Sophie Küppers: „Ich möchte immer etwas tun, wofür ich meine Komfortzone verlassen muss.“

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6. Januar 2020

Manche Branchen und Szenen sind noch immer männerdominiert. Die Motorradszene gehört dazu. Erst langsam tauchen immer mehr jüngere Frauen auf Motorrädern auf – auf den Straßen ebenso wie auf Motorrad-Events und in Branchenmedien. Nicht als schmückendes Beiwerk, sondern auf dem Sattel ihres eigenen Bikes oder als Gründerin eines Unternehmens mit Motorradbezug. Sophie Küppers, die hauptberuflich als Kommunikationsdesignerin in einer Agentur arbeitet, hat vor drei Jahren das Motorradfahren für sich entdeckt. Wenn die zierliche 28-Jährige mit ihren wehenden Haaren auf ihrer Harley Davidson Sportster durch die Straßen fährt, schaut ihr fast jeder hinterher. Sophie fährt Motorrad, Longboard, designt Motorradhelme und -handschuhe, baut sich ihre eigenen Möbel und bringt als Mitglied im Organisationsteam von „The Moto Social“ Motorradfreund*innen aller Couleur in Hamburg zusammen. Kurz gesagt: Sie ist ein multitalentiertes, kreatives Energiebündel voller positiver Vibes!

 

Sophie lebt mitten in der Hamburger Schanze und teilt sich ihre Wohnung mit einem Mitbewohner.

Vor fünf Jahren ist Sophie der Arbeit wegen nach Hamburg gekommen – aber auch wegen der Liebe zum Hafen und zum Wasser. Sie kommt aus einer Seglerfamilie und hat sich im Hafen schon immer wohlgefühlt.

Viele Stücke in ihrer Wohnung hat Sophie selbst gebaut oder gestaltet.

femtastics: Du bist ein sehr kreativer Typ. War das schon immer so?

Sophie Küppers: Mein Vater ist Architekt, wir sind mit Kreativität aufgewachsen. Zu Hause haben wir viel selbstgemacht und als Kinder haben wir mit unseren Eltern alle möglichen Museen der Welt besucht. Ich habe davon viel mitgenommen. Im Alter von 14 habe ich mir das Nähen beigebracht, ich habe als Kind kein Buch in die Hand genommen, sondern eher Schere und Papier. Ich brauchte immer schon Zeit für meine Projekte. Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, nähe, zeichne, gestalte ich. Das ist wie Meditation für mich, darin gehe ich total auf, und dieses Handwerkliche fehlt mir in meinem Job, in dem ich immer am Rechner arbeite. Ich habe auch eine enorme Wissbegierde: Ich bringe mir gerade Elektrotechnik bei und möchte Schweißen lernen.

Woran arbeitest du im Moment?

Alles, was ich selbst trage und nutze, möchte ich gerne customisen und verändern – seien es Schuhe, Jacken, Skateboards oder Motorradhandschuhe. Momentan bemale ich Lederhandschuhe mit Motiven, die meinen Charakter widerspiegeln. Die Handschuhe macht ein Freund von mir und er hat mir angeboten, ein von mir bemaltes Paar an seine Community zu verlosen. Auch Motorradhelme bemale ich und für ein Motorrad-Label entwerfe ich gerade Grafiken. Das ist auch etwas, was mich an Motorrädern reizt: einerseits natürlich das Fahren, andererseits die Craft-Szene mit allem Handwerklichen, was sie mit sich bringt.

Skateboard fährst du auch?

Ich wollte dieses Jahr unbedingt richtig surfen lernen. Ich war dafür fünfeinhalb Wochen in Portugal und habe dort die Liebe zum Longboard Fahren entdeckt. Also habe ich mir direkt eins gekauft – ich möchte mich immer herausfordern, immer etwas tun, wofür ich meine Komfortzone verlassen muss. Ich wollte immer gerne Longboard Fahren lernen. Genauso war es beim Motorradfahren. In meinem Freundeskreis war der Aufschrei groß: „Du hast dir ein Motorrad gekauft? Du hast noch nicht mal einen Führerschein!“ (lacht).

Das Interview führt femtastics-Co-Gründerin Anna.

An Motorrädern reizt mich einerseits natürlich das Fahren, andererseits aber auch die Craft-Szene mit allem Handwerklichen, was sie mit sich bringt.

Ich habe mich in der Fahrschule im Januar angemeldet und im Februar hatte ich das Motorrad in der Garage stehen.

Motorradhelme, -handschuhe, Jacken, Schuhe … Sophie liebt es, Dinge zu customisen!

Sophie, die gebürtig aus Krefeld kommt, hat Kommunikationsdesign in Düsseldorf studiert.

Moment, wie war das?

Ich habe mich in der Fahrschule im Januar angemeldet und im Februar hatte ich das Motorrad in der Garage stehen. Das habe ich bewusst so gemacht, damit ich immer mein Ziel vor Augen hatte.

Wow, ganz schön mutig!

Nicht alles ist immer leicht und manchmal braucht es seine Zeit, aber dafür ist das positive Gefühl, etwas geschafft zu haben, umso größer. Klar hat man am Anfang mal Schiss, wenn man alleine auf dem Motorrad sitzt. Das ist nicht ohne. Es bringt aber unglaublich viel Selbstbewusstsein. Nachdem ich das Motorradfahren gelernt habe, fühlt sich alles andere jetzt so leicht an.

Wann und wie hast du dein Interesse fürs Motorradfahren entdeckt?

Ich bin manchmal bei Freunden hinten auf dem Motorrad mitgefahren und das ist schon so ein geiles Gefühl – ich wusste schnell, dass ich das auch will. Diese Freiheit! Auch die Szene hat mich inspiriert. Jede*r bringt seine Individualität mit ein. Das finde ich toll. Und irgendwann dachte ich: Ich mache das jetzt.

Ihre Motorradhandschuhe hat Sophie mit Illustrationen verziert.

Die Jeansjacke links hat Sophie nach ihren eigenen Vorstellungen bemalt.

Ich möchte mich immer herausfordern, immer etwas tun, wofür ich meine Komfortzone verlassen muss.

Wie war es für dich, den Motorradführerschein zu machen?

Das war das Jahr, in dem es noch im April minus 10 Grad waren. Mein Motorrad stand schon relativ lange in der Garage, bis ich endlich Fahrstunden nehmen konnte. Es hat mich in den ersten Fahrstunden erst einmal Überwindung gekostet, aber irgendwann war sie wieder da, die Komfortzone. Es war richtig aufregend als ich nach einigen Wochen das erste Mal mit meinem eigenen Motorrad fahren konnte. Das ist schon was anderes als die Maschinen der Fahrschule.

In Bezug auf Harley-Fahrer*innen gibt es viele Klischees und viele Menschen haben das Bild der männlichen, dicken, bärtigen Biker im Kopf. Begegnen dir diese Klischees wenn du mit deinem Bike unterwegs bist?

Klar gibt es diese Klischees und die kommen auch nicht von irgendwoher. Momentan sind Frauen auf Motorrädern im Straßenbild eher noch eine Seltenheit und da fallen die paar wenigen einfach auf wie ein bunter Hund. Klar werde ich da angeguckt, wenn ich auf meiner Maschine sitze, aber im Grunde teilen wir alle die gleiche Leidenschaft, egal ob Mann oder Frau, alt oder jung. Ich habe mir darum im Vorfeld keine Gedanken gemacht, aber auf vielen Motorradtreffen war ich die einzige junge Frau.

Sophie und ihre Harley Sportster im Hamburger Hafen.

Nachdem ich das Motorradfahren gelernt habe, fühlt sich alles andere jetzt so leicht an.

Wie reagieren die Menschen dort auf dich?

Anfeindungen oder dumme Sprüche habe ich noch nie erlebt. Ich bin sehr offen und gehe gerne auf alle zu – auch wenn ich andere Motorradfahrer auf der Straße treffe.

Du bist im Organisations-Team von „The Moto Social“ in Hamburg. Was ist das genau, worum geht es da?

„The Moto Social“ kommt ursprünglich aus Toronto. In den vergangen Jahren ist es auch in andere Länder geschwappt. Gadso, Jörg, Lena und Martin haben es in Südafrika kennengelernt und nach Hamburg geholt. Felix und ich sind später noch dazugestoßen. Die Idee ist, eine offene Gemeinschaft von und für Motorradfahrer*innen und Motorradinteressierte zu schaffen. Alle sind willkommen, unabhängig davon, welches Motorrad sie fahren, ob sie überhaupt eins fahren, wie alt sie sind, woher sie kommen, wie sie aussehen. Man kann auch gerne seine Oma mitbringen. Wir möchten festgefahrene Vorstellungen aufbrechen. Einmal im Monat trifft sich die Community an wechselnden Orten. Es hat klein angefangen, mittlerweile sind es an die 150 Menschen, die in Hamburg zu den Treffen kommen. Es wird immer mehr.

Wie bist du dazu gekommen?

Das war über drei Ecken, über Freunde. Im ersten Jahr war ich nur als Teilnehmerin dabei, ich  habe aber schnell viele Leute kennengelernt und wollte mich einbringen. Ich hatte einfach Spaß an der Community und an den Vibes, und habe angeboten, „The Moto Social“ zu unterstützen. Anfangs war ich die einzige Frau unter 30, da war das Publikum sehr männlich und eher Mitte 30 aufwärts. Mittlerweile sind mehrere Frauen in meinem Alter dabei. Wir bemühen uns, dass das Publikum bunt gemischt ist.

Lange war der ganze Motorradmarkt auf Männer ausgerichtet, das hat sich in den vergangenen Jahren geändert.

Wird die Motorradszene weiblicher?

Ich habe den Eindruck, dass immer mehr Frauen in der Szene aktiv werden. Lange war der ganze Motorradmarkt auf Männer ausgerichtet, das hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Die Branche hat gemerkt, dass Frauen eine neue Zielgruppe sind. Es gründen auch immer mehr junge Frauen Motorrad-Labels mit Kleidung und anderen Produkten für Frauen. Früher gab es keine coolen Motorradhandschuhe oder -Jacken in meiner Größe.

Mittlerweile gibt es Festivals wie „Petrolettes“ in Deutschland oder das „Camp VC“ in England, die sich speziell an Motorradfahrende Frauen richten. Warst du schon mal bei einem solchen Event dabei?

Ich wollte dieses Jahr gerne zu „Petrolettes“ fahren. Oskar, der das Handschuh-Label macht, mit dem ich gerade zusammenarbeite, war auf dem Festival vertreten und ich wollte mit seiner Freundin gerne mit unseren Motorrädern hinfahren, aber es hat mit meinen Urlaubstagen nicht hingehauen. Nächstes Jahr ist es auf jeden Fall eingeplant! Vielleicht bin ich dann schon mit meinen eigenen Produkten dabei.

Machst du öfters Touren mit anderen Motorradfahrer*innen?

Einige meiner Freunde fahren Motorrad und auch bei mir in der Nachbarschaft gibt es ein paar Motorrad-Enthusiast*innen. Mit denen verabrede ich mich öfters mal zum Fahren. Ich bin auch über Facebook- und WhatsApp-Gruppen ganz gut vernetzt. Da fragt man einfach in der Gruppe, wer Lust hat, gemeinsam eine Tour zu machen, und dann verabredet man sich gemeinsam an einem Treffpunkt – abends nach der Arbeit, am Wochenende zum Eisessen, oder auch mal längere Touren, zum Beispiel in eine andere Stadt oder zu Motorrad-Events. Das ist total unkompliziert und cool. Gerade durch die Moto Social-Events lernt man immer neue Leute kennen, mit denen man mal gemeinsam Gas gibt.

Hast du dir eigentlich auch Kenntnisse in Sachen Schrauben, Reparaturen, etc. am Motorrad angeeignet?

Ich habe mir dazu viele Tutorials und andere Videos angeschaut. Was ich fahre oder benutze, das möchte ich auch verstehen und bedienen können. Wenn ich zu „Harley Davidson“ gehe, fühle ich mich immer noch nicht ganz ernst genommen, das bringe ich mir lieber selbst bei.

Was willst du anderen Frauen mitgeben, die sich für Motorräder interessieren und vielleicht gerne fahren würden?

Einfach trauen! Kennst du jemanden, der fährt? Frag ihn oder sie alles, was du wissen willst! Gibt es Motorradtreffen, die du besuchen könntest? Geh hin und knüpfe Kontakte! Wenn du jemanden über Social Media entdeckst, schreib‘ ihn oder sie an und stelle deine Fragen. Meiner Erfahrung nach hält die Szene zusammen und unterstützt sich gegenseitig.

Was ich fahre oder benutze, das möchte ich auch verstehen und bedienen können.

Was sind deine liebsten Strecken für Motorrad-Trips im Raum Hamburg?

Ich liebe den Hamburger Hafen und die ganze Gegend drum herum. Ich habe schon kleinere Touren, zum Beispiel nach Fehmarn, gemacht. Als nächstes würde ich gerne mal eine wirklich große Tour fahren. Mit Schlafsack, Zelt und ganz viel Abenteuer. Unter der Woche fahre ich nach der Arbeit gerne los, um Zeit für mich zu haben. Ich liebe es, im Sommer abends über die Köhlbrandbrücke zu fahren. Wenn man es zum Sonnenuntergang richtig timed, dann hat man das Gefühl, in die Sonne hinein zu fahren. Das ist total schön.

Vielen Dank für das inspirierende Gespräch, Sophie!

Auch ihren Küchentisch hat Sophie selbst gebaut.

Hier findet ihr Sophie Küppers:

Layout: Kaja Paradiek

Ein Kommentar

  • Wolfgang Ahlers sagt:

    Schöner Bericht , starke Frau , individuelles Design der selbst kreierten Gegenstände. Viel Spaß,Glück und etwas Erfolg auf dem weiteren Weg.

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