Kaftane, die zu Sneakers kombiniert werden, Morgenmäntel aus Seide, die Streetwear-Looks komplettieren, Jogginghosen mit Smoking-Details, Hoodies mit aufwändigen Stickereien – die Mode von Designer Youssef Hotait ist gleichzeitig lässig und luxuriös, ebenso entspannt wie elegant. Mit seinem Label „Ufff“ mixt der 33-Jährige, der im Libanon geboren und in Niedersachsen aufgewachsen ist, orientalische Elemente mit futuristischen Designs. Wir treffen Youssef zum Interview über die Vision für seine Mode, den Reiz des Risikos, und die Verbindung zu seiner Herkunft.
Youssef Hotait: Ich habe nach meiner Ausbildung begonnen, im Einzelhandel zu arbeiten und mir war schnell klar, dass ich in der Modebranche bleibe – und mich irgendwann selbstständig mache. Ich habe als Kind schon Kleider gezeichnet und nebenbei eine Kunstschule besucht. Nach meiner Ausbildung kam dieser Wunsch, mich mit Ästhetik zu beschäftigen, zurück.
Ja, auf jeden Fall. Die Modebranche ist eine ganz eigene Welt, das hat mich fasziniert. Dabei gibt es jedoch auch einige Aspekte, die ich an ihr nicht mag – die Schnelllebigkeit zum Beispiel und wie teilweise mit den Menschen umgegangen wird. Ich denke aber, dass man in der Branche erfolgreich sein und diese Dinge besser machen kann.
Vor meiner Selbstständigkeit habe ich zwei Stores von Dolce & Gabbana geleitet, in Hamburg und München. Mein Alltag bestand nur aus Arbeit, ich war für über 50 Mitarbeiter*innen verantwortlich. Ich bin nur zwischen Mailand, Hamburg und München hin und hergereist. Ich hatte irgendwann 1.200 Überstunden und habe gesagt: Jetzt ist Schluss. Mir ist es immer wichtig, auf meine innere Stimme zu hören – und sie hat mir gesagt, dass ich kündigen muss.
Ende 2016 habe ich als Angestellter aufgehört, weil es sich nicht mehr richtig angefühlt hat und weil ich nicht mehr für andere arbeiten wollte. Ich habe zunächst ein Dreivierteljahr Pause gemacht, genug Überstunden hatte ich ja (lacht). Ich bin gereist, war unter anderem für vier Monate in Barcelona und in Thailand. Während dieser Zeit ist die Idee entstanden, dass ich eine Men’s Underwear Brand gründen möchte.
Ich muss sagen, dass mich alles, was mit Risiko zu tun hat, motiviert und anzieht. Ich bin ein Risk-Taker. Ich sehe das so: Es ist immer eine 50/50 Chance: Entweder etwas funktioniert oder nicht. Wenn du den sicheren Weg gehst und es gar nicht versuchst, ist die Chance bei 0 und es kann sein, dass du es bereust. Das ist für mich keine Option.
Ich bin nur zwischen Mailand, Hamburg und München hin und hergereist. Ich hatte irgendwann 1.200 Überstunden.
Mir ging es zunächst darum, meine Miete bezahlen zu können. Deshalb habe ich als Berater gearbeitet und parallel mein Label, die Schnitte und Designs entwickelt. Meine Freelance-Arbeit lief dann aber so gut, dass ich schon wieder nur unterwegs war – Paris, Schweiz, … – und dass ich nach zwei Jahren das Gefühl hatte, immer noch nicht ganz das zu machen, was ich machen wollte. Es war ein Mittelding zwischen angestellt und frei, ich habe noch immer für andere gearbeitet. Meine Base hatte ich in Paris und dort entstand die Idee, mich in Vollzeit meinem eigenen Label zu widmen. Ich habe von heute auf morgen meine Freelance-Projekte beendet.
Ich habe das Wort „Ufff“ früher viel verwendet, als einen emotionalen Ausdruck. Es kann bedeuten: „Ufff, ist die oder der attraktiv!“, „Ufff, endlich Wochenende!“ und so weiter. In Bezug auf mein Label stand das Wort ursprünglich für „Underwear Fabricated For Freedom“, weil sich bei meinem Label alles um Freiheit dreht. Mittlerweile, da meine Kollektionen gewachsen sind, steht das Wort einfach für einen Ausruf von starken Emotionen.
„Uff“ definiert sich über drei Punkte. Erstens das Prinzip 24/7. Zweitens die Kombination aus Eleganz und Komfort. Drittens: „Mystical Orient“ – das ist meine Herkunft – „… meets Future City“ – ich liebe alles, was mit der Zukunft zu tun hat.
Die Idee war, ein attraktives, hochwertiges Underwear-Label für Männer zu machen und eventuell in Zukunft darauf aufzubauen. Dass es so schnell wächst, hätte ich nie gedacht.
„Ufff“ definiert sich über drei Punkte. Erstens das Prinzip 24/7, dass du „Ufff“ rund um die Uhr tragen kannst. Zweitens die Kombination aus Eleganz und Komfort. Drittens: „Mystical Orient“ – das ist meine Herkunft – „… meets Future City“ – ich liebe alles, was mit der Zukunft zu tun hat. Es war mir wichtig, keinen typisch „orientalischen“ Style zu machen, den man schon hundertmal gesehen hat. Ich wollte etwas kreieren, was es bislang noch nicht gab: Orient in der Zukunft.
Der Orient hat etwas Mystisches – das möchte ich in der Farbwahl widerspiegeln. Auch viele der Stoffe – Seide, Leinen und Baumwolle – sind vom Orient inspiriert. Dabei wähle ich jedoch Schnitte und eine Linienführung, die neuartig sind. Am deutlichsten zeigen das meine Kaftane: Es sind im Grunde klassische orientalische Gewänder für Männer, aber meine sind sehr modern, sie haben zum Beispiel Prints oben am Kragen, und ich kombiniere sie mit Sneakers statt mit orientalischen Schlappen und mit einer Jogginghose.
Ich muss sagen, dass mich alles, was mit Risiko zu tun hat, motiviert und anzieht.
Ja. Meine Kaftans – ich mache ärmellose sowie langärmelige – kommen definitiv sehr gut an. Ich hatte gestern erst eine Anfrage aus L.A. vom jemandem, der mehrere Kaftans bestellen will, um sie in der Wüste zu tragen. Ich würde auch die deutschen Männer nicht unterschätzen. Wenn es um Urlaub geht, sind sie sehr offen dafür, solche Teile zu tragen. Die Einstellung zu Mode hier hat sich verändert. Die junge Generation wächst mit mehr Toleranz auf, mit einer Zugänglichkeit zu allen Ländern und auch allen Modewelten. Das verändert den Sinn für das Modische.
Es geht mir um einen Mann, der eine Eleganz in sich trägt. Für mich bedeutet Eleganz nicht, einen Smoking zu tragen, wahre Eleganz kommt von innen. Das hat etwas mit Manieren zu tun, mit dem Selbstwertgefühl und damit, wie man sich und andere behandelt – nämlich gut. Es geht um einen Freigeist, der nicht nur ein Träumer ist, sondern der seine Träume auch wahr macht. Das ist ein Bild, das mich sehr inspiriert.
Für mich bedeutet Eleganz nicht, einen Smoking zu tragen, wahre Eleganz kommt von innen. Das hat etwas mit Manieren zu tun, mit dem Selbstwertgefühl und damit, wie man sich und andere behandelt – nämlich gut.
Als ich fünf Jahre alt war, sind meine Eltern mit mir und meinen drei Brüdern nach Deutschland geflüchtet. Wir konnten fast zehn Jahre nicht zurückreisen, deshalb hatte ich den Bezug zu meinem Geburtsort fast verloren. Danach sind wir jeden Sommer in den Libanon gereist, jeweils für die kompletten Sommerferien. Als ich älter wurde, wollte ich aber mehr reisen, andere Länder sehen, und bin nicht mehr in den Libanon geflogen. Mein Vater ist irgendwann in den Libanon zurückgekehrt und das hat zu einem Bruch zwischen mir und meiner Herkunft geführt, zu einer gewissen Antihaltung, verknüpft mit Enttäuschung. Ich war rund zwölf Jahre gar nicht mehr dort. Erst vor zwei Jahren, als „Ufff“ immer konkreter wurde, dachte ich, dass es wichtig wäre, den Bezug zu meinen Wurzeln wiederzufinden. Ich wollte ein paar meiner Styles gerne im Libanon produzieren. Das ist der erste Schritt, meiner Herkunft die Hand zu reichen und auch die dortige Wirtschaft zu unterstützen. Ich bin also nach Beirut geflogen, letztes Jahr.
Ich hatte für fünf Tage gebucht und bin für fünf Wochen geblieben. Ich hatte den Trip meines Lebens. Ich habe so viel über mich verstanden, ich habe so viel Schönheit gesehen und so viele tolle Menschen aus der kreativen Branche kennengelernt. Dieses Land war so gut zu mir. Ich hatte auf einmal ein Foto-Shooting für „Ufff“, habe so viele Kontakte geknüpft, alles hat sich extrem gefügt. Auch die Produktionsstätten, die ich kennengelernt habe, sind großartig. Es waren magische fünf Wochen. So hat sich auch die DNA meiner Marke noch mehr manifestiert.
Ich wollte ein paar meiner Styles gerne im Libanon produzieren. Das ist der erste Schritt, meiner Herkunft die Hand zu reichen und auch die dortige Wirtschaft zu unterstützen.
Der größte Teil in Portugal: Underwear, Swimwear, Hoodies, Sweatshirts, T-Shirts, … Das können die portugiesischen Produzenten meines Erachtens am besten. Alles, was aus geschneiderter Baumwolle ist, wird in Beirut produziert. Und alles aus Seide wird in Vietnam gemacht. Ich war mehrfach vor Ort, um mich mit den Produzenten auszutauschen und sie kennenzulernen. Ich bin wahrscheinlich der größte Albtraum jedes Produzenten (lacht), weil ich sehr perfektionistisch bin. Ich muss zu 100% hinter dem stehen, was ich verkaufe. Am Ende steht schließlich mein Name darunter. Das Aufwändigste an meiner ganzen Arbeit sind die Produktionsstätten.
Ich habe Basics, die es immer gibt, und zu ihnen kommen saisonal neue Stücke hinzu. Die „Ufff“ Kollektionen sind dabei so konzipiert, dass alle Stück zu einander passen bzw. mit einander kombiniert werden können, auch über die Saisons hinaus. Keines meiner Stücke soll kurzlebig sein. Ich möchte der DNA meiner Marke immer treu bleiben und nicht auf jeden Trend aufspringen, um dann so auszusehen wie alle anderen Brands aussehen. Ich möchte stattdessen lieber mit Materialien spielen: im Winter arbeite ich zum Beispiel mit festeren Materialien, auch einmal mit Cashmere, im Sommer arbeite ich mehr mit Seide.
Ich habe gelernt, einfach zu machen. Ganz wichtig ist, dass ich jeden Tag mein Label lebe, selbst daran glaube und mich weiter entwickle.
Ja, ich mache alles selbst. Manchmal ist es wirklich zu viel, das gebe ich zu. Aber immer, wenn ein kleiner Downer kommt, passiert etwas neues Schönes, was mich wieder motiviert.
Es fällt häufig viel parallel an: ich zeichne, ich organisiere Foto-Shootings, ich arbeite mit dem Atelier an den Samples, ich telefoniere mit den Produktionsstätten, ich kümmere mich um Marketing, Steuerangelegenheiten, … manchmal alles davon an einem Tag. Natürlich gibt es Prozesse, die nacheinander ablaufen – am Anfang steht der Designprozess, dann beginnt die Produktion – aber ich muss immer schon über die nächste Kollektion nachdenken. Ich habe in den vergangenen zwei Jahren unheimlich viel gelernt.
Ich stelle mir diese Frage gar nicht. Es ist klar, dass es nicht einfach ist, sonst würde es jeder machen. Und dann würde es mich auch nicht interessieren. Offensichtlich suche ich im Leben ja nach solchen Herausforderungen. Ich habe gelernt, einfach zu machen. Ganz wichtig ist, dass ich jeden Tag mein Label lebe, selbst daran glaube und mich weiter entwickle. Solange ich das Gefühl habe, „Ufff“ entwickelt sich weiter – und ich persönlich auch – solange stelle ich mir diese Frage nicht.
Natürlich wäre es schön, wenn „Ufff“ von heute auf morgen ein großes, globales Label wäre, aber auf der anderen Seite würde ich dann so vieles verpassen. Ich genieße gerade ehrlich diesen Prozess. Und dafür, dass ich ein Newcomer-Label bin, sind die Kunden sehr angetan: Sobald ein Kunde in Kontakt mit „Ufff“ kommt, bleibt er bei „Ufff“. Das macht mich sehr glücklich und motiviert mich.
Das Prinzip bleibt weiterhin eine 24/7-Kollektion. Es kommen noch tragbarere Stücke dazu. Jetzt kommt meine Swimwear heraus und ich habe zum Beispiel auch eine Jeans gemacht. Das Wichtigste für mich ist, zu kreieren und meiner Vision treu zu bleiben.
Layout: Kaja Paradiek