Clara Lotta Dittmer ist gerade einmal 25 Jahre jung, lebt aber jetzt schon ihre zwei großen Leidenschaften voll aus und hat sie zum Beruf gemacht: die Ölmalerei und das Cello Spielen. Die Hamburgerin arbeitet seit dem Abschluss ihres Studiums im Jahr 2015 in ihrem Atelier in der Neustadt, unterrichtet nebenbei Cello, gibt Konzerte und organisiert Ausstellungen. Da ihr Atelier direkt hinter unserem neuen femtastics-Büro liegt (wir durften den ehemaligen Laden von Atelier Dittmer übernehmen) mussten wir Clara natürlich einen Besuch abstatten. Wir sprechen darüber, wie Musik und Malerei sich gegenseitig inspirieren, warum Clara Portraits so besonders findet und wieso man mehr in junge Kunst investieren sollte.
Clara Lotta Dittmer: Bei uns wurde das relativ früh gefördert. Mein Vater war Architekt und selbstständig. Er war ein sehr guter Zeichner, also haben meine Schwester und ich immer viel mit ihm zusammen gezeichnet. Meine Mama hat immer dafür gesorgt, dass das ganze Material da ist. Insofern hatten wir einen günstigen Start, meine Schwester und ich hatten auch einen gemeinsamen Schreibtisch, das war schön.
Ich habe lange Zeit viel gezeichnet. Dann habe ich mit dem Studium hier in Hamburg angefangen und da gab es sehr gute Malerei-Professoren. Ich habe Illustration studiert, ursprünglich wollte ich Kinderbuch-Illustratorin werden. Aber es hat dann einen anderen Lauf genommen.
In der Malerei habe ich etwas gefunden, was auch in der Musik existiert.
Ja, generell hat mir das Studium viele Möglichkeiten geboten, meinen eigenen Weg zu gehen. Ich konnte viele Malereikurse belegen und ein halbes Jahr lang war ich in Bologna, in Italien, an einer freien Kunsthochschule. Da kamen auch noch Radierungen hinzu. Das fand in der früheren Werkstatt von Giorgio Morandi, einem bekannten italienischen Maler, statt und das war eine ganz tolle Atmosphäre. Es war insgesamt eine sehr inspirierende Zeit.
Am Anfang habe ich noch mit Acryl gearbeitet. Dass ich hauptsächlich Malerei machen möchte, stand schon im ersten Semester fest. Das lag auch an den tollen Professoren, wie Henning Kles und Christian Hahn. Die Musik war auch immer sehr wichtig für mich, und in der Malerei habe ich etwas gefunden, was auch in der Musik existiert. Zum Beispiel so etwas wie Klangfarben, die haben eine große Ähnlichkeit mit Farben in der Malerei, da gibt es viele Parallelen. Auch in der Musik muss man Töne mischen, um eine Vielfältigkeit zu erlangen. Man hat in einem Bild starke Farbflächen, das sind kräftige Töne. Und dann hat man eher lasierende Flächen, die hat man in der Musik auch: zarte Töne, leicht aufgedrückt mit dem Bogen, oder kräftig. Auch das Gefühl, Pinsel auf der Leinwand und Bogen auf der Saite, das hat eine wahnsinnig große Ähnlichkeit. Und mit beidem schafft man neue Räume, einmal visuell und einmal auditiv. Das ist total befriedigend.
Ja. Das ist eine große Herausforderung, der ich mich jeden Tag neu stelle. Musik ist flüchtig. Bei einem Bild dagegen sieht man, wo die starken Stellen sind und wo man das Bild vielleicht noch mehr oder weniger hätte ausarbeiten können. In der Musik hast du das Konzert gespielt, es ist vorbei – und wenn es nicht gerade aufgenommen wurde, ist es weg! Das macht es sehr stark. Die Herausforderung ist, dieselbe Tiefgründigkeit in der Malerei zu schaffen.
Ich habe mit sechs oder sieben angefangen, Cello zu spielen. Es lag auf der Hand, weil mein Onkel Cellist ist und es auch in den vergangenen Generationen einige Cellisten in meiner Familie gab. Tatsächlich wollte ich erst Trompete lernen, aber das fanden meine Eltern nicht so gut (lacht). Meine Schwester Jule hat damals Cello gespielt, und was die großen Schwestern machten, wollte ich oft auch, also habe ich damit begonnen. In meiner Jugend hat das meine Zeit schon sehr ausgefüllt. Ich hatte drei Jahre lang ein Kammermusik-Stipendium und habe viel mit anderen Musik gemacht. Es ist schön, mal nicht alleine zu sein. Genauso wie beim Malen: da ist es auch schön, wenn man mal ein Modell hat. Dann habe ich in Jugendorchestern gespielt – das hieß auch reisen. Die Musik hat mich also immer begleitet, aber wenn ich auf Reisen war, hatte ich immer mein Skizzenbuch dabei.
Ich habe darüber nachgedacht, aber meine Angst war zu groß, dass ich die Freude daran verlieren würde. Ich bin bei der Malerei viel kritikfähiger – man sieht, was man macht und kann es die ganze Zeit reflektieren. Wenn man ein Konzert spielt und viel gut geübt hat, kann es trotzdem passieren, dass man etwas verpatzt. Deswegen kann mich Kritik zur Musik persönlich mehr treffen. Wenn jemand bei der Malerei sagt, ihm gefällt es nicht, denke ich: Ist dein Geschmack, ich finde es super! Bei der Musik ist der Moment vorbei und es gibt keine Chance, etwas zu erklären. Ich finde den Druck da viel größer.
Ich bin unglaublich zufrieden mit der Kombination aus Kunst und Musik, die ich jetzt habe. Ich spiele kleinere Konzerte und unterrichte Kinder im Cello-Spielen.
Ich wurde angesprochen und habe es dann ausgebaut. Ich habe eine Stelle an einem Gymnasium, das mache ich freiberuflich. Im Moment habe ich circa 25 Schüler. Ich liebe diese Arbeit auch sehr!
Ich habe mit sechs oder sieben angefangen, Cello zu spielen.
Grundsätzlich interessieren mich Menschen am meisten, weil ich es total spannend finde, den Seelenzustand oder den Charakter eines Menschen einzufangen. Deswegen ist es für mich auch nicht erstrebenswert, fotorealistisch zu malen, sondern eher psychologisch. Der jeweilige Mensch gibt mir auch die Farben vor. Das geschieht neben bewussten kompositorischen Entscheidungen auch viel intuitiv, aber am Ende finde ich ein Bild von mir dann gut, wenn ich den Charakter so abbilden kann, wie ich die Person sehe. Dann bin ich zufrieden.
Ich arbeite gerne mit Modellen, weil es im Vergleich zu Fotos natürlich viel lebendiger ist. Das Wesentliche des betreffenden Menschen ist dann besser erlebbar und die Form der Begegnung ist sehr intensiv. Grundsätzlich mag ich an dem Schaffensprozess eines Portraits, egal ob Modell oder Foto, dass jeder Mensch durch die Formen und Farben zum Objekt wird. Ich sehe irgendwann nicht mehr Stirn, Kinn, Nase, sondern die jeweiligen Flächen mit ihren Ausdrücken. Wenn ich vom Foto arbeite, nutze ich fast nur eigene Fotos oder welche von meiner Familie.
Ich finde es total spannend, den Seelenzustand oder den Charakter eines Menschen einzufangen.
Wir hatten den Laden rund vier Jahre lang, schon seit meines Studiums. Durch unsere Kindheit und das Arbeiten am gemeinsamen Schreibtisch war es immer ein Traum von meiner Schwester und mir, zusammen zu arbeiten. Irgendwann hat es sich ergeben: Jule hat ihre Lederprodukte verkauft, ich habe meine Bilder ausgestellt und gemalt. Wir waren erst in Altona und haben dann zufällig diesen Laden hier gefunden. Es war eine tolle Zeit, aber Jule wollte jetzt aufs Land ziehen.
Ja, man kann aber auch direkt einen Termin mit mir machen. Bei Ausstellungen mag ich es sehr gerne, die Künste miteinander zu verbinden. Zum Beispiel Musik in Verbindung mit Ballett oder Lesungen. So gibt es immer die unterschiedlichsten Events, von der Ausstellung im Café bis hin zu einem Galeriekonzert oder einer Ausstellung mit dem Ballett, wo ich dann auch aktiv mit anderen Künstlern ein Konzept entwickle.
Ich denke, es ist wichtig, in die Konfrontation zu treten und ich schätze es sehr, von anderen Künstlern Kritik zu bekommen. Manchmal ist es etwas, was mir sogar fehlt, wenn es Vernissagen gibt und hauptsächlich Wein geschlürft wird, aber nicht gefragt wird, was man da gemacht oder gemeint hat. Das passiert leider viel zu selten. Das ist auch manchmal das Problem an Galerien, dass es da so eine Berührungsangst gibt. Dass man sich manchmal sogar gar nicht herein traut. Deshalb mag ich Orte, die diese Berührungsängste aufheben und die Menschen auf natürliche Weise mit der Kunst in Kontakt bringen, ohne, dass sich jemand unwohl fühlt.
Es ist wichtig, in die Konfrontation zu treten und ich schätze es sehr, von anderen Künstlern Kritik zu bekommen.
Ich bin einer Galerie gegenüber nicht abgeneigt, das finde ich schon sehr spannend. Wobei ich auch mit einer festen Galerie versuchen würde, meine anderen Projekte fortzuführen, weil es mir wichtig wäre, auch noch Kontakt zu anderen Standorten zu haben.
Hast du Vorbilder in der Kunst?
Nach wie vor und schon immer David Hockney. Neulich war ich in der Ausstellung von Alice Neel hier in Hamburg und das fand ich auch ganz toll. Sie hat ihr Leben lang gemalt und Malunterricht gegeben, ihren Durchbruch hatte sie aber erst im Alter von 74! In der Musik sind es die Cellistin Jacqueline du Pré und Komponisten wie Gustav Mahler oder Robert Schumann, die mit ihrer Kunst so viel Tiefgründigkeit, Ernsthaftigkeit und Schönheit ausdrücken konnten.
Hamburg hat viel Potential für eine gute junge Kunststadt, aber es wird zu wenig daraus gemacht.
Das ist ganz unterschiedlich. Mein Freund ist auch Cellist und mit ihm spreche ich oft über Kunst, dieser Austausch ist mir sehr wichtig. Aber ich habe auch Malerfreunde, die ich um Rat fragen kann. Aus der Zeit in Bologna habe ich einen ganz tollen Künstlerfreund, dessen Werk ich sehr bewundere. Er lebt in Portugal, aber wir stehen gelegentlich im Austausch. Sehr wichtig für künstlerische Fragen ist mir meine Schwester Jule, die auch einen sehr guten Blick für die Dinge hat. Was mir total viel bringt, ist, Ausstellungen zu besuchen. Das mache ich aber gerne alleine. Auch wenn ich eine Ausstellung schwach finde, ist es gut, dagewesen zu sein. Vielleicht bin ich trotzdem total inspiriert, ich gehe jedenfalls nie deprimiert raus. Wenn ich etwas sehr gut finde, will ich gleich anfangen, weiter zu malen, und wenn ich es schlecht finde, geht es mir genauso! Ich mag gerne Ausstellungsabende in der Admiralitätstraße in Hamburg, weil es so viel Unterschiedliches zu sehen gibt. Wenn ich verreist bin, finde ich es auch sehr spannend, in die Galerien und Kunsthallen vor Ort zu gehen.
In Berlin passiert im Vergleich mehr, aber ich glaube, dass es dort schwieriger ist, aufzufallen … Hamburg hat viel Potential für eine gute junge Kunststadt, aber es wird zu wenig daraus gemacht. Grundsätzlich sollten mehr Leute in junge anstatt in kommerzielle Kunst investieren. Die jungen Künstler sind schließlich die Zukunft! Und wer weiß, wie sich der Wert unserer Bilder in den nächsten Jahren entwickelt. Wünschenswert fände ich auch eine noch aktivere Verbindung der unterschiedlichen Künste untereinander und eine große Portion mehr Aufrichtigkeit. Für meinen Geschmack ist Selbstdarstellung zu häufig zu wichtig im Vergleich zum Werk.
Es ist mir immer wichtig, mein Skizzenbuch dabei zu haben, falls ich unterwegs etwas sehe. Ich mache also auch viele schnelle Skizzen. Grundsätzlich kann ich gar nicht sagen, wie lange ich an einem Ölbild sitze, da ich es oft auch mal eine Woche beiseite stelle, wenn es nicht gerade ein Auftrag ist, der fertig werden muss.
Ja, häufig. Ölfarbe braucht ja immer lange zum Trocknen. Manchmal baue ich mir während des Trocknungsprozesses aber auch neue Leinwände, grundiere, oder kümmere mich um Rahmungen. Das beansprucht auch immer viel Zeit.
Es sind viele Portraits. Manche sitzen Modell, aber bei den meisten ist heutzutage die Zeit knapp. Dann kommen die betreffenden Personen zu mir, ich mache Fotos und lerne sie ein bisschen kennen, damit ich den Charakter richtig erfasse, das ist mir ganz wichtig. Aber dass mir zum Beispiel ein Geschäftsmann aus München ein Foto seiner Tochter schickt und ich diese malen soll, das mache ich nicht, weil ich die Person wenn möglich erlebt haben möchte.
Ich finde es spannend, sich von Bildern zu trennen und zu sehen, wo sie dann hängen.
Es gibt nur ein einziges Bild, das ich nicht hergeben möchte. Ich finde es spannend, sich von Bildern zu trennen und zu sehen, wo sie dann hängen. Ich bitte Kunden oft, mir ein Foto vom neuen „Zuhause“ meiner Bilder zu schicken. Das ist immer schön zu sehen.
Zeichnen hilft immer, schnelle Zeichnungen, zum Beispiel draußen oder im Café beim Beobachten von Leuten. Oben auf der Elbphilharmonie Plaza kann man das super machen, weil die Leute einige Zeit verharren, um den Blick zu genießen. Aber auch Cello Spielen, wenn ich beim Malen feststecke. Oder Musik hören, Konzerte besuchen, Farben suchen …
Vom 9. April –15. August 2018 ist die Ausstellung „People“ von Clara Lotta Dittmer in der „Erste Liebe Bar“ in Hamburg zu sehen.
4 Kommentare
Bewundernswert!