Kerstin Stave bringt Hamburg Raw Food näher

Rohkost, das sind schon lange nicht mehr nur Gemüse-Sticks und Salate. Mit den Trends zur veganen und „clean eating“ Ernährung interessieren sich immer mehr Menschen für Raw Food. Kerstin Stave hat im April 2015 das erste Rohkost-Café Hamburgs eröffnet, „Gracias Madre“, am Mühlenkamp 1. Hier serviert sie Cheesecake, Tiramisu, Schokotrüffel, Burger, Pizza, Chips – alles vegan und roh. Wir haben sie besucht und mit ihr darüber gesprochen, warum wir roh essen sollten, was es bei der Zubereitung von Rohkost zu beachten gibt und woher dieser Ernährungstrend rührt.

Femtastics: Was ist Raw Food?

Kerstin Stave: Rohkost ist nicht gekochtes Essen. Wir produzieren nichts, das über 42 Grad erhitzt wurde. Es ist alles naturbelassen. Die Herstellungsmethoden sind anders als beim gewöhnlichen Kochen – Brote werden zum Beispiel getrocknet. Man arbeitet viel mit Samen und Nüssen als Grundlage, die dann zum Beispiel zu Kuchen oder Desserts weiterverarbeitet werden. Mit den heutigen Techniken kann man schon in den Gourmet-Bereich gehen.

Wie kamst Du zur Rohkost?

Ganz profan über eine Milchunverträglichkeit. Ich habe für mein Leben gern Milchkaffee getrunken, und habe irgendwann gemerkt, dass ich körperliche Probleme habe, die von der Milch hervorgerufen wurden. Ich habe dann nach Alternativen gesucht – habe wahnsinnig lange im Netz rumgesucht und habe dann Rohkostbücher entdeckt. Ich war damals auch auf der Suche nach einer beruflichen Alternative – und da habe ich kurzfristig entschlossen, eine Ausbildung zum RohChef in Kalifornien zu machen.

Ganz viele Vitamine und Mineralstoffe gehen beim Kochen verloren. Wenn man ein Produkt einfach lässt, wie es ist, ist es viel gesünder.

Was war das für eine Ausbildung?

Das war in Santa Monica beim Starkoch Matthew Kenney und hat drei Monate gedauert. Du lernst am Anfang wirklich die Grundlagen des professionellen Kochens, das geht mit dem feinen Schnibbeln los. Ich habe ganz viel gelernt. Matthew Kenney ist unglaublich begnadet, was die Rohküche angeht.

 

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Im Schaufenster zu sehen: abgepackte Grünkohl-Chips aus eigener Herstellung.

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In Kerstins superleckerem Cheesecake sind u.a. Cashew-Kerne, Kokos und Mandeln.

 

Und wie ging es danach für Dich weiter?

Die Ausbildung habe ich ursprünglich nur für mich gemacht. Ich fand es dann aber so toll und so lecker, dass ich Rohkost an den Mann und an die Frau in Hamburg bringen wollte. Ich habe damit angefangen, rohe Kuchen herzustellen und in kleinen Bioläden und bei Veganz in Hamburg zu verkaufen. Das war 2013 und damals waren Rohkost-Kuchen noch nicht so populär. Als Veganz sich entschieden hat, seine Kuchen von einer Kette in Berlin zu beziehen, habe ich meine Pläne neu überdacht. Ich hatte schon einen kleinen Kundenstamm und habe beschlossen, meinen eigenen Laden zu eröffnen.

… Und dann hast Du dieses Lokal gefunden?

Ich kam zufällig vorbei als ich auf dem Weg zu meiner Friseurin war. Als ich den leeren Laden gesehen habe, wusste ich: Das muss es sein! Es hat auch geklappt.

Das ist ja ein Riesenschritt von Kuchen in Heimproduktion zu einem Café!

Ja, total, das habe ich auch unterschätzt. Ich hatte schon befürchtet, ich sei zu spät dran mit dem Café, weil die Rohkostszene in den letzten zwei, drei Jahren stark gewachsen ist. Aber ich bin genau richtig, weil viele Leute es schon kennen und ich jetzt nicht mehr so viel Vorarbeit leisten muss.

Hast Du den Markennamen und das Logo selbst entwickelt?

Der Name war für mich klar, weil ich eine Verbindung zu Mutter Erde haben wollte. Dazu kommt meine Affinität zu Mexiko. Und das Logo hat die Designagentur Yes Ideas für mich gemacht, nach meinen Vorstellungen. Sie waren nicht erfreut als ich gesagt habe: Ich möchte auch eine Kornblume und Wurzeln im Logo haben. Aber sie haben es genauso umgesetzt wie ich es haben wollte.

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Kerstins Leidenschaft für Mexiko spiegelt sich im Packaging Design ihrer Produkte wider.

 

Hast Du das Café auch selbst eingerichtet?

Ja, Konzepte für Essen und Einrichten liegen ja nah bei einander. Mein Mann und ich haben uns das selbst überlegt. Die Bank zum Beispiel hat ein befreundeter Tischler für uns gemacht. Und vieles Andere wollte ich immer schon mal haben – zum Beispiel die Fliesen und die Original-Bistro-Tische aus der Normandie – und das konnte ich jetzt hier unterbringen. Es ist toll eine Idee, die man im Kopf hatte, in der Realität umgesetzt zu sehen.

Und den Laden schmeißt Du zurzeit alleine?

Mein Mann hilft mir manchmal ein bisschen, aber der hat auch noch einen anderen Job. Meistens mache ich es alleine.

Viel schwieriger als an spezielle Rohkost-Zutaten zu kommen, ist es, gute Produkte wie intensiv schmeckende Tomaten zu finden.

Ist es denn einfach, die speziellen Zutaten für Deine Rezepte zu bekommen?

Man bekommt viel im Internet. Aber das schwierige sind gar nicht die speziellen Zutaten, sondern wirklich schwierig ist es, gute Produkte wie schmeckende Tomaten zu bekommen. Ich kann sie über den Großmarkt beziehen, aber ich muss natürlich immer hingehen und alles probieren.

Wie entwickelst Du denn Deine Rezepte?

Manchmal einfach durch Zufall. Neulich wollte ich Marillenknödel machen und es hat nicht geklappt und ich habe dann ein Aprikosenbrot daraus entwickelt. Ich habe schon überlegt, ein Rezeptbuch zu schreiben, weil es wirklich unglaublich schwierig ist, die Gerichte zu entwickeln. Oft mache ich es spontan und frage mich danach: Was war da jetzt noch mal drin? Ich muss immer mitschreiben.

Was ist die größte Herausforderung, wenn man Rohkostgerichte macht?

Dass es schmeckt. Die Gerichte sollen nicht eindimensional sein, sondern viele Geschmacksrichtungen haben.

Warum sollen wir denn überhaupt rohe Speisen essen?

Weil es einfach gesünder ist. Ganz viele Vitamine und Mineralstoffe gehen beim Kochen verloren. Wenn man ein Produkt einfach lässt, wie es ist, ist es viel gesünder. Der Körper hat mehr davon – deshalb sind die Portionen bei Rohkostgerichten oft viel kleiner, weil der Körper viel schneller seine Nährstoffe aus Rohkost bekommt und auch viel schneller satt ist.

Isst Du nur Rohkost?

Nicht nur, aber ich esse immer naturbelassen und möglichst unverarbeitet. Als ich mich auf diese Ernährung und Rohkost umgestellt habe, fing mein Körper tatsächlich an, zu entgiften. Man merkt das: Man nimmt ab, man bekommt ein anderes Hautbild, man wird ein bisschen gelassener. Der Körper verändert sich. Das ist aber auch logisch. Was alles an Zusatzstoffen in industriell produzierten Lebensmitteln drin ist, das kann einfach nicht gut sein für den Körper.

Gerade ist diese Ernährung ja auch sehr angesagt. „Clean Eating“ ist ein Buzzword, vegane Kochbücher verkaufen sich super – ich experimentiere in meiner Küche auch mit rohen Energiebällen und veganen Desserts. Woher kommt dieser Trend?

Ich denke das liegt an den ganzen Lebensmittelskandalen. Die Menschen setzen sich damit auseinander, was überall reingemischt wird. Ich denke, dass gerade in der jungen Generation ein Umdenken stattfindet. … Ich sage auch nichts gegen einen vernünftigen Fleischverzehr, aber wenn ein Stück Hühnchen einen Euro kostet, kann man sich denken, was mit den Tieren gemacht wurde. Den Leuten wird das bewusster.

Wer sind denn Deine Kunden?

Total gemischt. Auch ganz viele Leute, die hier in der Nähe wohnen, kommen herein und probieren einfach mal. Natürlich kommen auch ganz gezielt Veganer und Rohköstler. Neulich war ein Junge hier, der war vielleicht sieben oder acht Jahre alt, der kommt ganz bewusst her und bringt auch seine Großeltern mit. Er kauft auch bei Veganz ein, hat er erzählt.

Du bietest ja ganz unterschiedliche Sachen an – Kuchen, Tiramisu, Schokotrüffel, Burger, Grünkohlchips – und alles immer roh. Was kommt am besten bei Deinen Kunden an?

Burger. Als ich die hatte, da haben mir die Leute die Bude eingerannt. Pizza, Burger und Pasta kommen am besten in der Rohkostszene an. … Vielleicht sitzt das noch von den früheren Ernährungsgewohnheiten im Kopf.

Hattest Du von Anfang an vor, auch Burger anzubieten?

Nein, eigentlich wollte ich nur Kuchen und Smoothies machen. Aber da hier viele Büros in der Nähe sind, haben wir auch einen kleinen Mittagstisch eingeführt.

Womit steige ich am besten ein wenn ich Rohkostrezepte zu Hause ausprobieren möchte?

Mit kleinen Sachen. Du brauchst auf jeden Fall eine gute Ausrüstung, einen guten Mixer. Am besten fängt man mit Mandelmilch an oder Cashew-Joghurt. Generell gilt: einfach versuchen.

Was machst Du, wenn Du nicht hier im Café oder in der Küche stehst?

Das gibt es gar nicht im Moment. Zurzeit arbeite ich von morgens bis spät abends. Wenn das Café geschlossen ist, muss ich ja alle Speisen für den nächsten Tag vorbereiten. Und die Produkte brauchen manchmal zwei oder drei Tage Vorlaufzeit bis man sie servieren kann. Es ist sehr zeitaufwändig.

Dann wünschen wir Dir weiterhin viel Erfolg!

 

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Auch in ihrer privaten Küche ist Kerstin gut ausgestattet, zum Beispiel mit einem Vitamix.

 

Kerstins Rezept für Rohkost-Einsteiger:

Schoko-Kokos-Riegel

Boden und ‚Deckel‘:
200 gr. Kokosmehl, roh und bio
500 gr. weiche Datteln, z.B. isrealische  Medjoul Datteln
Prise Salz, Vanille

Datteln in der Küchenmaschine zu einer Paste verrühren, eventuell etwas Wasser dazugeben. Mit Salz, Vanille und Kokosmehl zu einem homogenen Teig weiter verarbeiten, falls die Masse zu trocken ist, wieder etwas Wasser dazugeben, aber immer nur ganz wenig.
Den Teig in 2 gleiche Häften teilen.
Eine Hälfte in eine mit Frischhaltefolie oder Backpapier ausgelegte Form oder flache Schüssel geben, fest andrücken, die andere Hälfte erst einmal beiseite legen.

Dann weiter mit der Schokofüllung:
300 gr Kokosmus oder Kokosbutter, roh und bio
6-7 EL Kakaopulver, roh und bio
2-3 EL Ahornsirup, mehr nach Geschmack
1/2- 1 EL Vanillepulver oder flüssige Vanille
1/2 EL Zimt und 1/4 EL Cardamon nach Geschmack – wer mag kann auch etwas Chili nehmen, aber wirklich nur wenig

Kokosmus im Wasserbad oder im Dörrautomaten bei 42 Grad schmelzen, geht auch im Backofen, mit geöffneter Tür und auf die Temperatur achten.
Kokosmus mit den restlichen Zutaten zu einer geschmeidigen Masse verrühren und auf den Kokosdattelboden geben, gleichmäßig verstreichen und im Kühlschrank fest werden lassen.

Dann die zweite Häfte des Kokosdattelbodens auf die festgewordene Schokomasse drücken.
Im Kühlschrank fest werden lassen, mit Kakaopulver bestreuen und in Riegel oder Vierecke schneiden, je nach Vorliebe für Formen.
Je nach Geschmack können die Riegel mit weiteren Gewürzen oder Fruchtsoßen „gepimpt“ werden.

Gutes Gelingen und guten Appetit!

Hier findet ihr Kerstin:

   

5 Kommentare

  • Anja sagt:

    Sehr cool, danke für das Interview. Ich habe auch mal in einem Rohkost-Restaurant (im Harz) gegessen und war total begeistert von der Geschmacksvielfalt. Wirklich etwas total anderes, aber auch total lecker. Wenn ich mal wieder in Hamburg bin, weiß ich ja, wo ich zum Essen aufschlage.
    Danke! 🙂

  • Wow was für ein toller Laden! Ich bin hin und weg! Als ich nur die Bilder gesehen habe dachte ich ihr schreibt über ein hippes Café in San Francisco 🙂

  • Eleftheria sagt:

    WOW! ich würde ein kochbuch von ihr sofort kaufen, das sieht alles so fantastisch aus! 🙂
    rohe burger hab ich selbst in berlin noch nicht entdeckt.

  • Renata sagt:

    Vielen Dank für diesen tollen Bericht! Die Fotos machen Appetit. Mir ist nur leider kein Rohkost Café oder Restaurant in Düsseldorf bekannt. Aber das Schoko-Kokos-Riegel-Rezept werde ich auf jeden Fall ausprobieren! Hut ab vor Kerstin Stave – ich kann mir sehr gut vorstellen wie viel Arbeit das ist, ganz alleine ein Café zu führen. Solche Berichte machen Mut!:)

  • Danke schön für Ihren nützlichen Beitrag.

    Ich habe Ihren Blog schon länger im Feed abonniert.

    Und jetzt musste mich mal ein schnellen Kommentar schreiben bzw.
    mich mal bedanken.

    Machen Sie genauso weiter, freue mich bereits jetzt
    schon auf den nächsten Beitrag

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