Wall Hangings und Wandteppiche erleben gerade ein großes Comeback. Als wir vor Kurzem die Objekte der Textildesignerin Sandra Schollmeyer entdeckt haben, war unsere Anfrage für eine Homestory und ein Interview so gut wie geschrieben. Wir haben die 35-jährige Wahl-Hamburgerin in ihrem 40-Quadratmeter-Wohnatelier in St. Pauli besucht. Im Interview erzählt sie, warum genau jetzt der richtige Moment für sie ist, mit ihren Arbeiten an die Öffentlichkeit zu gehen, welche Rolle Nachhaltigkeit dabei spielt und woher ihre Leidenschaft fürs Weben und Knüpfen kommt.
Sandra Schollmeyer: Mit Wandobjekten habe ich schon früh angefangen – der Teppich dahinten stammt zum Beispiel aus meinem Diplom von 2009. In letzter Zeit habe ich mich dann wieder mehr mit dem Thema auseinandergesetzt und mich gefragt: Wo sind die Wandteppiche eigentlich geblieben? Wenn man zum Beispiel ins Museum für Kunst & Gewerbe geht, gibt es dort unheimlich tolle Wandteppiche, die versteckt in kleinen Räumen hängen. Gerade im Bauhaus gab es Frauen, die wahnsinnig tolle Wandteppiche hergestellt haben.
Ich glaube, das hat allgemein mit der Bewegung zu tun, dass handgemachte Sachen wieder mehr wertgeschätzt werden, besonders im Zuge der Globalisierung und der Vereinheitlichung. Früher hat es wahnsinnig Spaß gemacht, wenn man woanders hingereist ist und etwas gefunden hat, von dem man wusste, dass es das in der eigenen Stadt nicht zu kaufen gibt. Und jetzt verreise ich in Städte und da sind dann die gleichen Geschäfte auf der Einkaufsstraße. Und ich habe allgemein das Gefühl, dass Textilien wieder einen Aufschwung bekommen – gerade in Bereichen wie Architektur und Medizin. Und ich denke, dass immer mehr herausgefunden wird, dass Textil ein tolles Material für ganz unterschiedliche Anwendungen ist.
Tatsächlich zwischen Tür und Angel. Sie hat mir erzählt, dass sie das Event macht und ich hatte den einen runden Teppich bei mir Zuhause liegen. Ich wusste, der gehört an die Wand, und ich hatte gerade eine Lösung gefunden, wie ich ihn befestigen kann, da ein rundes Objekt in sich nicht stabil ist. Ich habe dann aus Scherz gesagt: Das können wir dann ja bei dem Event an die Wand hängen. Dann war sie gleich Feuer und Flamme und ich habe sofort drauflos produziert. Es war auch für mich der richtige Moment. Davor hat mir noch der Anstoß gefehlt, damit in die Öffentlichkeit zu gehen.
Ich möchte lieber über meine Produkte gesehen werden.
Ja, das ist die Idee. Am Anfang habe ich mich noch ein bisschen dagegen gewehrt. Dann habe ich es mir angeguckt und musste feststellen, dass es eine gute Plattform ist, gerade für jemanden, der kreativ arbeitet. Ich bin ein sehr visueller Mensch und kommuniziere am liebsten über Bilder, nicht so sehr über Text, und so hat man auch die Möglichkeit, die Leute weltweit zu erreichen. Für jemanden wie mich, der sich nicht so gerne in den Vordergrund stellt, ist das auch gut – ich möchte lieber über meine Produkte gesehen werden.
Gezielt gehe ich nicht auf die Suche – Inspiration ist für mich überall. Wenn ich etwas in Zeitschriften sehe, reiße ich das aus und bewahre es auf. Allerdings bin ich nicht so viel auf Blogs unterwegs, weil ich mich nicht zu stark beeinflussen lassen möchte. Ich möchte weiterhin, dass es so aus mir rauskommt. Was ich wahnsinnig toll finde, sind ethnische Stoffe, die inspirieren mich sehr. Vor allem durch die Farbgebung und die Farbzusammensetzung. Außerdem ist die Handarbeit immer wieder sehr beeindruckend.
Klar, wie der Autor vor dem weißen Blatt.
Nö (lacht). Weil ich weiß, dass der Moment kommt, in dem es weitergeht, und dann komme ich auch zum Ziel. Bis jetzt ist mir auch alles gelungen, auch bei Auftragsarbeiten. Wenn der Kunde mal etwas nicht gut findet und man zunächst völlig hilflos ist, findet man immer seinen Weg. Ich gebe mir dann einfach den Moment und gehe raus, ins Museum oder mache Sport.
Ich hatte mich an mehreren Schulen für Produktdesign beworben und wurde direkt nach dem Abitur in Karlsruhe angenommen. Während des Studiums habe ich ein Auslandssemester in Rom gemacht. Es gefiel mir so gut in Italien, ich habe die Sprache gelernt und Land und Leute kennengelernt. Ich reise gerne, finde es aber besonders schön, wenn ich mehr in die Kultur eintauchen und das Land intensiver erleben kann – das inspiriert mich. Zurück in Karlsruhe habe ich dann gemerkt, dass ich das Produkt an sich schön finde, aber auch immer gerne mit flexiblen Materialien gearbeitet habe. Dann kam eins zum anderen und ich bin in Hamburg gelandet und habe hier an der HFBK in der Textilklasse, die es leider heute so nicht mehr gibt, studiert. Aus einem Semester sind dann sechs geworden, weil mich das so gepackt hat. Ich habe das Studium dann trotzdem in Karlsruhe beendet. In meinem Diplom steht zwar Produktdesign, meine Ausrichtung wurde dann aber doch sehr textillastig.
Mein Plan war ursprünglich, erstmal irgendwo fest zu arbeiten, langfristig hatte ich aber schon die Vorstellung, mich irgendwann selbstständig zu machen. Der Plan ging aber nicht auf, dann bin ich direkt Freiberuflerin geworden. Ich habe mit Styling angefangen, dann bin ich schnell in die Schiene der Papierarbeiten gerutscht, weil ich einfach gemerkt habe, dass ich gerne Dinge mit den Händen mache und Sachen herstelle. Nebenher war das Bedürfnis, die textilen Objekte weiterzuentwickeln, groß. Ich wusste zu dem Zeitpunkt nur noch nicht wie. Ich hatte eine Zeit lang auch Sachen in einem Geschäft, da wurde auch was verkauft, das tröpfelte so vor sich hin. Ich war viel mit Styling beschäftigt und hatte nicht die Zeit und die Muße, mich um meine eigenen Produkte zu kümmern. Ich bin im letzten Jahr wieder auf den Weg dahin zurückgekehrt.
Ein Traum ist es, meine großen Objekte in Hotel-Lobbys zu platzieren.
Auf jeden Fall natürliche Materialien und ich möchte gerne mehr mit Baumwolle machen, weg von den Kunststoffseilen. Dann interessieren mich auch neue Materialien. Es gibt Garne, die aus Algen gewonnen werden, Milchfasern – darauf möchte ich peu à peu meinen Fokus setzen und damit experimentieren. Ich habe mir auch schon Firmen herausgesucht. Bei der Ausstellung „Fast Fashion“ im Museum für Kunst und Gewerbe gibt es ganz tolle Beispiele für alternative Materialien. Die Nachhaltigkeit ist für mich auf jeden Fall ein Anliegen. Das war für mich als Designerin immer ein Zwiespalt: Es gibt so viele Produkte auf dieser Welt und ich habe mich fast schon gesträubt, neue Produkte in die Welt zu setzen. Ich glaube, es ist eine ganz gute Lösung, bei Einzelstücken zu bleiben. Serielle Produktion ist etwas, was ich im Moment nicht anpeile. Wenn es eine Firma gibt, die eine Kooperation machen möchte, finde ich so etwas auf jeden Fall interessant. Aber ich glaube, ich würde das momentan nicht von alleine anstoßen.
Ich habe einen guten Mittelweg gefunden. Zum einen finanziere ich mich über Auftragsarbeiten, zum anderen kreiere ich meine eigenen Produkte. Über andere Jobs erarbeite ich mir den Freiraum, mich mehr der textilen Arbeit zu widmen. Jetzt muss ich mal schauen, wie es weitergeht. Gerade habe ich zum Beispiel für das Goethe-Institut Bangkok hier vor Ort als Beraterin und Koordinatorin für ein Textilprojekt, das in Thailand beziehungsweise in der Region Südostasien in den nächsten Jahren stattfinden soll, fungiert.
Ein Onlineshop schwebt mir auf jeden Fall vor. Es gibt auch ein paar Orte, wo ich mir vorstellen kann, meine Objekte zu platzieren, damit sie gesehen werden. Ich frage mich auch, ob nicht vielleicht eine Galerie ein guter Ort wäre. Ein großer Traum, den ich nie vergessen habe, ist, große textile Objekte zu machen und diese in Orten wie Hotel-Lobbys, also in öffentlichen Räumen, zu platzieren. Designhotels boomen in den letzten Jahren ja auch extrem – für die Gestaltung werden oft extra Künstler engagiert oder beauftragt. Das könnte ich mir auch vorstellen.
Ich mag es groß! Obwohl meine Wohnung klein ist, sind meine Objekte sehr groß (lacht).
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