Traumhaus = Glück? Yoga-Lehrerin Zahra Lindenblatt über Herausforderungen und Veränderungen

Mann, Kinder, Haus mit Garten – was in manchen Ohren nach der ultimativen Glücksformel klingt, war auch das Lebenskonzept der Yoga-Lehrerin Zahra Lindenblatt. Sie hat eine wunderschöne Jugendstilvilla aufwendig über Jahre saniert. Aber wie so oft verläuft das Leben nicht linear und hält immer Veränderungen und Überraschungen parat. Warum Zahra sich trotz Bilderbuchleben in einem Umbruch befindet, ein Haus vielleicht doch nicht der Schlüssel zum Glück ist und wie Yoga ihr hilft, bei sich zu bleiben, das erzählt sie uns an einem Vormittag in Stade.

femtastics: Du hast eine Jugendstilvilla in Stade saniert. Wolltest du unbedingt hier hin?

Zahra Lindenblatt: Ich komme ursprünglich aus Stade, aber ich wollte hier nicht wieder hin. Mein Ex-Mann arbeitete damals aber in der Nähe und prompt haben wir dieses über 100 Jahre alte Haus mit dem riesigen Grundstück gefunden. Es war eine absolute Ruine, die Fenster waren mit Brettern vernagelt und wir mussten drei Schichten Boden entfernen. Die komplette Fassade haben wir ebenfalls neu gemacht.

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Das Haus ist über 100 Jahre alt und musste aufwendig saniert werden

Wie lange hat es gedauert, bis ihr einziehen konntet?

Es hat zwei Jahre gedauert, bis das Haus in einem einigermaßen bewohnbaren Zustand war. Wir sind aber bereits nach einem halben Jahr eingezogen und wohnten auf einer Baustelle. Jedes Wochenende mussten wir was am Haus machen. Wir haben sehr viel selber gemacht.

Femtastics-Zahra-Lindenblatt-InterviewZahra hat für uns Kuchen besorgt – ihr Lieblingskuchen seit Kindertagen.

 

Warum kann ich es nicht genießen, ein Badezimmer selbst auszusuchen?

Viele Hausbesitzer genießen genau das – dass sie alles selbst entscheiden und gestalten können.

Ich habe mich gefragt, warum kann ich es nicht genießen, ein Badezimmer selbst auszusuchen? Aber in der Situation selbst war ich oft überfordert von den Preisen versus unserem Budget. Wenn man sich wirklich liebt, schafft man diese Herausforderung vielleicht – auch mit Freude. Aber über all dem Stress und mit zwei kleinen Kindern ist die Beziehung kaputt gegangen.

Weil ihr zu wenig Zeit für euch hattet?

Viele Freunde haben uns vor der Belastung gewarnt und tatsächlich sind wir in ganz unterschiedliche Richtungen gegangen. Ich würde nie wieder ein Haus kaufen und sanieren. Es hört auch nie auf: irgendwas gibt es immer am Haus zu tun. Manchmal bin ich so unentspannt, weil mich diese ganzen unfertigen Ecken stören. Hier hilft Yoga mir, mich zu entspannen. Denn eigentlich ist all das egal.

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Im Hintergrund: ein Foto aus der Reihe „Dancing Shoes“ von Gerrit Starczewski.

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Warum kann ich den Traum nicht sehen?

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Es ist immer noch das Klischee vom vermeintlichen Glück: Heiraten, Kinder und dann das Eigenheim.

Wir bekommen das so vorgefertigt und wenn wir es so nicht leben, denken wir, dass wir scheitern. Genau wie diese Idee: einfach die Tür aufmachen und deine Kinder können im Garten spielen. Als ich das getan habe, haben mich meine Kinder nur groß angeschaut und nicht verstanden, warum ich nicht mit nach draußen komme. Sie waren es gewohnt, dass wir zusammen auf den Spielplatz gehen und ich andere Mütter treffe.

Dass du dir eingestanden hast, dass du unzufrieden bist, und deine Entscheidung durchgezogen hast, ist sehr mutig.

Ich stand irgendwann vor meinem Fenster mit Blick in den Garten und habe mich gefragt: Warum kann ich den Traum nicht sehen? Ich fand es äußerlich schön, hatte aber innerlich kein Glücksgefühl. So habe ich gemerkt, dass meine Beziehung kaputt ist. Das hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich musste es mir eingestehen und meinem Mann, den Kindern, der Familie und den Freunden sagen.

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Die Kunstwerke in der Küche stammen von Zahras Söhnen.

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Es gibt viele Familien, die das vermeintlich perfekte Bild weiterleben.

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Ein schwerer Schritt, den sicherlich nicht jede(r) schafft.

Es gibt viele Familien, die das vermeintlich perfekte Bild weiterleben. Ich denke, dass es sich irgendwann rächen wird, denn diese Menschen leben nicht das Leben, was sie eigentlich leben wollen. Manchmal denke ich, ich hätte etwas falsch gemacht. Aber eigentlich bin ich glücklich. Meine Kinder haben einen tollen Papa und wir schauen jetzt einfach, was kommt.

Jetzt wohnt dein Mann im oberen Teil des Hauses und du unten mit den Kindern. Ist das Zusammenleben unter einem Dach in eigenen Bereichen für euch eine gute Lösung?

Anfangs war es das, weil die Trennung langsam ging. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch und habe nach wie vor ein gutes Verhältnis zu meinem Mann. Aber es hemmt einen natürlich auch, sein eigenes Leben weiterzuführen. Ich würde gerne wieder zurück nach Hamburg ziehen.

 

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Alte Kachelöfen finden sich in fast jedem Zimmer der Jugendstilvilla.

 

Du hast eben gesagt, dass Yoga dir hilft, dich zu entspannen. Hat Spiritualität schon immer eine Rolle in deinem Leben gespielt?

Es hat mich immer interessiert, lief aber eher im Hintergrund. Meine Räucherstäbchen fanden immer alle doof. Als ich schwanger wurde, merkte ich, dass Yoga mir sehr gut tut. Ich wollte unbedingt ausgeglichen und keine von den motzenden und überforderten Müttern sein. Wobei ich das inzwischen sehr gut verstehen kann.

Ich war schnell reizbar, was sich durch Yoga total geändert hat.

Yoga hat dich ruhiger gemacht?

Ich war schnell reizbar, was sich durch Yoga total geändert hat. Ein Freund von mir war damals bei einem Guru in Indien und hat sich total zum Positiven geändert. Als der Guru nach London kam, bin ich sofort hingeflogen und habe mich in die Meditation initiieren lassen. Mein Ex-Mann war damals dabei und hat mir meinen Sohn immer zum Stillen reingebracht.

 

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Femtastics-Zahra-Lindenblatt-Wohnzimmer-Kamin

 

Was fasziniert dich am Meditieren?

In meinem Leben ist schon ganz viel passiert. Meditieren ist für mich das Werkzeug, mich wieder gut zu fühlen. Und dieses Werkzeug ist in mir drin. Oft gerate ich ins Straucheln, aber wenn ich regelmäßig meditiere, können mich äußere Einflüsse nicht so umhauen. Ich werde nicht gleichgültig, aber gleichmütig.

Ist dir das Meditieren leicht gefallen?

Überhaupt nicht. Ich kriege es oft nicht hin, es rattert alles durch. Mein großes Thema ist natürlich die Trennung mit zwei Kindern und das eigentlich idyllische Bild mit tollem Haus. Ich habe mich neu verliebt und das ist eine Sache, bei der man sich schuldig fühlt. Es ist wichtig, das von oben beobachten zu können.

 

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Zahra unterrichtet zweimal in der Woche Yoga.

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Ich liebe es, eine Bifi an der Raststätte zu essen und bin trotzdem Yoga-Lehrerin.

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Was ist deine Philosophie beim Yoga?

In Indien kannst du Yoga voll leben, hier integrierst du es in deinen Alltag. Ich liebe es, eine Bifi an der Raststätte zu essen und bin trotzdem Yoga-Lehrerin. Ich möchte keine Mutter Teresa sein, aber ich möchte schon authentisch Gutes weitergeben. Generell mache ich Yoga für mich. Deswegen kann ich mir auch keinen Instagram-Kanal vorstellen, ich möchte das nicht vermarkten. Die Yogis, die ich kenne, brauchen das auch gar nicht.

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Im Garten: Trampolin, Schaukel, Rutsche, Bagger, … man sieht, dass hier eine Familie lebt.

War dir nach London sofort klar, dass du Yoga beruflich machen willst?

Nein, ich habe dann erstmal noch ein zweites Kind bekommen und habe das Haus saniert. Dann habe ich das Theaterprojekt „Ghetto Kids“ mit Kindern gemacht, die das Stück selber geschrieben haben. Und ich habe Theater in einem Frauengefängnis gemacht. Inspiriert dazu hat mich der Yogalehrer Dieter Gurkasch, ein ehemaliger Häftling, der wegen Mordes saß und im Gefängnis Yoga-Unterricht gegeben hat. Ich habe dann selber wieder mehr Yoga gemacht. Irgendwann habe ich mich für die Ausbildung zur Yogalehrerin in Hamburg entschieden – ich würde total gerne irgendwann Yoga im Gefängnis unterrichten.

Das ist ein toller Plan, wir drücken dir die Daumen und danken dir für das Gespräch!

 

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Hier findet ihr Zahra:

Fotos: Nassim Ohadi

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