Ihr Metier sind Stift und Papier: Tanja Cappell alias Frau Hölle ist Lettering Artist – von Berufs wegen. Die Diplomingenieurin aus München hat irgendwann das Skizzieren und schöne Schreiben für sich entdeckt und darauf eine Karriere aufgebaut. Heute lehrt sie beides in Workshops zu „Sketchnotes“ und „Hand Lettering“. Wir haben die 32-jährige gebürtige Nürnbergerin auf einem Lettering-Workshop von Blume2000.de in Hamburg getroffen und mit ihr über die Wiederentdeckung der schönen Handschrift, Kalligrafie, Kritzeleien als Ausdrucksform und ihre Selbstständigkeit gesprochen.
Tanja Cappell: Diese Bezeichnung für meine Arbeit habe ich mir selbst ausgedacht. Der erste Begriff bezeichnet mein „Sketchnotes“-Coaching, das heißt, ich bringe Menschen das einfache Zeichnen und die Arbeit mit Bildsprache bei. „Lettering Artist“ bezeichnet das schöne Arbeiten mit Buchstaben.
Übers Internet, vor allem über Instagram. Ich habe vor drei oder vier Jahren Hand Lettering entdeckt, als es noch eher vereinzelt zu sehen war. Ich habe es ausprobiert – und das hat nicht geklappt.
Meine ersten Versuche sind nicht geglückt. Aber ich habe Schritt für Schritt versucht, es mir selbst beizubringen – nur damals gab es wenig Tutorials oder Anleitungen … Es hat wahrscheinlich ein halbes Jahr gedauert, mit Pausen.
Nein, das hat null miteinander zu tun. Die einzige Gemeinsamkeit zwischen Handschrift und Hand Lettering sind die Buchstaben (lacht). Hand Lettering kann auch jemand lernen, der eine absolute Sauklaue hat!
Weil eine Methodik dahinter steckt, die jeder erlernen kann.
Hand Lettering kann auch jemand lernen, der eine absolute Sauklaue hat!
Ich glaube, nach einem Workshop bekommt man schon ein gutes Gefühl dafür. Wenn man ein paar Wochen lang geübt hat, kann man es bestimmt schon ziemlich gut. Aber man muss auch Pausen machen, es ist ja anstrengend, seine Handmuskulatur so zu trainieren und sich zu konzentrieren.
Glattes Papier, Filzstifte oder Buntstifte für Hand Lettering mit Druckbuchstaben, und einen Brush Pen für das Brush Lettering. Man kann natürlich auch mit richtigen Pinseln arbeiten, aber das ist noch einmal schwieriger. Die Königsdisziplin ist Kalligrafie mit einer Tuschefeder. Ich würde vorschlagen, erst einmal mit Druckbuchstaben anzufangen, um überhaupt wieder ein Gefühl fürs Schreiben von Hand zu bekommen, und danach das Brush Lettering zu üben.
Ich bin studierte Diplomingenieurin mit Schwerpunkt Medientechnik. Ich habe Websites programmiert und visuell gestaltet. Später habe ich als digitale Produktmanagerin gearbeitet, zuletzt bei Hubert Burda Media in München, wo ich „Elle“ und „Instyle“ digital betreut habe. Digitale Gestaltung war also schon Bestandteil meiner Arbeit und ich habe auch mal mit Scribbles gearbeitet – so kam ich überhaupt mit dem Thema in Berührung …
Alles, was ich lehre, ist Methode und Technik. Man muss das nur lernen und dann kann man es genauso gut wie ich.
Ja, das ist lustig. Für beide Themen, mit denen ich arbeite, gibt es treffende englische Bezeichnungen und schwierige deutsche Übersetzungen. „Visual Thinking“ ist der englische Begriff für „Bildsprache“, und „Handletting“ ist der englische Begriff für „Schriftkunst“ … Ich sehe mich aber nicht als Künstlerin. In beiden Professionen bin ich keine Künstlerin, sondern Techniker, der sich etwas beigebracht hat.
Schon, aber ich finde, für Kunst braucht man künstlerische Gene. Und die habe ich nicht. Alles, was ich lehre, ist Methode und Technik. Man muss das nur lernen und dann kann man es genauso gut wie ich.
Wir denken, von Geburt an, eigentlich immer in Bildern. Egal, ob es um Urlaub geht oder die Frage, was wir abends kochen: Wir denken immer in Bildern. Kritzeln ist auch das erste, was wir lernen, bevor wir schreiben lernen. Insofern ist es sehr intuitiv und nativ, auch im Berufsleben mit Bildern zu arbeiten. Durch gesellschaftliche Prägungen denken viele Menschen vielleicht: „O je, was ich zeichne, ist nicht schön.“ Aber Schönheit hat damit gar nichts zu tun! Es geht ums schnelle Kritzeln, das muss nicht schön aussehen. Es geht darum, mit schnellen Strichen eine Idee zu visualisieren. Und das hat meistens, wenn nicht immer, viel mehr Aussagekraft als ein Text und trägt viel besser zum gemeinschaftlichen Verständnis einer Idee bei. Bilder sind, im Gegensatz zu Wörtern, auch international verständlich.
Das war 2010 auf der Konferenz „Republica“ in Berlin. Damals stand neben der Bühne eine Frau – es war Anna Lena Schiller – die hat sämtliche Vorträge mitgezeichnet und visualisiert. Diese paar Kritzeleien haben mir total geholfen, die Vorträge zu verstehen. Ich wusste damals nicht, was das ist, aber ich war begeistert und habe begonnen, mich damit zu beschäftigen.
Das ist unterschiedlich. Ich biete einerseits private Sketchnotes-Workshops an, in denen es darum geht, zu lernen, eigene Ideen als visuelle Notizen festzuhalten. Und andererseits biete ich Sketchnotes-Workshops für Unternehmen an, in denen es darum geht, die Bildsprache für Vorträge und Meetings zu nutzen.
Schritt für Schritt. Ich hätte früher nie gedacht, dass ich mal selbstständig arbeiten würde. Aber ich habe erst einmal angefangen, nebenberuflich meine Sketchnotes-Workshops zu machen, vor rund fünf Jahren. Ich habe das also abends oder am Wochenende gemacht oder mir mal einen Urlaubstag genommen, wenn ich einen super Kunden hatte. Dann habe ich meine Arbeitszeit in meiner Festanstellung reduziert und mir freitags für meine Sketchnotes-Projekte Zeit genommen. Ich habe einfach gemacht, es ist gewachsen – und dann kam, vor rund drei Jahren, Lettering dazu.
Ich hatte keinen Businessplan und ich hatte keine Marketing-Strategie. Das einzige, was meinen Erfolg ausmacht, sind Social Media.
Genau, es ist ein Potpourri aus Workshops, Blog, Auftragsarbeiten, Tutorials, … . Nur mit den Sketchnotes-Workshops hätte ich mich nie selbstständig gemacht. Ich möchte nicht immer nur Workshops geben und andauernd reisen. Was mein Leben revolutioniert hat, sind die digitalen Lettering-Guides. Das sind PDFs, die man sich in meinem Onlineshop herunterladen kann. Sie sichern mir ein Grundeinkommen und geben mir die Möglichkeit, aktiv weitere Projekte zu verwirklichen.
Ich hatte keinen Businessplan und ich hatte keine Marketing-Strategie. Das einzige, was meinen Erfolg ausmacht, sind Social Media. Dazu gehören bei mir Instagram, Facebook und Twitter, aber auch Periscope, bzw. jetzt Instagram Stories. Ich habe eigentlich jedes soziale Netzwerk, das es gab, einmal ausprobiert. Ich habe mich immer reingehängt und dadurch meine Community aufgebaut. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie Geld für Werbung ausgegeben. Ich habe mir meinen Newsletter aufgebaut und alles über Social Media bekannt gemacht. Gestern habe ich einen neuen Lettering-Workshop auf meiner Instagram Story beworben – und abends war er ausverkauft.
Man muss sich darauf einlassen. Als Selbstständiger muss man sich eigentlich auf alles einlassen. Wenn man schüchtern ist, kann man es trotzdem machen, dann muss man es eben lernen. Ich habe es früher gehasst, Präsentationen zu geben – selbst in der Uni –, aber mit der Zeit habe ich es gelernt. Alleine meine Leidenschaft für Sketchnotes und Lettering haben mich dazu gebracht, mich auf eine Bühne zu stellen. Und je öfter man etwas macht, desto souveräner und geübter wird man.
– in Zusammenarbeit mit Blume2000.de –
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