Wer sich für Mode interessiert, kennt Kerstin Görling: von ihrer über Frankfurts Grenzen hinaus bekannten Boutique Hayashi, ihren Posts als Autorin beim Blogazine Journelles und von unzähligen grandiosen Streetstylebildern. Kerstin ist bekannt für ihren einmaligen und unvergleichlichen Stil – ein eklektischer Mix aus knallbunten Wahnsinnsteilen, traumhaft abgefahrenen Schuhen und zeitgeistigen Accessoires. Immer mit dabei: Labrador Otto! Auf ihre 165 Quadratmeter große Wohnung im Frankfurter Westend waren wir also gespannt wie ein Flitzebogen – und wurden nicht enttäuscht: zwischen Mickey Mäusen, goldenen Tigern und Winkekatzen sprechen wir über Stil, Jugendkultur und das Erfolgsgeheimnis von Hayashi.
Femtastics: Wie bekommt man so viel Stil wie Du ihn hast?
Kerstin Görling: Vielen Dank für das Kompliment! Ich glaube das kommt daher, dass ich mich schon immer für alles interessiert und schon sehr viel ausprobiert habe. In meiner Jugend war ich Techno-, Hip-Hop-, Grunge- und Gothic-Mädchen – ich war pechschwarz gekleidet und alle anderen Mädchen hatten Angst vor mir. Irgendwann pendelte es sich ein.
Wann war das?
Nach der Schule. Während des Studiums hab ich langsam meinen Stil gefunden. Trotzdem würde ich alles unterschreiben, was ich in der Zeit vorher modisch gewagt habe, weil es in die Zeit gepasst hat. Alle waren damals ein bisschen bekloppt.
Wir haben noch richtige Jugendkulturen miterlebt.
Diesen krassen Wandel gibt es heute leider nicht mehr – weil es keine extremen Jugendkulturen mehr gibt?
Es gibt noch Emos und Cosplayer, das finde ich ganz cool. Aber so extrem wie in den Achtzigern und Neunzigern ist es wohl nicht mehr. Wir haben noch richtige Jugendkulturen miterlebt.
Das ist total schade.
Ich sehe das auch bei Hayashi: Die Töchter kaufen im gleichen Laden und teilweise dieselben Teile wie ihre Mütter. Das wäre früher undenkbar gewesen. Man wollte sich mit Kleidung von den Eltern abgrenzen.
Deswegen dann auch die neongelben Haare.
Meine Mutter hat einen ganz schlimmen Hang zum Kitsch, sie liebt Hello-Kitty-Stofftiere. Mein Vater hingegen ist der totale Purist, also der total Gegensatz. Die Mischung macht es aber. Ich finde, ein gewisser Hang zum Kitsch ist gar nicht schlecht, vor allem wenn man die aktuellen Kollektionen verstehen will. Wenn man immer nur pur ist, wie im Museum, das ist öde.
Es geht um die Popkultur – hast Du denn jetzt deinen Stil gefunden?
Ja, wobei ich viel Neues ausprobiere. Aber es gibt einen roten Faden – zum Beispiel mixe ich immer Muster. Dennoch: Jeden neuen Trend finde ich erstmal geil.
Gibt es denn noch neue Trends?
Es sind eher Trends, die aus der Kiste ausgegraben aber immer wieder anders interpretiert werden. Der Siebziger Trend wurde bei Gucci gerade noch einen Tick nerdiger umgesetzt und auf die Spitze getrieben. Fast schon zu plakativ, aber doch wieder gut.
Manchmal denke ich, dass ich im falschen Zeitalter geboren wurde, alles wird nur noch wiederholt: in der Mode, in der Musik – überall!
Das Gefühl habe ich manchmal auch. Was aber toll ist, ist, dass du alles, was du bisher gesehen hast, neu vermischen kannst. Vorher gab es immer nur ein Ding, jetzt kannst du dir aus jeder Sparte etwas klauen und etwas Neues daraus basteln.
Irgendwann weißt du: Das ist das nächste Ding!
Stimmt auch wieder. Wie spürst Du den Zeitgeist auf?
Ich verfolge alle Kollektionen und schaue mir alle Bilder an. Dann bildet sich eine Schnittmenge und ich habe eine Idee, was als Nächstes kommt. Außerdem höre ich viel Musik, schaue viele Filme und verfolge eben alles, was dazu beitragen könnte, einen neuen Trend auszulösen. Von Blogs bis Instagram. Irgendwann weißt du: Das ist das nächste Ding!
Kann man den Blick in die Zukunft schulen?
Man kann das Auge trainieren und bekommt irgendwann ein Gefühl dafür. Es ist aber auch viel Arbeit, klar. Aber es lohnt sich: Haben viele Einkäufer die Culottes vor ein paar Saisons nicht eingekauft, weil sie sie scheußlich fanden, hat sie sich eben doch zum Verkaufsschlager entwickelt.
Mut gehört beim Einkauf also dazu. Wie hoch ist Deine Trefferquote?
Dadurch, dass sich Hayashi mittlerweile als Marke etabliert hat, kann man mehr ausprobieren. Die Kundin vertraut mir und weiß, wenn etwas da hängt, kann es kein Totalausfall sein. Es ist aber immer viel Aufklärungsarbeit zu leisten, also, wie würde ich das Teil selber tragen und kombinieren?
Es läuft also ein Stück weit über Deine Person?
Ich und mein Team haben einen Instagram-Account, da wird gestylt, gemacht und getan. Das ist sehr wichtig. Man muss die Kundin ein Stück weit an die Hand nehmen. 80 Prozent des Verkauferfolgs spielt sich in den sozialen Medien ab.
Liest du noch Magazine?
Wenig. Ich kann es oft von der Fülle her nicht mehr ertragen. Was ich noch lese, ist die Japanische Vogue und Interior Zeitschriften. Ich liebe die Idea, Milk Decorations und die AD finde ich auch immer gut. Hier bekomme ich Inspiration für Farben und Muster.
Wir vermixen alle Stile zu einem neuen Look, der eben der Hayashi-Look ist.
Was macht den Erfolg von Hayashi aus?
Das Geheimnis ist, dass ich und mein Team die Sache so sehr lieben und viel Leidenschaft reinstecken. Außerdem vermixen wir alle Stile zu einem neuen Look, der eben der Hayashi-Look ist. Immer ein bisschen anders und irgendwo konkurrenzlos. Onlineshops zum Beispiel präsentieren die Mode, aber du siehst nicht die Kombi. Das Styling macht es unique.
Hast Du schon mal bereut, dass Du einen eigenen Laden eröffnet hast?
Jede Woche ein Mal. (Lacht.) Man stellt sich das immer alles schön vor, aber es ist unfassbar viel Arbeit – vor allem am Anfang. Dann verschiebt es sich und es gibt viel Organisatorisches zu tun. Manchmal arbeitet man so viel, dass man kaum schläft, freut sich am nächsten Morgen aber natürlich trotzdem.
Immer an ein und demselben Ort zu sein ist wahrscheinlich nicht so einfach.
Das erste Jahr stand ich sechs Tage die Woche im Laden, das ist hart – besonders Mitte Zwanzig. Mit steigenden Umsatzzahlen musst du dir ein Team aufbauen und mittlerweile habe ich sieben Mitarbeiterinnen und bin am Tag höchstens eine Stunde im Laden, Samstag oft den ganzen Tag. Du musst delegieren können, sonst kann der Laden nicht wachsen.
Bist Du manchmal modemüde?
Niemals! Mode habe ich nie über. Nach den Fashion Weeks freue ich mich aber immer auf meinen Kuschelpulli und Jogginghose.
Und was ist mit shoppen?
Einkaufen gehe ich natürlich fast nie. Ich kaufe ja die ganze Zeit für Hayashi ein! Die Teile, die in den Läden hängen, sind dann schon immer alt für mich. Aber immer wenn Fashion Week ist, gehe ich einmal los und kaufe mir ein Geschenk.
Apropos Fashion Week – nervt es Dich, dass es immer mehr Zwischensaisons gibt?
Das ist krass. Bei Marni gibt es mittlerweile eine Capsule Collection, eine Pre-Collection und eine Hauptkollektion. Das sind sechs Kollektionen in einem Jahr. Für einen großen Department Store ist das wunderbar, für eine Boutique sehr anstrengend. Bei einer Marke wie Marni hast du beim Einkauf schnell eine Summer auf der Uhr, da geht dir die Flatter. Du kannst den Laden schließlich nicht mit einer Marke voll hängen.
Denken die Kunden überhaupt in so vielen Saisons?
Das kommt immer darauf an, was die Presse zeigt. Wenn ein paar Teile aus der Capsule Collection irgendwo auftauchen, dann wollen das alle haben. Dadurch, dass die Hauptkollektionen immer teurer und konstruierter werden, bedarf es einer Pre- und Capsule Collection, weil die zum Anziehen ist.
Der Kunde langweilt sich eben auch schnell. Der will nicht ein halbes Jahr dieselben Sachen im Laden hängen sehen.
Die bringen die Kohle rein.
Die Teile sind tragbarer, nicht ganz so teuer und kommen früher raus, du hast also länger Zeit zum Verkaufen. Als Einkäufer ist es aber sehr komplex, du bist andauernd unterwegs. Es macht Spaß, ist aber kostenintensiv.
Bleibt das so? Oder werden die Saisons irgendwann abgeschafft?
Ich denke, es wird bei den vielen Kollektionen bleiben – bei den Männern fängt das jetzt auch schon an. Der Kunde langweilt sich eben auch schnell. Der will nicht ein halbes Jahr dieselben Sachen im Laden hängen sehen.
Welche Designer sollte man gerade im Auge haben?
Als Marke habe ich Ports 1961 neu entdeckt. Seit der Pre-Sommer-Kollektion 2016 haben die einen Designerwechsel und es sieht grandios aus – wie das neue Céline. Außerdem ist Philosophy mein Liebling.
Und wer sind Deine Alltime-Favoriten?
Acne, MSGM, Marni und Red Valentino mag ich immer.
Wir sind zum ersten Mal in Frankfurt und es gefällt uns total gut! Warum lebst Du gern in Frankfurt?
Ich reise sehr viel und als Basis ist Frankfurt einfach schön. Es ist klein, du hast schnell deine Freunde bei dir und es gibt ziemlich viele gute Restaurants. Frankfurt hatte viele Subkulturen in der Kunst und im Musikbereich und ist bisschen rougher durch das Bahnhofsviertel. Es sind also viele Kontraste für eine relativ kleine Stadt, das gefällt mit wirklich gut. Außerdem kann ich alles zu Fuß oder mit dem Fahrrad machen und brauche kein Auto. Mit dem Zug nach Paris sind es nur vier Stunden!
Vielen Dank für den schönen Vormittag bei Dir, Kerstin!
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