Mit maßangefertigten Kindermöbeln und -produkten wagten sich Sina Gwosdzik und Jakob Dannenfeldt nach ihrem gemeinsamen Studium an der Design-Fachhochschule Potsdam in die Selbstständigkeit. Heute hat sich das Paar, das gemeinsam mit zwei Söhnen und drei Meerschweinchen in Berlin-Kreuzberg lebt, mit seinem Studio „Jäll & Tofta“ auf die Konzeption ganzer Wohn- und Arbeitsräume spezialisiert. In ihrer charmanten 4-Zimmer-Altbauwohnung gibt uns Sina Einblicke in das vielseitige Arbeitsfeld der beiden Produkt- und Interiordesigner. Daneben sprechen wir mit der 41-Jährigen über die Vorzüge und Herausforderungen der Selbstständigkeit, Mut und Selbstzweifel, den Sinn von Umwegen und Wohn- und Arbeitskonzepte der Zukunft.
Sina Gwosdzik: „Jälluntofta“ ist eine ganz kleine Stadt in Schweden, eigentlich eher ein Dorf. Jakobs Mutter lebt in Schweden und wir sind früher regelmäßig dort gewesen. Als wir am Anfang unserer Selbstständigkeit einen Duo-Namen gesucht haben, weil wir uns nicht „Gwosdzik & Dannenfeldt“ nennen wollten, fanden wir den Klang ganz schön und haben schließlich „Jäll & Tofta“ daraus gemacht. Jetzt sind wir mit diesem Namen und der etwas kitschigen Erklärung verbunden und würden es heute vielleicht anders machen.
Es war damals keine taktische Entscheidung. Mit dem Namen klingt für viele beinahe automatisch mit, dass wir uns auf skandinavische Einrichtung spezialisiert haben, was nicht zwangsläufig der Fall ist. Unsere Arbeit zeichnet sich zwar durch eine gewisse Schlichtheit aus, aber natürlich entwickelt man sich mit den Jahren weiter. Heute gefallen mir andere Dinge als damals, zu einer Zeit, als ich mich mit dem skandinavischen Stil insgesamt auch noch mehr identifizieren konnte. Mittlerweile mag ich es bunter, eklektischer. Aber nichtsdestotrotz hadern wir auch nicht mit dem Namen.
Was eine ganz große Rolle spielt, sind Farben und geometrische Formen.
Was eine ganz große Rolle spielt, sind Farben und geometrische Formen. Wir versuchen Dinge optisch einfach darzustellen, die eigentlich viel komplexer sind. Ich möchte uns aber gar nicht auf einen bestimmten Stil festlegen, weil ich es entscheidend finde, sich immer weiterzuentwickeln und auch den eigenen Geschmack ändern zu können.
Wir haben mit einer Produktserie angefangen: ein Kinderbett, das wir selbst produziert haben, und ziemlich viele Kleinteile wie Mobiles, Decken und Ähnliches. Von dort sind wir zu Einrichtungsgegenständen und Maßanfertigungen im Kinderzimmerbereich übergegangen, bis hin zu ganzen Räumen. Von den Kinderzimmern hat sich unsere Arbeit dann auf die ganze Wohnung ausgedehnt. Das Schöne ist, dass es sich mit der Zeit immer weiterentwickelt hat, sodass wir heute auch größere Projekte bekommen und ganzheitlicher arbeiten, beispielsweise auch Häuser, Büros und Arbeitsräume gestalten. Der Plan war schon immer, in den Interior-Bereich zu gehen und die Projekte sind ganz langsam mit uns gewachsen.
Das habe ich mich selbst schon oft gefragt. Ich hatte schon immer ein Faible für Einrichtung und Wohnen. Ich finde, der Wohnraum ist der absolut persönlichste Bereich – das hat mich schon immer berührt und interessiert. Nach dem Abi wusste ich erstmal nicht, was ich machen sollte, ich war total planlos. Ich wollte immer etwas Künstlerisches machen, habe mir das aber nicht zugetraut. Dann habe ich angefangen Literaturwissenschaften und Germanistik in Leipzig zu studieren, stellte aber schnell fest, dass ich unglücklich damit war. Schließlich habe ich mich doch auf ein kreatives Studium vorbereitet – Mappe, Eignungsprüfung usw. – und es hat geklappt. Das Gute am Produktdesign ist, dass der Bereich sehr viel umfasst. Das Studium an der Fachhochschule Potsdam war recht breit gefächert, sodass ich viel ausprobieren konnte. Mir wurde relativ schnell klar, dass ich in Richtung Möbel gehen will. Bei Jakob war das ähnlich. Wir haben uns im Studium kennengelernt und unser Diplom zusammen gemacht. Dass wir uns dann gemeinsam selbstständig machen, war irgendwie die logische Konsequenz.
Als wir mit dem Studium fertig waren, war ich dreißig, das erste Kind war unterwegs und wir haben lange gebraucht, uns alles aufzubauen und von unserer Arbeit leben zu können. Daher habe ich ganz lange gedacht, dass mein anfänglicher Weg eine Fehlentscheidung war und mich gefragt, warum ich nicht früher mit dem Designstudium begonnen habe. Aber der Grund dafür ist mir eigentlich klar: Ich komme aus einem Nicht-Akademiker-Haushalt, mich einer Eignungsprüfung und Beurteilung zu stellen, fand ich super schwierig. Allein die Entscheidung überhaupt zu studieren, war damals schon ein großer Schritt für mich. Im Nachhinein denke ich, es war dennoch wichtig, diesen Weg zu gehen. Der Vater meiner damaligen besten Freundin hat immer gesagt: „Umwege erhöhen die Ortskenntnis.“ Diesen Spruch fand ich sehr passend.
Durch das Studium und Praktika haben wir schnell gemerkt, dass es schwer wird, direkt nach dem Studium und mit Familie im Designbereich einen Job zu finden und mit dem, was man selbst gut findet, Geld zu verdienen. Dazu kam, dass für mich persönlich lange klar war, dass ich nicht angestellt sein, sondern gerne mein Ding machen will, auch wenn es länger dauert. Im Großen und Ganzen habe ich daran nicht gezweifelt, obwohl es gerade mit Kindern natürlich auch Momente gibt, in denen man sich fragt, warum man nicht auf die sichere Bank gesetzt hat. Andererseits hat die Selbstständigkeit gerade mit Familie ganz viele Vorteile, beispielsweise wenn mal ein Kind krank ist. Wir können uns viel besser absprechen, aufteilen und unabhängig von anderen Absprachen treffen. Natürlich war das alles ein Prozess, aber ich finde es sehr wichtig, dass wir uns so gleichberechtigt etwas aufbauen konnten – und bisher hat das gut funktioniert.
Die Selbstständigkeit hat gerade mit Familie ganz viele Vorteile, beispielsweise wenn mal ein Kind krank ist. Wir können uns viel besser absprechen, aufteilen und unabhängig von anderen Absprachen treffen.
Mittlerweile hat sich eine Aufteilung entwickelt: Ich bin eher an der Front und an der Schnittstelle zur Kommunikation, besuche beispielsweise unsere Kund*innen vor Ort und spreche mit ihnen über Wünsche und Vorstellungen. Ansonsten arbeite ich sehr konzeptlastig, das tun wir beide. Aber Jakob hat ein besseres Auge fürs Detail. In den ersten Jahren haben wir mithilfe eines befreundeten Tischlers alles selbst gebaut, dadurch hat er sich viel Wissen und Fähigkeiten im Bereich des Konstruktiven beigebracht. Damit ergänzen wir uns insgesamt total gut.
Meistens kriegen wir Anfragen per Mail oder Telefon. Ich führe dann die Erstgespräche mit den Kund*innen und erkläre im Groben, wie wir arbeiten, wie unsere Tagessätze sind usw., denn viele haben gar keine Vorstellung davon. In Deutschland ist es immer noch etwas Besonderes, sich bei der Inneneinrichtung professionelle Hilfe zu suchen. Innerhalb der letzten zehn Jahre haben wir gemerkt, dass sich das langsam verändert. Aber die meisten versuchen, die Inneneinrichtung ihrer Wohnung alleine zu machen oder legen einfach nicht so viel Wert darauf. Im ersten Gespräch ist es mir wichtig herauszufinden, wie die Vorstellungen und Wünsche sind und ob man auf einer Wellenlänge schwingt. Im nächsten Schritt besuche ich die Kund*innen vor Ort, gemeinsam entwickeln wir die ersten Ideen und schauen, was möglich ist. Oft ist der Wohnraum in der Stadt begrenzt und teuer und man muss gucken, dass man den Raum, den man hat, sinnvoll nutzt. Natürlich gibt es auch Anfragen, bei denen Raum und Geld keine Rolle spielen, aber in der Regel schätzen wir anhand unserer Erfahrungswerte ein, welche Vorstellungen und Ideen mit dem zur Verfügung stehenden Raum und Budget realisierbar sind. Danach erstellen wir ein Angebot und wenn wir uns mit den Kund*innen einigen, fangen wir an.
Bei der Gestaltung von Kinderzimmern ist die größte Herausforderung, dass Kinder ihre Bedürfnisse mit jedem Jahr ändern.
Meistens ja. Wir nehmen uns mittlerweile viel Zeit für Erstgespräche, damit wir schon beim Betreten eines Raumes ein Gefühl dafür haben und Dinge visualisieren. Mittlerweile arbeiten wir teilweise zu dritt, sodass wir uns gemeinsam mit unserer Mitarbeiterin beraten, Ideen austauschen und abwägen. Wir schauen dann, was funktional ist und ins Budget passt, um so schon im Gestaltungsprozess auf die Umsetzungsphase Einfluss zu nehmen.
Es sind Leute aus ganz verschiedenen Bereichen. Wir haben viele Familien als Kunden. Zu den meisten pflegen wir ein sehr persönliches Verhältnis, was beinahe automatisch passiert, wenn wir uns so intensiv mit ihnen austauschen. Es ist die Essenz unserer Arbeit herauszufinden, was zu unseren Kund*innen passt, welche Stimmung ihnen gefällt, wie sie sich wohlfühlen – dadurch lernt man sich sehr gut kennen. Oft sind es natürlich Menschen, die Wert auf Ästhetik legen, aber entweder nicht die Zeit oder die Muße haben, sich mit der Inneneinrichtung ihrer Wohnung auseinanderzusetzen, oder über schlaue Lösungen für Raumprobleme nachzudenken.
Die Frage, wie man mit wenig Raum in der Stadt umgeht, stellt natürlich ein wichtiges und herausforderndes Thema dar. Wir arbeiten beispielsweise gerade an einem Mikroapartment, wo wir versuchen, auf 30 m² alles unterzubringen. Das ist total spannend und macht auch Spaß. Neben all der Funktion, die wir immer im Blick haben, ist uns aber die Ästhetik genauso wichtig.
Bei der Gestaltung von Kinderzimmern ist die größte Herausforderung, dass Kinder ihre Bedürfnisse mit jedem Jahr ändern. Das fängt bei dem Kinderbett an. Wir versuchen unsere Kund*innen dabei zu unterstützen, sich für die langfristige Lösung zu entscheiden, statt für eine Variante, die nach zwei, drei Jahren wieder passé ist. Da fließen auch unsere eigenen Erfahrungen mit ein. Generell ist die Herausforderung bei der Zusammenarbeit mit den Kund*innen genau das richtige Maß zu finden: nicht zu viel eigenen Input zu geben, aber auch Dinge zu sehen, die die Auftraggeber*in vielleicht nicht sieht oder noch nicht von sich wusste. Es ist immer schön festzustellen, dass man einen Nerv getroffen hat. Mit jedem Projekt lassen wir uns von Neuem auf die jeweilige Person ein, schauen wie sie tickt, wo wir unsere eigene Expertise einfließen lassen sollten und wann Zurückhaltung gefragt ist. Das macht die Arbeit sehr persönlich.
Ja, auf jeden Fall. Dass wir unsere Projekte selbst aussuchen und frei entscheiden können, ob es zu uns passt, ohne Rechenschaft ablegen zu müssen, ist ein großer Vorteil der Selbstständigkeit. Dadurch haben wir beispielsweise auch die Freiheit, bei manchen Projekten eine Extrarunde einlegen zu können, um ein gutes Ergebnis zu erreichen, ohne uns zu erklären. Wir machen wirklich gerne, was wir machen.
Wir arbeiten vor allem viel mit Holz und achten darauf, dass wir hochwertige Materialien verwenden. Daraus ergibt sich die Nachhaltigkeit.
Ich kann mir vorstellen, dass das Arbeiten von zu Hause zunehmen wird, es aber noch ein langer Prozess ist, bis das gut funktioniert, da die eigene Wohnung im Zweifel nicht darauf ausgerichtet ist. In einem kürzlich erschienenen Interview mit dem Kulturphilosophen Prof. Jan Teunen im „AD“-Magazin spricht dieser davon, dass der Mensch am motiviertesten und effektivsten arbeitet, wenn er in einer schönen Umgebung ist. Dies sei noch entscheidender als der soziale Aspekt. Das finde ich sehr interessant. Ich denke, dass viele Menschen in den letzten Monaten absolut an ihre Grenzen gekommen sind. Das ging uns selbst so, weil uns mit zwei Kindern einfach der Raum gefehlt hat. Die Situation in der Stadt ist besonders herausfordernd, weil die Mieten und Quadratmeterpreise immer teurer werden und der Raum begrenzt ist.
Viele Menschen hatten in den letzten Monaten mehr Zeit, sich mit dem eigenen Zuhause zu beschäftigen. Einige haben dadurch das Bedürfnis entwickelt, der Gestaltung ihrer Wohnung mehr Gewichtung beizumessen und auch mehr Geld dafür auszugeben. Wir bekommen jetzt viele Anfragen in die funktionale Richtung, bei denen sich die Leute mehr Struktur wünschen und den Raum, den sie haben, sinnvoll nutzen wollen. Das halte ich für sehr smart, denn viel Platz ist auch wieder relativ, wenn das erste Kind ausgezogen ist.
Wir arbeiten vor allem viel mit Holz und achten darauf, dass wir hochwertige Materialien verwenden. Daraus ergibt sich die Nachhaltigkeit. Für unser Diplom haben wir ein Kinderbett entwickelt, das mitwächst und besonders nachhaltig sein sollte. Wir haben ein Material entwickelt, das kompostierbar ist und alles ein wenig auf die Spitze getrieben. Im echten Leben haben wir dann gemerkt, dass es nicht immer möglich ist, nur ökologische Materialen zu verwenden. Per se ist das, was wir machen – wie die Möbel, die wir entwerfen und die von einem Tischler umgesetzt werden – aber immer sehr hochwertig. Solch ein Möbelstück tauscht man in der Regel nicht nach zwei Jahren wieder aus. Die Ambition der Kund*innen ist, mit diesen Möbelstücken zu leben.
Meistens kommt es gar nicht auf das Projekt selbst an, sondern ob man gestalterisch mit den Auftraggeber*innen auf einer Wellenlänge schwingt. Die schönen Projekte, die besonders Spaß machen, sind solche, bei denen man relativ viel Freiraum hat, selbst ein wenig herumspinnen und eigene Ideen einbringen kann.
Ich würde total gerne mal ein Hotel gestalten, weil es da um viele interessante Aspekte geht, wie Funktionalität, Geborgenheit, Rückzugsorte. Mit einem Hotel schafft man eine Art eigenes kleines Universum, das fände ich wirklich spannend.
Erfolg ist für mich, mit der Sache Geld zu verdienen, die man gerne macht. Dabei geht es nicht darum, reich zu werden. Es ist ein unglaubliches Geschenk, zu wissen, was man gerne macht. Manchmal braucht es Umwege, aber am Ende geht es darum, sich zu trauen, genau das zu machen. Ich finde es super wichtig, gerne zur Arbeit zu gehen und sich selbst verwirklichen zu können. Natürlich ist auch für uns nicht jeder Arbeitsalltag immer nur schön, und die Selbstständigkeit kann durchaus auch eine Bürde sein, aber bisher habe ich sie als große Freiheit empfunden. Krisen gehören dazu, denn sie helfen dabei, die Dinge zu reflektieren und zu erkennen, was nicht gut läuft. Das Schöne ist, die Möglichkeit zu haben, selbst etwas zu verändern.
Layout: Kaja Paradiek
Ein Kommentar
Hallo.
Mir gefällt das Lippen Poster aus dem Vitra Museum so gut.Kann man das denn noch kaufen.
Gruß, Simone