„The Female Company“ revolutioniert den Tampon-Markt!

„Der Tamponmarkt ist ein schwieriger Markt“ – das hörten die Gründerinnen Ann-Sophie Claus und Sinja Stadelmaier von vielen Seiten. Das hat sie dennoch nicht davon abgehalten, ihr eigenes Business unter dem Namen The Female Company zu gründen und Bio-Tampons, frei von Chemikalien, Parfümen und Polyester, in hübschen Verpackungen herzustellen und online im Abo-System zu vertreiben. Das Ziel: Die beiden Stuttgarterinnen, die sich beim Marketing-Studium kennengelernt haben, wollen ein Unternehmen von Frauen für Frauen sein – die schicken zweimonatlich wechselnden Verpackungen werden von jungen Künstlerinnen kreiert und wer ein Tampon-Abo abschließt, spendet. Wir haben mit dem Duo darüber gesprochen, wie es überhaupt gelingt, nachhaltige Tampons herzustellen, wie sie zu der „Tampon-Krankheit“ stehen, was sie von Periodenhöschen halten und, ob wir ihre Produkte auch bald in Supermärkten finden werden.

femtastics: Wie seid ihr auf das Thema Bio-Tampons gekommen?

Ann-Sophie Claus und Sinja Stadelmaier: Uns war klar, dass wir ein Unternehmen gründen wollten, dass etwas Gutes für Frauen tut. Es war eher Zufall, dass wir über das Produkt Tampon gestolpert sind. Die Grundidee ist, tolle Verpackungen zu machen, die aufklären, die lustig sind und Bock auf das Thema Tampon machen und zu Gesprächen darüber anregen. Wir haben ein Dreivierteljahr über den Tampon recherchiert und sind darauf gestossen, dass Hersteller gar nicht ausweisen müssen, welche Inhaltsstoffe in Tampons stecken. Bei herkömmlichen Tampons sind die Testergebnisse teilweise erschreckend! Deswegen war uns relativ schnell klar, dass wir auf ein alternatives gesünderes Material gehen müssen.

Eure Tampons sind aus 100% Bio-Baumwolle, frei von Chemikalien und Parfümen. Wo lasst ihr produzieren und wie könnt ihr das garantieren?

Es ist ein total komplexes Thema, weil der Markt sehr intransparent ist. Es gibt nicht viele Partner, mit denen man bei der Produktion zusammenarbeiten kann, und wenn doch, dann hängen die oft in ihrem alten Schema. Es hat sehr lange gedauert, bis wir einen Produktionspartner in Spanien gefunden haben, der Hygieneprodukte aus Bio-Baumwolle herstellt. Darüber sind wir sehr glücklich, denn wenn du als Gründer die komplette Produktion alleine aufbauen musst, kommst du um eine riesengroße Finanzierung nicht herum. Unser Ziel war aber, dass wir schnell an den Markt kommen. Nach der großen Recherchephase und der Produktionsthematik war es großartig, ein Produkt zeitnah in der Hand zu halten.

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Es ist unser großes Ziel, Tampons ohne die Plastikverpackung anzubieten.

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„Jede Verpackung greift immer ein neues Thema auf. Die letzte hieß “Love your Boobs”, also das Thema Selbstliebe und alle Brustformen sind schön, was auch teilweise ein bisschen weg von der Periode geht. Letztlich geht es um Frauenthemen. Das aktuelle Thema ist Food, also gar nicht so aufklärerisch. Das hat die Künstlerin Kim Hoss aus Stuttgart für uns gemacht, eine ganz großartige Designerin.“

The Female Company ist GOTS zertifiziert. Wie kommt man als Start-up an so ein Zeritifikat?

Der Zertifizierungsprozess ist extrem komplex, zeitintensiv und kostspielig. Die komplette Supply Chain ist bei uns bereits GOTS zertifiziert, also Anbau der Bio-Baumwolle und Verarbeitung der Bio-Baumwolle sowie alle unsere Produkte. Nun steht noch aus, dass unser Büro und Lager in Stuttgart ebenfalls abgesegnet werden, wofür extra ein Vertreter aus Italien zu uns kommt. Darauf warten wir aktuell. Trotzdem denke ich, dass sich der Aufwand lohnt und es spricht nur für GOTS, dass der Zertifizierungsprozess lange dauert und extrem detailliert ist.

Seit einigen Wochen wachsen wir unglaublich schnell und sind total glücklich darüber, dass wir irgendwann davon leben können!

Tampons sind immer in Plastik eingeschweißt – bei euren Produkten ist das ebenfalls der Fall.  Gibt es keine Möglichkeit, das zu umgehen?

Es ist auf jeden Fall unser großes Ziel, Tampons ohne die Plastikverpackung anzubieten. Das klingt immer so banal und man denkt, das wäre total einfach – das ist es absolut nicht! Das ist mega aufwendig, das hat mit der Herstellungstechnik zu tun: Die Tampons werden quasi reingepresst, und wenn das Material außen nicht stark genug ist, geht der Tampon einfach auf. Wir starten am 23. Juli eine Crowdfunding-Kampagne zusammen mit dem Drogeriemarkt dm bei Startnext. Unser Ziel ist es, eine Finanzierung zu bekommen, um die Plastikverpackung des einzelnen Tampons durch eine kompostierbare Folie zu ersetzen. Wir haben mit einem starken Partner viel ausprobiert und geforscht. Wenn wir es schaffen, das umzusetzen, wäre das der Wahnsinn!

Das Besondere bei eurem Angebot ist, dass man sich im sogenannten Periodendesigner die Größen der Tampons individuell zum Periodenverlauf zusammenstellen kann. Wie kamt ihr auf diese gute Idee? Und wie habt ihr die Größen entwickelt?

Ganz viel unseres Geschäftsmodells kommt daher, dass uns selbst viele Dinge bei Tampons störten, die wir zu ändern versucht haben. Wir haben am Anfang ein paar Mädelsabende rund ums Thema Tampon bei uns gemacht, an denen wir die Mädels gefragt haben: Was stört euch? Was ist das Problem? Das Problem war ganz oft, dass man sich mehrere Packungen kaufen musste, weil man Mini plus Normal braucht. Das ist dem natürlichen Zyklusverlauf geschuldet und – ich will nichts Böses sagen – aber ich glaube, viele Tamponhersteller machen daraus ihr Kapital, logischerweise. Wir haben klassische Größen, aber die kann man sich individuell zusammenstellen. Man kann die Packung dritteln, Hälfte Hälfte machen oder komplett eine Größe nehmen. Tatsächlich werden fast ausschließlich gemischte Boxen gekauft, es kauft so gut wie niemand eine Größe komplett.

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Pro Tamponbestellung erhält man bei der The Female Company 42 Bio-Tampons und kann die Abstände der Lieferung selbst bestimmen (alle 2, 3 oder 4 Monate). Der Lieferzyklus kann jederzeit angepasst werden oder auch pausieren.

Könnt ihr davon leben? Wie finanziert ihr euch?

Wir sind komplett selbstfinanziert und seit diesem Monat können wir uns ein kleines Gehalt auszahlen. Das ging wesentlich schneller als erwartet, denn wir haben unseren Shop erst Ende Januar offiziell gelauncht. Die ersten Monaten waren etwas ruhiger, wir mussten noch ein paar Details am Angebot ändern und waren uns einige Wochen lang nicht sicher, ob unsere Idee wirklich aufgeht. Da mussten wir schon mal improvisieren, um unsere Miete zahlen zu können. Ich habe meine Wohnung am Wochenende bei Airbnb vermietet und über die Zeit bei meinem Freund gewohnt, wir haben unsere Klamotten bei Kleiderkreisel verkauft und uns mit kleinen Nebenjobs über Wasser gehalten. Seit einigen Wochen wachsen wir aber unglaublich schnell und sind wirklich total glücklich darüber, dass in Aussicht steht, dass wir irgendwann davon leben können!

Das heißt, ihr macht euch zeitnah auf Investoren-Suche …

Das Thema gehen wir aktuell aktiv an. Wir wollten so lange wie möglich selbst finanziert sein, gerade bis die Verkaufszahlen und die ganze Logistik stimmt und wir ein wirklich gutes Gefühl für den Markt haben. Man ist dann in einer viel besseren Position, wenn man sich in Gespräche begibt. Da unsere Verkaufszahlen mittlerweile stimmen und wir die Basis, also Logistik, Team und Produkt gut aufgestellt haben, ist das der nächste Schritt. Einige Investoren haben wir auf der Digitalkonferenz NOAH bereits kennengelernt und erste Gespräche geführt.

Und euer Abo-System kann euch auf Dauer finanzielle Sicherheit geben.

Genau. Bei uns musste es irgendwie sein, denn die Periode kommt regelmäßig. Wenn du beispielsweise solche Kosmetikboxen abonnierst, die regelmäßig kommen, hast du irgendwann einfach zu viel. Aber bei Tampons ergibt es einfach Sinn, die verbrauchst du ja!

Euer Ziel ist es, irgendwann in den Regalen bei dm & Co zu stehen. Wie nah seid ihr an dem Ziel und welche Herausforderungen und Hürden gibt es?

Über die Nähe darf ich nichts Genaues verraten. Wir sind auf jeden Fall an dem Thema dran. Eine Herausforderung ist ganz klar, dass es sehr viele Handelsmarken gibt. Ein Händler hat entsprechend wenig Interesse daran, dass eine Handelsmarke Konkurrenz bekommt, das heißt, du musst viele Kontakte herstellen und sehr viel Zeit und Arbeit investieren, um voranzukommen.

Der Handel ist eines unserer Ziele, weil du damit eine gewisse Vertriebsbasis bekommst, was finanziell sehr hilft. Unser Ziel darüber hinaus ist, dass du an Orten, an denen du keine Tampons dabei hast, diese kostenlos bekommst. In Stuttgart klappt es schon sehr gut. Restaurants und Cafés kaufen uns Tampons ab und legen sie bei sich auf den Toiletten kostenlos für die Gäste aus. Langfristig planen wir, dass zum Beispiel auch große Unternehmen unsere Tampons auf ihren Damentoiletten für ihre Mitarbeiterinnen zur Verfügung stellen können.

Toll, wie man das Thema weiterspielen kann!

Es ist ein endloses Thema, unser Geschäftsmodell ja auch: Je mehr Herzblut du reinsteckst, desto breiter wird es. Manchmal ganz schön gefährlich – man muss schon aufpassen, dass man eine Linie fährt und eine Strategie.

Apropos gefährlich. Besonders in den letzten Monaten wurde wieder vermehrt über die „Tamponkrankheit“, das toxische Schocksyndrom, gesprochen. Wie reagiert ihr als Tampon-Start-up darauf?

Das ist total aktuell, weil die Lauren Wasser leider ihr zweites Bein verloren hat. Zum Glück ist es jetzt so, dass die Forschung entsprechend reagiert, das heißt, es kommen langsam mehr Studien zu diesem Thema heraus. Es gibt wenige Studien und davon haben einige gegenläufige Ergebnisse. Unsere Antwort darauf ist immer: Wenn man den Tampon nach Packungsbeilage nutzt, ihn wirklich nach sechs Stunden wechselt und dazu noch im Kopf hat, dass die Tamponkrankheit wirklich selten auftritt, sollte nichts passieren. In aktuellen Studien wurde jetzt auch die Menstruationstasse mit aufgenommen, die laut einer aktuellen Laborstudie die Krankheit noch mehr fördert als der Tampon, da der Raum größer ist, in dem die Bakterien sich nähren können.

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Die Tamponsteuer ist ebenfalls ein großes Thema. Tampons werden in Deutschland mit 19 Prozent versteuert. Welche Entwicklung wünscht ihr euch?

Dass die Steuer runter geht! Es ist wirklich ein total krasses Phänomen und ich finde es schade, dass in Deutschland noch nie dagegen vorgegangen wurde. In Amerika und England sind Frauen auf die Straße gegangen und haben es geschafft, dass die Steuer teilweise bis auf null Prozent gesenkt wurde! Es müssen nicht mal null Prozent sein, wir haben in der EU ja einen Mindeststeuersatz von 5%, darunter kann es gar nicht gehen. Aber Großbritannien hat es eben jetzt auf die 5% runtergesetzt, und wenn man sich überlegt, dass Schnittblumen und Kaviar bei 7% liegen, dann ist das einfach unfair. Wir planen definitiv, darüber aufzuklären und auch langfristig mit vielen anderen Frauen etwas in die Gänge zu setzen. Wir haben gemeinsam mit zwei total engagierten Mädels eine Petition bei Change.org gestartet. In Australien haben 100.000 Unterschriften der Petition gerade tatsächlich dazu geführt, dass der Senat den Gesetzesentwurf verabschiedet hat. Wir glauben, dass man auf jeden Fall etwas erreichen kann.

Wie steht ihr zu den neuen Periodenhöschen? Könnte das in Zukunft auch ein zusätzliches Produkt von euch sein?

Höschen sind aktuell noch nicht angedacht. Wir sind gerade eher im Bereich Bio-Binden und Bio-Slipeinlagen unterwegs, aber letztlich soll unter The Female Company langfristig alles laufen, was den Alltag einer modernen Frau erleichtert. Von daher kann das auch eine Vielzahl von Produkten sein, die du dir individuell zusammenstellen kannst, passend zur Periode.

Unsere Meinung ist, dass jedes nachhaltige Mittel für die Periode eine super Alternative ist zu Produkten, die wir jahrelang benutzt haben, ohne zu wissen, was drin steckt. Von Chemikalien über Polyester bis zu Duftstoffen. Das heißt, jedes Unternehmen, welches versucht das nachhaltiger, gesünder und umweltschonender zu machen, ist unserer Meinung nach einfach klasse.

Beschäftigt euch auch das Thema hormonfreie Verhütung?

Das finden wir ebenfalls klasse! Du merkst einfach, dass sich bei solchen Frauenthemen viel ändert, dass Frauen anfangen, ihre Produkte und generell viel zu hinterfragen. Dazu gehört, dass du aufpasst, welche Produkte du an deinen Körper lässt, welche Hormone und Chemikalien. Das fällt genau in unseren Bereich. Wir sind auch viel in Gesprächen mit den Gründerinnen der Zyklus-App Ovy und anderen und tauschen uns immer gern aus.

Wie viele Tampons habt ihr schon verkauft?

Ich kann auf jeden Fall sagen, dass es in den ersten drei Monaten ruhig anlief. Dann haben wir angefangen, mit den ersten Influencern zusammenzuarbeiten – seitdem hat sich der Umsatz verzehnfacht! Durch das Influencer-Marketing ist es seit letztem Monat durch die Decke gegangen.

Das Tolle: Pro abgeschlossenem Abo spendet ihr Hygienemittel an Mädchen und Frauen in Flüchtlingsheimen.

In Deutschland gibt es unglaublich viele Frauen, die sich Hygienemittel nicht leisten können. Dazu arbeiten wir mit den Gründerinnen von GirlsForGirls Community e.V. zusammen.

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Ihr verpackt eure Tampons in sogenannten Designboxen. Warum war euch die Optik genauso wichtig wie die Qualität?

Eigentlich war das die Ursprungsidee, dass man witzige und lockere und eben nicht Blümchenverpackungen anbietet. Wenn du sowas wirklich repräsentativ ins Badezimmer stellst und es kommen Gäste vorbei, kommt direkt: „Ah, was ist das? Das ist ja interessant!“ Dadurch kommst du ins Gespräch über dieses Thema und es ist kein verkrampftes Hygieneprodukt mehr, über das keiner reden, geschweige denn an die Kasse im Supermarkt legen will. Das war die Grundidee, und wir wollen in unserem Unternehmen möglichst viele Frauen integrieren. Dazu gehört einmal das Spendensystem, aber auch, dass die Designboxen von jeweils einer Künstlerin gestaltet werden.

Gibt es auch andere Tampon-Start-ups?

In den USA und England gibt es schon einiges in dem Bereich, gerade in den USA gibt es zwei, die sehr erfolgreich sind, die große Funding-Runden gemacht haben, Abo-Bestellungen laufen in den USA top. Da sind wir Deutschen noch ein bisschen vorsichtiger. Drei, vier Monate nach uns haben sich tatsächlich auch in Deutschland die ersten zwei kleinen Unternehmen herauskristallisiert. Wir sind total gespannt, was der Wettbewerb noch so bringt.

Das große Ziel ist, dass wir das Unternehmen von Frauen für Frauen werden.

Ein Start-up zu zweit zu gründen ist kein Zuckerschlecken …

Das stimmt! Zusammen zu gründen ist ein anderes Level als befreundet zu sein oder zu studieren. Das haben wir schnell festgestellt. Nicht, dass es irgendwie Streit gab, aber es ist einfach eine intensive Form der Zusammenarbeit, da lernt man sich von einer anderen Seiten kennen. Weil Sinja aktuell noch in Berlin wohnt und ich in Stuttgart, haben wir irgendwann angefangen, mehr aufzuteilen. Am Anfang haben wir gefühlt vier Stunden am Tag telefoniert, jetzt läuft es effizienter ab: Ich (Ann-Sophie) decke den Bereich Marketing, PR und Kunden ab und kümmere mich um Packaging und Co. Sinja ist komplett für die Bereiche Recht, Finanzen, Logistik, Planung und Finanzierung zuständig. Es gibt noch viele Calls in der Woche, aber wir versuchen uns zu fokussieren, sonst ist der Abstimmungsaufwand zu groß.

Wo seht ihr die Female Company in fünf Jahren?

Das große Ziel ist, dass wir das Unternehmen von Frauen für Frauen werden, welches nur Produkte rund um den Alltag von Frauen anbietet, um diesen zu erleichtern. Das ist das große Mantra. Da sind wir völlig ungebunden von Örtlichkeiten. Letztlich gibt es überall moderne Frauen und Örtlichkeiten, die sich einen Service oder Produkte in dem Bereich wünschen. Wir wollen eine vertrauenswürdige und transparente Marke von Frauen für Frauen sein.

Vielen Dank für das Interview! Wir wünschen euch weiterhin viel Erfolg!

 

Hier findet ihr The Female Company:

Fotos: Linda Ambrosius, Grafik: The Female Company

 

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