Naturkosmetik ist gefragter denn je. Eine, die es von Anfang an richtig gemacht hat, ist Sabine Beer. Die heute 62-Jährige ist Ende der Achtziger durch Zufall zur Naturkosmetik gekommen: Ein Nachbar ihrer Finca in Andalusien schenkte ihr ein Blatt einer Aloe Vera Pflanze. Rund 30 Jahre später zählt ihr Brand Santaverde, das sie mit ihrem Mann groß gemacht hat, zu einer der wichtigsten Naturkosmetikmarken in Deutschland. Wir haben Sabine Beer im Santaverde-Headquarter in Hamburg getroffen und mit ihr über das inhabergeführte Business, die Wirkung von Aloe Vera und das Altern in Würde gesprochen.
Sabine Beer: Seit ich 16 war, litt ich unter starker Akne. Als ich 30 war, war ich sie immer noch nicht richtig los. Ich hatte ständig eine gerötete und entzündete Haut, die ich mit Make-up abdeckte.
Im Urlaub auf unserer Finca in Andalusien begegnete mir bei einer privaten Essenseinladung unser amerikanischer Nachbar Jim, dem meine Hautprobleme nicht entgangen waren. Irgendwann marschierte er in seinen Garten und kam mit einem – wie ich damals dachte – Kaktusblatt wieder. Es solle meiner Haut helfen.
Zunächst war ich pikiert und fand es unmöglich, dass er mich auf meine Hautprobleme ansprach. Schließlich hatte ich alles getan, damit sie niemand bemerkt. Ich nahm das Blatt aber trotzdem an. Er sagte: „Schneide das Blatt auf, es enthält ein weiches Gel, das du dir auf die Haut aufträgst.“ Es tat so unglaublich gut, dass ich es zweimal täglich angewendet habe. Irgendwann sagte mein Mann, dass meine Haut besser aussähe, seitdem ich das Gel von Jim benutze. Also fragte ich ihn, was das überhaupt für eine Pflanze sei. Seine Antwort: „Aloe Vera! Big business in the US!“
Nach dem Urlaub habe ich mir zu Hause ganz viele Pflegeprodukte mit Aloe Vera gekauft – meine Haut verschlechterte sich allerdings wieder. Ich konnte mir nicht erklären, warum. Irgendwann sind wir darauf gekommen, dass die Pflanzen, die in Andalusien in Spanien wachsen, speziell und besonders gut sein müssen – denn es ist kein typisches Anbaugebiet für Aloe Vera. Mein Mann und ich sind Unternehmer, also dachten wir, dass wir Aloe Vera auf unserer Finca in Andalusien anbauen und den Rohstoff an die Kosmetikindustrie verkaufen. Wir haben bei Jim 400 Aloe-Baby-Pflanzen gekauft und hofften, dass man uns den Rohstoff aus den Händen reißen würde. Wir sind damals ganz ahnungslos und naiv an die Sache herangegangen. Die Aloe Vera braucht drei Jahre ungestörtes Wachstum, währenddessen haben wir uns in das Thema eingearbeitet.
Das Santaverde-Pflegeprinzip: Die Produkte können untereinander gemischt und kombiniert werden, damit die optimale Pflege für die Haut entsteht.
Wir haben damals, Ende der 80er, angefangen uns zu informieren – noch ganz ohne Internet! – und sind in die USA gereist, auf Kongresse gegangen und haben alles Wissen aufgesaugt. Die Bekanntheit der Aloe wuchs auch in Europa und nun ging es für uns nur noch darum, wer der erste Kunde für unseren Rohstoff wird. Mein Mann hat dann mit einem kosmetischen Unternehmen gesprochen, das damals eine Linie mit Aloe Vera im Sortiment hatte. Wir wurden direkt gefragt, ob wir aus der Industrie kommen. Mein Mann verneinte und uns wurde erklärt, dass sie unser frisches Aloe Gel nicht gebrauchen können, weil sie Aloe nur trocken kaufen – als konzentriertes Pulver, 100:1. Das heißt, man nimmt ein Gramm Pulver und mischt 99 Gramm Wasser dazu.
Ja, wir waren total schockiert – auch als Verbraucher. Im Laden stehen Flaschen, auf die ein Aloe Vera-Blatt gedruckt ist und es wird suggeriert, dass die Produkte reines Aloe Vera Gel enthalten. Für uns war das eine große Enttäuschung. Uns wurde aber auch klar, warum die zu Trockenpulver verarbeitete Aloe Vera nicht hilft, die frische aber schon. Das Aufkonzentrieren einer Flüssigkeit ist eine rabiate Angelegenheit: Hohe Temperaturen, hoher Druck, Bleichen und Desodorieren zerstören einen Großteil der empfindlichen Wirkstoffe. Nach einiger Zeit waren wir nur noch wütend, dass das gute Image der Aloe Vera genutzt wird, mit billigem Pulverkonzentrat letztlich wirkungsarme „Aloe Vera Kosmetik“ herzustellen.
Ja, aber es hat fünf bis sechs Jahre gedauert, bis wir das Gel verarbeiten konnten. Gleichzeitig kam der Trend auf, Creme selber herzustellen. Damals gab es im WDR eine Sendung mit Jean Pütz. Dort erklärte er, wie man Waschmittel, Shampoo oder eben Cremes selber macht. Die meisten Cremes bestehen zu einem Großteil aus Wasser. Wir haben das ausprobiert und mir kam die Idee: Warum nicht das Wasser gegen Aloe Vera-Gel tauschen? Dann haben wir einen ganz hohen Anteil von Aloe in der Creme: 70 bis 80 Prozent. So haben wir unsere Rezeptur gefunden: Aloe statt Aqua. Das war ein kosmetischer Schachzug: Alle Wirkstoffe der Aloe Vera Pflanze sind auf diese Weise in unseren Cremes enthalten und können auf der Haut wirken.
Die ersten Rezepturen mit dem frischen Aloe Vera Gel von unserer Finca in Andalusien entwickelten wir mit einer Apothekerin. Der Durchbruch kam, als die Zeitschrift “Vital” vier Seiten über uns und die Creme veröffentlichte.
Bis heute verwenden wir nur die Aloe von unserem Feld – wir ernten auch nur das, was wir wirklich brauchen – der Rest bleibt auf dem Feld. Wir verarbeiten unseren Rohstoff Aloe Vera Gel selbst und entwickeln unsere Rezepturen. Das Mischen und Verpacken geben wir in Auftrag.
Damals wurde Naturkosmetik langsam populär, hatte aber noch ein verstaubtes Image. Ein Image-Wandel deutete sich aber schon an.
Wir versuchen alle zwei Monate dort zu sein. In Andalusien können wir richtig entspannen, aber wir lieben auch Hamburg und möchten an beiden Orten leben.
Sie spendet Feuchtigkeit und regeneriert. Als schon seit Jahrtausenden beliebte und bewährte Heil- und Schönheitspflanze ist sie besonders für empfindliche, problematische Haut sowie für die Narbenbehandlung geeignet.
Ja, so wurde es früher auch in Deutschland gemacht. Zum Beispiel wurde Aloe Vera bei Verbrennungen genutzt. Ursprünglich sollen die Mönche die Pflanze in Europa verbreitet haben. Die spanischen Pflanzen haben jedoch eine größere Wirkung als Topfpflanzen in Deutschland.
Man muss Naturkosmetik genauso ausprobieren wie chemische Kosmetik. Es gibt Menschen, die auf natürliche Inhaltsstoffe stärker reagieren. Aber mich stört die Verallgemeinerung, da es dafür keine Belege gibt. Aber das Risiko eine Allergie bei Naturkosmetik zu bekommen, ist viel geringer als bei chemischer Kosmetik. Ich würde zu Naturkosmetik greifen, um Haut und Organismus nicht mit noch mehr vermeidbaren Schadstoffen zu belasten.
Mir ging es noch nie so gut in meinem Leben wie jetzt.
Ja, und genau daran erkennt man gute Naturkosmetik. Die Frische und Leistungsdauer ist begrenzt. Bei konventioneller Kosmetik gibt es nur einen Hinweis, wie lange das Produkt nach Öffnung haltbar ist – egal wann es hergestellt wurde. Bei Naturkosmetik wird das Mindesthaltbarkeitsdatum auf der Verpackung angegeben. Wenn man ein Naturkosmetikprodukt anbricht, kann man es ungefähr ein halbes Jahr lang nutzen.
Dort kaufen dort die Rohstoffe für unsere Anti-Aging-Linie Xingu. Es ist ein Projekt, das mein Mann und ich aus Begeisterung für die Pflanzenwelt begonnen haben. Es passt auch ein bisschen zu meinem Alter: Ich war damals 50 und habe begonnen, mich mit dem Thema Anti-Aging zu befassen. Wir kamen darauf, die wirksamen Schönheitspflanzen des brasilianischen Regenwaldes für diese Anti-Aging Linie zu nutzen. Der enorme Wirkstoffreichtum, die spezielle Zusammensetzung aus Vitaminen, Mineralien, Spurenelementen und Fettsäuren und die antioxidative Kraft machen diese Pflanzen so besonders. Mein Mann und ich waren in Brasilien und waren berührt von der Schönheit des intakten Regenwaldes aber auch entsetzt über das Ausmaß der Zerstörung dort.
Der Name Xingu stammt aus Brasilien: Für die Ureinwohner des Nordostens Brasiliens ist der Xingu ein heiliger Fluss, der für Lebenskraft und Fruchtbarkeit steht. Durch unseren Rohstoffeinkauf in Brasilien geben wir der einheimischen Bevölkerung die Möglichkeit vom Sammeln der Früchte zu leben, ohne den Regenwald zu gefährden.
Ich finde es interessant, wie sich der Naturkosmetikmarkt entwickelt hat und wie populär Naturkosmetik geworden ist. Aber wir kümmern uns bewusst nicht so sehr um den Markt und die Konkurrenz. Es geht uns nicht in erster Linie um Wachstum und Umsatz. Wir stecken das Geld, das wir verdienen, überwiegend in unsere Produkte. Wir haben ein gutes, kleines Sortiment und setzen auf Qualität.
Nein, wir machen unser Ding und versuchen nicht, mit hippen, neuen Firmen mitzuhalten. Wir gehen nicht auf kurzlebige Trends ein, bei uns dauern Produktentwicklungen oft Jahre. Wir kommen vom Rohstoff, viele der Startups vom Marketing – da geht es viel um die Verpackung und die Vermarktung. Wir haben einen anderen Ansatz. Unsere Produkte sind symbolisierte Lebenshaltung – für Santaverde zu arbeiten und die dahinter stehenden Werte, wie ein respektvoller Umgang mit der Natur, erfüllt mich und mein Team total.
Das ist ein großes Drama und das ärgert uns und auch andere echte Naturkosmetikmarken. Man sollte auf Siegel für zertifizierte Naturkosmetik achten, wie z.B. NATRUE, so bekommt man als Kunde Sicherheit. Die naturnahen Firmen profitieren vom guten Image der Naturkosmetik, obwohl sie keine reine Naturkosmetik produzieren, sondern da, wo es bei er Rezepturentwicklung schwierig wird, in die Chemiekiste greifen.
Ich mag sehr gerne unsere Aloe Vera Creme medium. Wenn sie mir im Winter nicht reichhaltig genug ist, mixe ich sie mit einem Öl, dem „Extra Rich Beauty Elixier“, wenn mir die Creme zu schwer ist, besonders im Sommer oder wenn ich in Spanien bin, mixe ich die Creme mit dem „Aloe Vera Gel pur“. Das Gel ist auch super für den Körper und bei Sonnenbrand oder Mückenstichen. Aus der „Xingu Linie“, unser Anti-Aging-Linie, ist das Serum toll, gerade auch im Sommer, wenn man schwitzt – es hat einen sehr kleinen Ölanteil im Vergleich zur Creme und zieht sofort ein.
Anti-Aging ist für mich eine Produktkategorie, aber nicht mein Verständnis vom Altern, was ich sehr positiv sehe: Man ist nicht mehr so jung, hat nicht mehr so viele Ängste und wird gelassener. Ein Gesicht kann auch mit Falten und Fältchen attraktiv sein, wenn es strahlt, gepflegt und gesund aussieht.
– Diese Story entstand in Zusammenarbeit mit Santaverde –
4 Kommentare
Das finde ich mal ein sehr erfrischendes Interview!
Grundsätzlich habe ich aber auch das Gefühl, dass jedes Jahr ein wahrer Hype um ein neues „Naturprodukt“ entsteht. Vor ca. 10 Jahren war es Aloe Vera, dann Shea Butter, dann Kakaobutter, dann Schokolade, dann Marokko-Öl, jetzt gerade ist es Tonerde. Ich nehme z.B. seit Jahren schon Mineralerde für Haare und Haut (noch ein Tipp von meiner Mutter) von einer Marke, die auch stark auf das Produkt setzt (margilé) – leider aber dann auch nicht so bekannt ist wie viele „trendigere“ Marken, obwohl die Wirkstoffe viel hochwertiger sind.
Liebe Petra, vielen Dank für dein positives Feedback und den tollen Tipp! Liebe Grüße, Katharina
Gerne doch – und macht weiter so!