Leben und arbeiten an zwei Standorten: Illustratorin Pia Opfermann über ihr Lebenskonzept mit Meer

Dort leben und arbeiten, wo andere Urlaub machen. Pia Opfermann hat sich diesen Traum erfüllt. Die Illustratorin und Kommunikationsdesignerin betreibt einen Onlineshop mit Motiven rund ums Meer, Surfen und die Wellen und setzt Auftragsarbeiten für Kund*innen um. Im Sommer wohnt die 30-Jährige in einem Surfcamp an der französischen Atlantikküste und im Winter in einem Bauernhäuschen in Deutschland. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, wie sie ihren Arbeitsalltag gestaltet, wie es ist, an einem Ferienort zu leben, welche bürokratischen Schritte dafür nötig sind und mit welchen Vorurteilen sie kämpft, weil sie tut, was sie liebt – und das in einem traumhaften Umfeld.

Pia Opfermann lebt mit ihrem Freund von Mai bis Oktober in einer umgebauten Gartenlaube auf einem Campingplatz bei Bordeaux in Frankreich. Den Winter verbringt sie in Deutschland.

Von Bullis bis Big Waves: Ihre Poster und Postkarten verkauft Pia in einem Etsy-Shop.

femtastics: Hol uns zum Start doch einmal kurz in deine Welt. Wie sieht es gerade um dich herum aus?

Pia Opfermann: Ich sitze in einem kleinen Häuschen mitten auf einem Campingplatz. Den Sommer über lebe ich hier im Surfcamp meines Freundes am Atlantik, in der Nähe von Bordeaux. Wir wohnen mitten im Camp in einer umgebauten Gartenlaube auf etwa 16 Quadratmetern. Hier stehen ein Bett, ein Schrank, zwei Schreibtische – und auf der Terrasse warten unsere Surfbretter.

Mittags springe ich meistens ins Meer, arbeite danach weiter und gehe abends bei Sonnenuntergang noch mal surfen.

Du arbeitest dort aber nicht als Surflehrerin, sondern als Illustratorin, richtig?

Ganz genau. Ich habe hier eigentlich einen ganz normalen Arbeitstag, mit dem Unterschied, dass ich ihn um die Wellen herum plane. Meistens stehe ich gegen 8 Uhr auf, ohne Wecker, das ist natürlich ziemlicher Luxus. Dann schaue ich auf die Webcam oder fahre direkt ans Meer und checke die Wellen. Sind sie nicht so gut, fange ich direkt an zu arbeiten und warte ab, ob der Tag noch etwas hergibt. Mittags springe ich meistens ins Meer, arbeite danach weiter und gehe abends bei Sonnenuntergang noch mal surfen.

Das klingt ziemlich traumhaft. Wie kam es zu diesem Setting?

Ich habe nach dem Studium in Düsseldorf in einer Agentur gearbeitet, bis ich meinen Freund kennenlernte. Er betreibt mit zwei Partnern das Surfcamp und ist in der Sommersaison, die etwa von Mai bis Oktober geht, immer in Frankreich. Ich stand vor der Entscheidung, ob ich in Deutschland sitze und warte, dass er im Herbst zurückkommt oder ich mich komplett selbstständig mache und ins kalte Wasser springe.

Und das hat von Anfang an gut funktioniert?

Ich hatte neben dem Studium schon ein paar Privatkund*innen für Grafikdesign-Jobs und Illustrationen, das hat es erleichtert. Es hat alles total gut geklappt, ich bin jetzt seit fünf Jahren selbstständig und habe glücklicherweise eine Nische gefunden, arbeite viel für Surflabels und kleine Modebrands. Die Branche ist klein, jede*r Surfer*in kennt jede*n, so ergibt sich immer etwas Neues. Ich arbeite aber auch viel für Autor*innen und gestalte Reiseführer und Surfguides.

Das sind natürlich Projekte, die du theoretisch von jedem Ort der Welt aus machen kannst. Gibt es trotzdem auch mal Probleme, weil du in einem anderen Land und relativ weit entfernt von deinen Kund*innen arbeitest?

Ich brauche natürlich einen guten Handyvertrag, weil ich hier eigentlich mitten im Wald sitze. Den habe ich zum Glück. Die meisten meiner Kund*innen kenne ich allerdings nur übers Telefon oder per Mail, viele habe ich noch nicht persönlich getroffen. Da ist es natürlich umso witziger, wenn man sich dann irgendwann mal tatsächlich trifft. Schwieriger ist es manchmal bei Bestellungen in meinem Onlineshop. Seit ich in Frankreich bin, weiß ich die Deutsche Post viel mehr zu schätzen. Hier dauert alles viel länger. Wenn ich von hier aus etwas verschicke, braucht es zwei bis drei Wochen, bis es ankommt – und ich bin von Natur aus sehr ungeduldig. (lacht)

Gibt es noch andere Dinge, die dir aus deiner Heimat fehlen?

Ich bin ein totaler Familienmensch und in der Zeit, die ich am Meer bin, kann ich natürlich nicht zuhause sein. Ich fahre meine Familie zwischendurch besuchen, aber es sind mehr als 1.000 Kilometer, das macht man nicht mal eben so. Ich bekomme auch Besuch von Freund*innen oder wir skypen, aber es ist natürlich nicht das Gleiche. Es gibt vieles, was ich nicht mitbekomme.

Ich muss mich mit Vorurteilen herumschlagen, weil viele denken, dass ich hier keinen richtigen Job ausführe – als würde ich den ganzen Tag in der Sonne sitzen und malen. Aber auch ich ernähre mich leider nicht nur von Luft und Liebe.

Wie läuft es, wenn die Surfsaison vorbei ist? Wo lebst du dann?

Mein Freund und ich sind dann zusammen in Kempen am Niederrhein, dort sind wir in diesem Jahr zusammen mit meiner Mutter und meinem Bruder in ein Bauernhäuschen mit riesengroßem Garten gezogen. Es ist superschön, dort so viel draußen und in der Natur sein zu können. Ich bin eigentlich ein ziemliches Landei – so schön ich es auch fand, acht Jahre in Düsseldorf zu leben.

An zwei Orten zuhause zu sein und überall arbeiten zu können: Das klingt auf der einen Seite verlockend, auf der anderen Seite nach viel Papierkram, doppelter Miete und solchen Dingen. Wie läuft das ganz konkret?

Es ist überhaupt nicht so kompliziert, wie man denkt. Es gibt in der EU das Recht, dass man in jedem Land arbeiten darf, die Behördengänge sind kein Problem. Man braucht ein entsprechendes Formular von der Krankenkasse, dann kann man sich ins Auto setzen, ins nächste Land fahren und von dort aus arbeiten. Für uns ist es eine glückliche Situation, dass wir in einem Mehrgenerationenhaus wohnen und in der Zwischenzeit nichts leer steht. Früher hatten wir eine sehr günstige Wohnung in Düsseldorf, in der ab und zu Freund*innen von uns untergekommen sind. Den nötigen Papierkram handeln wir im Frühjahr und Herbst ab, wir zahlen in Deutschland Steuern, so wie jeder andere auch.

Für viele Menschen ist es kein richtiger Job, wenn man nicht ständig über ihn jammert.

Fällt es dir leicht, das Gefühl von Arbeit und Urlaub nicht zu vermischen, wenn du an einem Urlaubsort sitzt und arbeitest?

Man muss eine Riesenportion Motivation mitbringen. Die Versuchung ist groß, nur in dieses süße Leben einzutauchen. Wenn alle um dich herum Urlaub machen, kommt man schnell in diesen Flow: Ich gehe mal einen Kaffee trinken, dann mache ich einen Ausflug. Das darf man sich auch mal erlauben, aber es ist trotzdem wichtig, dass man seine Ziele im Auge behält.

Ich muss mich mit Vorurteilen herumschlagen, weil viele denken, dass ich hier keinen richtigen Job ausführe – als würde ich den ganzen Tag in der Sonne sitzen und malen. Aber auch ich ernähre mich leider nicht nur von Luft und Liebe. Und neben den Illustrationen und Designjobs schreibe ich Angebote, kümmere mich um Mails und die ganze Kommunikation – das frisst alles viel Zeit. Dass ich meine Arbeit wirklich liebe, macht das natürlich einfacher. Aber für viele Menschen ist es kein richtiger Job, wenn man nicht ständig über ihn jammert.

Eigentlich ist es sogar Arbeitszeit, wenn ich surfen gehe.

Ist es vielleicht auch einfacher, sich in einem so schönen Umfeld zu motivieren?

Natürlich ist es toll, dass zwischendurch immer wieder Urlaubsfeeling aufkommt. Wenn ich mit dem Rad zur Post fahre, um Bestellungen zu verschicken und die Strecke hier am Strand entlang geht, ist das einfach schön. Und bei mir ist es ja so, dass ich mich mit dem Thema Meer auch beruflich beschäftige. In einem anderen Job wäre das vielleicht anders, aber ich ziehe sehr viel Inspiration für meine Arbeit aus dem Meer und der Natur. Wenn ich einen Spaziergang mache, um den Kopf freizubekommen, dann kommt mir vielleicht eine brillante Idee, weil ich über eine Muschel stolpere. Vielleicht ist es sogar notwendig für mich, Zeit am Meer zu verbringen. Eigentlich ist es sogar Arbeitszeit, wenn ich surfen gehe. (lacht)

Ich mag dieses Unvorhersehbare, dass man nicht immer einschätzen kann, wie die nächste Welle ist.

Gut, dass du es ansprichst: Welche Rolle spielt das Surfen für dich?

Für mich ist es vor allem Bewegung draußen in der Natur. Ich mag dieses Unvorhersehbare, dass man nicht immer einschätzen kann, wie die nächste Welle ist. Man kommt schnell an seine Grenzen, weil man sich nicht jeden Tag gleich gut fühlt – da bekommt man vom Meer ziemlich gut den Spiegel vorgehalten. Das frustriert manchmal, es kann aber genauso den Tag erhellen, wenn ich eine richtig gute Welle erwische und vorher nicht damit gerechnet habe.

Surfen hat etwas sehr Befreiendes.

Viele finden Surfen meditativ. Siehst du das auch so?

Eigentlich würde ich das nicht sagen. Aber ich kann total abschalten und komplett vergessen, was um mich herum passiert – vielleicht ist das damit gemeint. Surfen spricht alle Sinne an: Du kannst die Wellen hören, das Salzwasser und die salzige Luft schmecken. Du siehst den ewigen Horizont vor dir, den Strand hinter dir – all diese Farben. Surfen hat etwas sehr Befreiendes.

Man hört wirklich, wie sehr du das Meer liebst. Und das ist nicht erst seit deiner Zeit in Frankreich so, oder?

Ich war schon immer viel am Meer. Meine Großeltern haben glücklicherweise ein Haus an der holländischen Nordseeküste. Wir sind früher nie irgendwohin geflogen, sondern immer nach Holland gefahren, deshalb fühle ich mich so hingezogen zum Meer. Ich liebe es auch im Winter, wenn man so richtig schön durchgepustet wird – genauso wie die Möglichkeit, am Sommer am Strand zu liegen.

Ich würde später gern dauerhaft am Meer wohnen, am liebsten in Holland.

Was ist denn deine Vision für die Zukunft? Willst du weiterhin in Frankreich bleiben oder vielleicht an einem ganz anderen Ort leben?

Ich würde später gern dauerhaft am Meer wohnen, am liebsten in Holland. Das ist nah genug an meiner Familie und auch wenn man dort nicht ganz so gut surfen kann wie hier in Frankreich oder vielleicht in Indonesien, mag ich das Wechselhafte. Es tut meinem Kopf viel besser als das ewig Sonnige, ich mag es, wenn es mal stürmt und regnet, ich mag alle Jahreszeiten. Und die Holländer*innen haben auch ziemlich viel drauf, was Design angeht.


Und wie geht es für dich bei der Arbeit weiter? Was ist dir für die Zukunft besonders wichtig?

Ich finde es toll, dass alle meine Jobs mit dem Meer und dem Surfen zusammenhängen. Ich habe mit dem Illustrieren erst angefangen, weil ich die Idee zu „Daily Dose“ hatte, das ist ein Einmachglas mit Wellen – dieses Bild hatte ich plötzlich im Kopf. Das hat sich über Social Media nach außen getragen, darüber habe ich das entdeckt, was mir wirklich Spaß macht. Am Anfang war es viel Aquarell, mittlerweile probiere ich viele Techniken aus, alles hat immer einen Bezug zum Meer, zum draußen sein. Und das möchte ich mir beibehalten.

Viele Menschen denken immer: Das, was man bei Instagram sieht, ist mein Hauptverdienst. Aber das, was am Ende Geld bringt, sind Grafikdesign-Jobs.

Oft ist es bei Freelancer*innen so, dass sie Herzensprojekte haben und daneben die eher „langweiligen“ Jobs machen, die die Miete zahlen. Wie ist das bei dir?

Viele Menschen denken immer: Das, was man bei Instagram sieht, ist mein Hauptverdienst. Aber das, was am Ende Geld bringt, sind Grafikdesign-Jobs. Ich mache viel Logo-Entwicklung und Corporate Design – auch für Firmen, die nicht unbedingt in meinen Instagramfeed passen. Aber ich mag diese Abwechslung. Wenn ich Bücher gestalte, dann ist es oft viel Satzarbeit, also reines Positionieren von Texten. Das hat für mich manchmal etwas Meditatives, dass ich auch mal etwas abarbeiten kann, ohne den Kopf kreativ zu viel anzustrengen.

Ich habe den Anspruch, dass alles, was ich mache, mit Liebe gemacht sein muss.

Also eine Mischung aus Jobs für Geld und Jobs fürs Herz?

Ich habe den Anspruch, dass alles, was ich mache, mit Liebe gemacht sein muss. Alles, was ich gerne mache und was mir am Herzen liegt, da weiß ich, dass es später den meisten Menschen gefallen wird. Wenn ich viel Herzblut hineinstecke, dann wird es am Ende auch gut.

Dann wünschen wir dir weiterhin ganz viel Spaß und Erfolg dabei. Danke für das inspirierende Gespräch!

Hier findet ihr Pia Opfermann:

Fotos: Lisa Viezens

Layout: Kaja Paradiek

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