Nachhaltigkeit auf vier Rädern: So grün ist das E-Auto wirklich
28. Mai 2025
geschrieben von Team

Elektroautos gelten als Hoffnungsträger für eine klimafreundlichere Zukunft. Doch wie grün sind sie tatsächlich – von der Batterieproduktion bis zur letzten gefahrenen Strecke? Und was muss passieren, damit Kreislaufwirtschaft, Ressourcenschonung und eine faire Lieferkette nicht nur Buzzwords bleiben?
Wir haben mit Jörg Lederbauer, Leiter Kreislaufwirtschaft, Ersatzteilversorgung Hochvoltspeicher und elektrischer Antrieb bei der "BMW Group" über genau diese Fragen gesprochen und beleuchten im Interview, wie die Marke Nachhaltigkeit denkt: ganzheitlich und über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs hinweg. Es geht um CO₂-Bilanzen, Recycling, Software-Updates und die großen Hebel in der Automobilproduktion. Ein Gespräch über Innovation, Verantwortung – und darüber, warum nachhaltige Mobilität mehr bedeutet als nur einen Antrieb zu wechseln.
"Es reicht nicht aus, für die CO2-Bilanz eines Elektroautos nur dessen Herstellung heranzuziehen. Je länger es auf der Straße ist, desto größer der Klimavorsprung."
femtastics: E-Mobilität wird als wichtige Komponente für eine nachhaltigere Zukunft angesehen. Die Kritik an E-Autos ist häufig, dass zu Beginn des Lebenszyklus die Umweltbilanz von E-Autos nicht viel besser ist als die der Verbrenner, vor allem durch den Einsatz von Energie und Rohstoffen zur Herstellung der Batterien bzw. Akkus. Laut einer Studie des “ADAC” aber ist die Umweltbilanz von E-Autos gegenüber Verbrennern bereits nach 50.000 bis 100.000 Kilometern wieder positiv und die anfänglichen hohen Emissionen ausgeglichen. Wie relevant ist dieser Aspekt, um die Nachhaltigkeit von E-Autos zu beurteilen?
Jörg Lederbauer: Es reicht in unseren Augen nicht aus, für die CO2-Bilanz eines Elektroautos nur dessen Herstellung heranzuziehen. Wir betrachten Nachhaltigkeit als Kernelement unserer Strategie und sehen die Elektromobilität als wichtigen Bestandteil einer klimaneutralen Zukunft. Das Thema sehen wir also ganzheitlich über die komplette Lebensdauer eines Fahrzeugs – und da sprechen wir von einer Laufleistung von mehr als 200.000 Kilometern. Wird ein Elektroauto so lange genutzt, dann verursacht es deutlich weniger CO2-Emissionen als Verbrenner. Je länger es auf der Straße ist, desto größer der Klimavorsprung.
Übrigens ist der anfängliche Nachteil von Elektroautos schon in der frühen Nutzungsphase ausgeglichen, wenn regenerativ erzeugter Strom genutzt wird.
"Es erfordert viel Erfahrung und Wissen, aber Elektroauto-Batterien lassen sich in der Tat gut recyceln und deren Zellchemie sogar zu über 90%."
Lässt sich der CO2-Fußabdruck bei der Herstellung von Elektroautos minimieren, oder ist das ein Faktor, der Stand jetzt, nicht nachhaltiger gestaltet werden kann?
Da geht schon viel. Es geht aber noch mehr. Fangen wir bei den Hochvoltspeichern an: Die „BMW Group“ hat sich das Ziel gesetzt, den CO2-Fußabdruck der nächsten Generation von Batteriezellen weiter zu reduzieren. Neue Speicher- und Zellkonzepte und eine weiterentwickelte Zellchemie werden das möglich machen. Wir halten unsere Zellhersteller an, grünen Strom einzusetzen. Und wir werden den Anteil von Sekundärmaterial in den Batteriezellen weiter erhöhen.
Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz sind für uns essenziell. Wir verfolgen den sogenannten Secondary First-Ansatz und arbeiten mit „SK tes“, einem Anbieter von innovativen Technologie-Lebenszykluslösungen, zusammen. So bauen wir in der Batterieproduktion einen Closed Loop auf, also einen geschlossenen Kreislauf. Wir gewinnen Kobalt, Nickel und Lithium aus gebrauchten Hochvoltspeichern zurück und führen sie zur Herstellung neuer Batterien in die Lieferkette zurück.
Und: Natürlich ist uns auch die Lieferkette besonders wichtig und wir achten bei der Auswahl der Lieferanten darauf, dass diese in der Lage sind, beispielsweise Batteriezellen mit Grünstrom herzustellen.
Wie gut oder schlecht lassen sich Batterien von Elektroautos recyceln?
Es erfordert viel Erfahrung und Wissen, aber Elektroauto-Batterien lassen sich in der Tat gut recyceln und deren Zellchemie sogar zu über 90%.
Den Aufbau des Closed Loops im Rahmen der Kooperation mit „SK tes“ sehen wir als große Investition in die Zukunft der Circular Economy, wie sie auch in unserer Unternehmensstrategie verankert ist. Insgesamt arbeiten wir daran, Kreislaufwirtschaft und Recycling immer weiter zu optimieren.










Jörg Lederbauer, Leiter Kreislaufwirtschaft, Ersatzteilversorgung Hochvoltspeicher und elektrischer Antrieb bei "BMW Group"
Jörg Lederbauer, Leiter Kreislaufwirtschaft, Ersatzteilversorgung Hochvoltspeicher und elektrischer Antrieb bei "BMW Group"
"Es braucht generell ein neues Verständnis für die Lebensdauer eines Fahrzeugs."
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass elektronische Komponenten und Software schneller altern als mechanische Teile und das Auto irgendwann unbrauchbar machen. Wie steht es um dieses Argument – stimmt es, dass moderne Autos in dieser Hinsicht weniger nachhaltig sind als alte?
Unsere Fahrzeuge erhalten mit Software-Updates regelmäßig neue Funktionen, die auch ihre Sicherheit und Effizienz verbessern. So stellen wir sicher, dass alle elektronischen Komponenten eines Autos stets auf dem aktuellen Stand sind. Dafür ist es nicht mal nötig, in die Werkstatt zu fahren: Software-Updates finden „over the air“ statt – über die integrierte Konnektivität.
Es braucht generell ein neues Verständnis für die Lebensdauer eines Fahrzeugs. Es geht nicht nur darum, wie lange es auf der Straße unterwegs ist, sondern inwieweit seine Bestandteile recycelt und in Umlauf gehalten werden. Ein Beispiel: Seit 2016 engagieren wir uns im Joint Venture „Encory“, das sich auf die nachhaltige Aufbereitung und Wiederverwertung von Kraftfahrzeug-Einzelteilen fokussiert. Gebrauchte Fahrzeugteile werden industriell aufgearbeitet und auf Neuteile-Qualität gebracht. Diese Original-Gebrauchtteile werden an die Händler der „BMW Group“ geliefert. Kund*innenhaben dann die Wahl: neu oder die günstigere Gebrauchtvariante.
Genauso denken wir auch bei den wertvollen Rohstoffen in Hochvoltspeichern: Wenn wir Kobalt, Nickel und Lithium zurückgewinnen und für neue Batteriezellen wiederverwenden, spart das Ressourcen und macht unsere Lieferkette resilienter.
Welche Aspekte und Elemente des Entstehungsprozesses definieren, wie nachhaltig ein Auto letztlich wird?
Alle Aspekte spielen zusammen – von einer verantwortungsvollen Rohstoffgewinnung über die energieeffiziente Produktion bis zu effektiven Recyclingprozessen. Auch das Nutzungsverhalten und die Energieeffizienz im Betrieb spielen eine Rolle. Erst durch die Kombination erreicht ein Fahrzeug sein Optimum an Ressourceneffizienz.
Wir verfolgen den „Design for Recycling“ Ansatz, d.h. wir entwickeln neue Teile bereits so, dass sie am Ende bestmöglich recycelt und demontiert werden können. Entwickler und Designer arbeiten eng zusammen und überlegen Schritt für Schritt welche Prozeduren noch besser gestaltet werden können.
"Über ihren gesamten Lebenszyklus haben Elektro-Autos eine bessere CO2-Bilanz als Verbrenner."
Wie relevant ist das Design, um ein Auto möglichst nachhaltig zu machen?
Wir arbeiten mit dem Ansatz "Design for Circularity", d.h. wir integrieren die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft in den gesamten Prozess der Fahrzeugentwicklung. Dabei verwenden wir möglichst viele Sekundärrohstoffe, reduzieren die Anzahl von Bauteilen und denken von Anfang an mit, dass diese irgendwann wieder in Einzelteile auseinandergebaut werden wollen. Was früher zum Beispiel verschraubt war, ist heute oft geklippt. Und wir streben geschlossene Materialkreisläufe an – nicht nur bei den wertvollen Rohstoffen in Hochvoltspeichern. Was möglich ist, haben wir mit dem „BMW i Vision Circular“ gezeigt, der nahezu aus recycelten Materialien besteht.
Warum – oder für wen – ist ein Elektroauto die nachhaltigere Alternative, wenn man sich ein Auto anschaffen will?
Elektroautos sind lokal emissionsfrei und reduzieren CO2-Emissionen erheblich, vor allem wenn sie mit Strom aus erneuerbaren Energien geladen werden. Über ihren gesamten Lebenszyklus haben sie eine bessere CO2-Bilanz als Verbrenner.
Aber grundsätzlich hängt die Entscheidung von sehr vielen Faktoren ab. Sehr entscheidend ist die Situation der Ladeinfrastruktur. Und natürlich ist auch das jeweilige Anwendungsprofil wichtig: Wie viele Kilometer fahre ich am Tag? Am Stück oder in Etappen? Gibt es feste Ladepunkte oder muss ich diese jeweils neu finden?
"Seit Beginn des Jahres 2024 ist die Zahl der öffentlichen Ladesäulen in Deutschland um 30 Prozent gestiegen – dieses rasante Wachstum gilt es beizubehalten."
Um auf zwei weitere Kritikpunkte an der E-Mobilität einzugehen – Ladenetz und Stromversorgung: Was muss sich politisch noch tun, damit E-Mobilität stärker verbreitet wird? Oder sollte für die Zukunft gar nicht unbedingt das Ziel sein, dass alle Autos elektrisch fahren?
Wir wissen: Ein flächendeckendes und zuverlässiges Ladenetz ist entscheidend für die Akzeptanz und Verbreitung von Elektroautos. Seit Beginn des Jahres 2024 ist die Zahl der öffentlichen Ladesäulen in Deutschland um 30 Prozent gestiegen – dieses rasante Wachstum gilt es beizubehalten. Öffentliche Ladepunkte an Autobahnen können der Reichweitenangst vorbeugen. Parkplätze an Supermärkten oder anderen Einkaufsmöglichkeiten auch im ländlichen Raum sind geeignet, um das Laden des eigenen Elektroautos besser in den Alltag zu integrieren – vor allem, wenn zuhause keine Wallbox zur Verfügung steht.
Dabei bleibt die „BMW Group“ technologieoffen. Unsere Kund*innen können den Antrieb wählen, den sie bevorzugen und der am besten ihre Bedürfnisse erfüllt. Während wir auch weiterhin Verbrennungsmotoren anbieten, entwickeln und produzieren wir verschiedene Antriebstechnologien, darunter batterieelektrische Fahrzeuge, Hybridantriebe und Wasserstoff-Brennstoffzellen.
Außerdem arbeiten wir selbst in zahlreichen Projekten und Initiativen aktiv daran, die Rahmenbedingungen für die Elektromobilität zu verbessern.
Welche sind das?
Dazu zählt der Beitrag zum flächendeckenden Ausbau der Ladeinfrastruktur und zur Verwendung von Grünstrom in unseren Kooperationsunternehmen „IONITY“, „IONCHI“ und „IONNA“. Zusätzlich zu diesen Aktivitäten des Ausbaus der Infrastruktur unterstützen wir unsere Kund*innen bei der effizienten Nutzung unserer Fahrzeuge. Dies erfolgt zum Beispiel mit flexiblen Vertragsoptionen zum Laden unserer vollelektrischen Fahrzeuge („BMW Charging“) oder durch Transparenz der eigenen Fahrweise für die Kunden in der „My BMW App“.
Ein Thema, das rund um Elektromobilität viel Aufmerksamkeit findet, ist der Stand von deutschen Autobauern. Wie können sich deutsche Hersteller von Elektroautos gegen Konkurrenz aus dem Ausland durchsetzen? Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit dabei?
Schon im Jahr 2022 hatten wir in Summe 500.000 vollelektrische Fahrzeuge ausgeliefert. Mit der Neuen Klasse setzen wir ab diesem Jahr auf eine komplett neue, primär auf elektrische Antriebe ausgelegte Fahrzeuggeneration. Dieser wirtschaftliche Erfolg der Elektromobilität ist für uns eng mit unserer Nachhaltigkeitsstrategie verbunden. Mit der konsequenten Reduktion von CO2-Emissionen, nachhaltigen Produktionsprozessen, Recycling von Teilen und Rohstoffen und einer resilienten Lieferkette erfüllen wir nicht nur regulatorische Anforderungen – wir stärken auch das Vertrauen in uns als Unternehmen. Und das ist in unseren Augen ein Punkt, der einen Unterschied macht: Wir handeln ethisch und verantwortungsvoll – gegenüber der Gesellschaft und der Umwelt.
Fotos: "BMW Group"