Mit der Nord Coast Coffee Roastery in der pittoresken Deichstraße ist Hamburg um eine besondere Kaffeerösterei und ein schönes Café reicher. Den Laden haben Paula Mendes und ihr Partner Jörn Gorzolla im Oktober 2015 eröffnet. Neben Kuchen, Waffeln, Snacks und Frühstück bekommt man hier vor allem hervorragenden, mit Liebe gemachten Kaffee. Jörn übernimmt das Rösten der Kaffeebohnen, Paula ist Expertin für die Zubereitung. Wir treffen die 29-Jährige bei einem Kaffee mit Schwanen-Crema in der Rösterei zum Gespräch darüber, wie man zum Kaffeeexperten wird, was guten Kaffee ausmacht – und warum alle Kaffee-Gourmets schwarzen Filterkaffee trinken.
Femtastics: Du kommst aus Brasilien. Wurde das Interesse für Kaffee Dir in die Wiege gelegt?
Paula Mendes: Ja, auf jeden Fall. Meine Großeltern kommen aus dem größten Kaffeeanbaugebiet der Welt und haben selbst auch Kaffee für den eigenen Bedarf angebaut. In den Ferien war ich oft bei ihnen und mein Opa hat Kaffee draußen im Holzofen geröstet. Das war für mich etwas ganz Schönes und ist heute noch eine besondere Kindheitserinnerung.
Immer wenn ich den Duft von frisch geröstetem Kaffee gerochen habe, hat mich das in meine Kindheit zurückversetzt.
Wie kamst Du dazu, Kaffee zu Deinem Beruf zu machen?
Als ich nach Deutschland kam, habe ich neben meinem Studium der Erziehungswissenschaft in der Gastronomie gejobbt. Ich habe angefangen, in der „Speicherstadt Kaffeerösterei“ zu arbeiten. Immer wenn ich dort den Duft von frisch geröstetem Kaffee gerochen habe, hat mich das in meine Kindheit zurückversetzt und ich habe mich heimisch gefühlt. Irgendwann wurde mir angeboten, die Schichtleitung in der Rösterei zu übernehmen. Ich habe Schulungen für die Mitarbeiter angeboten und ihnen das Thema Kaffee näher gebracht. Ich hatte Lust, mit dem Kaffee zu experimentieren, ich habe immer die Mühle anders eingestellt, um herauszufinden, wann der Kaffee am besten schmeckt.
Du hast Dich für die Aromen des Kaffees interessiert?
Ja, ich wollte aus dieser einen Bohne die beste Tasse Kaffee gewinnen.
Wie viel Tassen Kaffee musstest Du trinken, bis Du zur Kaffeeexpertin wurdest?
Ziemlich viele. Als ich gemerkt habe, wie unterschiedlich Kaffee schmecken kann, habe ich angefangen, ganz viele Bücher zu lesen und habe mich in meiner Freizeit mit dem Thema beschäftigt.
Das heißt, Du hast eher den autodidaktischen Angang gewählt?
Ja. Mittlerweile kann man auch „Coffee Management“ an einer privaten Uni studieren, aber in diesem Studium lernt man wenig über das Produkt Kaffee, mehr über Import, und so weiter. Es ist wie ein BWL-Studium. Ich habe kurz überlegt, ob ich das studieren soll, aber Erziehungswissenschaft hat mich mehr interessiert. Ich habe mein Studium auch abgeschlossen und habe parallel in der Kaffeerösterei gearbeitet – und anschließend im Vertrieb. Ich habe die Gastronomiekunden der Rösterei betreut. Das habe ich die letzten eineinhalb Jahre lang gemacht.
Und in der „Speicherstadt Kaffeerösterei“ hast Du auch Jörn, Deinen Partner, kennengelernt?
Genau. Wir sind jetzt schon seit sechs Jahren zusammen. Wir haben uns zu Hause immer viel über Kaffee ausgetauscht: Er hat mir vom Rösten erzählt und wie der Kaffee sich beim Rösten entwickelt und ich ihm davon, wie sich das Mahlen und die Zubereitung auf den Geschmack auswirkt.
Dieses Jahr habt ihr dann zusammen eure Rösterei „Nord Coast Coffee Roastery“ gegründet. Wann wusstet ihr, dass ihr euren eigenen Laden haben möchtet?
Vor drei Jahren haben wir angefangen, mit der Idee herumzuspielen und vor zwei Jahren wurde es konkret und wir haben einen Businessplan entwickelt. Wir haben uns von der Handelskammer beraten lassen. Sie haben uns zum Beispiel mit den Kalkulationen für die Bank geholfen. Als wir angefangen haben, den Businessplan zu schreiben, haben wir mit einem ganz kleinen Betrag gerechnet, aber dann haben wir diese Location gefunden. In allen anderen Stadtteilen war die Miete sehr teuer. Der Laden hier ist zwar groß, aber dadurch, dass vorher Büros in diesen Räumen waren und kein Laden, war die Miete geringer. Deshalb haben wir entschieden, diesen Laden zu mieten, in dem wir viel Platz haben. Das war zwar anfangs eine große Investition, aber wir sehen es langfristig.
Für mich war die Herausforderung, auch Gastronomisch etwas aufzubauen.
Was war eure Vision für den eigenen Laden?
Wir haben lange überlegt, ob wir nur eine Rösterei ohne Café aufmachen. Aber für mich war die Herausforderung, auch Gastronomisch etwas aufzubauen. Produkt und Gastronomie sollen hochwertig sein. Wir geben uns viel Mühe mit allen Produkten. Den Kuchen bekommen wir von einer befreundeten Konditormeisterin. Alles Andere, Limonade, Brotaufstriche, etc., machen wir selbst. Wir legen viel Wert auf Liebe zum Detail.
In euerem Konzept spielt das Design eine wichtige Rolle – vom Logo über die Einrichtung bis zur Verpackung der Kaffeebohnen. Wer hat das alles gestaltet?
Wir hatten einen Architekten, der uns mit den Räumen geholfen hat. Die Einrichtung stammt zum Großteil von uns zu Hause: das Chesterfield-Sofa und der Teppich zum Beispiel. Unser Wohnzimmer ist jetzt komplett leer (lacht). Die Idee für die Bücherwand habe ich in einer Londoner Brauerei bekommen, die hatten etwas Ähnliches. Ich habe es selbst an der Wand angebracht. Ein ganzes Jahr lang sind Jörn und ich immer auf Flohmärkte gegangen, daher stammen die ganzen Bücher, die Schreibmaschinen, die alten Koffer und auch die Stühle. Wir haben alle Stücke noch einmal aufbereitet. Das war ein bisschen Arbeit, aber dafür ist es auch individuell.
Und habt ihr die Corporate Identity und die Kaffeeverpackungen auch selbst entwickelt?
Wir wollten gerne Kraftpapier, damit die Verpackungen nicht so industriell aussehen. Den Logoentwurf haben wir mit einer App selbst entwickelt. Aber dann haben uns Designer mit dem Feinschliff geholfen. Der erste Designer, den wir beauftragt haben, war so Feuer und Flamme für unsere Idee, dass er zwei befreundete Designer mit dazu geholt hat. Alle hatten so viel Spaß an dem Projekt, das war richtig toll. Einer von ihnen arbeitet jetzt ab und zu am Wochenende bei uns, weil er das Kaffeethema so interessant findet (lacht).
Kaffee sollte nicht nur gut schmecken, sondern auch ein faires Produkt sein.
Was macht eigentlich „guten Kaffee“ aus?
Ich glaube, es ist ein Gesamtpaket. Es geht um die Qualität, aber auch darum, nachvollziehen zu können, woher der Kaffee kommt. Uns ist das sehr wichtig. Kaffee sollte nicht nur gut schmecken, sondern auch ein faires Produkt sein.
Ihr unterstützt soziale Projekte in den Ursprungsländern des Kaffees, richtig?
Genau. Pro Kilo verkaufter Kaffee spenden wir immer 50 Cent an verschiedene Projekte. Zurzeit ist das eins in Tansania, das Brunnen baut, in der Nähe des Kaffeeanbaugebiets. Das andere ist ein brasilianisches Projekt. Ich wollte gerne ein Projekt unterstützen, ähnlich dem, das ich als Kind in Brasilien kennengelernt habe. Solche Projekte, die Kinder nachmittags beschäftigen, helfen dabei, dass Kinder nicht in die Kriminalität oder Drogen abrutschen. Wir haben immer zwei Projekte, die wir unterstützen.
Ich finde es super, dass ihr euch auch für die Produzenten des Kaffees interessiert.
Uns geht es darum, auch die Bauern zu kennen, die den Kaffee anbauen. Viele Konsumenten wissen gar nicht, wie viel Arbeit darin steckt, Kaffee herzustellen.
Wie habt ihr die Produzenten gefunden, mit denen ihr zusammenarbeitet?
Unsere Kaffees beziehen wir von Rehm & Co. und der Quijote Kaffeerösterei aus Hamburg und von der Rösterei Hoppenworth & Ploch aus Frankfurt. Sie arbeiten seit Jahren schon mit den betreffenden Kaffeebauern zusammen und fliegen jedes Jahr in die Produktionsländer. Sie erwarten nicht nur ein gutes Produkt, sondern geben den Bauern auch immer viel Feedback. Wir waren immer davon überzeugt, was sie tun und arbeiten deshalb mit ihnen zusammen. Als kleine Rösterei wäre es außerdem schwierig für uns, von Anfang an selbst Kaffee zu importieren.
Seit einigen Jahren ist die so genannte „Third Wave“-Coffee-Bewegung auch in Hamburg angekommen. Zählt ihr euch auch dazu, und was bedeutet das eigentlich?
Ja. Die erste Welle war, dass Kaffee für jeden erschwinglich war. Vorher war es ein Luxusprodukt. Die zweite Welle war die der Starbucks-Kultur, als jeder mit einem To-go-Becher durch die Gegend lief. Die dritte Welle geht zurück zum Handwerk, es wird viel Wert auf Qualität von der Röstung bis zur Tasse gelegt. Dabei geht es auch darum, woher der Kaffee kommt.
Für guten Kaffee braucht man keinen teuren Vollautomaten, sondern gute Kaffeebohnen – und ein bisschen Zeit.
Im Zuge dieser neuen Bewegung kam der gute alte Filterkaffee auch wieder in Mode …
Ja, wir haben auch eine Filterstation mit verschiedenen Brühmethoden. Wir nutzen Handfilter. Man braucht keinen teuren Vollautomaten dafür, sondern einfach gute Kaffeebohnen. Und ein bisschen Zeit. Man zelebriert das Produkt Kaffee. Das kommt sogar gut bei unseren Kunden an, die in der Mittagspause schnell einen Kaffee trinken wollen. Sie nehmen sich dann doch drei Minuten mehr, um einen Filterkaffee zu trinken, weil der Kaffee geschmacklich viel vielseitiger ist. Der Kaffee kann von fruchtig oder blumig bis schokoladig schmecken, das liegt nur an den Bohnen.
Um mir morgens zu Hause einen möglichst guten Kaffee zu machen, brauche ich also nicht zwingend eine Luxus-Kaffeemaschine?
Nein, überhaupt nicht. Handfilter sind so einfach zu benutzen und trotzdem hat man so hochwertigen Kaffee daraus. Wir benutzen zu Hause eine Handmühle und mahlen uns morgens den Kaffee selbst. Das ist mir die Zeit auch wert, die das dauert. Diese fünf Minuten sind Entspannung für mich. Kaffee ist eben nicht nur Koffeinkick, sondern Genuss.
Hast Du heute noch Familie in Brasilien? Was sagt sie dazu, dass Du jetzt eine eigene Kaffeerösterei betreibst?
Ja, die freuen sich. Meine Familie hatte anfangs Angst, als ich gesagt habe, dass ich einen eigenen Laden aufmache, aber sie sind total stolz.
Mein Lieblingskaffee hat etwas von Orange, Pistazie und Toffee – etwas Tee-artiges, ganz weich, ganz angenehm.
Welchen Kaffee trinkst Du persönlich am liebsten?
Ich mag sehr gerne unseren Kaffee aus Tansania. Für den hat Jörn dieses Jahr auch einen Preis gewonnen, die Karlsbader Kannen Cup World Championship. Der Kaffee schmeckt sehr außergewöhnlich, er hat etwas von Orange, Pistazie und Toffee – etwas Tee-artiges, ganz weich, ganz angenehm.
Habt ihr denn selbst auch noch Zeit, Kaffee zu trinken? Ihr seid im Moment ja sieben Tage die Woche im Café.
Ja, meistens nehmen wir uns am Dienstag, unserem Buchhaltungstag, ein bisschen Zeit dafür. Dann trinken wir auch einmal einen Kaffee bei Kollegen. Es ist wichtig, auch andere Kaffees außer den eigenen zu probieren. Aber manchmal bringen uns andere Rösterkollegen auch Kaffees zum Probieren vorbei. Gestern haben uns Kollegen aus München einen Kaffee gebracht. Die Kaffeeszene innerhalb Deutschlands ist sehr klein und man kennt sich. Und man freut sich, wenn man Feedback von anderen Kollegen bekommt.
Vielen Dank für das schöne Gespräch, Paula!
Hier findet ihr Paula:
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