Von Hamburg nach Hollywood – so würde eine klassische Schlagzeile lauten. Bei Simon Heeger und Christian Vorländer war es genau andersherum: Schon während des Studiums zog es die heute 35-Jährigen ins Epizentrum der internationalen Entertainment-Industrie. Nach einigen intensiven und vor allem arbeitsintensiven Jahren war klar: Der große Traum so vieler Künstler ist vielleicht doch nicht das, was sie sich für ihr eigenes Leben vorstellen. Also gründeten sie Anfang 2016 ihre eigene Musikproduktionsfirma 2WEI Music in Hamburg. Zwischen Mischpult, einer Orgel, die eigentlich Christians Oma gehört, und jeder Menge weiterer Instrumente treffen wir die beiden in ihrem Studio in Altona. Wir sprechen mit ihnen über ihren Weg zur eigenen Marke, wieso Hamburg die perfekte Stadt ist und warum sogar Superstar Beyoncé für diese beiden sympathischen Männer eine Ausnahme macht.
Christian Vorländer: Wir haben uns beim Studium in Holland kennengelernt. Ich wusste nach dem Abi nicht genau, was ich machen wollte. Ich wusste nur, es sollte etwas mit Musik sein. Weil es in Deutschland nirgends die Mischung aus Musikproduktion und Komposition gab, wie ich sie suchte, landete ich in Enschede. Dort sind Simon und ich uns über den Weg gelaufen und wir wurden relativ schnell gute Freunde. Das war 2004. Zu dem Zeitpunkt entwickelte sich schon diese Schnapsidee, dass wir beide nach L.A. gehen und dort über einem Surfshop ein Studio aufmachen.
Simon Heeger: Wir hatten ein Studienprojekt zusammen, das war ein Song-Contest fürs „StudiVZ“.
Christian: Genau, das war eigentlich der einzige Song, den wir zusammen gemacht haben, inklusive rappen. Wenn wir uns das heute anhören, denken wir immer nur „Boah, wie schlecht das war.“ Simon ging dann als erster nach L.A., zunächst für ein Praktikum. Anschließend blieb er dort und begann zu arbeiten. Als ich gekommen bin, musste Simon aber zurück nach Deutschland. Das war die Zeit nach der Wirtschaftskrise, als es für Ausländer deutlich schwieriger war, im Land zu bleiben. Trotz Job erhielt er kein Arbeitsvisum. Wir gaben uns quasi am Flughafen einmal High Five – ich bin nach Los Angeles, Simon ist nach Hamburg. So sind wir für ein paar Jahre eigentlich komplett andere Wege gegangen, aber immer in Kontakt geblieben.
Christian: Um in Hollywood erfolgreich zu sein, musst du dir vor allem einen Mentor suchen. Du brauchst jemanden, der dich „reinbringt“. Wir sind zu Hans Zimmer ins Studio gezogen und waren die New Kids. Wir mussten uns erst mal beweisen. Das war sehr intensiv und anstrengend, wirklich harte Lehrjahre.
Um in Hollywood erfolgreich zu sein, musst du dir vor allem einen Mentor suchen. Du brauchst jemanden, der dich „reinbringt“. Wir sind zu Hans Zimmer ins Studio gezogen und waren die New Kids.
Simon: In der Zeit habe ich Christian besucht und wohnte auch bei ihm. Er ist über lange Phasen morgens um 9 Uhr aus dem Haus gegangen und kam morgens um 3 Uhr zurück, und das sieben Tage die Woche.
Christian: Statt auf Partys habe ich die meiste Zeit in einem Studio ohne Fenster verbracht. Das würde man vermutlich gar nicht aushalten, wenn man nicht so viel Leidenschaft für die Musik hätte. Das Studio wird zum Lebensmittelpunkt.
Statt auf Partys habe ich die meiste Zeit in einem Studio ohne Fenster verbracht. Das würde man vermutlich gar nicht aushalten, wenn man nicht so viel Leidenschaft für die Musik hätte. Das Studio wird zum Lebensmittelpunkt.
Simon: Ohne harte Arbeit kannst du nichts erreichen. Viele Menschen suchen den schnellen Erfolg oder einfach nur Zugang zu diesen Partys. Dabei liegen hinter jeder erfolgreichen Person sehr, sehr viele Stunden in diesen dunklen Kämmerchen, sehr viele Zweifel. Ich denke, dass viele Leute zu früh aufgeben. Wir werden oft gefragt, wie wir in so kurzer Zeit so erfolgreich werden konnten. Aber für uns ist das keine kurze Zeit, sondern wir haben 14 Jahre lang dafür gearbeitet, was wir jetzt haben.
Christian: Eines Nachts in dieser enorm stressigen Zeit bin ich um die Häuser spaziert und habe mich gefragt: Will ich so für die nächsten 30, 40 Jahre weitermachen? Klar, diese Arbeit ist das Allerwichtigste, ich stecke immer 100% Herz und Seele rein. In dem Moment habe ich aber gemerkt, dass das Menschliche mindestens genauso wichtig ist und dass ich mit Freunden zusammenarbeiten will. Mittlerweile haben wir ein Team von sieben Leuten und es fühlt sich an wie Familie.
Simon: Ich war hier in Hamburg angestellt und Christian kam nach über sechs Jahren zurück aus Amerika. Dann war klar, wir müssen es jetzt einfach machen. Ich kündigte noch in der gleichen Woche meinen Job. Und es hat von Tag Eins an funktioniert, diese Kombination aus Christians Hollywood-Glamour, den Credits, die er mit Filmen wie „Mad Max“ und „Superman“ gesammelt hat, und meinem Netzwerk, das ich in der Zeit in Hamburg aufgebaut habe.
Ich denke, dass viele Leute zu früh aufgeben. Wir werden oft gefragt, wie wir in so kurzer Zeit so erfolgreich werden konnten. Aber für uns ist das keine kurze Zeit, sondern wir haben 14 Jahre lang dafür gearbeitet, was wir jetzt haben.
Christian: Genau. Etwa ein Jahr vor den eigentlichen Filmreleases werden die Filmtrailer veröffentlicht. In dieser Industrie, die ziemlich genau in der Mitte zwischen Filmwelt und Werbewelt liegt, haben wir unseren Platz gefunden.
Simon: Bei Trailermusik veröffentlichen wir wie Künstler ganze Alben. Die fertigen Stücke werden an die Firmen gegeben, die passend zur Musik die Filmtrailer schneiden. Auf unserem ersten Album etwa waren fast nur Originaltitel, die wir selbst komponiert haben. Das zweite Album bestand aus Covern. Das bekannteste davon war „Survivor“ von Destiny’s Child. Das Cover ist auf einem „Tomb Raider“ Trailer gelandet und dann ziemlich viral gegangen.
Christian: Das kann ganz schön kompliziert sein, denn die Künstler müssen die Coverversion immer freigeben. Beyoncé macht das zum Beispiel nie. Sie erlaubt normalerweise keine Remixe oder Coverversionen – in unserem Fall hat es sie aber aus irgendeinem Grund abgesegnet.
Simon: Wir wissen nicht warum, aber wir denken mal, dass es ihr ganz gut gefallen hat.
Christian: Durch diese Arbeit haben wir anschließend viele Anfragen bekommen, auch für Videospiele wie „Need for Speed“, „Call of Duty“ oder „Battlefield“.
Christian: Genau, das Artist Development steht ziemlich im Kontrast zu unserer Arbeit für Kunden oder der Trailermusik. Wir hatten Lust, etwas intimer zu arbeiten, uns mehr Zeit für etwas zu nehmen.
Simon: Derzeit sind es zwei Künstler, die wir konkret aufbauen. Wir hoffen, damit etwas Langfristiges zu schaffen. Idealweise Musik, die die Leute auch in 20 Jahren noch hören.
Simon: Als ich aus L.A. wieder kam, habe ich lange überlegt, ob ich nach Düsseldorf oder vielleicht Berlin gehe. Dann habe ich den Job in Hamburg gefunden und mich über die Jahre hier etabliert.
Christian: Mir war vorher gar nicht klar, wie kreativ Hamburg ist. Was Filmproduktionen, Regisseure, aber auch Musiker angeht, findet man hier die besten Deutschlands. Durch die ganzen Musicals leben hier sehr außergewöhnliche Künstler, etwa herausragende Flötisten, mit denen wir Musik aufnehmen können. In Berlin verliert man sich schnell, in Los Angeles sowieso und hier ist es irgendwie familiär – und trotzdem ist Hamburg eine Weltstadt. Wir fühlen uns superwohl.
Mir war gar nicht klar, wie kreativ Hamburg ist. Was Filmproduktionen, Regisseure, aber auch Musiker angeht, findet man hier die besten Deutschlands.
Christian: Unseren ursprünglichen Traum vom eigenen Studio über einem Surfshop haben wir uns zumindest fast erfüllt. Denn wir haben seit zwei Jahren ein kleines Studio neben einem Surfshop in Venice Beach.
Simon: Ein weiterer Traum ging in Erfüllung, als wir 2017 in Cannes den „Goldenen Löwen“ gewannen. Vielleicht noch einen Grammy? (lacht) Einen Superbowl-Spot zu scoren, das wäre auf jeden Fall auf der Liste.
Christian: Das Wichtigste aber für uns ist, dass wir das lieben, was wir machen. Dass die Menschen es hören und wir dahinterstehen.
Simon: Wir sind bereits mehr als dankbar für alles, was wir heute haben. Selbst, wenn wir irgendwann wieder nur zu zweit da stehen – Hauptsache wir können das machen, was uns Spaß bringt.
Fotos: Pelle Buys
Interview: Corinna Bock
Layout: Kaja Paradiek