Atelierbesuch bei Malerin Egle Otto

19. Juli 2016

Etwas Anderes als malen? Diese Frage hat sich die Hamburger Malerin Egle Otto nie gestellt. Kunst sieht sie als unabkömmliche Notwendigkeit innerhalb der Gesellschaft und als Bestandteil der menschlichen Identität. Sie ermöglicht ihr, Fragen zu stellen, zu reflektieren und sich mit dem auseinanderzusetzten, was sie antreibt. Egle Otto wurde in Litauen geboren und wollte als Kind im wahrsten Sinne des Wortes sich ein Bild von etwas machen. Also fing sie an zu zeichnen und zu malen. Zum Kunststudium gab es für Egle nie eine Alternative, längst wurde ihr Talent von außen bestätigt. Seit ihrem Studium an der HFBK ist sie jeden Tag im Atelier und malt. Sie konnte schnell vom Verkauf ihrer Bilder leben und mehrere Sammler/innen und einen Mäzen für sich gewinnen, die sie seither fördern. Wir besuchen Egle Otto in ihrem Atelier und sprechen mit ihr über ihre allerneuesten Arbeiten.

Femtastics: Wie kann ich mir dein Leben als Künstlerin vorstellen?

Egle Otto: Es ist ein Leben, in dem die eigene Arbeit in das gesamte Leben hinein wirkt. Egal, ob ich mir malereispezifische Fragen stelle oder mit meinen Kindern das Konsumverhalten und unsere Ernährung reflektiere, alles hängt fest miteinander zusammen. Es ist auch ein Leben, in dem mal die eigenen Kinder zu spät zur Schule kommen, weil wir uns in einer Debatte über die neueste Malerei verfangen haben. Das war die Zeit, als das Geld für ein eigenes Atelier noch nicht gereicht hat und ich im Schlafzimmer und in der Küche gemalt habe.

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Mittlerweile hast du ein eigenes Atelier. Bist du jeden Tag hier?

Heute pflege ich feste Atelierzeiten und bin täglich hier. Der intensive Austausch mit meinen Kolleg_innen hier im Haus und anderswo ist mir ebenfalls sehr wichtig. Ich besuche so viele Ausstellungen wie möglich, stöbere durch die Kunstgeschichte und schaue mir die aktuellen Positionen an. Malerei ist ein Teil von einem bestehenden Diskurs in der Kunst und ich reflektiere meine Arbeiten in dem Zusammenhang.

Andere Künstler schotten sich bewusst ab, um keine Einflüsse zu bekommen.

Das wäre für mich undenkbar. Mich treibt das permanente Interesse an der Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte und den aktuellen Positionen an. Erst innerhalb der Beschäftigung damit entsteht für mich eine genaue Idee von dem, was ich zu dem bereits Ausformulierten hinzufügen möchte und eine Ahnung wie aktuelle Malerei heute aussehen kann. Das alles geht für mich Hand in Hand.

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Es gibt immer wieder Momente, in denen man alles in Frage stellt und zweifelt.

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Wie wichtig ist Disziplin?

Sehr wichtig. Es gibt immer wieder Momente, in denen man alles in Frage stellt und zweifelt. Phasen in denen man ganz allein eine Behauptung aufrecht erhalten muss, aufpassen muss, dass sie nicht kontaminiert wird.

Aber den Zweifel an deiner Arbeit kennst du auch?

Der Zweifel gehört dazu und ist meiner Meinung nach sogar ein wichtiger Bestandteil innerhalb des Denkens. Manchmal hat der Zweifel aber auch ganz profan mit einer totalen Ermüdung zu tun. Dann lasse ich alles liegen und gehe sofort nach Hause. Am nächsten Tag sieht die Welt wieder anders aus. Die Nacht ist eine schlechte Beraterin.

Ich habe zu wenig Malerinnen in der Kunst gesehen.

Aber der Zweifel war nie so groß, dass du aufgehört hast?

Dafür ist die Kunst für mich zu existenziell. Würde ich damit aufhören, könnte ich mir gleich einen anderen Namen zulegen. Es ist ein Teil meiner Identität. Ich glaube, wie wir denken, was wir konsumieren, wer wir sind, hat viel mit Kunst zu tun. Unsere kulturelle Prägung ist unsere gesellschaftliche Identität. Ich kann nicht aufhören, weil ich an den kulturellen Auftrag glaube. Und da gibt es nach wie vor sehr viel zu tun. Schon während meines Studiums an der HFBK ist mir zum Beispiel ein Gefälle und ein Konflikt zwischen den Geschlechtern aufgefallen. Diese speisen sich aus festsitzenden Klischees und einer erlernten Bewertungsskala. Das Geschlechterthema wurde somit schnell zu einem Teil meiner Arbeit. Mir fiel auf, dass wir keine Malerinnen behandeln und Malerei eine sehr männlich dominierte Disziplin ist. Ich habe damals zu wenig Malerinnen in der Kunst gesehen.

Ist das nach wie vor so, dass es weniger weibliche als männliche Künstler gibt?

Viele  Jahrhunderte lang war es Frauen gar nicht erlaubt, in den Akademien zu studieren. Meine eigenen Recherchen ergaben, dass Frauen trotzdem schon immer gemalt haben. Sie haben Privatunterricht genommen oder im Hintergrund ihrer Partner gearbeitet. Das ist heute ganz anders. Frauen haben sich durchgesetzt und sind genauso Teil des künstlerischen Diskurs. Trotzdem sitzen komische Klischees in vielen Köpfen fest. Das ist doch geradezu grotesk, wenn Georg Baselitz in einem aktuellen Interview behauptet, dass Frauen die schlechteren Maler seien. Damit bestätigt er ja nur das eigene Klischee.

 

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Das Klischee des wilden, verwegenen Künstlers ist auch immer aktuell.

Mir begegnet das immer wieder. Am Beispiel von Baselitz sieht man ja auch, dass es die Künstler selbst unterfüttern. Das können sie gern so machen. Das mag auch einen amüsieren, wirklich interessant ist es aber nicht. Dafür kenne ich zu viele kluge Kollegen mit hervorragenden Arbeiten. Da gibt es genug guten Stoff.

Hast du das Gefühl, dass sich hier etwas ändert?

Absolut. Der Chauvinismus ist aus vielen Teilen gewichen und Frauen sind viel mehr in den Galerien und Ausstellungen vertreten als noch vor zwanzig Jahren. Das heisst aber leider immer noch nicht, dass Künstlerinnen so selbstverständlich Einzelausstellungen in großen Häusern bekommen, wie männliche Kollegen. Da aber mittlerweile wirklich bedeutende und großartige Arbeiten von Künstlerinnen präsent sind, bin ich mir sicher, dass sich auch hier die Qualität durchsetzten wird.

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Wie findest du dein Oberthema?

Meine Themen speisen sich aus dem Erleben innerhalb meines Wirkungsbereichs. Malerei ist ein Denken und die Entscheidung ihrer Inhalte ist stark mit der Zeit verbunden. Meine frühere Bilderserie, in der ich mich entschieden habe Blumen und Einhörner zu malen, hatte mit der damaligen sehr hitzigen Geschlechterdiskussion zu tun. Die Blume ist ein ganz klassisches Motiv in der Malerei, das bis heute aufgegriffen wird. Es ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie wir Bilder bewerten. Denn interessant ist doch, dass dieses Motiv bei Frauen mit der sehr komischen Etikette der „Hausfrauenmalerei“ besetzt ist. Ich dachte mir damals, welche Themen fassen meine Kommilitoninnen in der Kunstakademie nicht an und entschied mich, Blumen und Einhörner zu einem ernsthaften Thema zu machen. Das schien mir damals genau der richtige Kommentar zu sein.

Jetzt erzähl uns bitte von deiner neuen Reihe!

Das müsstest du übernehmen. Ich bin die Produzentin und du die Rezipientin.

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Bilder aus Egle Ottos neuer Reihe

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Ok, ich sehe gleichberechtigte Geschlechter – ohne Dominanz.

Ja, sehr gut. Das ist es, was mich gerade antreibt. Es sind viele spannende Sachen zum Thema Gleichberechtigung gemacht worden. Mich interessiert der versöhnende, der heilende Aspekt innerhalb dieser Auseinandersetzung – der Moment, in dem die Unterschiede ineinander greifen und sich befruchten.

Und ich sehe die Selbstliebe einer Frau, die Versöhnung mit ihrem eigenen Körper.

Ja genau, es geht um Autonomie.

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Dann sehe ich einen Phallus, der sich anpasst, leicht erschlafft nach unten zeigt, nicht riesig ist und nicht raketenmäßig nach oben geht …

Zwei Phallusse, die sich aneinander schmiegen. Ich nutze in meinen Arbeiten Symbole, trotzdem geht es mir nicht um eine genaue Abbildung eines bestimmten Motivs oder darum, eine Geschichte zu erzählen. Mich interessiert das Motiv der Malerei und die Freiheit, die in ihr steckt. Beim Malen gibt es den körperlichen Einsatz, den intellektuellen und den unbewussten Akt. Wenn ich male, dann denke ich zum einen die Kunstgeschichte mit, zum anderen suche ich aber auch immer nach der Unbekannten. Dabei spielen Zufall und Waghalsigkeit eine große Rolle. Es ist auch für mich selbst immer wieder eine große Überraschung und auch eine Herausforderung, wenn ich von der Leinwand zurücktrete und die eigene Arbeit wieder in vollem Bewusstsein betrachte. Denn eine Malerei lässt sich vorher nicht denken, sie muss gemalt werden.

Vielen Dank, dass wir dich in deinem Atelier besuchen durften, liebe Egle!

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Fotos: Pelle Buys

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