Auf einmal war ihr klar: Sie will eine Weltreise machen. Mit ihrem Motorrad „Cleo“. Allein. Dafür hat Lea Rieck, Journalistin und Beraterin in der digitalen Konzeption, ihren Job gekündigt, die Wohnung in München aufgelöst, sich in Deutschland abgemeldet – und dann ist sie los. 90.000 Kilometer in 18 Monaten. 50 verschiedene Länder, diverse Pannen und unfassbar viele spannende Begegnungen. Jetzt hat die 32-Jährige gerade das Buch über ihren Trip, „Sag dem Abenteuer, ich komme: Wie ich mit dem Motorrad die Welt umrundete und was ich von ihr lernte“, veröffentlicht. Wir sprechen mit der Abenteurerin über die Planung, Herausforderungen und die größten Erkenntnisse ihrer Tour.
Ich bin früher schon alleine gereist, auch in Destinationen, die nicht wirklich beliebt bei Touristen sind.
Lea Rieck: Ich bin von Deutschland aus Richtung Osten gefahren, auf sehr vielen Umwegen nach Thailand, dann ging es mit dem Flugzeug nach Australien. Dort bin ich an der Ostküste entlang, anschließend mit dem Flugzeug nach Buenos Aires. Erst ging es an den untersten Zipfel von Südamerika, dann Richtung Norden, nach Nordamerika und Kanada. Von Montreal bin ich nach Casablanca geflogen, dann noch Richtung Westsahara gefahren – und von dort aus wieder nach Hause.
Die erste Hälfte bis Thailand war relativ detailliert geplant. Einige Länder sind nicht ganz unkompliziert zu bereisen, zum Beispiel muss man in China und Myanmar eine geführte Tour machen. Da darf man nicht einfach mit dem eigenen Fahrzeug herumfahren. Ich habe diese Touren mit anderen Fahrern geteilt, um Kosten zu minimieren. Deshalb musste ich zu festen Zeiten an bestimmten Orten sein.
Ja, in Australien und Südamerika war ich nicht mehr gebunden und konnte alles frei wählen. Ursprünglich hatte ich geplant, insgesamt nur ein Jahr zu reisen – aber als ich erstmal unterwegs war, dachte ich: Jetzt kann ich auch noch weiterfahren. Ich habe gemerkt, dass ich in den USA und Kanada ganz viel sehen will, ich wollte auch in die Berge und die Nationalparks. Dafür musste ich auf die richtige Jahreszeit warten, deshalb dachte ich: Neufundland, da wollte ich schon immer mal hin. Also fuhr ich noch dort vorbei.
Ich bin früher schon alleine gereist, auch in Destinationen, die nicht wirklich beliebt bei Touristen sind. Ich war zum Beispiel im Iran. Alleine, weil von meinen Freunden niemand mitkommen wollte. Einmal habe ich eine Motorradtour von München nach Istanbul gemacht. Da hatte ich meinen Führerschein ziemlich frisch und weiß immer noch nicht, wie ich das eigentlich überlebt habe. Aber dabei wurde mir klar: Wenn ich einmal länger reise, dann mit dem Motorrad – und dann ist das einfach passiert.
Ich hatte einen tollen Job in einem Verlag. Das lief gut und war gemütlich, aber ich wusste, dass ich dort nicht weiterkomme. Also habe ich mich bei einer Digitalagentur mit spannenden Kunden beworben – eine Stelle, auf die ich wirklich Lust hatte. Und ich habe mir gesagt: Wenn ich den Job nicht bekomme, dann gehe ich mit dem Motorrad auf Weltreise. Plötzlich bekam ich eine Zusage, aber ich habe gemerkt: Ich will trotzdem fahren. Deshalb habe ich den Job abgesagt, meine alte Stelle gekündigt und bin los.
Ich hatte vorher schon mal Pro- und Contra-Listen für eine solche Reise angelegt: Wäre das machbar von der Zeit und vom Budget her? Wie würde ich so etwas planen? Man hat ja oft solche Träume im Kopf und denkt: Vielleicht gehe ich das in Zukunft mal an. Aber in dem Moment, als ich wusste, ich würde den neuen Job bekommen und wollte ihn nicht: Da war alles klar.
Ich habe damals noch in meiner Einzimmerwohnung aus dem Studium gewohnt, deshalb war dort nicht so viel zu tun. Der Rest war aufwändiger. Wichtig ist es erstmal, sich arbeitslos zu melden. Ich hatte zwar durch meine Kündigung keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld – aber so hatte ich ihn nach der Rückkehr, daran muss man ja auch denken.
Außerdem war es schwierig, mich komplett von Krankenkasse und Wohnsitz abzumelden. Ich habe ungefähr eine Woche lang nur bei Ämtern gesessen und Telefonate geführt. Das muss alles in der richtigen Reihenfolge passieren: Man kann das eine nicht machen, wenn das andere noch nicht erledigt ist.
Ich hatte mir nach meinem letzten Arbeitstag vier Wochen dafür gegeben, aber dann haben sich die Visa noch etwas verzögert. Ein Visum habe ich nicht bekommen, dann musste ich umplanen, das hat noch mal ein oder zwei Wochen gedauert. Da hatte ich schon gefühlt fünf Abschiedsessen – und trotzdem saß ich noch in Deutschland. Da wollte ich wirklich einfach nur los.
Auch wenn alles ein Abenteuer war: Ich wollte mich nicht bewusst in Situationen begeben, in denen ich in Gefahr bin.
Richtige Angst hatte ich eigentlich nie. Ich habe mich ja auch vorbereitet und etwas über die Länder gelesen. In einigen gibt es wahnsinnig viele Militärkontrollen und da sind Bestechungsgelder teilweise üblich. Das habe ich zum ersten Mal in Tschetschenien erlebt. Ich habe mich aber immer dumm gestellt und nichts bezahlt – und ich bin auch immer so durchgelassen worden. Man gewöhnt sich dran.
In Russland bin ich auf einer sehr kleinen Sandstraße in einen Heuschreckenschwarm gekommen: Der hat mir fast eine halbe Stunde lang komplett die Sicht versperrt. Dadurch habe ich die Orientierung verloren, bin in eine Düne gekracht und kurz ohnmächtig geworden. Es kam dann zum Glück jemand, der mir geholfen hat. Danach habe ich mich in ein Hostel gelegt und ein oder zwei Tage nicht das Zimmer verlassen. Beim Arzt war ich aber nicht. Ich habe gegoogelt, was bei einer Gehirnerschütterung zu tun ist – und da hätte man ohnehin nicht viel tun können.
Ich habe mich vorher über die Risiken informiert. Auch wenn alles ein Abenteuer war: Ich wollte mich nicht bewusst in Situationen begeben, in denen ich in Gefahr bin. Wegen Pakistan habe ich mir vorher Gedanken gemacht und auch mal in ein Forum geschrieben, ob das alleine als Frau gefährlich ist. Da haben ganz viele Leute geantwortet, die noch nie dort waren. Sie waren der Meinung: „Das ist ein Selbstmordkommando, da wirst du vergewaltigt.“ Aber dann schrieb ein Pakistani, sein Land sei toll, ich solle unbedingt hinfahren. Also habe ich es gemacht.
Es ist ein wahnsinnig tolles Land. Ich bin von Norden aus gekommen, die Landschaft dort ist unfassbar schön. Man fährt zwischen 7.000 Meter hohen Bergen entlang und die Leute sind total freundlich. Die sind den westlichen Tourismus noch nicht so gewohnt und nehmen einen ganz nett auf – niemand will dich ausnutzen. Auch Islamabad hat mich sehr beeindruckt, das ist eine super ausgebaute und sehr lebenswerte Großstadt. Man denkt bei Pakistan oft an Anschläge und die ganzen negativen Nachrichten, die man hört. Aber das Land ist immer besser zu bereisen und es lohnt sich wirklich.
Das war ganz unterschiedlich. Gerade in der zweiten Hälfte habe ich mir vorgenommen: Wenn es mir irgendwo gefällt, bleibe ich auch mal zwei Wochen – aber das ist nie passiert. Es hat mir zwar überall gefallen, aber ich hatte immer Hummeln im Hintern: Was kommt als nächstes, was kann ich noch sehen?
Ja, für mich war es immer wichtig, die Einheimischen kennenzulernen. Ich hatte richtig Lust, in ihre Kultur einzutauchen. Gerade in Zentralasien sind „Homestays“ eine beliebte Unterkunftsform: Da bieten Leute einfach einen Platz bei ihnen an: Manchmal ein Gästezimmer, manchmal ein Platz im Wohnzimmer oder einfach auf dem Boden – dazu gibt es ein gemeinsames Abendessen. Das ist sehr günstig und man erfährt, wie die Leute dort wirklich leben. Und ich habe von all den Begegnungen mit Einheimischen auch sehr viel gelernt.
In Nepal bin ich ausnahmsweise mal nicht in Motorradkleidung, sondern nur in einem Kleid gefahren – das mache ich sonst nie. Das Kleid hat sich im Hinterrad verfangen und ich stand fast nackt auf der Dorfstraße. Zwei alte Männer haben mir geholfen, das zu entwirren und sie haben mich zu einer Frau gebracht, die in einem kleinen Bretterverschlag mein Kleid geflickt hat. Sie war total freundlich und wollte mir am Ende umgerechnet 10 Euro in die Hand drücken, was dort unfassbar viel Geld ist. Ich wollte es natürlich nicht annehmen, sondern stattdessen sie bezahlen, weil sie mir geholfen hat.
Sie bestand darauf, dass ich von dem Geld in Australien und Südamerika etwas trinken gehe und mich dabei an sie erinnere – das konnte ich nicht ausschlagen. Die Frau war Buddhistin und hat mir zwei zentrale Grundsätze erklärt: Mitfreude und Mitgefühl. Mitfreude bedeutet, dass man sich mit anderen Menschen über ihr Wohl freut, wenn sie es nicht auf Kosten anderer erlangt haben. Sie hatte Mitfreude für mich und sagte, ich hätte ihr gegenüber Mitgefühl gezeigt. Das war für mich eine total schöne Lehre: Dass jemand, der materiell gesehen so viel weniger hat, überhaupt nicht neidisch oder missgünstig mir gegenüber war.
Ich fände es schade, wenn man auf eine solche Tour geht und überall eigentlich nur sich selbst sucht.
Ich habe die Reise nie als Selbstfindungstrip gesehen. Ich fände es schade, wenn man auf eine solche Tour geht und überall eigentlich nur sich selbst sucht. Aber natürlich ist es so: Wenn man mit vielen verschiedenen Kulturen zu tun hat und sehr viel Zeit alleine verbringt, dann beschäftigt man sich damit, was andere Leute glauben und denkt über alternative Lebensweisen nach.
Ich habe zwei Arten des Alleinseins erlebt: In Indien zum Beispiel war es ein sehr aufregendes und eindrucksbeladenes Reisen. Es passiert so viel um dich herum, du hast nur damit zu tun, all die Eindrücke zu verarbeiten. Da bleibt eigentlich gar keine Zeit, um sich mit sich selbst zu beschäftigen. In Argentinien und Patagonien gibt es dann unendliche Weiten, da bin ich fast 3.000 Kilometer lang niemandem begegnet. Das ist ein sehr meditatives Alleinreisen.
In Australien und Tasmanien hatte ich ein kleines Tief. Das lag wohl daran, dass ich aus Asien so überladen mit Eindrücken war. Und plötzlich sprach wieder jeder Englisch und alles war einfach. Da konnte ich das erste Mal durchatmen und darüber nachdenken, was ich erlebt habe. Ich konnte runterfahren und dachte: Krass, was du alles gesehen hast. Ich habe mich drei Tage im Hotelzimmer eingeschlossen, Schokolade gegessen und Serien geschaut. Ich brauchte einfach eine kurze Auszeit, danach konnte ich alles umso mehr aufnehmen. Ich hatte aber nie das Gefühl, nach Hause zu wollen.
Gar nicht so schlimm wie gedacht. Ich hatte von vielen anderen Reisenden gehört, dass das Nachhausekommen das Schwierigste am Reisen sei: Weil man wieder im alten Leben ist, sich aber selbst so verändert hat. Dadurch war ich etwas gewappnet – und ich selbst empfand es nicht als problematisch. Vielleicht muss man dann auch die Toleranz anwenden, die man auf so einer Reise lernt: Warum ist man mit Menschen befreundet? Nicht, weil sie sich jedes Detail deiner Tour anhören müssen, sondern weil sie Eigenschaften haben, die dich bereichern. Es ist jetzt schön, wieder hier zu sein und ein normaleres Leben zu führen.
Gerade beim Alleinreisen sollte man gut mit sich selbst klarkommen.
Wie viel Geld man braucht, hängt immer davon ab, wie man reist. Wer eher trampt oder zu Fuß geht, der kann mit fast nichts in der Tasche losgehen und unterwegs Geld verdienen. Mein Motorrad musste ich im Flugzeug transportieren, das ist wahnsinnig teuer. Ich denke, man muss sich vorher klarwerden, wie viel Geld man für verschiedene Dinge ausgibt, wie man laufende Kosten minimieren kann und was man wirklich braucht. Ich bin nie in eine große Wohnung gezogen und konnte deshalb vorher Geld zur Seite legen. Es war natürlich einfacher dadurch, dass ich ungebunden war, keine Kinder oder sonstige Verpflichtungen hatte. Das kann nicht einfach jeder so machen wie ich.
Gerade beim Alleinreisen sollte man gut mit sich selbst klarkommen. Wenn man mit vielen Zweifeln und mit dem Ziel der Selbstfindung losfährt, dann ist es vielleicht nicht das Richtige. Vor allem auf dem Motorrad muss man aufmerksam sein, sich um vieles kümmern und sich gut zurechtfinden. Da kann man nicht ständig nur mit sich selbst beschäftigt sein.
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Fotos: Lea Rieck
Interview: Julia Allmann
Layout: Kaja Paradiek
4 Kommentare
Ich hatte wirklich Bauchkribbeln beim Lesen! So so tolle Bilder und schöne Fragen!!
Einmal um die Welt, das ist wunderbar!
Schöne Fotos, bezaubernde Natur und hilfsbereite Menschen – was für eine Frau!!!
Hallo, eine beeindruckende Reise war das sicher mit vielen tollen Eindrücken und Erfahrungen. Ich kann das nachvollziehen, denn ich habe letztes Jahr eine Rennradtour alleine von Ainring an der deutsch- österreichischen Grenze bis nach Norddeutschland gemacht und das trotz Beinhandycap. ES war eine tolle Reise. Aber so etwas ist natürlich eine andere Geschichte. Vor allem die verschiedenen Kulturen kennenzulernen ist sicher spannend und so lernt man Land und Leute kennen. Da du ja am Mittwoch de 24. 04 um 20:00 Uhr im Pumpwerk in Wilhelmshaven bist, werde ich mir deinen Vortrag anhören. Weiterhin viel Erfolg.