Immer mehr Arbeitnehmer*innen kündigen aus einem ungewöhnlichen Grund: dem Klima. Der Trend des „Climate Quitting“ zeigt, dass vor allem junge Menschen Unternehmen den Rücken kehren, die sich nicht ausreichend für Nachhaltigkeit engagieren. Lara Kieninger, Senior Inhouse Recruiterin bei der Jobplattform Stepstone, erklärt, warum Klima und Werte für viele inzwischen genauso wichtig sind, wie Gehalt und Aufstiegschancen – und wie dieser Wandel den Arbeitsmarkt verändert.
Lara Kieninger: Climate Quitting beschreibt das Phänomen, dass Arbeitnehmer*innen ihren Job kündigen, weil sie erkennen, dass das Unternehmen oder die Branche, in der sie arbeiten, umweltschädlich ist, oder dass Dinge unterstützt werden, die nicht zu der eigenen Umwelt-Moral passen. Viele Menschen wollen ihre persönlichen Werte natürlich auch im beruflichen Umfeld umsetzen. Der Trend zum Climate Quitting zeigt eine zunehmende Sensibilität für Umweltthemen am Arbeitsplatz.
Immer mehr Arbeitnehmer*innen fordern einen Wandel in der Arbeitswelt und sind bereit, den Job zu wechseln, wenn dieser Wandel nicht stattfindet. Eine Stepstone-Studie zeigt, dass 82 % der Beschäftigten einen Wechsel zu einem*einer nachhaltigeren Arbeitgeber*in in Betracht ziehen würden, während 40 % sogar bereit wären, zu kündigen, wenn ihr*e aktuelle*r Arbeitgeber*in gegen die persönlichen Nachhaltigkeitskriterien verstößt.
Vor allem Unternehmen mit schlechter Klimabilanz, wie die fossile Energiegewinnung, Schwerindustrie oder konsumorientierte Branchen wie Textil oder Verpackungsindustrie. Letztlich betrifft es aber alle Branchen, denn das Thema Klima ist allgegenwärtig. Deshalb ist es wichtig, dass Arbeitgeber*innen Umweltschutz und Nachhaltigkeit in die Geschäftsstrategie integrieren. Und dass sie echtes Interesse daran zeigen, damit ihr Engagement auch als glaubwürdig wahrgenommen wird.
Vor allem jüngere Generationen legen bei der Jobsuche immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit. Unternehmen müssen daher umdenken. 70 % der Befragten würden eher bei einem*einer nachhaltigeren Arbeitgeber*in arbeiten als bei einem Unternehmen, das Nachhaltigkeit nicht offen kommuniziert und umsetzt. Das wird die Rekrutierung und Talentgewinnung in Zukunft stark beeinflussen.
Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass eine Nachhaltigkeitsstrategie mehr ist als eine Employer-Branding-Maßnahme. Firmen, die Klimaschutz und Umweltthemen ernst nehmen, müssen diese Themen glaubhaft durch konkrete Maßnahmen unterstützen und nicht nur durch wohlklingendes Marketing kommunizieren. Greenwashing ist ein bekanntes Problem, das viele im Alltag wahrnehmen – und ähnliches gilt für „Employer Greenwashing“.
Für ernsthaftes Engagement gibt es noch viel Potenzial: 63 % der Unternehmen glauben, dass sie mehr für die Umwelt tun könnten. Das zeigt, dass sie die Problematik erkennen, aber noch nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen. 38 % haben bereits Nachhaltigkeitsinitiativen umgesetzt, während sich 22 % in der Implementierung befinden – es bewegt sich also etwas.
Auffällig ist, dass kleinere Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitenden deutlich seltener Nachhaltigkeitsmaßnahmen umsetzen („nur“ 29 %), während große Unternehmen mit über 5.000 Mitarbeitenden in der Regel mehr Ressourcen für solche Themen haben (55 %).
Climate Quitting wird sich auf jeden Fall verstärken, da viele Menschen bei der Jobsuche nach Sinnhaftigkeit streben.
Ja, Climate Quitting wird sich auf jeden Fall verstärken, da viele Menschen bei der Jobsuche nach Sinnhaftigkeit streben. Wir beobachten auch, dass sich der Arbeitsmarkt mehr und mehr zu einem Arbeitnehmer*innenmarkt entwickelt. Unternehmen müssen daher umdenken, um ihre Attraktivität zu wahren und gegebenenfalls zu steigern.
Eine Kündigung ist eine wirklich drastische Maßnahme, die nicht unüberlegt passieren erfolgen sollte. Man könnte sich zum Beispiel einer Arbeitsgruppe anschließen oder selbst eine gründen, um progressiv neue Ideen einzubringen.
Vor einem Jobwechsel sollten Arbeitnehmer*innen auf jeden Fall immer prüfen, ob sie im Unternehmen selbst Veränderungen bewirken können. Eine Kündigung ist eine drastische Maßnahme, die nicht unüberlegt erfolgen sollte. Man könnte sich zum Beispiel einer Arbeitsgruppe anschließen oder selbst eine gründen, um progressiv neue Ideen einzubringen. Wenn man sieht, dass sich die Arbeitsstelle langfristig nicht mit den eigenen Werten vereinbaren lässt und das Unternehmen nicht bereit ist, Veränderungen einzuleiten, dann sollte man über eine Kündigung oder einen Jobwechsel nachdenken.
Collage/Foto: „Canva“/“The Stepstone Group“