Anna Schäffel hat ihr Leben in der Stadt gegen ein altes Schulhaus auf dem Land getauscht

2019 verliebten sich Anna Schäffel und ihr Mann in ein altes Schulhaus auf dem Land in Niederbayern. Für die Idylle mit Garten gaben sie ihr trubeliges Leben mitten in der Stadt München auf. Mit viel Händchen und einem Auge für Details hat Anna das große Haus zu einem gemütlichen Treffpunkt für die ganze Patchwork-Familie gemacht. Platz ist genug. Die 600 Quadratmeter werden von Anna, ihrem Mann, zwei Töchtern aus früheren Beziehungen, zwei gemeinsamen Kindern, Hund Wilma und drei Katzen bewohnt.

Die Vögel haben gezwitschert, ich habe am Haus hochgeschaut und gedacht: Krass, das könnte unseres sein.

Außenansicht des ehemaligen Schulhauses in der Nähe von München | femtastics
In dem 600 qm großen Haus war früher die Dorfschule und Lehrer*innenwohnungen.

femtastics: Wie seid ihr hier auf dem Land gelandet?

Anna Schäffel: Wir hatten eine wirklich schöne Wohnung in München, die aber richtig teuer war. Mein Vater bot an, uns beim Kauf einer Immobilie zu unterstützen. Es war jedoch schnell klar, dass wir uns in München nichts leisten können, was groß genug ist für eine sechsköpfige Familie. Also haben wir uns im Münchner Umland umgeschaut, haben im S-Bahn-Bereich alles durchforstet, was ein bisschen besonderer war. Leider ohne Erfolg, die Immobilien hatten alle irgendeinen Haken – oder waren zu teuer. Dann hat mein Mann mir irgendwann die Immobilienanzeige für dieses Haus gezeigt. Ich so: „Sieht toll aus, aber hier fährt ja noch nicht mal ein Zug!“.

Und wahrscheinlich auch kein Bus, oder?

Es gibt hier eine Bushaltestelle, aber ich habe in drei Jahren keinen Bus gesehen.

Anna Schäffel steht mit ihrem Hund in der Eingangstür | femtastics
Anna Schäffel ist mit ihrer Familie von München nach Niederbayern gezogen und teilt ihr Leben auf @alteschule_neuesleben.

Wie war euer erster Eindruck damals vom Haus?

Wir waren an einem schönen Tag im Juli vor drei Jahren hier. Ich saß im Garten auf dem Rasen, die Vögel haben gezwitschert und ich habe am Haus hochgeschaut und zum ersten Mal gedacht: „Krass, das könnte unseres sein.“ Da war es wahrscheinlich schon um mich geschehen. Ich wusste auch, dass man innen was draus machen kann. Es hatte definitiv ganz viel Potenzial, auch wenn alle Wände gelb gestrichen waren, überall noch uralte, samtene Vorhänge hingen und tausend Bohrlöcher in den Wänden waren. Wir haben die entfernten Nägel später mal gewogen – das waren knapp drei Kilo.

Bücherregal von Nils Holger Moormann im alten Schulhaus von Anna Schäffel | femtastics
Das Bücherregal ist ein Klassiker von Nils Holger Moormann.

Was weißt du zur Geschichte des Hauses?

Bis in die Sechzigerjahre war es ein Schulhaus, dann wurde es in ein Wohnhaus umgewandelt und von verschiedenen Adelsfamilien bewohnt. Die meisten älteren Menschen, die ich hier in der Gegend treffe, sind in meinem Haus zur Schule gegangen. Anfangs war es sehr merkwürdig für mich, dass fremde Menschen mein Haus besser kennen als ich.

Konnten dir diese Menschen denn etwas über die Aufteilung des Hauses sagen?

Ja! Ich weiß, dass unser Wohnzimmer das Klassenzimmer für die erste bis vierte Klasse war. Im Schlafzimmer und dem angrenzenden Raum wurden die größeren Kinder unterrichtet. Im übrigen Teil des Hauses wohnten die jeweiligen Lehrer.

Anna Schäffel in ihrem Dahlien-Garten | femtastics

Die meisten älteren Menschen, die ich hier in der Gegend treffe, sind in meinem Haus zur Schule gegangen.

Garten und Kies-Terrasse von Anna Schäffel | femtastics
Zum Haus gehört auch ein riesiger Garten.
Anna Schäffel hält Kaninchen und Katzen | femtastics

Was habt ihr am Grundriss geändert?

Zwischen Küche und Esszimmer war eine Wand, die wir rausgerissen haben. Beim allerersten Betreten der Räume wusste ich, dass das richtig toll werden kann. Der Abriss allerdings war echt aufwändig: Die Wand war tragend, weshalb wir einen Stahlträger einbauen lassen mussten. Während des Abrissprozesses wurde die offene Wand von 48 Stahlstützen stabilisiert. Aber es hat sich gelohnt: Unsere große Essküche ist tatsächlich das Herzstück des Hauses, hier passiert eigentlich alles.

Anna Schäffel sitzt mit einem Buch auf ihrem Sofa | femtastics

Ich bin wahnsinnig gerne Gastgeberin und liebe mein Zuhause. Für mich ist das ein ganz wichtiger Ort.

Sind die alten Holzdielen original?

Die allermeisten Dielen sind original. In einigen Räumen mussten wir Teppichboden und Spanplatten entfernen – aber außer im Büro waren überall die alten Holzböden, die wir aufarbeiten konnten.
Auch ansonsten war das Haus in wirklich gutem Zustand. An den Wänden haben wir ziemlich viel gearbeitet. Da mussten die ganzen Löcher zugespachtelt und zum Teil der Putz erneuert werden, außerdem haben wir die alte Raufasertapete in etlichen Räumen gelöst. Und dann das Ganze gestrichen …

Bei der Fläche – wie lange hat es gedauert?

Ewig. Unterschrieben haben wir im Spätsommer, im Herbst hat unsere Malerin begonnen, und an Weihnachten, als wir hier das erste große Familienfest hatten, habe ich die Spritzschutzfolien in einigen Räumen temporär abgenommen. Fertig gestrichen war es dann im Frühling – da hatte die Malerin dann 1,8 Tonnen Farbe verarbeitet.
Auf Anraten eines Altbausanierers haben wir überall Silikatfarbe verwendet – damit das Haus nach außen und nach innen atmen kann und nicht anfängt zu schimmeln. Das Klima hier im Haus ist wirklich toll: Es ist supergut reguliert.

Anna Schäffel arbeitete als Modejournalistin und hatte den Laden „Soda“ für internationale Magazine in München.

Es heißt immer, ein Haus müsse richtig isoliert sein und einen Energienachweis haben. Gibt es das überhaupt hier?

Dieses Haus hat keinen Energienachweis, was aber bei Häusern in diesem Alter nicht ungewöhnlich ist. Für einen Energienachweis ist wichtig, wie alt die Heizung ist und wie die Fenster isoliert sind zum Beispiel. Wir haben fast überall die alten Doppelfenster, die die Wärme ziemlich gut halten. Natürlich ist es im Winter hier kälter als im fünften Stock in einem Münchner Wohnhaus. Wir überlegen oben zwei kleine Holzöfen anzuschließen. Holz als nachwachsender Rohstoff ist hier sehr leicht verfügbar – die meisten unserer Nachbar*innen haben Wälder. Und Platz genug, um das Holz zu lagern, haben wir ja auch …

Homestory von Anna Schäffel | femtastics

Heizt ihr nur mit Holz?

Wir haben ganz normale Heizkörper mit einer alten Öl-Heizung. Das ist natürlich etwas, wo wir mal ranmüssen. Den CO2-Austoß von Öl kann ich mit meinem Gewissen eigentlich nicht vereinbaren. Dafür fehlen aber gerade die finanziellen Mittel. Wenn ich 100.000 Euro übrig hätte, würde ich mir was überlegen. Wärmepumpen sind leider noch nicht für so große Objekte geeignet. Ich würde gerne warten, bis eine Technik verfügbar ist, die wirklich sinnvoll ist. Aber das Heizthema ist natürlich ein großes. Unser riesengroßes Wohnzimmer heizt sich gut auf, wenn ich die Heizkörper auf zwei drehe. Oder ich schüre den alten Kachelofen an – dann dauert es zwar einige Stunden, dafür ist diese Kachelofenwärme ganz besonders behaglich. Die Gemeinde, die das Haus ursprünglich erbauen ließ, hat auf eine solide Grundsubstanz geachtet, das hilft beim Heizen.

Anna Schäffel im Jeans-Overall in ihrem Dahliengarten | femtastics

Bereust du etwas bei der Renovierung?

Überhaupt nicht. Ich bereue eher, dass wir nicht mehr Hände haben und nicht mehr Geld. Wir haben oben seit einem Jahr im Bad eine Baustelle – und immer an allen Ecken so viel zu tun. Momentan wird ja auch alles immer teurer, und Handwerker*innen sind auch superschwierig zu bekommen. Wir haben hier zum Beispiel zwei Ladestationen für E-Autos, weil es wirklich sinnvoll ist, für die Strecken, die wir hier fahren. Wir kriegen aber seit einem halben Jahr keine*n Elektriker*in, die/der sie uns anschließt.

Anna Schäffel im Treppenhaus ihres alten Schulhauses - Hund blickt in die Kamera | femtastics

Hat es sich gelohnt, für dieses Haus das Leben in der Stadt aufzugeben?

Absolut. Ich habe mich wirklich in dieses Haus verliebt. Ansonsten hätte ich mir nicht vorstellen können, unser Leben in der Stadt aufzugeben und hier neu anzufangen. Diesen Schritt zu gehen, war nicht einfach. Wir hatten monatelang eine riesige Pro- und Contra-Liste an unserer alten Wohnzimmertür, mit einem Stift festgebunden. Da konnte jeder immer notieren, was ihm gerade einfällt. Die großen Mädchen waren 14 und gehen weiterhin in München zur Schule – wir wollten sie nicht aus ihrem gewohnten sozialen Umfeld reißen.

Mir fehlt zwar einiges am Stadtleben, aber es ist wohl eine Typfrage. Ich war schon immer ein Nest-Mensch, wollte, dass immer alle zu mir kommen. Ich bin wahnsinnig gerne Gastgeberin und liebe mein Zuhause. Für mich ist das ein ganz wichtiger Ort.

Wenn man mit vier Kindern und einem wirklich chaotischen Mann zusammenlebt, kommt die Gemütlichkeit fast von alleine.

Katze schläft auf der Fensterbank | femtastics

Ist es dir leichtgefallen, hier Anschluss zu finden?

Ja, besonders wegen der Kinder. Natürlich muss man ein bisschen proaktiv auf die Leute zugehen und der Niederbayer an sich ist niemand, der leichtfertig sein Herz öffnet. Manche waren fast erschüttert, wie offen ich überall hingegangen bin und mich vorgestellt habe. Durch die Kinder bin ich im Kindergarten sehr schnell angekommen. Mein Sohn und meine Tochter spielen Tennis und Reiten, da lernt man auch Leute kennen. Man muss vielleicht ein bisschen mehr machen, wenn man mit 40 Jahren in eine Gemeinschaft kommt, die in weiten Teilen irgendwie gewachsen ist und wo sich alle schon immer kennen.

Vitra Schaukelstuhl und Dackelbild im Flur | femtastics

Was vermisst du an der Stadt?

Essen gehen zu können – und essen zu bestellen. Früher war das für mich eine Selbstverständlichkeit, wenn ich keine Lust hatte, zu kochen. Heute ist mein Gefrierschrank riesig. Und ich fange tatsächlich an, die Dinge aus dem Garten zu verwerten und haltbar zu machen.

Vermisst du die sozialen Kontakte?

Die habe ich zwar hier auch, aber was ich unterschätzt habe, ist das spontane Treffen von Menschen im Alltag, auf der Straße, an der Bushaltestelle, beim Einkaufen. Hier ist man nicht auf der Straße unterwegs – und natürlich fehlt mir das gewachsene soziale Netz. Ich bin in München geboren, zur Schule gegangen, habe dort studiert. Ich habe eigentlich ständig Menschen getroffen. Das ist hier anders.

Einer der Gründe, warum wir trotzdem hier rausgezogen sind: Wir haben viel Platz im Haus. In fast jedem Raum steht ein Zusatzbett und wir haben mehrere Gästezimmer. So können hier zehn Leute komfortabel in eigenen Räumen übernachten – und wenn nach einer Party mal 20 Menschen hier schlafen müssen, ist das auch kein Problem.

Anna Schäffel und ihr Hund in ihrem alten Schulhaus | femtastics

Dieses Haus muss nicht für die Ewigkeit von uns bewohnt werden. Für jetzt ist es perfekt.

Anna Schäffel sitzt in ihrer Küche | femtastics

Was machst du beruflich?

Ich habe Modejournalismus und Medienkommunikation studiert und in verschiedenen Verlagen gearbeitet. Mit meinem Ex-Mann habe ich einen Laden für internationale Magazine in München eröffnet. „Soda“ in der Rumfordstraße. Irgendwann wurde mir alles zu viel. Kaum habe ich mein Arbeitspensum reduziert, war ich mit dem zweiten Kind schwanger. Ich habe lange Pause gemacht und dann freiberuflich für ein paar Kunden gearbeitet. Eigentlich war der Plan, wenn wir hier wohnen, wieder mehr ins Berufsleben einzusteigen, aber dann kam Corona. Vor einem Jahr habe ich angefangen, Interior-Bilder auf „Instagram“ hochzuladen.

Orangefarbenes Regal und Katze im alten Schulhaus von Anna Schäffel | femtastics

Ich kann mir auch vorstellen, wenn die Kinder aus dem Haus sind, das Haus wieder zu verkaufen und in eine kleine Wohnung in die Stadt zu ziehen.

Große Fensterfront im Schlafzimmer - femtastics
„In fast jedem Raum steht ein Zusatzbett und wir haben mehrere Gästezimmer. So können hier zehn Leute komfortabel in eigenen Räumen übernachten – und wenn nach einer Party mal 20 Menschen hier schlafen müssen, ist das auch kein Problem“, sagt Anna.

Du hast hier viel Fläche, die du füllen darfst. Was war dein Konzept?

Ich bin total froh, dass sich durch einen glücklichen Zufall alles so ergeben hat und es gemütlich ist. Wenn man mit vier Kindern und einem wirklich chaotischen Mann zusammenlebt, kommt die Gemütlichkeit fast von alleine. Ich wollte es eigentlich stylischer haben, arbeite aber immer gegen Windmühlen, die alles mit Kuscheltieren bedecken. Es ist sehr organisch gewachsen mit Dingen, die wir hatten und Dingen, die leistbar waren. Das Bücherregal ist ein Klassiker von Nils Holger Moormann, das wollte ich schon immer haben. Es war dann relativ günstig auf „eBay Kleinanzeigen“ – in der Größe ist das wahrscheinlich nicht ganz einfach zu verkaufen. Wir mussten es minimal zurechtsägen, dann hatten meine Bücher endlich ein schönes Zuhause.

Hast du Angst, das Haus wird euch irgendwann mal zu groß?

Dieses Haus muss nicht für die Ewigkeit von uns bewohnt werden. Für jetzt ist es perfekt, ein bisschen liebäugeln wir mit einem Alterswohnsitz in der Toskana. Ich kann mir auch vorstellen, wenn die Kinder aus dem Haus sind, es wieder zu verkaufen und in eine kleine Wohnung in die Stadt zu ziehen. Oder wir eröffnen eine Alters-WG mit unseren besten Freund*innen.

Details im alten Schulhaus von Anna Schäffel | femtastics

Ihr seid also nicht an einen Kredit mit 30 Jahren Laufzeit gebunden?

Wir hatten wirklich Glück. Wir waren zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort und die Vorbesitzer wollten eigentlich sehr viel mehr Geld, als wir bezahlen konnten, wollten es aber loswerden. Es ist Halt ein schwieriges Objekt: Wer bindet sich schon 600 Quadratmeter Wohnfläche ans Bein? Für uns fügte sich alles glücklich, wir waren die einzigen, die sich ernsthaft interessiert haben und sehr schnell einen Notartermin anbieten konnten. Wenn alles nach Plan läuft, haben wir das Haus in zehn bis 15 Jahren abbezahlt.

Und dann kannst du dir echt vorstellen, hier wieder wegzugehen?

Im Moment würde es mir ehrlich gesagt mein Herz brechen. Wichtig ist, dass wir die finanzielle Belastung in der Stadt nicht mehr haben und die mentale Belastung weg ist. In der Stadt war der Lebensstil: „Ich muss noch schnell“. Selbst wenn man die Kinder zur Kita gebracht hat. Alle sind im Kopf schon einen Schritt weiter. Hier ist das anders. Es tut uns allen sehr gut hier draußen. Vor allem den Kindern.

Vielen Dank für das schöne Gespräch, liebe Anna!

Gelbes Regal - femtastics
Das ehemalige Schulhaus ist nun das Zuhause von Anna Schäffel und ihrer Familie | femtastics

Hier findet ihr Anna Schäffel:


Layout: Kaja Paradiek

Ein Kommentar

  • Franzi sagt:

    Ich finde es total spannend, weil das Haus auf euren Bildern gaaaanz anders wirkt als auf ihrem Insta Kanal. Tolle Home Story, muss man auch ein bisschen Mut haben für 600qm in the middle of nowhere – meine Eltern wohnen auch in Niederbayern, ich darf das sagen 😬😬

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