Schluss mit dem Bienensterben – Imkerin Claudia Marxen

Ohne die Biene geht’s nicht – weder im Garten von Imkerin Claudia Marxen noch in unser aller Ökosystem. Warum das so ist und warum wir die Bienen unbedingt schützen müssen, erzählt uns die gelernte Kommunikationsdesignerin in ihrer gemütlichen Altbauwohnung in Altona und natürlich in ihrem wunderschönen Kleingarten in Ottensen. Hier treffen wir auch ihre 40.000 Bienen – und verhalten uns wie empfohlen ganz still. Claudia Marxen liebt die Natur, engagiert sich gerade für die Gründung der Stiftung Aurelia, die sich Europa weit für das Motto „Es lebe die Biene!“ einsetzt und sucht dafür Gründungsstifter. Ihre Brötchen verdient sie mit ihrer eigenen Kommunikationsagentur grafyx, die sich auf Kommunikationsstrategien und -Kampagnen für umweltbewusste und nachhaltig agierende Unternehmen spezialisiert hat. Außerdem ist sie Business-Coach und berät Unternehmer, die sich neu orientieren wollen, in ihrem Coaching-Haus auf Madeira. Damit nicht genug: Für das Institut für Umwelt, Coaching und Training geht sie auch noch in die Betriebe und führt Umweltmanagementsysteme ein. Ein Leben mit und für die Umwelt, von dieser Frau schneiden wir uns eine Scheibe ab!

Femtastics: Warum brauchen wir die Biene?

Claudia Marxen: Wir hätten ungefähr ein Drittel weniger Nahrungsvielfalt, wenn wir die Bienen nicht hätten. Die Biene an sich trägt rund 150 Milliarden Euro für die Weltwirtschaft bei. In China ist es schon üblich, dass Menschen per Hand beispielsweise die Obstbäume bestäuben. Das machen die Bienen freundlicherweise für uns mit. Sie gehören einfach in die Natur und sind außerdem eine Art Seismograph dafür, wie es unserer Landwirtschaft und unserer Natur geht. Das große Bienensterben und generell die ganzen Bienenkrankheiten, die die Bienen gefährden, sind im Grunde ein Anzeiger dafür, dass es unserer Landschaft ganz schlecht geht.

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Claudia lebt zusammen mit ihrem Freund in einer sonnigen Altbauwohnung in Hamburg-Altona

 

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Wenn ich einen Garten habe, brauche ich Wasser und Sonne. Das reicht aber nicht, ich brauche auch die Bienen.

Woran liegt das?

Wir haben viel zu viele Monokulturen, Pestizide, Insektizide, Neonicotinoide. Dazu kommen genmanipulierte Pflanzen, die Gift produzieren, damit Insekten sterben, wenn sie daran saugen – auch die Bienen, obwohl immer das Gegenteil behauptet wird. Wenn ich einen Garten habe, brauche ich Wasser und Sonne. Das reicht aber nicht, ich brauche auch die Bienen.

Die Bauern schneiden sich mit dem Einsatz von Pestiziden also selbst ins Bein.

Noch gibt es ja einigermaßen Insekten. Wir Menschen zeichnen uns eben dadurch aus, dass wir nicht zehn Jahre weiter denken – fünfzig Jahre schon mal gar nicht. Das zieht sich durch alle politischen und gesellschaftlichen Themen. Hauptsache, der Reibach wird jetzt gemacht und die Aktionäre werden befriedigt.

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Das Bienensterben wird ausgeblendet. Wie bedroht ist die Biene?

Die Biene kann ohne die Hilfe der Menschen hier in Europa nicht leben. Unsere Honigbiene ist auf die Pflege der Menschen angewiesen. Durch die Globalisierung sind Krankheiten aus Amerika, Asien und so weiter eingeschleppt worden, mit denen unsere europäische Honigbiene nicht leben kann. Darum müssen wir das Bienenvolk regelmäßig behandeln.

In welcher Form?

Die werden geimpft. Dafür benutzen wir natürliche Mittel wie Ameisensäure, Milchsäure und Oxalsäure. Das finden die Bienen auch nicht toll, aber die aus Asien eingeschleppten Varroa-Milben sterben davon. Wenn du einen Bienenschwarm an einem Baum siehst, weißt du, dass der den Winter nicht überleben wird. Länger als ein halbes Jahr ohne Varroa-Behandlung hält kein Bienenvolk durch.

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Was kann der Normalverbraucher tun, um die Bienen zu schützen?

Möglichst Bio-Produkte konsumieren. Die Landwirtschaft wird von den Bio-Bauern nicht so todgespritzt. Genmais und Genpflanzen sind das Letzte, was wir gebrauchen können. Am schlimmsten sind die Monokulturen, also wenn über mehrere Quadratkilometer nur eine Pflanze angebaut wird. Das Alte Land bei Hamburg wird immer gelobt, dabei ist es eine der größten Monokulturen Europas. Mit Vielfältigkeit hat das überhaupt nichts zu tun. Die Imker werden eingekauft, damit die mit ihren Bienen dahin kommen und die Bienen die Pflanzen bestäuben – aber nur bis zu einem bestimmten Datum, denn dann wird wieder alles todgespritzt und die Bienen müssen vorher weg sein.

Da tun sich ja Abgründe auf.

Die Biene kann alleine nicht in diesen Monokulturen überleben. Der Raps blüht wunderschön im April, aber nach der Blüte ist das Feld platt und die Bienen würden verhungern. Das heißt der Imker wandert mit seinen Bienen – mit 10, 20 bis zu 50 Völkern – vom Raps ins Alte Land, um dort die Obstbäume zu bestäuben, danach fährt er in die Lüneburger Heide zur Heideblüte. Der Imker muss dafür sorgen, dass seine Bienen überhaupt genügend Nahrung finden. Ansonsten hilft nur Zuckerwasser. So gesehen geht es uns in der Stadt noch ganz gut, weil es hier keine Monokultur gibt. Hier blüht eigentlich immer was.

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Einige der schönen Holzmöbel hat Claudia von einem befreundeten Tischler anfertigen lassen

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Claudia hat ein papierloses Büro und kann von überall aus arbeiten

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Es gibt also noch wild lebende Bienen, die aber nicht den Winter überleben?

Genau deswegen gibt es eigentlich keine wild lebenden Honigbienen mehr. Ein Bienenvolk schwärmt und teilt sich. Die alte Königin verlässt ungefähr alle zwei Jahre mit der Hälfte des Volkes den Bienenstock, wenn sie eine Tochter bekommt. Ein Bienenstock hat ungefähr 40.000 Bienen. Das Volk teilt sich. Wenn ich das aber nicht mitbekomme und die Bienen sich an einen Baum setzen, sind sie quasi frei. Es passiert häufig jedes Jahr, dass Bienen an einem Baum hängen. Sie verhungern aber oder sterben an der Varroa-Milbe. Es gibt außerdem zu wenig hohle Bäume, die als Behausung dienen.

Wie bist du zur Biene gekommen?

Durch einen Freund, der Gärtner ist und fand, dass in meinen Garten Bienen gehören. Ein Imker, den er kannte, hat dann seine Bienen für ein Jahr in meinen Garten gestellt und hat dann gesagt, mach mal selber! Er hat mir viel gezeigt und hat mich während der Imkerausbildung begleitet.

Wie ist ein Imkerkurs aufgebaut?

Man geht einmal das komplette Jahr durch. Also, wann was zu tun und wie der Zyklus ist. Im Winter überwintern die Bienen als Traube und schon im Februar fangen sie an, rege zu werden und zu brüten. Irgendwann können sie raus, um Nektar und Pollen zu sammeln. Dann werden sie immer mehr und müssen manchmal eine Königin produzieren. Die Anzahl der Bienen steigt über das Jahr an und wird zum Herbst wieder weniger, damit sie heil über den Winter kommen. Die Biene wird nur vier bis sechs Wochen alt, bis auf die Winterbiene, die von September bis ungefähr Februar überlebt.

Faszinierend!

Es ist sensationell, vor allem auch die Demokratie, die es bei den Bienen gibt. Für mich gehören Bienen zu einem Garten dazu. Ich kümmere mich genauso um die Bienen, wie ich mich um meine anderen Pflanzen kümmere. Wenn die Kirschen reif sind, pflücke ich Kirschen und wenn die Bienen bearbeitet werden müssen, bearbeite ich die Bienen.

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Eine Biene sammelt in ihrem ganzen Leben einen einzigen Teelöffel Honig.

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Honig erntest du auch?

Wenn ich welchen habe, ja. Dieses Jahr sind meine Bienen in einen neue Beute umgezogen und müssen sich erstmal einrichten. Deswegen habe ich gerade keinen Honig. Ich imkere aber auch sehr wesensgemäß. Manche Imker holen aus einer Beute 50 oder mehr Kilo Honig im Jahr. Eine Biene sammelt in ihrem ganzen Leben einen einzigen Teelöffel Honig.

Ein mühsames Leben!

Ich hole ungefähr zwölf bis fünfzehn Kilo Honig raus. Ansonsten lasse ich sie zufrieden. Wenn sie voll sind, sind sie voll. Ich nehme ihnen das nicht immer sofort weg. Die Bienen sind ja total im Stress, weil sie ihren Wintervorrat sammeln. Wenn ich denen das wegnehme, werden sie aggressiv und anfälliger für Krankheiten.

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Die Hälfte des Monats verbringt Claudia in ihrem Haus auf Madeira, wo sie auch Coachings gibt

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Hast du die Königin schon mal gesehen?

Die kann man suchen, ja. Als meine Bienen umgezogen sind, mit Hilfe eines schrägen weißen Tuchs, habe ich sie gesehen. Die Königin ist größer, bleibt aber sonst immer drinnen. Die geht nur einmal im Leben raus, um sich von verschiedenen Drohnen begatten zu lassen. Die fallen übrigens danach gleich tot vom Himmel, der ganze Penis wird mit rausgerissen.

Oha!

Die Drohnen sind aber auch zu nichts nütze, das sind nur fliegende Hoden. (Lacht.)

Wie im echten Leben! Nein, Scherz beiseite. Gibt es Situationen, in denen du Angst vor deinen Bienen hast?

Ich habe Respekt. Wenn ich Honig ernte, ziehe ich meinen Anzug an. Es tut höllisch weh, gestochen zu werden. Außerdem sieht es scheiße aus. Ich bin schon vorsichtig. Momentan sind die Bienen nervös …

weil wir kommen?

Genau, die haben Lampenfieber! Nein, die müssen jetzt ihr Futter für den Winter vollkriegen. Ich füttere schon zu. Keine Ahnung, was die den ganzen Sommer gemacht haben, vielleicht in Ottensen in einem Café rumgehangen? (Lacht.) Tatsächlich sind die Wespen auch gerade bei anderen Völkern sehr aggressiv, die räubern die Bienen aus. Das machen die Bienen umgekehrt aber auch.

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Seit neun Jahren hat Claudia den Kleingarten in Ottensen

 

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Sind deine Bienen nur in deinem Garten?

Die fliegen in einem Umkreis von 3 bis 5 Kilometern.

Ich bin durch und durch Naturmensch und lebe am liebsten draußen. Ich entscheide nach dem Wetter, wo ich arbeite.

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Das Zuhause der Bienen nennt man Beute

 

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Für Insekten gibt es in Claudias Garten ein putziges Insektenhotel

 

Du bist sehr aktiv und bist gerade aktiv an der Gründung der Stiftung Aurelia „Es lebe die Biene!“ beteiligt. Außerdem hast du eine eigene Kommunikationsagentur und bist Business-Coach. Wie bringst du das alles unter einen Hut?

Für die Stiftung nehme ich mir die Zeit, weil mir diese Arbeit sehr am Herzen liegt. Es ist toll, wenn ich mich gesellschaftlich engagiere und wenn ich etwas für die Bienen tun kann. Manchmal fällt da drei Wochen gar nichts an und manchmal bin ich drei Tage voll mit der Stiftung beschäftigt. Ich gestalte das sehr flexibel. Ich habe immer meinen Laptop und meinen Hotspot mit dabei und kann eigentlich von überall aus arbeiten. Ich bin durch und durch Naturmensch und lebe am liebsten draußen. Ich entscheide nach dem Wetter, wo ich arbeite.

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Claudia öffnet die Beute vorsichtig mit einem Stockmeissel

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Um die 40.000 Bienen wohnen in Claudias Beute

 

Du hast seit neun Jahren deinen Schrebergarten. Wir haben das Gefühl, Kleingärten sind in aller Munde – bekommst du das auch mit?

Ich denke, das hat viel mit dem Urban-Gardening-Thema zutun. Man hat das Gefühl, dass auf jedem Dach Tomaten gezüchtet und Bienen gehalten werden.

Aber die Stadt reagiert nicht wirklich darauf.

Oh doch, die Stadt sagt, schaut mal ihr Kleingarten-Spießer, Urban-Gardening ist doch viel hipper! Wir sollen weg aus unseren Gärten und rauf auf die Dächer.

Damit die Flächen als Baugrund teuer verkauft werden können.

Da wir mit den Gängeviertel- und Urban-Gardening-Leuten gut vernetzt sind, bekommen wir sowas sofort mit.

Zum Glück! Wir danken dir für das interessante Gespräch, liebe Claudia.

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Im Jahr erntet Claudia zwischen 12 und 15 Kilo Honig

 

Hier findet ihr Claudia:

 

 Fotos: Janna Tode

8 Kommentare

  • Anna sagt:

    Super interessantes Interview! Ihr macht nach wie vor ’nen tollen Job ♡

  • Wirklich ein ganz toller Artikel!
    PS: Die Wohnung und der Garten sind so wunderschön!!

  • Lisa van Houtem sagt:

    Vielen Dank und ja, wir waren bzw. sind ebenfalls ganz verliebt in Claudias Universum! 🙂

  • Eva sagt:

    Wow. Eine sehr inspirierende Frau!

  • Manfred Tschöpe sagt:

    Claudia wie sie leibt und lebt. Mit Leidenschaft für eine gute Sache. Aber trotz der schlimmen Szenarien gibt es Hoffnung.
    Denn die Bienen von Claudia haben in der Natur durchaus Helfer. Nur lassen sie uns nicht unmittelbar durch Honigertrag partizipieren.
    Der Großteil der heimischen Bienen ist nämlich solitär unterwegs. Sie bilden keine oder nur kleine Staaten und wir können ihnen keinen Honig abluchsen (gegen Zuckerwasser).
    Und schließlich sind es gar die Hummeln, denen wir in Sachen Bestäubung dass mit Abstand Meiste verdanken.
    Sie fliegen eher (bereits bei niedrigen Temperaturen, die die Biene noch im Stock halten), sie fliegen länger (bereits am Morgen bis spät in den Abend und auch bei nasser Witterung) und sie kommen an Blüten ran, an denen die Honigbiene verzweifelt (z.B. die Ritterspornblüte).
    Der Rotklee ist ohne die Hummel auf Dauer nicht überlebensfähig, weil die Honigbiene in die Blüte gar nicht reinkommt.
    Und wie die Honigbiene übertragen sie von den Wiesenblumen die für Paarhufer (Ziegen, Schafe, Pferde, Rinder) so wichtige Kreuzhefe.
    Natürlich nur, wenn man sie lässt.
    Daher wäre es schön, wenn die Honigbienenfreunde, die Stiftung, sich der gesamten Armada von potenziellen Bestäubern öffnet, diese mitdenkt.
    Ich gebe zu, ertragstechnisch bedeutet es Verzicht. Aber ökologisch ein Gewinn.
    Und das gepaart mit Claudias Leidenschaft für die Natur .. da werde ich doch hoffnungsfroh.

    Lieben Gruß
    Manfred

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