Anthony Stölting von Eric Barbier über die Wiederentdeckung der Barber Shops

Barber Shops sind in den letzten Jahren zum Trend geworden. Mann lässt sich wieder professionell rasieren, frisieren und auch andere Treatments sind nicht mehr verpönt. In der Mitte der Gesellschaft kommt an, dass Männer etwas für sich und ihr Äußeres tun wollen. Einer, der sich mit dem Barbierhandwerk richtig auskennt, ist Anthony Stölting. Der 41-Jährige leitet den Herrensalon Eric Barbier in der Hamburger Innenstadt und beherrscht als Master-Barbier alle Künste seines Faches. Mit ihm sprechen wir über den Barber Shop als Männertreff, über männliche Me-Time, die richtige Bartpflege und neue Bart-Trends.

 

homtastics: Du bist Master-Barbier. Was bedeutet das und was steckt hinter diesem Titel?

Anthony Stölting: Um die Ausbildung zum Master-Barbier machen zu können, muss man vorher mindestens fünf Jahre als Geselle gearbeitet haben. Ich habe im Ausland – in Thailand, England und Paris – bei verschiedenen Barbieren deren Handwerkskunst gelernt. Anschließend habe ich aus allem Gelernten die Aspekte herausgepickt, die ich am wichtigsten fand. In den USA gibt es einen ganz anderen Barbier-Style als in England. Die Pariser haben es auch gut drauf, aber die Engländer sind besser.

Warum?

Sie zelebrieren ihr Barbier-Handwerk. In England sucht der Kunde sich als erstes ein Rasiermesser aus. Dieses Messer wird geschärft, schön eingepackt und immer wenn der betreffende Kunde kommt, wird dieses Messer benutzt. Außerdem bekommt der Kunde eine warme Kompresse und ein Öl für den Bart, dann wird der Rasierschaum warm aufgeschäumt – was gar nicht so leicht ist. Nach der Rasur wird ein mildes After Shave, das nicht juckt, verwendet. Das sind Feinheiten, die in England perfektioniert wurden.

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Friseure haben immer auch rasiert, aber diese Kultur ist hier in Deutschland leider verloren gegangen.

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Insgesamt arbeiten sieben Mitarbeiter bei Eric Barbier am Ballindamm.

Es geht darum, aus der Rasur ein Ritual zu machen.

Richtig. Der Kunde kommt herein, um zu entspannen! In den USA habe ich es ganz anders erlebt. Ich sollte einen Laden auf Vordermann bringen und habe deshalb erstmal gesagt: Bedient mich bitte so, wie ihr es hier mit euren Kunden macht. Die Hände des Barbiers haben nach Zigaretten gerochen, absolut unangenehm, meine Konturen hat er mit Rasierschaum aus der Dose ausrasiert. Ich war entsetzt – und das in den USA, wo Kundenservice angeblich doch so groß geschrieben wird. Die können noch eine ganze Menge von uns lernen.

Bezieht ihr euch auf eine Tradition oder Historie? Allein der Name „Barbier“ klingt in Deutschland etwas antiquiert und historisch …

Barbier heißt nichts anderes als Friseur. Das wissen die meisten gar nicht. Friseure haben immer auch rasiert, aber diese Kultur ist hier in Deutschland leider verloren gegangen. Der Friseur war früher immer ein wichtiger Ort für Männer: Männer sind hingegangen und haben sich rasieren lassen, haben sich dort mit ihren Kumpels getroffen, etwas getrunken – bei uns gibt es übrigens einen hervorragenden Kaffee – und sich ausgetauscht. Das ist etwas, was man wieder erschaffen muss. Ich eröffne bald einen zweiten Laden in der Hafencity, wo wir das Ganze auf die Spitze treiben wollen. Hier haben wir leider zu wenig Platz, aber dort werden wir eine richtige Lounge und eine Bar haben, wo man auch einfach zwischendurch mal hereinkommen und sich hinsetzen kann. Ganz entspannt und relaxt.

Wie ist dein Werdegang verlaufen bevor du Barbier wurdest?

Ich habe bei Jaques Le Coz meine Ausbildung zum Friseur gemacht und meine Gesellenjahre absolviert. Dort wurden alle Leute frisiert, die in Hamburg etwas zu sagen haben. Aber wenn ich ehrlich bin, hat mich das irgendwann nicht mehr richtig erfüllt, es wurde für mich ein bisschen langweilig. Es war die immer gleiche Alltagsroutine …

Bitte die Spitzen schneiden und die Strähnchen nachfärben?

Genau. Aus diesem Grund bin ich zu Eric gewechselt. Das ist der Namensgeber, der gute Mann auf dem Foto hinter unserem Tresen, er ist leider vor zweieinhalb Jahren verstorben. Er hat mich abgeworben und so kam ich in die Welt der klassischen Barbierskunst. Das war vor 17 Jahren. Damals habe ich auch angefangen, andere Friseure zu besuchen und mich dort weiterzubilden. Vor ein paar Jahren wurde ich Mitinhaber neben Eric, und seitdem er verstorben ist, leite ich diesen Laden alleine.

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Gekonnt: der Rasierschaum wird warm aufgeschäumt.

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Ihr bietet auch Hairstyling, Strähnchen, Gesichtsbehandlungen, Maniküre und Fußpflege an. Wie wird das von den Männern angenommen?

Wir haben extrem viele Kunden, die Mani- und Pediküre machen lassen. Wir machen das ja parallel: Während wir die Haare schneiden oder rasieren, macht unsere Kosmetikerin die Mani- bzw. Pediküre. Wir haben sehr viele Business-Leute als Kunden, die keine Zeit haben, erst den Haarschnitt zu bekommen und danach Hand- oder Fußpflege. Viele Kunden wissen aber gar nicht, das wir diese Services anbieten. Wenn wir sie darauf ansprechen und sie es einmal ausprobieren, machen sie es immer wieder. Das ist schon ein Erlebnis, wirklich! Perfekte Entspannung – wir bieten dazu auch eine Kopf- und Nackenmassage an.

Was macht euren Salon aus?

Unser Salon bietet einen extrem hohen Service, das ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Aber kein Kunde soll sich genötigt fühlen, irgendetwas zu buchen. Wir sind keine gestellten, aufgesetzten Menschen, das kann ich auf den Tod nicht leiden. Wir sind echt! Ein Kunde hat neulich in einer Bewertung geschrieben, hier sei die Stimmung so familiär. Auch wenn wir sehr professionell sind in dem, was wir tun, fühlt sich jeder Kunde wie in einer Familie aufgehoben. Wir sind über die Zeit gewachsen, wir sind keiner von den neuen Barbieren, die in bestimmten Klamotten stecken und irgendeine Rolle spielen, wir sind nicht Disneyland, wir sind wie wir sind. Wir waren schon immer Eric Barbier und zaubern aus uns nicht plötzlich „Die Barbiere“. Diese Authentizität ist unsere ganz große Stärke. Und das spürt man auch.

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Wie beobachtest du denn die Entwicklung der Barbierszene in Hamburg?

Ich finde es unheimlich toll, dass da viel passiert! Wenn neue Barber Shops eröffnet werden sollen, kommen die Inhaber zu uns in den Laden, lassen sich bedienen und haben plötzlich ihr eigenes Geschäft aufgemacht. Finde ich toll, habe ich überhaupt nichts gegen. Ich sehe das nicht als Konkurrenz, es ist eine Art Füreinander.

Weil es das Bewusstsein oder Interesse für eure Arbeit schärft?

Ja, es kommt wieder zurück. Früher haben viele geschimpft, dass wir so teuer sind. Aber mittlerweile haben die anderen sich unseren Preisen angepasst oder sind sogar teurer! Jetzt ist das Bewusstsein da, dass diese Dienstleistung ein gewisses Geld kostet – das darf man sich doch mal leisten! Und das hat nichts mit Schwulsein oder sonstwas  zu tun – jeder Mann darf gepflegt herumlaufen und gut aussehen.

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Auch wenn wir sehr professionell sind in dem, was wir tun, fühlt sich jeder Kunde wie in einer Familie aufgehoben.

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Worauf sollte der gepflegte Mann achten? Was sollte er regelmäßig machen?

Ein Mann sollte gepflegte Hände haben. Ich kenne keine Frau, die es nicht schön findet, wenn der Mann gepflegte Hände hat. Die Zeiten, als es schwarz unter den Fingernägeln aussah, sind vorbei. Das macht dich nicht zum Kerl, sondern eklig, sorry. Ein gepflegtes Aussehen fängt bei den Schuhen an und geht über die Klamotten bis zum Haar- und Bartschnitt. Die Hose kann zerrissen sein, wenn der Träger einen gewissen Style hat. Das Gesamtbild ist wichtig. Darauf achten wir auch immer: Was trägt der Kunde, welchen Beruf hat er, welche Frisur würde passen? Das ist ganz wichtig, wir möchten nicht zu den Barbieren gehören, bei denen alle Frisuren gleich aussehen, am besten nur mit Maschine geschnitten und eine Tolle. Das hat nichts mit Barbier zu tun, die spielen dieses 50er-Jahre Ding, aber Barbiere gab es schon immer, und nicht erst seit den 50er-Jahren. Wir gucken uns den gesamten Mann an, hier kann jeder Typ reinkommen und er wird die zu ihm passende Frisur bekommen, das ist ganz wichtig.

Bekommt man bei euch auch eine Bartberatung, wenn man nicht weiß, welcher Bart einem am besten steht?

Ja, wir haben viele Kunden, die keine Ahnung haben, wie man einen Bart pflegt, was zur Gesichtsform passt. Die muss man sich natürlich anschauen: Hat der Kunde ein rundes Gesicht, wird der Bart ein bisschen eckiger. Hat er ein eckiges Gesicht? Dann machen wir das Ganze ein bisschen weicher. Wir machen das bereits seit 18 Jahren, wir können gut beraten. Unsere Stärke ist, dass wir erkennen, was zu unserem Kunden passt, welcher Bart zu Person, Beruf und so weiter.

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Unsere Stärke ist, dass wir erkennen, was zu unserem Kunden passt, welcher Bart zu Person, Beruf und so weiter.

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Wie kann man seinen Bart am besten züchten?

Es gibt mittlerweile etliche Produkte auf dem Markt: Bartöl, Bartwachs und so weiter und so fort.

Was davon kannst du empfehlen?

Wir haben jetzt unsere eigene Linie. Es hat lange gedauert, sie zu entwickeln. Wir haben sie mit den Kunden zusammen ausgearbeitet und sie gefragt, was sie wollen und was ihnen wichtig ist. Ob sie lieber Bartöl oder Bartwachs verwenden, was sie gar nicht möchten, wie es sich nicht anfühlen sollte. Auch bei den Shampoos.

Das heißt, die Produkte sind aus der Erfahrung entstanden?

Exakt. Auch der Duft der Produkte – den haben wir an Frauen getestet und nicht an Männern. Das war eine wichtige Erfahrung: Wenn Frauen mit hierher kommen und an den Produkten riechen, die die Männer aussuchen, gefällt ihnen der Duft meistens nicht und die Männer kaufen die Produkte dann nicht. Deshalb ist unser Duft an Frauen getestet worden. Wir haben den gleichen Duft in jedem Produkt, weil viele Männer gesagt haben, sie möchten Produkte, die gleich riechen. Ich habe die Produktlinie angestoßen, weil ich angefangen habe, mir Gedanken zu machen, warum Mitarbeiter Allergien bekommen. Das ist im Friseurbereich ganz extrem.

Weil man mit so vielen Produkten Kontakt hat?

Ja. In der Berufsschule lernst du nichts über Inhaltsstoffe. Deshalb habe ich selbst angefangen, mich zu informieren und zu recherchieren, was drinnen ist und was die Inhaltsstoffe bedeuten. Diese Sachen habe ich jeden Tag mindestens zehnmal in den Händen! Ich habe dann mit einer Firma in Stuttgart – es war mir ganz wichtig, in Deutschland zu produzieren – gesprochen, ihnen gesagt, welche Produkte ich möchte, was sie können sollen und welche Inhaltsstoffe ich nicht drin haben will. Dann haben wir angefangen zu entwickeln, mein Gott, hat das lange gedauert. Immer wieder testen – mal stimmte die Konsistenz nicht, dann der Duft nicht, dann die Textur … Ich habe mir aber die Zeit dafür genommen. Jetzt sind alle Produkte genau so, wie wir sie haben wollten.

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Bei der morgendlichen Bartpflege geht es gar nicht um Eitelkeit, sondern um „ich schalte mal runter und kümmere mich um mich selbst“.

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Gibt es Basics, die jeder im Bad haben sollte oder hängt das vom jeweiligen Bart ab?

Es hängt erstmal vom Typ ab. Es gibt Kunden, die möchten ihren Bart ordentlich tragen, aber er soll gar nicht perfekt gestriegelt aussehen. Denen würde ich sagen: Benutzt ein gutes Bartöl, dann wird er etwas weicher. Wenn jemand seinen Bart perfekt in Form bringen möchte: Bartöl und Bartwachs. Ohne Bartwichse geht das nicht.

In den letzten Jahren war der Vollbart sehr angesagt. Was ist der aktuelle Bart-Trend? Oder vielleicht der kommende?

Der Bart wird definitiv kürzer. Die langen, massiven Bärte nehmen gerade ab, aber der Vollbart wird bleiben, aus dem einfachen Grund, dass sich viele daran gewöhnt haben. Außerdem haben viele Männer einige Produkte für den Bart gekauft und die wollen sie auch weiter benutzen und die Bartpflege zelebrieren. Das sind unsere fünf Minuten im Bad, in denen wir uns schön machen.

Es geht um Zeit für sich selbst?

Bewusstsein. Das sind bewusst die fünf Minuten, die ich mir Zeit nehme. Da geht es gar nicht um Eitelkeit, sondern um „ich schalte mal runter und kümmere mich um mich selbst“.

Etwas Meditatives, wenn man so will …

Exakt, genauso ist es. Man macht es für sich!

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Ich habe mir viel Zeit genommen, um unsere Produkte zu entwickeln. Jetzt sind alle Produkte genau so, wie wir sie haben wollten.

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„Unser After Shave ist hervorragend geworden. Es brennt nicht, juckt nicht und zieht gut in die Haut ein. Das war echt ein Stück Arbeit, das so hinzubekommen“, sagt Anthony.

Es gibt so viele verschiedene Arten, einen Bart zu rasieren. Welche ist die beste?

Es gibt nicht die eine Lösung. Kunden mit extrem harten Barthaaren haben das Problem, dass, wenn man ihn gegen den Strich rasiert, der Bart beim Nachwachsen in die Haut wächst. Dagegen kann man fast nichts machen. Bei anderen stört die Rasur gegen den Strich überhaupt nicht. Es ist unsere Aufgabe, zu erkennen, wie der jeweilige Bart ist und wie er am besten rasiert wird.

Wenn ein Mann seinen Bart unbedingt gegen den Strich rasieren möchte, muss er extrem auf die Pflege danach achten. Während der Rasur muss man die Haut schön ziehen, dann lassen sich die Haare besser erfassen. Der Schnitt ist dann nicht schräg – denn das ist der Schnitt, der nachher beim Rauswachsen mehr in die Haut piekst. Der Schnitt muss glatt und gerade sein, dabei kommt es darauf an, wie ich das Messer halte, in welchem Winkel ich es ziehe. Das macht viel aus.

Welche sind die häufigsten Bart-Fauxpas?

Auf der Straße sehe ich manchmal runde Gesichter, bei denen die Bartkonturen auch noch richtig rund rausgeschnitten sind, sodass es aussieht als hätte man Pausbacken. Schlimm. Da frage ich mich, wer den beraten hat. Manchmal sehe ich auch, dass der Bart zu tief gesetzt wird und das Doppelkinn deutlich hervorkommt. Solche Geschichten. Ich glaube, es gibt einfach Menschen, die von Formen keine Ahnung haben.

Was war der bisher beeindruckendste Bart, den du in deinem Leben gesehen hast?

Der Mann war selber beeindruckend, der war wie ein Stier und er hatte einen massiven viereckigen Bart. Der wurde lange gezüchtet, er wollte ihn tatsächlich aber kürzer haben. Die damalige Kollegin hat gesagt, sie macht es nicht, aber er wollte es unbedingt. Und hinterher hat er gesagt: Warum habe ich das gemacht? Die Kollegin hat wirklich geweint wegen dieses Bartes. Das hat sie fertig gemacht. Das war schon extrem.

Es gehört eben auch viel Psychologie zu eurem Job.

Das ist so. Man arbeitet sehr nah am Menschen.

Vielen Dank für das Gespräch, Anthony!

 

Hier findet ihr Eric Barbier:

Ballindamm 36, 20095 Hamburg

Fotos: Pelle Buys

Layout: Carolina Moscato

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