Drei Gründer, eine Mission: „Wicked Cricket“ will Insekten als Nahrungsquelle der Zukunft etablieren

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27. Januar 2021

„Sie sehen aus wie Pistazien und schmecken getreidig, nussig und umami“, sagt Mathias Rasch, während er eine Grille aus der Verpackung holt, sich in den Mund steckt und zufrieden kaut. Der 32-jährige Lehrer aus München befasst sich seit einigen Jahren mit dem Thema Entomophagie – dem menschlichen Essen von Insekten. Vor drei Jahren hat er gemeinsam mit seinem Freund, dem Physiker Josef Hirte, „Wicked Cricket“ gegründet. Mittlerweile sind sie zu viert, bieten mit ihrer Insektenmanufaktur neben ihren Snack-Insekten auch Insektenriegel an und haben mit „Insectec“ gerade ein neues Start-up gegründet, das die Technologie liefert, die es für die zukunftsorientierte Insektenzucht braucht.

Wir wollen unsere schöne Welt mit Hilfe einiger sehr kleiner Geschöpfe ein bisschen besser machen.

homtastics: Stellt euch zu Beginn doch mal kurz vor, wer oder was steckt hinter „Wicked Cricket“ und was ist „Insectec“?

Mathias Rasch: Wir sind eine Insektenmanufaktur aus München, wir veredeln und verkaufen Snack- und Kochinsekten und wollen die Europäer*innen überzeugen, dass Insekten auch bei uns fest auf den Speiseplan gehören. Deshalb haben wir 2017 „Wicked Cricket“ als GbR gegründet und seit diesem Jahr sind wir eine eingetragene Unternehmergesellschaft. Mit „Insectec“ haben wir uns dieses Jahr ein zweites Standbein geschaffen, mit dem Ziel, die Insektenzucht zu revolutionieren. Dafür entwickeln wir gerade ein Soft- und Hardwaresystem, mit dem wichtige Parameter für die Zucht wie Luftfeuchtigkeit und Temperatur regelmäßig überwacht werden können. Wir sind mehr als nur vier Gründer, wir sind Partner und Freunde auf der Mission, unsere schöne Welt mit Hilfe einiger sehr kleiner Geschöpfe ein bisschen besser zu machen.

Wie sind die Aufgaben im Team verteilt?

Josef Hirte ist studierter Physiker und unser Vordenker bei der Produktentwicklung. Ich nenne ihn „Mastermind“, aber das hört er nicht gern. Dann ist da Josef Köhl, der Master of Finance, unser Mann für Finanzen und Strategie. Die beiden sind mittlerweile Vollzeit im Geschäft. Maximilian Wagner, der sich um Sales kümmert, und ich (Marketing & PR) sind beide noch in unseren Hauptberufen tätig (Bauingenieur und Lehrer), im Herzen aber trotzdem zu einhundert Prozent im Einsatz für unsere Mission: Insekten als Nahrungsquelle der Zukunft etablieren.

Das Team von „Wicked Cricket“: Josef Hirte, Josef Köhl und Mathias Rasch haben das Start-up gegründet.

Insekten sind gesund, grün und geil.

Warum sollte man eurer Meinung nach Insekten essen?

Insekten sind gesund, grün und geil. Gesund, weil sie bis zu 70 Prozent hochwertige Proteine enthalten, dazu viele für den Menschen lebensnotwendige Nährstoffe wie ungesättigte Fettsäuren, Antioxidantien, Zink, Eisen und Vitamin B12. Unsere Insekten sind frei von Pestiziden, Gentechnik, Hormonen und Antibiotika. Grün, weil sie eine ressourcenschonende Alternative zu Fleisch sind: In der Zucht wird deutlich weniger Energie in Form von Futter und Wasser benötigt. Sie brauchen weniger Platz und produzieren nahezu keine Emissionen. Ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz. Und geil, weil unsere „Wicked Crickets“ einfach unfassbar kross und lecker sind. Wir vereinen Lifestyle und gesunde Ernährung zu feinsten Insektendelikatessen.

Wie oft esst ihr selbst Insekten?

Berufsbedingt und weil es schmeckt, ungefähr drei- bis viermal pro Woche. Unser Fleischkonsum hat sich dadurch deutlich reduziert. Josef Hirte ernährt sich mittlerweile beispielsweise rein vegetarisch und macht nur bei unseren „Wicked Crickets“ eine Ausnahme. Für uns ist er deswegen ein „Wicketarier“.

Iss oder zirp!

Wie findet man den Einstieg ins Insektenessen?

Klar, anfangs ist für viele Menschen ein bisschen Überwindung dabei, wenn man zum ersten Mal ein Insekt probiert. Weil es ungewohnt und anders ist. Unser Tipp: Augen auf, schaut euch an, was ihr esst, aber studiert es nicht stundenlang. Und am besten nicht direkt mit den Mehlwürmern anfangen, die sind ein bisschen speziell. Unsere Snack-Insekten sind der perfekte Einstieg. Sie sind fein geröstet und schmecken in erster Linie nach den Gewürzrichtungen, in denen wir sie anbieten: Fior de Sel, Rosa Pfeffer, Allgäuer Wildkräuter, Chile y Limón und Zimt & Zucker in der süßen Variante. Für die vorsichtige Annäherung eignet sich auch unser „Wicked Cricket Bricket“ – ein Kraftriegel aus bio-zertifizierten Walnüssen, Trockenpflaumen und gemahlenen Grillen. Und für alle, die sich mehr trauen, haben wir Kochinsekten im Angebot. Dazu gibt es viele Rezepte und Zubereitungsideen auf unserem Foodblog. Dann heißt es nur noch: Iss oder zirp!

Wie habt ihr die verschiedenen Geschmacksrichtungen ausgewählt?

Mit Fior de Sel wollten wir den puren Geschmack unterstreichen. Die Kristalle der Salzblume schmecken mild und harmonieren perfekt mit der Grille. Mit der Sorte Rosa Pfeffer wollten wir einen exotisch-fruchtigen Geschmack erreichen. Die Allgäuer Wildkräuter sind eine Reminiszenz an meine Allgäuer Heimat und passen geschmacklich super zu den gerösteten Grillen. Ganz neu im Sortiment haben wir die feurig-scharfen Chile y Limón, die mit Zitronen- und Chili gewürzt und geröstet wurden. Unsere süßen „Zimt & Zucker Crickets“ hatten wir zunächst als Weihnachtsedition konzipiert, haben sie aufgrund der hohen Nachfrage aber mittlerweile ganzjährig im Programm. Wir achten bei allen Gewürzen darauf, dass sie bio-zertifiziert sind, aus heimischer Produktion kommen und/oder fair produziert werden.

Euer Lieblingsrezept?

Ich persönlich mag die Safran-Insektenpaella sehr gerne. Das Rezept findet ihr auf unserem Blog. Auch sehr lecker ist übrigens Heuschrecken-Raclette. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Und was essen eigentlich Insekten?

Unsere Insekten werden ausschließlich pflanzlich gefüttert, mit Haferflocken, Karotten und Äpfeln. Die „Wicked Crickets“ stammen aus der ersten deutschen Speiseinsektenzucht in Süddeutschland. Die Farm erfüllt unter Laborbedingungen höchste Lebensmittelstandards. Für unsere eigene Zucht wollen wir außerdem mit Reststoffen aus der Lebensmittelverwertung arbeiten. Wir glauben, dass man hier noch Kreisläufe schließen kann.

Was ist euch noch wichtig?

Wir wollen auch bei der Verpackung unseren ökologischen Ansprüchen gerecht werden. Sie besteht aus Monomaterialien, die bestmöglich recycelt werden können. Idealerweise möchten wir hier künftig ganz auf Plastik verzichten und auch in verpackungsfreien Supermärkten verkaufen.

Und was sind die nächsten Schritte?

Wir wollen in den Einzelhandel. Das ist der nächste große Schritt. Dafür haben wir uns jetzt auch bei „Die leckerste Idee“ beworben, das ist ein Fernsehformat von „Vox“ und „Rewe“, in dem Start-ups aus den Food- und Drinkbereichen die Möglichkeit bekommen, das eigene Produkt in den Supermarkt zu bringen. Ansonsten gibt es natürlich unseren Webshop und ein paar Spätis und Kioske in Berlin und München. Aber da muss noch mehr gehen. Und vor allem wollen wir keine Eintagsfliegen sein. Wir wollen mit unseren Produkten überzeugen.

Vielen Dank für das spannende Gespräch, Mathias und weiterhin viel Erfolg für euch!

 

Hier findet ihr „Wicked Cricket“:

Interview: Katharina Kümmerle

Fotos: Christian Vogel

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