Längst gibt es eine großartige Auswahl an nachhaltigen Fashion-Brands, die alles andere als „öko“ aussehen. Jedoch ist es nicht immer einfach, diese Labels zu finden. Lena von Linde und Lisa Fischer wollen das mit „Avantgardress“ ändern. Die beiden Münchnerinnen haben sich mit ihrem Online-Shop der Slow-Fashion-Bewegung verschrieben und vertreiben seit Februar 2019 nachhaltige, zeitlose Mode mit dem gewissen Twist – und mit dem großen Potential, zum Lieblingsstück zu werden. Dabei geht es Lisa (34) und Lena (23) um die Reduzierung von Müll, weniger Umweltverschmutzung, schonenden Umgang mit Ressourcen, faire Arbeitsbedingungen und bewussten Konsum. Wir haben die jungen Unternehmerinnen in Lenas Appartement im Herzen von München getroffen.
Lisa Fischer: Wir waren bei einem großen Unternehmen für Luxusmode beschäftigt und haben dort den E-Commerce-Bereich betreut.
Lena von Linde: Lisa war meine ehemalige Chefin und ich war Praktikantin.
Lisa: Wir haben zusammen an einem Projekt gearbeitet und schnell festgestellt, dass wir sehr ähnlich ticken, dass wir beide gelangweilt und unzufrieden waren vom herkömmlichen Angebot der großen Modeketten und Designer. Uns hat die Nachhaltigkeit gefehlt. So ist die Idee entstanden, eventuell etwas Eigenes aufzubauen. Über verschiedene Kanäle – unter anderem über Instagram – sind wir auf tolle, nachhaltige Modelabels gestoßen, die aber nirgends, oder zumindest nur schwer zu bekommen waren. Wir haben dann weiter gesponnen, dass wir es doch übernehmen könnten, diese Labels hierzulande bekannter zu machen. Die Idee hat uns nicht losgelassen und wir sind zu dem Schluss gekommen: Wir müssen das jetzt einfach machen.
Über verschiedene Kanäle – unter anderem über Instagram – sind wir auf tolle, nachhaltige Modelabels gestoßen, die aber nirgends, oder zumindest nur schwer zu bekommen waren.
Lena: Uns ist es wichtig, dass man von unseren Teilen lange etwas hat, dass sie von guter Qualität und schön verarbeitet sind. Wir haben uns mit „Avantgardress“ der Slow-Fashion-Bewegung angeschlossen und verfolgen dabei den Nachhaltigkeitsgedanken.
Lisa: Wir legen bei unseren Labels besonderen Wert darauf, dass unsere Produkte nachhaltig hergestellt wurden. Ich fürchte, die meisten großen Modeketten punkten leider nicht unbedingt mit Nachhaltigkeit.
Lena: Einige Produkte sind biozertifiziert, aber Zertifikate sind immer so eine Sache – sie sind relativ teuer und das können sich nicht alle Labels leisten. Deswegen haben nicht alle Labels, die wir vertreiben, Zertifikate. Aber wir haben zum Beispiel mit „Pieszack“ ein Jeanslabel, das ohne Chemie arbeitet und 30 Prozent weniger Wasser verbraucht als herkömmliche Labels.
Lisa: Jeder unserer Designer erfüllt unseren Nachhaltigkeitsanspruch auf die eine oder andere Weise. Hochwertige Stoffe und tolle Schnitte gehören genauso dazu wie ein schonender Umgang mit den Ressourcen und der Umwelt. Die Taschen der schwedischen Marke „ATP“ beispielsweise werden ohne Chrom gefärbt, stattdessen verwenden sie Gemüse zur Färbung. Wir liegen mit unseren Produkten eher in einem höherpreisigen Segment, aber dafür bekommt die Kundin wirklich hohe Qualität für ihr Geld, weil die Produkte sehr langlebig sind und immer gut aussehen. Ich denke, es zahlt sich letztlich aus, wenn man sich nur ein hochwertiges, nachhaltiges Stück kauft, anstelle von zwei oder drei günstigeren Stücken, die keine so lange Lebensdauer haben. Nachhaltigkeit bedeutet auch, nicht ständig neue Sachen zu kaufen, seine Kleidung gut zu pflegen, gebrauchte Kleidung wieder zu verwerten, weiter zu verkaufen, zu verschenken oder zu spenden.
Jeder unserer Designer erfüllt unseren Nachhaltigkeitsanspruch auf die eine oder andere Weise. Hochwertige Stoffe und tolle Schnitte gehören genauso dazu wie ein schonender Umgang mit den Ressourcen und der Umwelt.
Lena: Absolut. Unser Konzept ist es, tolle Basics mit ein, zwei trendigen Teilen pro Saison aufzupeppen. Unsere Produkte sollen sozusagen das Vintage von morgen sein.
Lisa: Unsere Kollektionen sind zwar fashionable, aber dennoch zeitlos und funktional. Wir haben nicht nur Basics, sondern auch echte Hingucker, die aber nie so übertrieben modisch sind, dass man sie nur eine Saison lang tragen kann. Eher schöne, klassische Teile mit dem besonderen Twist.
Lena: Nein, wir sind eigentlich von der Auswahl ein wenig überfordert, es gibt so viele tolle Labels.
Lisa: Es gab auch nie Probleme mit den Labels, die wir für eine Zusammenarbeit angefragt haben, sie waren alle sehr offen und angetan von unserem Projekt. Den Labels hat es auch gefallen, in unserem Kontext, eben der Nachhaltigkeit, präsentiert zu werden. Wir versuchen, den verschiedenen Marken Raum zu geben und sie so zu zeigen, wie sie sind. Wir haben auch ein Blog, auf dem wir immer wieder Designer näher vorstellen. Und das gibt letztlich auch unseren Kundinnen ein gutes Gefühl: zu wissen, wer hinter einer Marke steht und wofür diese Person steht.
Lisa: Wir sind sehr skandinavienlastig. Die Skandinavier achten einfach ein bisschen mehr auf Nachhaltigkeit und lassen ihre Produkte auch eher zertifizieren als zum Beispiel französische Marken. Aber so ein Zertifikat ist, wie schon gesagt, auch eine Kostenfrage – man muss als Marke oft eine gewisse Größe erreicht haben, um sich das leisten zu können. Wir führen „Graumann“, „Ivylee“, „ATP“, „Pieszak“ und andere Brands aus Dänemark und Schweden, französische Marken wie „Leon & Harper“, aber auch britische wie das Cashmere-Label „Madeleine Thompson“, und noch einige mehr.
Lisa: Die meisten in Europa: in Portugal, Italien oder der Türkei. Ehrlicherweise muss man auch sagen, dass manche Produkte in China hergestellt werden, wobei es auch da natürlich große Unterschiede gibt. Bei unseren Labels wird auf faire Arbeitsbedingungen und auf nachhaltige Produktion geachtet.
Lena: Wir haben beispielsweise auch das dänische Label „Under Protection“ für Swim- und Underwear im Sortiment. Die lassen in Bangladesch fertigen, allerdings unter fairen Bedingungen und aus recyceltem Plastikmüll vom Strand.
Das Tolle ist, dass in letzter Zeit aus den verschiedensten Bereichen Materialen wiederverwertet werden wie z.B. Gemüse, das für die Färbung von Leder verwendet wird und aus Resten der Lebensmittelindustrie stammt.
Lena: Ja, recycelte Materialen spielen bei Slow Fashion eine sehr große Rolle. Gerade im Modebereich kann man oft auf Plastik bzw. Polyester nicht komplett verzichten. Ein Plissee-Stoff zum Beispiel lässt sich nur mit Polyester herstellen, damit der Stoff in Plissee-Form bleibt. Auch bei Swimwear ist es schwierig, ohne Plastik zu arbeiten. „Designers Remix“ oder „Underprotection“ gehen dabei mit gutem Beispiel voran und verwenden recyceltes Polyester für einige Produkte. Für die recycelten Materialien nutzen sie alte Kleidungsstücke oder sogar Plastikmüll. Mittlerweile wird aber auch immer mehr Baumwolle recycelt, da die Herstellung von Baumwolle auch unfassbar viele Ressourcen wie z.B. Wasser verbraucht.
Lena: Ja, genau, und das ist auch die größte Herausforderung. Wir haben momentan einen mindestens 12-stündigen Arbeitstag. „Avantgardress“ ist wie ein Kind, das man nicht alleine lassen kann. Wir müssen 24/7 für unser Baby da sein.
Lisa: Allerdings geht man mit dem Stress ganz anders um, weil wir das Gefühl haben, wir tun das für unseren Traum und tun damit etwas Gutes.
Lena: Ich bin eher für den kreativen Teil zuständig: Ich schreibe die Produktbeschreibungen, kümmere mich um den Social-Media-Content und bin für das Marketing verantwortlich.
Lisa: Ich kümmere mich um den Einkauf, um die Finanzen, um den Shop und die Infrastruktur dort.
Lisa: Wir haben erstmal einen Businessplan geschrieben und sind damit zur Bank gegangen. Es gibt Förderprogramme für Jungunternehmer. Für ein solches haben wir uns beworben und tatsächlich den Zuschlag erhalten.
Lena: Wir haben uns für den „KfW Gründerkredit“ beworben. Dieser bietet Start-ups das sogenannte „StartGeld“, um ein Unternehmen einzurichten und zu betreiben, in unserem Fall unsere Ware vorzufinanzieren und unseren Online-Shop mit Showroom zu betreiben. Die KfW deckt ein 80-prozentiges Kreditausfallrisiko von deiner Bank, was die Chancen erhöht, einen Kredit von einer Bank bewilligt zu bekommen.
Lena: An modebewusste Frauen ab 25 bis 45 und aufwärts, die ihren Stil gefunden haben und die großen Wert auf gute Qualität und Nachhaltigkeit legen. Frauen, die sich nicht von großen Designern beeinflussen lassen wollen und die keine teure Handtasche brauchen, um ihre Persönlichkeit damit zu stärken.
Lisa: Es sind unterschiedliche Käufergruppen mit teilweise unterschiedlichen Motiven. Junge Käuferinnen, die sich stark für Umweltthemen interessieren, genauso wie Frauen, die sich einfach mal etwas gönnen wollen und dabei Wert auf Qualität legen. Auch ältere Frauen, die sich nicht ständig neu erfinden wollen und sich trotzdem über schöne neue Labels freuen. Unseren Kundinnen ist wichtig, dass sie sich in den Stücken hundertprozentig wohl fühlen.
Lena: Zuerst einmal zu überlegen: Brauche ich überhaupt etwas Neues? Manchmal muss man Stücke, die man bereits im Schrank hat, vielleicht einfach eine Saison liegen lassen, und in der nächsten Saison verliebt man sich dann neu. Man sollte nicht zu leichtfertig aussortieren und wegschmeißen. Bei vielen Kleidungsstücken oder Accessoires lohnt es sich, Beschädigungen reparieren zu lassen. Für Kaschmirpullover gibt es in München zum Beispiel die „Cashmere-Clinic“. Beim Shoppen sollte man unbedingt auf Qualität achten und darauf, dass man sich in dem Teil auch wirklich wohl fühlt – und man sollte Spontankäufe vermeiden. Keine Kompromisse eingehen und rational einkaufen.
Lisa: Natürlich kann man auch mal etwas Neues ausprobieren, aber es ist wichtig, dass man hochwertige Basics hat, auf denen man dann aufbauen kann. Hochwertige Basics werten das ganze Outfit auf.
Lena: Eher schlicht, aber immer mit einem besonderen Twist. Eigentlich ist unsere ganze Kollektion unser eigener Geschmack. (lacht)
Lena: Also ein paar Marken sollen noch dazukommen …
Lisa: Es soll aber so kuratiert bleiben wie es jetzt ist. Pro Saison sollten höchstens ein oder zwei neue Labels dazukommen, also schön slow.
Lena: „Avantgardress“ soll grundsätzlich ein Online-Shop bleiben, aber unsere Kundinnen sollen in unserem Showroom die Möglichkeit haben, die Kleidung auch mal anzuprobieren.
Lisa: Wir sind schon ab und zu auf Instagram von Kundinnen gefragt worden, ob sie nicht mal vorbeikommen könnten. Da haben wir uns gedacht: Warum eigentlich nicht? Das ist doch eine schöne Sache: Wir lernen unsere Kundinnen kennen, können ein bisschen quatschen, und die Frauen können die Kleidung anprobieren, sich ein bisschen umgucken und die Teile gleich mitnehmen. Man kann uns per Mail oder WhatsApp kontaktieren und uns in unserem Showroom besuchen.
Fotos: Sapna Richter
Interview: Sandra Böhm
Layout: Kaja Paradiek
3 Kommentare
Finde den Nachhaltigkeitsgedanken wirklich spitze und werde auch mal auf dem Shop vorbeischauen bevor es bald ins Hotel Meran geht 🙂
Liebe Grüße