Beauty-Redakteurin Laura Dunkelmann: „Das Beste ist, sich so zu zeigen wie man sich selbst schön findet!“

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15. März 2021

Seit über zehn Jahren arbeitet Laura Dunkelmann als Beauty-Journalistin – und kennt die Branche daher wie ihre Make-up-Tasche. Als Editorial Director beim „Tush“ Magazin in Hamburg setzt sie außergewöhnliche, kunstvolle Fotoproduktionen um, bei denen Schönheit in der Diversität und Individualität liegt, oder schreibt Texte darüber, was Clowns uns über Glück lehren können. Wir sprechen mit der 36-Jährigen darüber, wie ein Beauty-Magazin heutzutage relevant bleibt, warum (und wo) sie gerne eine „Nail Bar“ für Männer eröffnen möchte, wie sie für mehr Diversity in der Branche sorgt und welche Relevanz Disco-Musik für ihre Motivation in der Corona-Zeit hat (am Ende des Artikels findet ihr eine Playlist, die Laura für uns zusammengestellt hat!).

 

femtastics: Es ist über fünf Jahre her, dass wir dich zu unserem ersten femtastics-Interview getroffen haben. Seitdem ist eine ganze Menge bei dir passiert …

Laura Dunkelmann: Ja, allein beruflich. Ich habe 2016 beim „Tush“ Magazin angefangen – dadurch hat sich alles verändert. Es war ein bisschen wie bei der Partnersuche. Vorher war es ganz nett, man probiert sich aus, und plötzlich merkt man: Hier macht es Klick! Das war bei „Tush“ vom ersten Moment an so. Der neue Job hat nicht nur meine Arbeitsweise verändert, sondern auch die Qualität meiner Arbeit – einfach, weil ich die Möglichkeit hatte, auf einem ganz anderen Level zu arbeiten und Geschichten ganz anders zu denken als vorher. Ich habe auch begonnen, sehr viel international zu arbeiten. Ich war häufig in New York, was mich sehr geprägt hat. Ich mag die offene Art und die Diversität der Menschen dort. Das hat mir geholfen, weiter über meinen Tellerrand zu blicken.

Außerdem bin ich in den letzten Jahren zweimal innerhalb von Hamburg umgezogen … und meine Mutter ist gestorben. Wir waren sehr nah und sind eine sehr kleine Family. Die Erfahrung hat bei mir auch für ein Klick-Erlebnis gesorgt. Ich habe gemerkt: Man kann keine Zeit verschwenden. Man sollte sich nicht mit Dingen aufhalten, die für einen nicht richtig sind, denn das Leben kann so schnell vorbei sein. So traurig dieses Ereignis war, so viel habe ich daraus gelernt, weil es mich angestoßen und mir gezeigt hat, dass es nicht so viele Gründe im Leben gibt, wirklich traurig zu sein. Einen dieser Gründe gab es bei mir, aber davon abgesehen geht es mir sehr gut – und das möchte ich mir täglich bewusst machen.

Wir treffen Laura an einem sonnigen Vormittag in ihrer Wohnung in Hamburg-Winterhude.

Bei uns soll es immer anders sein, immer neu, nicht so wie Kampagnen sonst aussehen.

Das „Tush“ Magazin zeigt seit 2005 neue Perspektiven auf Ästhetik und Schönheit.

Du hast es schon angesprochen: Seit 2016 bist du „Editorial Director“ beim „Tush“ Magazin. Was umfasst dieser Job?

Bei großen Medienhäusern hast du deine zugewiesene Rolle. Bei „Tush“, wo das Team sehr klein ist, ist alles viel offener. Fest steht: Wir machen ein Magazin über Beauty. Aber wie ich das umsetze, das war mir von Anfang an selbst überlassen. Das erzeugt eher einen kreativen Druck und das kann manchmal schwieriger sein, als wenn du eine(n) Chefredakteur*in hast, die/der dir sagt, was genau du machen sollst. Es ist also alles sehr kreativ, aber natürlich müssen wir auch Geld verdienen. Insgesamt ist das Ganze eher wie eine Agentur aufgebaut als wie ein klassisches Medienhaus. Wir setzen einerseits innerhalb des Hefts viele Kooperationen um, andererseits beraten wir Beauty-Brands und produzieren auch Kampagnen für sie.

Ein Teil meiner Arbeit ist ganz frei kreativ: Ich sehe ein Gemälde und möchte es gerne in eine Beauty-Fotostrecke übersetzen oder die persönliche Ästhetik einer Person transportieren. Ein anderer Teil ist die Zusammenarbeit mit Kunden: Eine Beauty-Brand launcht einen neuen Lippenstift und ich entwickle Ideen rund um das Produkt. Aber auch im zweiten Fall darf ich mich in der Regel kreativ ausleben. Bei uns soll es immer anders sein, immer neu, nicht so wie Kampagnen sonst aussehen. Mein Job-Alltag ist eine Mischung aus Kreation, Planung, Organisation und Umsetzung: Ich suche die passenden Künstler*innen, Fotograf*innen, Make-up-Artists, etc. die meine Vision ideal umsetzen können – viel fotografiert natürlich „Tush“-Gründer Armin Morbach, aber wir möchten immer eine Mischung aus Stilen – und dann verantworte ich auch die entsprechenden Fotoproduktionen.

Wie viel deiner Arbeit ist noch journalistisch?

Es ist fast sogar journalistischer als in meinen vorherigen Jobs. Es sind zwar weniger geschriebene Geschichten, aber diejenigen, die ich mache, sind nicht abhängig von einem Kunden oder Ähnliches. Ich habe zum Beispiel mal eine Geschichte darüber geschrieben, welchen Einfluss Mormonen-Beauty-Blogger auf die Industrie haben. Gerade hatte ich ein Interview mit dem berühmtesten Clown der Welt zum Thema glücklich sein und wie wichtig die optische Transformation dafür ist. Das sind alles Beauty-Themen, aber das ist eben nicht: „10 Tricks für schöne Haare“. (lacht)

Für mich ist das Schöne an jedem die Individualität.

Was macht dir am meisten Spaß?

Es fängt mit dem Moment an, wenn ich ein Thema finde, das mich neugierig macht. Dann der Prozess, Kreative zusammenzubringen und Leute zu entdecken, die bislang noch eher unbekannt sind. Ich bin sehr gerne im Austausch mit anderen Menschen.

Wie häufig finden Fotoproduktionen bei euch statt? Das Magazin erscheint ja nur zweimal im Jahr – ist dafür aber 350 Seiten dick.

Ich produziere auch für Online, wofür wir den gleichen Aufwand haben wie für Print. Die Fotoproduktionen finden regelmäßig statt – durch Corona ist alles etwas komplizierter geworden. In Deutschland geht es, aber international ist es schwieriger und man kann nicht selbst vor Ort sein. Es gibt Phasen, in denen finden jede Woche mehrere Produktionen statt, in anderen Phasen nur alle paar Wochen.

Ich war früher bei Magazinen, die wöchentlich bzw. monatlich erscheinen. Man könnte meinen, wenn ein Magazin nur zweimal im Jahr erscheint, wäre es entspannter, aber ich produziere jetzt viel mehr als früher. Manchmal sind es auch kleine Foto-Shootings mit einem Team von fünf Leuten. Wenn du reine Make-up-Shoots machst, brauchst du kein Set, kein Fashion-Styling und kein riesiges Studio, das ist relativ klein umsetzbar. Bei anderen Produktionen sind wir 15 bis 20 Leute am Set. Aktuell arbeiten wir so, dass alle Beteiligten vor Produktionen Corona-Tests machen müssen, am Set Masken tragen, überall Desinfektionsspender stehen und wir den nötigen Abstand einhalten.

Eure Fotoproduktionen sind außergewöhnlich kunstvoll. Wie entstehen die  Bilder?

Zum Großteil bin ich dafür verantwortlich – in Abstimmung mit Armin als Chefredakteur. Aber ich arbeite ja mit Leuten, deren Arbeiten ich gut finde und denen ich vertraue, und natürlich bin ich auch an ihren Meinungen interessiert.

Make-up der Marc Jacobs Show SS20 ließ Laura für „Tush“ von einem New Yorker Karikaturisten illustrieren.

Es ist nichts Schlechtes, wenn man nicht in eine Schublade passt oder nicht dem gängigen Schönheitsideal entspricht, weil man dadurch andere Menschen inspirieren kann.

Laura hat ein Faible für Kunst, Musik und Vintage-Möbel.

Woher kommen deine Ideen?

Sehr viel aus der Kunst, weil ich mich sowieso gern mit Kunst beschäftige. Es können aber beispielsweise auch Psychedelic Rock-Outfits der 70er-Jahre oder andere ästhetische Aspekte sein, die mich inspirieren. Auf der anderen Seite gibt es die inhaltliche Herangehensweise. Zum Beispiel habe ich mal Nagellackfotos neu interpretiert. Alle ikonischen Bilder zu Nagellack oder Maniküre zeigen weiße Frauenhände – und das ist heute ja gar nicht mehr modern. Wir haben diese Motive mit einem schwarzen, männlichen Model neu interpretiert. Das sah superschön aus.

Was ist dein Ziel bei deiner Arbeit?

Am liebsten wäre mir, dass ich Menschen inspirieren kann. Dazu, für einen Moment glücklich zu sein. Aber auch dazu, sich selbst auszuleben und zu verstehen, dass es nicht schlecht ist, wenn man nicht in eine Schublade passt oder nicht dem gängigen Schönheitsideal entspricht, weil man dadurch auch wieder andere Menschen inspirieren kann. Und grundsätzlich: etwas Schönes zu schaffen.

Ich würde supergerne im Baumarkt in der Farbabteilung eine „Nail Bar“ für Männer* machen!

Laura liebt Düfte – am liebsten von Nischenbrands.

Mode und Beauty sind in den letzten Jahren politischer geworden – unter anderem haben Nachhaltigkeit und Diversity glücklicherweise an Bedeutung gewonnen. Wie bleibt ein Beauty-Magazin heutzutage relevant?

Generell kann man natürlich sagen: Es gibt Wichtigeres als Kosmetik. Aber ich finde: Wenn man zu sich selbst gut ist, dann kann man das auch zu anderen Menschen sein. Und idealerweise kann man mit Beauty und Editorials zeigen, dass Schönheit divers ist. Für mich ist das Schöne an jedem die Individualität. Mir ist es immer lieber, mit einer interessanten Person zu arbeiten als mit einem „klassisch schönen“ Gesicht. Klar wollen wir alle hübsch aussehen, aber was hübsch ist, das definierst du selbst.

Bei Beauty ging es lange immer nur ums Optimieren. Das kenne ich auch noch von meiner früheren Arbeit. „Wie lasse ich meine Lippen voller aussehen?“, „Wie wirken meine Augen größer?“ … Vielleicht ist es aber auch total cool, wenn du schmale Lippen hast?! Denn wer sagt denn, dass das andere schöner ist? Ich finde, das zu zeigen, ist in gewisser Weise auch ein Statement. Wir haben Models mit einer Behinderung, Models mit Größe 48, … und sie sehen toll aus. Denn Schönheit ist nicht gleich der Standard. Schönheit kann alles sein.

Ich denke, das ist auch ein Fehler der großen Medienhäuser gewesen. Ich kenne ja die so genannte Marktforschung, die sagt: „Wenn wir keine blonde Frau aufs Cover nehmen, verkauft sich das Heft nicht.“ … Und wer kauft das heute? Keiner. Die Rechnung ist am Ende nicht so aufgegangen. Vielleicht sollt man auch nicht immer nur ins Bedürfnis hinein produzieren und genau das bedienen, was die Menschen vermeintlich wollen. Vielleicht sollte man Menschen lieber die Option geben, von dem, was sie kennen, wegzugucken und mal etwas Neues oder Anderes zu sehen, um ihren Horizont zu erweitern.

Der Beauty-Markt wächst immer mehr, es ist schier unmöglich, mit neuen Brands und Produkten mitzuhalten/auf dem Laufenden zu bleiben. Wann findest du Neuheiten spannend, wann wirst du neugierig?

Ich muss zugeben, dass ich ein sehr visueller Mensch bin: Wenn das Packaging und die Kampagne spannend sind, macht es mich neugierig. Gute Beispiele sind die Make-up-Linien von Byredo und Gucci. Am Ende ist es ein roter Lippenstift, aber wie er inszeniert wird, finde ich spannend. Bei Skincare bin ich relativ reduziert. Ich bin immer skeptisch, wenn Firmen zu viel versprechen: „Es macht straffer, jünger, du bist nach dieser Creme ein neuer Mensch!“. Erstens will ich gar kein neuer Mensch sein, zweitens ist das unrealistisch. (lacht) Ich finde Wirkstoffe und Forschung spannend. Natürlich bin ich auch immer neugierig, was woanders auf der Welt in Sachen Beauty passiert – in Asien oder Afrika, zum Beispiel. Es gibt immer wieder etwas, das mich begeistert. Ich mag es auch, in einer Branche zu arbeiten, die niemanden aufgrund seiner oder ihrer Körpergröße oder des Alters ausschließt.

Ballett – und Tanzen generell – gehören zu Lauras langjährigen Hobbys.

Ich finde es super, dass so ganz langsam endlich auch das Thema Make-up für Männer* und „Menicure“ bei uns ankommt …

Total! Daran arbeite ich sehr. Das ist eins meiner Lieblingsthemen! Ich habe schon sehr vielen Männern* aus meinem privaten Umfeld die Nägel lackiert, das mache ich sehr gerne und finde, dass es gut aussieht. Ich motiviere gerne, das zu machen, wenn man Lust darauf hat. Warum sollten sich Männer* da einschränken? Warum soll Nagellack oder Lidschatten nicht „männlich“ sein? Dahinter steckt doch auch toxische Männlichkeit. Ich finde es immer gut, wenn alle tun, was sie gerne möchten und sich so zeigen wie sie sich selbst schön finden. Das ist das beste, was man machen kann.

Es gibt auch ein paar Marken, die das Thema Beauty für Männer* cool thematisieren und nicht in Richtung „Turbo Diesel“-Marketing gehen mit Produkten, die klischeehaft „maskulin“ aussehen und im Baumarkt verkauft werden. … Wobei ich supergerne im Baumarkt in der Farbabteilung eine „Nail Bar“ für Männer* machen würde! Das würde ich super finden. Falls das jetzt eine Marke liest: Das Konzept steht, wir können das sofort gemeinsam umsetzen.

Dein Job war bis zur Coronakrise mit sehr vielen internationalen Reisen verbunden. Wie hast du die Veränderung persönlich erlebt? Vermisst du die Reisen?

Ich vermisse es extrem, weil es einfach Teil meines Alltags war. Ich würde mir so gern noch mal für eine Reise den Wecker auf 5 Uhr morgens stellen müssen. (lacht) Ich würde nicht sagen, dass meine Arbeit dadurch schlechter geworden ist, dass ich momentan nicht mehr reise – ich finde Inspiration woanders und ich halte auch Kontakt zu meinen internationalen Freund*innen und Kolleg*innen. Aber es fehlt mir zum Beispiel einfach, in New York City durch die Straßen zu laufen und dort interessante Menschen zu treffen. Ich war ja auch immer auf den Fashion Weeks und manchmal verbringst du ja Stunden um Stunden backstage. Dabei triffst du natürlich sehr viele unterschiedliche Leute und es entsteht eine Art Community. Einmal habe ich eine ältere, schwarze Frau kennengelernt, bei der sich herausgestellt hat, dass sie die Muse von Givenchy war. Solche spontanen Begegnungen vermisse ich – und zugegeben auch den Rush der Fashion Weeks.

Natürlich kann man viel über den Bildschirm machen – und viele Models oder Kreative, die sonst in New York oder woanders leben, sind aktuell auch wieder „zu Hause“ in Deutschland oder zumindest in Europa, sodass die Zusammenarbeit mit ihnen momentan gut funktioniert. Ich bin ehrlich gesagt auch froh, dass wir weiterhin Fotoproduktionen umsetzen und dadurch weiterhin Kreative und Künstler*innen buchen.

Ich bemühe mich, zu sehen, was gut ist und das wertzuschätzen.

Am Rahmen ihrer Küchentür hat Laura einen selbstgebastelten „Katzenstreichler“ angebracht – er ist geblieben, auch wenn die Katze mittlerweile ausgezogen ist. Laura ist aber zurzeit auf der Suche nach einer Babykatze.

Wie hast du dich persönlich im vergangenen Jahr motiviert?

Ich motiviere mich hauptsächlich mit Italo Disco Musik – und das ist nicht mal gelogen. (lacht) Ich finde es manchmal auch schwierig, muss ich sagen. Aber dann erinnere ich mich daran, dass es mir gut geht, dass ich weiterhin arbeiten kann und dass ich eigentlich in einer sehr glücklichen Position bin. Der Gedanke hilft mir. Ich bemühe mich, zu sehen, was gut ist und das wertzuschätzen.

Und tatsächlich habe ich mich sehr viel mit Musik beschäftigt. Musik war ja schon immer meine Leidenschaft, ich habe früher auch aufgelegt. Zum Beispiel veranstalte ich mit einer Freundin regelmäßig „Disco Dinner“ zu Hause. Für mehr Disco im Alltag!

Vielen Dank, Laura, für das Gespräch.

 

Lauras exklusive femtastics-Playlist voller Female Artists:

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Hier findet ihr Laura Dunkelmann:

 

Layout: Kaja Paradiek

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