Wer zu Karoline Borsch kommt, hat viel zu entdecken! In ihrer Wohnung in Berlin-Neukölln treffen farbenfrohe Urlaubsmitbringsel auf ausgewählte Keramik aus dem Sortiment ihres eigenen Ladens. Biscuit China heißt das kleine Juwel im Prenzlauer Berg. Hier hat sich Karoline im vergangenen Jahr einen Traum erfüllt, die selbständige Tätigkeit als Grafikerin an den Nagel gehängt, um besondere Fundstücke aus ganz Europa und den USA in die deutsche Hauptstadt zu bringen. Ihr Fokus liegt dabei auf Keramik, aber auch Design-Produkte aus Papier und Glas finden sich bei Biscuit China. Anfassen erwünscht! Denn nur wer die Haptik erfasst, bekommt die Einzigartigkeit der Produkte zu spüren. Wir haben die 34-Jährige besucht und bei hausgemachter süßer Frittata und Apfelschorle über ihre Leidenschaft für Imperfektion, das Risiko der Gründung und ihre Lieblingskünstler gesprochen.
Karoline Borsch: Von der Idee bis zur Eröffnung des Ladens im November 2017 hat es ungefähr zwei Jahre gedauert. Ich bin Grafikerin, wollte aber irgendwann nicht mehr so viel am Rechner sitzen und wieder mehr mit Menschen zu tun haben. Ich wollte gern etwas gründen, mit dem ich meine Leidenschaft für Handwerk und Gestaltung vereinbaren kann. Ich wollte im gestalterischen Bereich bleiben und habe lange nach der 100%igen Idee und vor allem nach dem Mut gesucht, endlich diesen Schritt zu gehen. Vor zwei Jahren war ich während eines Urlaubs in Sevilla in einem kleinen Keramikladen. Die Gegend ist für das alte Keramikhandwerk bekannt. Ich war mindestens drei Stunden in diesem Laden, wollte am liebsten alles mitnehmen und habe mich gefragt, wieso es eigentlich nichts Vergleichbares bei uns gibt. Ein Geschäft, in dem es so viel Neues zu entdecken gibt und in dem man die Einzigartigkeit und Kunst hinter jedem einzelnen Produkt spürt. Der Besitzer des Ladens erzählte mir, dass immer wieder Touristen zu ihm kämen, die gerne etwas kaufen würden, jedoch im Flieger einfach nicht alles unterbringen könnten. So kam mir die Idee!
Zuerst dachte ich an einen reinen Onlineshop. Aber das ging nicht, man muss die Haptik der Produkte fühlen.
Schon seit Jahren bringe ich mir von meinen Reisen aus Spanien, Portugal, Frankreich oder Südafrika Keramik oder Glas mit. Der Gedanke an einen eigenen Laden in Berlin hat mich nicht mehr losgelassen und ich habe recherchiert, wie man das umsetzen könnte. Da wurde mir erst bewusst, wie groß gerade der Hype um Keramik und das Handwerk ist. Mir war das bis dahin gar nicht klar, ich wollte einfach den Menschen die tollen Produkte näher bringen und sie für meine Passion begeistern.
Ich saß tagelang am Rechner und habe bei meinen Recherchen unglaublich viele tolle Künstler entdeckt. Zuerst dachte ich an einen reinen Onlineshop. Aber das ging nicht, man muss die Haptik der Produkte fühlen. Das sage ich auch all meinen Kunden: Bitte fasst die Sachen an! Viele sind darüber verwundert, weil man es ja gewohnt ist, Dinge nicht anfassen zu dürfen. Ich finde aber gerade das ganz wichtig. Die Haptik ist so unterschiedlich und besonders.
Genau. Ich habe einen Businessplan geschrieben, einen Gründerkredit aufgenommen und nach der perfekten Räumlichkeit gesucht. Ich habe es einfach gemacht. Auch wenn es für mich persönlich ein großes Risiko ist, gerade weil ich alles selbst mache. Aber ich bin von der Idee zu 300 Prozent überzeugt. Viele sagen mir, dass sie es unfassbar mutig finden. Manchmal macht mir das auch Angst und ich frage mich, ob das vielleicht zu mutig war. Aber ich glaube einfach daran. Ich arbeite ja schon seit sechs Jahren als Freelancerin, deswegen weiß ich, was es heißt, selbstständig zu sein. Selbst, wenn es manchmal schwer ist, bereue ich es keine Sekunde.
Ausstellungsgestaltung, sprich Grafik im Raum, hat mir super viel Spaß gemacht. Aber es hat mich unzufrieden gemacht, den ganzen Tag am Rechner zu sitzen. Mir hat der Kontakt zu Menschen, die Bewegung und das Handwerkliche gefehlt. Ich hatte auch das Gefühl, dass es als Frau, je älter man wird, schwieriger in der Grafikbranche wird. Dagegen wollte ich ansteuern und mir etwas Eigenes aufbauen. Ein Unternehmen, das wachsen kann, bei dem ich die Verantwortung trage.
Zu jedem Produkt kann ich eine Geschichte erzählen, sagen, wer dahintersteckt oder wieso ich es ausgewählt habe.
Vor etwa einem Jahr habe ich mir einen Businesscoach gesucht und habe angefangen, Messen zu besuchen. Zum Beispiel die „Maison et Objet“ in Paris, auf der ich viele interessante Künstler kennengelernt habe. Als dann die Finanzierung stand, habe ich den richtigen Namen gesucht. Eins zu eins übersetzt heißt „Biscuit China“ unglasierte Keramik. „Biscuit“ ist der Schrühbrand und „China“ heißt im Englischen Porzellan. Dann begann die Suche nach dem Laden. Alles hat sich Schritt für Schritt entwickelt. Ich handle immer komplett intuitiv: die Produkte, die ich bestelle, die Künstler, die ich mit aufnehme, genauso wie der ganze Prozess von der Idee bis zur Umsetzung, es war alles Intuition.
Man kann und soll ganz viel entdecken. Der Großteil meiner Produkte ist aus Keramik und Glas. Es gibt viel Unerwartetes, zum Beispiel Salzstreuer aus Porzellan in Eierform. Man salzt also sein Ei mit einem Ei. Das finde ich total toll! Oder Ohrringe aus Porzellan, wie ich sie heute trage. Aber auch Dinge wie eine Wandkonsole aus Porzellan, die man unterschiedlich arrangieren kann. Mir ist es wichtig, dass die Menschen reinkommen und einen Aha-Moment erleben. Außerdem werden Kunden bei mir gut beraten. Ich kann ihnen zu jedem Künstler etwas erzählen. Ich habe einige persönlich kennengelernt und mit ihnen gemeinsam die Auswahl gemacht. Diese persönliche Verbindung ist mir total wichtig und beflügelt mich regelrecht. Ich möchte die Produkte im ersten Schritt erstmal verstehen.
Es ist fast alles handgefertigt und ich habe mir bei der Auswahl der Produkte viel gedacht. Zu jedem Teil kann ich eine Geschichte erzählen, sagen, wer dahintersteckt oder wieso ich es ausgewählt habe. Keines meiner Produkte im Laden stammt aus einer Massenproduktion. Was die Produkte auch besonders macht, ist, dass sie nicht perfekt sind. Gerade deswegen sind sie für mich spannend und wunderschön. Die Becher sind nie ganz glatt oder rund, aber daran merkt man eben, dass ein Mensch dahintersteckt. Dass jemand die Sachen mit seinen Händen produziert hat. Das finde ich einfach toll und die Kunden auch.
Noch nicht, aber das ist definitiv in Planung. Ich habe schon einige Ideen für die Zukunft und hab mein Ziel für die Zukunft fest im Blick. Ich weiß nur noch nicht, wann ich alles angehen werde – ich habe ja erst vor sechs Monaten eröffnet.
Entweder durch Empfehlungen anderer Künstler oder Freunde oder manchmal recherchiere ich auch ganz gezielt – nach einer Region oder nach einer Technik, zum Beispiel. Bei Instagram entdecke ich unglaublich viel. Das ist wirklich Wahnsinn, das hätte ich nie im Leben gedacht. Bevor ich mit Biscuit China angefangen habe, habe ich mich nicht sonderlich viel mit Instagram beschäftigt. Inzwischen schreiben mich sogar interessante Künstler über Instagram an und schlagen mir vor, zusammen zu arbeiten. Das ist natürlich schön.
Was die Produkte besonders macht, ist, dass sie nicht perfekt sind.
Sie müssen mich berühren. Das funktioniert also auch ganz intuitiv. Die Produkte müssen Ecken und Kanten haben. Etwas zu Perfektes passt einfach nicht zu mir.
Otero Regal. Ich arbeite mit einer Stiftung aus Galizien, Artesania de Galicia, zusammen. Sie unterstützen und fördern das Kunsthandwerk in Galizien. Dort habe ich Otero Regal entdeckt. Er betreibt seit den 80er-Jahren eine Manufaktur, in der Ton aus der Region verwendet wird. Seine Produkte sind ganz verspielt. Er bemalt alles selber. Als Kind hat er sogar noch Picasso kennengelernt, hat er mir erzählt, und seine Malerei ist an ihn angelehnt. Jedes Stück ist ein Unikat. Seine Arbeiten haben mich sofort überzeugt – sie sind so besonders und spiegeln den Künstler und seinen Duktus wider. Ich finde es so toll, dass diese Stiftung die Künstler unterstützt, daher habe ich auch noch andere Künstler aus der Stiftung aufgenommen.
Das ist schwierig, denn ich habe ganz viele. Ich liebe die Ohrringe aus Porzellan von FourEyesCeramics. Die stehen einfach jedem und man wird ständig auf sie angesprochen, wenn man sie trägt. Die sind von einer Künstlerin aus Cincinnati in den USA. Dann mag ich besonders die Bottle Vases von der Künstlerin Foekje Fleur aus Rotterdam. Sie hat dafür Abdrücke von typischen Putzmittelflaschen genommen. Die sehen zwar spielerisch aus, haben aber einen ernsthaften Hintergrund. Sie beschäftigt sich viel mit Umweltverschmutzung und Tierschutz. Am Fluss hat sie dann mal angefangen, Plastikflaschen aufzusammeln und so kam ihr die Idee zu den Vasen. Zurecht ist das gerade ein Riesenthema und mit ihren Vasen macht sie darauf aufmerksam.
Die Produkte müssen mich berühren. Das funktioniert also auch ganz intuitiv.
Die machen auch tolle Sachen, keine Frage, aber die siehst du dann letztlich überall. Durch die Digitalisierung kann sich ja jeder von überall alles kaufen. Gerade deshalb suchen die Menschen umso mehr nach besonderen Dingen. Man möchte Individualität ausleben durch Stücke wie es sie bei Biscuit China gibt.
Ganz viel im Urlaub. Aber auch bei Instagram, in Ausstellungen und Magazinen. Ich lese beispielsweise jede Woche die Süddeutsche und das Zeit Magazin, das inspiriert mich auch.
Das ist eine schwierige Frage. Ich glaube, einen Teppichboden würde ich niemals wollen. Ansonsten bin ich ganz offen. Man muss die Dinge auch immer im Kontext sehen. Alles kann hässlich und alles kann gut aussehen. Es kommt auf die Verbindung an, daher gibt es gar nicht so viele Sachen, die ich ausschließen würde.
Ganz klar: meine Couch. Für mich ist es wichtig, dass ich mich auf eine gemütliche Couch legen kann, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme.
Durch die Digitalisierung kann sich ja jeder von überall alles kaufen. Gerade deshalb suchen die Menschen umso mehr nach besonderen Dingen.
Ich mag das Tempelhofer Feld. Da bin ich in zehn Minuten zu Fuß, deswegen gehe ich sehr oft dort joggen oder fahre mit dem Rad einmal quer durch, auf dem Weg in den Laden. Aber noch schöner finde ich den Körnerpark. Der ist wie eine kleine Oase. Man vergisst dort, dass man in Neukölln ist, er erinnert mich mehr an Sanssouci in Potsdam. Das ist wie ein Raum für sich, über dem eine Glocke steht. Dort ist es einfach unfassbar schön.
Mein größter Traum ist es, eine eigene Produktionsstätte zu haben.
Mein größter Traum ist es, eine eigene Produktionsstätte zu haben. Eine eigene Werkstatt mit Künstlern, die ich Vollzeit bezahlen kann, die für mich Produkte entwickeln. Ein Ort, an dem man auch Kinder unterrichten, an dem man karitativ tätig werden kann. Ich habe diese Vision, einen ganz tollen Ort zu schaffen. Das steckt tief in mir und ich hoffe, dass ich das auch irgendwann umsetzen werde. Ich habe also ganz viele Pläne für Biscuit China, ich stehe erst ganz am Anfang. Natürlich muss ich noch viel lernen und es wird wahrscheinlich viel schief gehen, aber ich glaube, es wird auch ganz viel gut gehen.
Layout: Carolina Moscato
2 Kommentare
Hallo,
ein toller Beitrag mit wunderbaren Objekten und Produkten, die alle das Label „haben wollen“ tragen. 🙂
Am meisten interessiert mich das schmilzende Eis an der Wand. Ich würde gerne erfahren, ob das auch im Laden zu erwerben ist? Auf der Webseite und den Fotos vom Laden konnte ich es leider nicht entdecken.
Beste Grüße
Nina
Liebe Nina,
vielen Dank für Deinen Kommentar. 🙂
Das Eis gibt es aktuell noch nicht, sagt Karoline, aber demnächst, wahrscheinlich im Spätsommer. Das werden sie zur gegebener Zeit auf Instagram bekannt geben.Es ist in Arbeit 😉