Selbst, wenn sie in ihrer eigenen Stadt bleiben, haben sie Zugriff auf die ganze Welt. Oder sie ziehen tatsächlich häufig um, von Stadt zu Stadt, Land zu Land, Kontinent zu Kontinent. Und immer nehmen sie ihre Vergangenheit und ihre eigene Kultur mit, um darauf eine neue Zukunft aufzubauen. Daraus entsteht ein wundervoller Mix von Kulturen, Traditionen und Kunst. Und das beeinflusst definitiv auch die Mode.

Wie sieht eure Analyse praktisch aus?

Wir reisen sehr viel – innerhalb Europas, aber ebenso in die USA, nach Japan, Australien … Und natürlich besuchen wir die wichtigsten internationalen Modemessen. Diese ganze gesammelte Information nehmen wir mit zurück ins C&A Büro und analysieren, welche von diesen Trends für unsere Marke und unsere Kundin relevant sind. Zusammen mit unserem Kreativteam erstelle ich dann Moodboards, entwickelte Silhouetten, Farben, Materialien – und so entsteht Schritt für Schritt eine Kollektion.

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Was ist die größte Herausforderung, für eine so große Modemarke wie C&A zu arbeiten?

Wie bedienen den kompletten europäischen Modemarkt – und es ist gar nicht leicht, Mode zu entwickeln, die sich in so vielen unterschiedlichen Ländern gut verkauft. Wir müssen die unterschiedlichen Kulturen, Körpergrößen, Körperformen und Trends in den jeweiligen Ländern berücksichtigen. Das ist total spannend.

Wie stellt ihr sicher, dass die Kleidung Frauen mit unterschiedlichen Körperformen und -größen passt?

Wir machen die Fittings immer an vielen unterschiedlichen Frauen in allen Größen, um zu sehen, wie die Kleidung an ihnen aussieht. Besonders bei der Lingerie ist das sehr wichtig, aber genauso bei Kleidern, Jacken und so weiter. Wir wollen nicht nur Modelgrößen bedienen, sondern reale Größen.

Wir machen die Fittings immer an vielen unterschiedlichen Frauen in allen Größen, um zu sehen, wie die Kleidung an ihnen aussieht.

Kannst du uns ein Beispiel für einen Trend, den ihr erkannt und übertragen habt, nennen?

Heute zeichnen sich viele Parallelen zu den siebziger Jahren ab: die feministische Bewegung, ein politisches Bewusstsein und politische Demonstrationen. Junge Menschen heute lassen sich außerdem von den Siebzigern inspirieren, zum Beispiel von der Musik, dem Interior Design und Filmen – natürlich sind bei solchen nostalgischen Betrachtungen immer nur einzelne Aspekte wichtig. … Auch wir haben uns von den Siebzigern für C&A inspirieren lassen, haben uns Modearchive angesehen und einzelne Elemente aufgegriffen, wie zum Beispiel Samt, Rüschen und Glamour-Looks.

Wie lange dauert der Prozess von der Trendrecherche bis zum Design einer neuen Kollektion eigentlich?

Je nachdem, um welche Kollektion es geht, zwischen wenigen Monaten bis zu einem Jahr. Kollektionen, in die viel technische Entwicklung und Arbeit am perfekten Schnitt einfließt, wie Lingerie und Business-Mode, brauchen mehr Zeit.

Wir blicken bis zu zehn Jahre in die Zukunft.

Und wie weit in die Zukunft blickt ihr bei eurer Trendrecherche?

Wir blicken bis zu zehn Jahre in die Zukunft. Die beschriebenen Makro-Trends schauen wir uns immer in einem zehnjährigen Kreislauf an – dabei geht es nicht immer um revolutionäre Veränderungen, sondern oft um langsame Entwicklungen. Nachhaltigkeit, zum Beispiel, ist schon lange ein Trend. Es ist kein Buzzword mehr, sondern eine Lebenseinstellung. Dasselbe gilt für Textilien und alles Haptische als Gegentrend zur digitalen Welt: die Menschen wollen etwas zum Anfassen, etwas Greifbares.

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Wie steht es um Trends wie Nachhaltigkeit, Naturliebe und DIY – diese Trends werden nicht wieder verschwinden, oder?

Nein, sie haben sich etabliert und bleiben erhalten – in dutzenden Ausführungen, vom Gärtnern über Mindfulness und Yoga bis zu Umweltaktivismus; aber die Herangehensweise an diese Themen verändert sich immer wieder. Das ist so interessant daran. Zurzeit geht es zum Beispiel um die Frage, was neue Technologien für die Natur tun können. Welche neuen Technologien fürs Recycling, für die Wasseraufbereitung, für nachhaltige Produktion gibt es? Technik und Natur sind keine Gegentrends mehr, sie vereinen sich.

Frauen haben Power, aber sie müssen sich nicht mehr als Männer verkleiden, sie dürfen feminin sein, wenn sie wollen.

Welche Trends spielen dieses Jahr in der Mode eine zentrale Rolle?

Der DIY-Trend und die Wiederentdeckung des Handwerks zeigen sich auch in der Mode, zum Beispiel in Form von Tayloring, Verzierungen, Stickereien und aufwändigen Details. Dinge, die nur von Hand und mit einigem Know-How gemacht werden können. Außerdem spielt der „Power-Anzug“ für Frauen wieder eine Rolle – wie in den 80ern, mit starken Schultern und guten Schnitten, aber femininer als damals. Das hängt mit der female Empowerment-Bewegung, starken Frauen und Feminismus zusammen. Frauen haben Power, aber sie müssen sich nicht mehr als Männer verkleiden, sie dürfen feminin sein, wenn sie wollen. Dasselbe gilt für Rüschen, die gerade überall in der Mode sind: sie sind feminin und verspielt, aber in den aktuellen Designs gleichzeitig taff und stark.

Bist du eigentlich permanent auf Trendsuche?

(lacht) Als Kreativer arbeitet man irgendwie ja immer die ganze Zeit – ich achte immer darauf, was Leute tragen und sammle permanent Inspiration und Ideen. Inspiration ist überall: Musik, Filme, Kunst, Streetstyle, neueste TV-Serien, alle Bereiche der Kreativbranche … man entdeckt überall Schönheit, die ausschlaggebend für neue Ideen ist. Ich mache mir andauernd Notizen in meinem iPhone, mache Fotos mit dem Handy und ergänze mein persönliches Archiv.

Vielen Dank für das interessante Gespräch, Sabrina!

 

Fotos: Cream digital pictures – Düsseldorf

 

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2 Kommentare

  • Mode ist für mich etwas sehr `persönliches´, denn es geht ja schließlich um die Frage:
    `Was ziehe ich an, wie möchte ich aussehen´.
    Insofern tragen wir alle und insbesondere auch die Jugend zur Mode bei, indem wir uns individuell für etwas entscheiden.
    Und da ist bei vielen vor allem jungen Leuten schon Kreativität angesagt.
    Und so wie Sabrina schon sagt:
    `ich achte immer darauf, was Leute tragen und sammle permanent Inspiration und Ideen. Inspiration ist überall..´.
    Fazit:
    Mode darf nicht zu einem Geschäft entarten, sondern sollte aus dem Leben kommen.
    Ich habe einmal über Mann in Mode (Fotos wurden leider entfernt) und eine Bloggerkollegin Sabrina geschrieben, und das hat mir so viele nette neue Leser eingebracht. Falls erlaubt, würde ich das hier gern teilen, weil Sabrina eine sehr nette Person ist:
    https://4alle.wordpress.com/?s=Mode&submit=Los
    Vielen Dank!
    Jürgen aus Loy (PJP)

  • Jana sagt:

    Ich sitze gerade am Flughafen und komme frisch aus NYC – ebenfalls voller Inspirationen aus den Bereichen Food & Fashion und voller Vorfreude, diese vom
    Kopf auf die Straße bzw. in die Küche zu bringen! Somit kann ich gut nachvollziehen, dass das Reisen eine unverzichtbare Kreativquelle ist! Lustigerweise hatten wir genau zu dem Thema (Upcoming Fashiontrends) ein interessantes Gespräch mit unserem Airbnb Host, der Modedesigner einer amerikanischen Fashionmarke ist – super spannend!

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