Suzie Grime reclaimt den Feminismus

Sie kifft sich einen rein und präsentiert uns dabei neue Gadgets. Sie nimmt uns mit zu ihrer Brust-Op und ist Feministin durch und durch. Warum auch nicht? Suzie Grime, 25, ist auf dem guten Weg, unser Lieblingsprachrohr der neuen Generation junger Feministinnen zu werden: inklusive messerscharfen Ansagen und rattenscharfem Style. In Belgien aufgewachsen, studiert sie Modejournalismus in Düsseldorf und zieht danach sofort nach Berlin. Hier schreibt sie für VICE, ist Video Producerin bei Yeay und betreibt natürlich ihren eigenen Youtube-Kanal. Warum sie sich Sorgen um Männer macht und was die neue Generation an Feministinnen ausmacht, erzählt sie uns in ihrer Mittagspause in Berlin.

Das Witzige ist ja, dass nicht nur Frauen den Feminismus brauchen, sondern Männer ganz insbesondere.

femtastics: Gab es schon mal einen Moment, in dem du gern ein Mann gewesen wärest?

Suzie Grime: Ganz banal jedes Mal, wenn ich im öffentlichen Raum pinkeln muss. Sich galant irgendwo hinzustellen und das Ding auszupacken ist schon nice.

Wir können zur Fusionella greifen.

Das ist doch fies. Tut man das danach wieder in die Handtasche? Und dann tröpfelt dein Pipi da rein?

Ne, man braucht ganz viele davon auf Tasche.

Auf jeden Fall denke ich nie in konkreten Situationen, dass ich jetzt gern ein Mann wäre. Eher retrospektiv. Wenn ich als Frau nicht ernst genommen wurde, Männer mir ständig dazwischen quatschen oder mir generell nicht zugehört wird. Vielleicht wäre es schon öfters gut gewesen, wenn ich ein Mann gewesen wäre und andere Männer mich ernster genommen hätten.

Noch besser wäre es, wenn sie das auch so machen würden.

Natürlich! Aber generell bin ich gerne eine Frau.

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Müssen wir uns Sorgen um die Männer machen? Soziologen schlagen Alarm, dass die Männer ihren Platz neben der Frau nicht mehr finden.

Ich mache mir auf jeden Fall Sorgen um die Männer. Das Witzige ist ja, dass nicht nur Frauen den Feminismus brauchen, sondern Männer ganz insbesondere. Die Unterdrückung des Mannes steht im direkten Zusammenhang mit der Unterdrückung der Frau. Männer dürfen keine Gefühle zeigen. Männer dürfen nicht weinen. Männer müssen immer hart sein, die Versorger sein, das Geld bringen und keine Schwäche zeigen. Sonst kommt sofort die Beleidigung: Du bist schwul. Was ist die Definition von schwul? Ein Mann, der irgendwie feminin ist.

Ich finde es auch so schade, dass Heteromänner oft ganz stark antifeministisch sind und sich im gleichen Satz beschweren, worunter sie alles in unserer Gesellschaft leiden müssen. Den Zusammenhang verstehen sie aber nicht.

Eine starke Frau kann alles sein, was sie möchte – ob Pornodarstellerin oder Rechtsanwältin – solange sie dafür einsteht.

Wie definierst du eine starke Frau?

Eine starke Frau ist eine Frau mit Rückgrat, die für sich und ihre Träume einsteht, diese verwirklicht, durchzieht und sich nicht darum kümmert, was die Gesellschaft davon denkt. Sie gibt sich nicht irgendwelchen Stereotypen hin. Eine starke Frau kann alles sein, was sie möchte – ob Pornodarstellerin oder Rechtsanwältin – solange sie dafür einsteht.

Wer ist dein Role Model?

Meine Mama war und ist mein einziges Vorbild gewesen und wird es auch immer sein. Meine Eltern haben sich getrennt als ich drei Jahre alt war. Meine Mutter war Studentin und hatte sehr wenig Geld. Sie hat damals aus Sperrmüll Spielzeug für mich gebaut. Sie war eine Löwenmama und hat immer für uns gekämpft. Wir hatten ein Gemeinschaftsklo mit anderen Bewohnern im Haus. Aus dieser Scheiße hat sie sich hochgearbeitet und hat mittlerweile vier Werbeagenturen, betreibt Foto-Studios und macht krass viel Geld. Sie hat ein Imperium aufgebaut – aus dem Nichts. Das bewundere ich bis heute.

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Meine Mama war und ist mein einziges Vorbild.

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Du stehst für eine neue Generation junger Feministinnen – inklusive krassem Style, Brustvergrößerung und Co. Was macht diese Generation noch aus?

Die neue Generation an Feministinnen macht vor allem aus, dass sie Dinge reclaimen, die klassisch als antifeministisch gelten. Ob das nun Schönheitschirurgie ist, die Farbe Rosa oder eben Dinge, die typisch girly sind. Oder, dass es mittlerweile kein Widerspruch mehr ist, wenn sich eine Frau gern mit Schminke auseinandersetzt. Das Bild der Feministin aus den Siebziger Jahren, die unrasiert ist, Birkenstocks trägt und ihren BH verbrennt, das ist nicht mehr zeitgerecht. Es gibt so viel Untergruppen des Feminismus, dass man gar nicht mehr sagen kann: Das ist jetzt Feminismus und das ist nicht Feminismus.

Das Reclaiming der Farbe Rosa ist ein gutes Beispiel. Die Rapperin Brooke Candy hat zum Beispiel das Wort Slut gereclaimt und sagt eben: Ja, ich bin eine Schlampe. Das finde ich sehr interessant.

Wir leben in einer Zeit, in der Frauen einen Stolz entwickeln.

Die Diskussion kennen wir nur zu gut und mussten auch direkt zum Start unsere rosa Wand im Büro gegenüber männlichen Hatern rechtfertigen.

Das hat auch was mit Stolz zu tun. Wir leben in einer Zeit, in der Frauen einen Stolz entwickeln und da ist es gar nicht widersprüchlich, dass man die Farbe Rosa reclaimt, weil man proud und stolz ist, feminin zu sein. Man zeigt damit, dass es keine Schwäche ist.

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Ich liebe Männer! Ich wünschte, die meisten wären keine Deppen.

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Hast du trotzdem das Gefühl, dass Protagonistinnen der jüngeren Generation Irritation bei der älteren Generation von Feministinnen auslösen?

Ich habe nicht so viel Kontakt zu älteren Leuten. Ich bin bisher mit allen Feministinnen, die ich bisher kennengelernt habe, super klar gekommen. Vorwürfe unter Feministinnen sind eh kompletter Schwachsinn. Meistens kommen diese Vorwürfe von Heteromännern à la: Wie kannst du denn eine Feministin sein, wenn du dir die Titten vergrößern lässt?

Ach Mann ey …

Ich liebe Männer! Ich wünschte, die meisten wären keine Deppen.

Viele jüngere Frauen können sich mit dem Begriff Feminismus nicht identifizieren und lehnen diesen ab. Warum definierst du dich explizit als Feministin?

Weil es schlicht und ergreifend das ist, was ich bin. Witzigerweise bin ich erst auf die Idee gekommen, mich Feministin zu nennen, als eine Redakteurin der VICE mich bat, einen Artikel mit feministischen Twist zu meinem Muschi-Tattoo zu schreiben. Da bin ich das erste Mal bewusst mit dem Thema Feminismus in Berührung gekommen. Ich war eigentlich mein ganzes Leben lang eine Feministin ohne zu wissen, dass das so heißt.

Was ich super schwierig finde, ist, dass das Wort Feminismus unter Frauen so viel Ablehnung erfährt.

Solange man sich als Frau in der heutigen Gesellschaft noch immer nicht sicher fühlen kann, solange ist Feminismus notwendig.

Einige Frauen möchten vielleicht zu einer Art Selbstverständlichkeit übergehen, indem sie und es einfach nicht mehr zum Thema machen.

Solange ich über die Straße gehe und mir Männer hinterher pfeifen oder ich mir im Internet Sachen wie Hure an den Kopf schmeißen lassen muss – das heißt, solange man sich als Frau in der heutigen Gesellschaft noch immer nicht sicher fühlen kann, solange ist Feminismus notwendig. Dann ist es auch völlig egal, dass es Frauen geben mag, die noch nie in ihrem Leben mit Sexismus oder Diskriminierung konfrontiert worden sind …

… die merken es wahrscheinlich einfach nicht …

… aber nur, weil du nicht belästigt wurdest, heißt das nicht im Umkehrschluss, dass die Belästigung, die mir widerfahren ist, nicht real ist.

Word! Danke dir für das Gespräch, Suzie.

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Hier findet ihr Suzie Grime:

Fotos: femtastics

7 Kommentare

  • Gre Gor sagt:

    Im Link zum YT-Kanal ist ein Schreibfehler. hhttps://…
    Toller Artikel!
    <3 Gregor

  • Daudi Czok sagt:

    Sorry für meine rechtschreibfehler aber das muss ich jetzt mal los werden. Unser jetzige Feminismus in unseren mittel-nord und westeuropäischen Ländern schadet den Frauen eher anstatt ihnen zu helfen. Natürlich muss ich den Artikel recht geben, dass es möglich sein soll, dass Frauen sich so leben wie sie es selbst möchten. Dies ist aber irrelevant, da ja in unserer westlichen Welt im politischen Diskurs (außer vielleicht Idioten wie Donald Trump, der nur gewählt wurde weil die SJW der politischen Lagerbildung vorschub gewährten) keiner den Frauen verbietet so zu leben wie sie wollen. Privatfälle außerhalb des politischen Disskurses gibt es immer und das ist schade, sollte aber nicht in den politischen disskurs mit einfließen, sondern im einzelnen besprochen werden, da wir ja gesetzlich die Freiheit der Frau gewärleisten. Warum der Feminimus heutwzutage der Frau eher schadet? Der Punkt ist relativierung von eigentlichen Opfern. Ja sexismus gibt es und ja sexismus ist schade. Wenn aber das hinterher pfeifen und generell der begriff sexismus überkrimminalisiert wird gewinnt man den eindruck, dass die richtig schlimmen taten relativiert werden. So nach den motto: „wir feministinnen regen uns über pfeifen und typen in pin up shirts auf aber vergewaltigungsopfer und frauen die WIRKLICH leiden sind uns egal“. Außerdem gewinnt man den eindruck, dass Femistinnen sich selber permanente Schwäche einreden statt mut gemacht wird und progressiv gestärkt wird.

  • zisch ab sagt:

    wieso ist sie wie unsere generation und kultur und geschichte gestylt

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