Sumina Studer erobert mit 21 als Violinistin die Welt

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29. Juni 2018

Während viele Studenten ihre freie Zeit vor allem in Kneipen, im Bett oder auf Partys verbringen, bereist Sumina Studer die Welt, um in Tokio, Salzburg oder Taipei auf der Bühne zu stehen. Seit ihrem fünften Lebensjahr spielt die halb-schweizerische und halb-japanische Sumina Violine. Heute studiert die 21-Jährige in Berlin an der Hochschule für Musik, ist Stipendiatin der Deutschen Stiftung Musikleben und Preisträgerin internationaler Wettbewerbe. Eine beeindruckende Vita, die nicht nur auf Gleichaltrige Druck ausüben könnte. Auch Sumina kennt ehrgeizige Eltern und Mitstreiter, die alles für ihren Sieg tun. Wie sie es trotzdem geschafft hat, sich in der Welt der klassischen Musik durchzusetzen? Wir haben die junge Violinistin in ihrer Wahlheimat Berlin besucht und mit ihr über ehrgeizige Eltern, die Ehre, auf einer Geige aus dem Jahr 1774 zu spielen, und ihre Zukunftspläne gesprochen.

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femtastics: Was bedeutet dir Musik?

Sumina Studer: Es gibt ein Sprichwort, das total auf mich zutrifft: „Musik ist eine universelle Sprache“. Es ist nicht einfach Musik, sondern eine Art sich auszudrücken.

Wie kamst du zur Violine?

Meine ganze Familie besteht aus Musikern. Meine Schwester ist fünf Jahre älter als ich und Cellistin. Meine Mutter ist Sängerin, mein Vater Pianist. Es war also schon immer klar, dass ich früher oder später ein Instrument spielen oder singen werde. Als Kind bin ich mit meiner Mutter am Schaufenster eines Musikladens vorbeigegangen und habe eine Geige gesehen. Dieses Spielzeug wollte ich haben. Ich bekam tatsächlich eine von meinen Eltern geschenkt und im Alter von fünf Jahren habe ich angefangen zu spielen.

Ich bekam meine erste Geige von meinen Eltern geschenkt als ich fünf Jahre alt war.

Welche Rolle haben deine Eltern bei der Entscheidung gespielt?

Die Wahl des Instruments war nicht die Entscheidung meiner Eltern. Sie waren diejenigen, die mir die Musik ins Blut gegeben haben. Ohne sie wäre ich wahrscheinlich gar nicht so stark mit Musik in Kontakt gekommen.

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Spielst du auch andere Instrumente?

Vor der Geige habe ich es mit Klavier versucht, aber das hat nicht geklappt. Meine Eltern haben beides mit mir geübt. Meine Lehrerin sagte aber, wenn ich auf der Geige gut werden möchte, muss ich mehr Zeit investieren. Meine Mutter war von ihren Worten überzeugt und so konzentrierte ich mich auf ein Instrument. Für mich ist es nicht das Instrument selbst, sondern die Musik. Ich wäre vielleicht genauso glücklich gewesen mit einem Klavier, aber letztlich bin ich froh, dass es die Geige ist.

War für dich schon immer klar, dass du das beruflich machen willst?

Nein, aber früher habe ich an gar nichts Anderes gedacht, weil es das war, was ich am besten kannte und konnte. Ich konnte zum Beispiel nicht so gut Ballett tanzen. Es kam dann jedoch eine Phase in meinem Leben, in der ich das Geigespielen in Frage gestellt habe. In meiner Zeit als Teenager habe ich gemerkt, dass es da draußen noch andere Sachen gibt, die ich machen könnte. Aber mir ist sehr schnell klar geworden, dass ich gar nichts Anderes will und wahrscheinlich auch kann. Also entschied ich mich, Musik zu studieren.

Wieso bist du dem Geigespielen in deiner Jugend treu geblieben?

Ein Kind übt normalerweise nicht stundenlang am Tag, sondern will lieber rausgehen. Um wirklich etwas aufzubauen, braucht es schon die Eltern, die einen dazu bewegen. Am Anfang waren sie es, die mir geholfen und an mich geglaubt haben. Diese Ermutigung war bis zum heutigen Tag essentiell.

Wenn man aus einem asiatischen Elternhaus kommt, steht man unter einem sehr großen Druck.

Hat sich die Unterstützung deiner Eltern manchmal auch wie eine Belastung angefühlt?

Ja, total. Das geht auch vielen meiner Freunde so, die ebenfalls Musiker sind, und es hilft, darüber zu sprechen. Wenn man aus einem asiatischen Elternhaus kommt, steht man unter einem sehr großen Druck. Ich möchte meine Eltern nicht enttäuschen. Was ich letztlich aber gelernt habe, ist, dass ich meine Eltern nur enttäusche, wenn ich mich selber enttäusche. Mit dem Druck lernt man umzugehen. Trotzdem gibt es natürlich Momente, in denen man nicht üben möchte. Ich spiele so gerne Geige, ich liebe es. Aber zu üben, macht eben nicht immer Spaß. 

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Wie bist du nach Berlin gekommen?

Berlin ist im Bezug auf klassische Musik eine Metropole. Nicht nur historisch gesehen, auch heute leben hier noch einige der besten Musiker. Zudem gibt es hier einige der besten Orchester der Welt: die Berliner Philharmoniker und das Konzerthausorchester. Das beinhaltet Möglichkeiten, die man nicht überall bekommt. Als ich 17 war, habe ich meine jetzige Lehrerin Antje Weithaas kennengelernt und sie lebt in Berlin. Außerdem hat meine Schwester hier sowieso schon gelebt und deshalb war für mich klar, dass ich auch herziehe. Mit ihr hat es mir so gut gefallen, dass es ein natürlicher Schritt war, herzukommen. 

Wie sieht dein Alltag jetzt aus?

Ich gehe ganz normal zur Schule in den Unterricht und zu Proben mit Pianisten oder Kammermusik. Aber letztlich ist das Üben die Hauptsache. 

Du hast mit deinen jungen Jahren schon viele Preise gewonnen und bist auf großen internationalen Bühnen aufgetreten. Was ist bisher dein größter persönlicher Erfolg?

Beim Geigespielen wurde mir unglaublich geholfen, von meinen Eltern, meiner Schwester, von Freunden, die mir Tipps geben, und natürlich von meinen Lehrern, mit denen ich bisher studiert habe. Worauf ich aber wirklich sehr stolz bin, ist das, was ich selbst gemacht habe: meine Social-Media-Welt aufzubauen. Weil es ein Weg ist, mit Menschen in Kontakt zu treten, die nicht unbedingt mit Geige oder Musik zu tun haben. Ich bin stolz auf vieles, ich glaube, das darf ich sagen – aber das, was ich ganz allein auf die Beine gestellt habe, ist mein Social-Media-Netzwerk. 

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Das Interview führt femtastics-Autorin Lea Braskamp.

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Wie groß ist der Konkurrenzkampf bei Musikwettbewerben?

Oh mein Gott, es ist ermüdend. Der Druck ist sehr groß! Der Druck kommt am Ende aber von einem selbst, es ist nicht unbedingt die Außenwelt. Vor allem bei internationalen Wettbewerben spürt man das sehr. Da nehmen Menschen teil, die aus der ganzen Welt anreisen und sie tun alles dafür, um zu gewinnen – auch mit Ellenbogeneinsatz. Für mich ist das immer eine Lernerfahrung. Einen Preis zu gewinnen, ist natürlich toll, aber am Ende geht es um den Musiker in mir. Ich bin kein Wettpferd, ich kann kein Rennen gewinnen. Dazu gibt es auch ein Sprichwort von dem Komponisten Bartók, der sagte: „Wettbewerbe sind für Pferde, nicht für Künstler“. 

Hast du vor großen Auftritten noch Lampenfieber?

Ja, aber mit der Zeit ist es wie ein Adrenalinschub, ohne den es gar nicht mehr gehen würde. Ich glaube, ohne ihn würde ich auf der Bühne einschlafen. Gegen Nervosität hilft es, eine Routine zu entwickeln. Ich esse zum Beispiel Schokolade und eine Banane 30 Minuten bevor ich auf die Bühne gehe. 

Verlorene Wettbewerbe machen bei Musikern oft 90 Prozent ihrer Karriere aus. Aber darüber reden sie nicht.

Wie gehst du damit um, wenn du mal nicht den ersten Platz bei einem Wettbewerb belegst?

Das passiert sehr oft, bei allen Musikern. Sie würden natürlich auf keinen Fall in ihren Biografien schreiben, dass sie an Wettbewerben teilgenommen, aber nicht gewonnen haben. Dabei macht das oftmals 90 Prozent ihrer Karriere aus. 90 Prozent der Wettbewerbe verliert man, aber nur über die 10 Prozent gewonnene Wettbewerbe spricht man. Deswegen ist es total normal, nicht zu gewinnen, und man muss lernen, damit umzugehen. Mir hilft es zu wissen, dass ich nicht die einzige bin. Erst kürzlich bin ich bei einem Wettbewerb nach der ersten Runde rausgeflogen. Am Abend war mir so langweilig, dass ich alle angeschrieben habe, die es wie ich nicht weitergeschafft haben. Wir sind dann zusammen ausgegangen und hatten eine tolle Zeit. Diese Erinnerung bleibt.

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Sumina mit ihrem Geigenkasten unterwegs in Berlin

Hat man es als junge Frau schwer, sich in der Branche zu behaupten?

Ja und Nein. Sexismus ist schon präsent. Fast alle Dirigenten sind Männer. Aber langsam haben auch mehr Frauen in der klassischen Musik Erfolg. Es ist interessant, wie Frauen präsentiert werden: Sie tragen diese tollen Kleider, sind optisch schön anzusehen … Daran ist nichts falsch, aber auch hier gibt es eine passende Redewendung: Wenn eine Frau erfolgreich, aber weniger attraktiv ist, dann ist sie wirklich toll auf dem Instrument! Anders gesagt: Als Frau hat man es schon schwerer und wird oft sehr nach seinem Äußeren beurteilt. Aber das passiert leider in vielen Branchen noch zu oft.

Hattest du denn selber schon einmal mit dem Thema Sexismus zu tun?

Ich persönlich noch nicht, ich hatte bisher Glück. Von vielen Freunden höre ich, wie es bei ihnen abläuft. Das ist teilweise total unfair. Man arbeitet so hart und dann gerät man in eine Situation, in der man sich selber hintergehen muss oder es eben nicht tut und dann nicht den nächsten Karriereschritt macht.

Wie verschaffst du dir in der Branche als junge Frau Gehör?

Durch die sozialen Kanäle habe ich die Möglichkeit, meinen Charakter und mein Können zu zeigen. Ich finde, es gibt schon genug Leute, die die sozialen Netzwerke benutzen, um Oberflächliches zu zeigen. Daher ist es für mich total wichtig, mit meiner Insta-Family, wie ich sie nenne, eine Beziehung aufzubauen. Es geht in den Netzwerken nicht nur darum, sich zu vergleichen. Es geht darum, inspiriert zu sein – und dazu versuche ich beizutragen.

Würdest du dich als Perfektionistin bezeichnen?

Nein, nicht unbedingt. Es gibt Leute, die schlimmer sind. Aber ich habe schon hohe Ansprüche an mich. Das wurde mir einfach beigebracht, dass man nicht zu schnell zufrieden ist. 

Femtastics-Sumina-Studer-Interview

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Hattest du auch schonmal einen Blackout auf der Bühne?

Ja, aber das ist schon einige Jahre her. Das passiert mir, wenn ich nicht genug geübt habe.

Wie bist du mit der Situation umgegangen?

Das ist blöd. Manchmal muss man dann neu anfangen oder man wurschtelt sich durch. Aber das passiert wirklich so vielen Leuten. Vor ein paar Monaten war ich bei einem Konzert von einer Violin-Legende. Seit bestimmt 30 Jahren zählt er zu den Besten. Während des Konzertes hatte er einen totalen Blackout und musste das Stück neu beginnen. Das passiert einfach jedem, da kann man sich nicht zerreißen, das wäre unmenschlich. 

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Hast du ein Vorbild?

Viele Menschen sind meine Vorbilder. Meine Familie ist ganz vorne. Einfach, weil sie mir so viel beigebracht haben. Zum Beispiel, dass man mit Arbeit viel erreichen kann.

Wenn du eine Person aus der Vergangenheit treffen könntest, wer wäre das?

Ich würde wahnsinnig gerne Miles Davis kennenlernen und mit Bach schwatzen. Ich will einfach wissen, was der genau gedacht hat. Heutzutage gibt es so viele unterschiedliche Arten, seine Musik zu spielen und jeder hat eine andere Meinung – und ich will wissen, was er wirklich wollte. Jemand Anderes, von dem ich oft denke, ich müsste ihn kennenlernen, ist der Komponist Prokofjew. Ich glaube, der hatte einen super Humor und es wäre echt lustig, mit ihm Tee zu trinken. 

Als Stipendiatin hast du die Ehre, auf einer Violine von Lorenzo Storioni aus dem Jahr 1774 zu spielen – was bedeutet dir das?

Das ist eine große Ehre. Das ist ein Stück Geschichte, das ich täglich berühren darf. Es ist unglaublich, dass es solche Stiftungen wie die Deutsche Stiftung Musikleben gibt, die das für junge Musiker und nicht nur für Musiker ab 30 oder 40 Jahren ermöglicht. Man lernt einfach so viel, wenn man auf solch einem Instrument spielt. Ich nenne die Geige Mr. Storioni, weil sie ein alter Italiener ist und es ist nicht immer einfach ist, auf ihr zu spielen. Sie hat einen eigenen Charakter. Wenn das Wetter oder die Feuchtigkeit in der Luft nicht stimmt, dann hat die Geige etwas dagegen. So lerne ich unglaublich viel und dafür bin ich sehr dankbar.

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Du reist viel, hast viele Auftritte, bleibt da noch Zeit für ein Privatleben?

Auf jeden Fall. Aber ich glaube auch, dass es in unserer Zeit einfacher ist als noch vor 20 Jahren ohne Facetime und Whatsapp.

Du wohnst mit deinem Freund zusammen, der auch Musiker ist. Wie wichtig ist es, dass er auch aus der Musikbranche kommt?

Wir haben uns in Berlin über gemeinsame Freunde kennengelernt. Es erleichtert vieles, dass er selbst ein erfolgreicher Musiker ist. Er geht selbst durch das, was ich durchmache, aber auf einem noch viel extremeren Level. Er ist noch viel mehr unterwegs, da er nicht studiert und an keinen Ort gebunden ist. Daher hat er auch Verständnis für meine Situation.   

Im August ziehe ich nach New York, wo ich meinen Master bei Sylvia Rosenberg an der Juilliard School machen werde.

Wo siehst du dich in zehn Jahren?

Erst einmal ziehe ich im August nach New York, wo ich zwei Jahre lang meinen Master bei Sylvia Rosenberg an der Juilliard School machen werde. Zuerst muss ich im Juli aber mein Studium hier abschließen, dann mein Studium dort. In zehn Jahren bin ich 31 Jahre alt. Hoffentlich habe ich dann ein stabiles Einkommen, weil ich auf jeden Fall eine Familie gründen möchte. Aber dazu muss ich erst Geld verdienen. Und ich hoffe, dass ich auch dann noch mit Musik den Alltag anderer Leute bereichern darf.

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Was ist dein größter Traum für die Zukunft?

Ich habe viele Träume, aber mein größter Traum ist es, dass mehr Leute ein offeneres Verständnis für Dinge haben, mit denen sie nicht unbedingt aufgewachsen sind – und dass ich Menschen mit meiner Musik glücklich machen kann.

Das klappt bestimmt! Lieben Dank für das nette Gespräch.

 

Hier findet ihr Sumina Studer:

   

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