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Business

Gastronomin Elif Oskan verbindet Geschmack mit starker Haltung

14. Juni 2025

geschrieben von Juliane Baxmann

Elif Oskan vom "Gül"

Elif Oskan ist eine der spannendsten Gastronom*innen der Schweiz. Mit ihrem Restaurant „Gül“ in Zürich bringt sie die anatolische Küche in ein neues Licht – kraftvoll, emotional und ohne den Lärm patriarchaler Küchenstrukturen. Im Gespräch spricht sie über ihr Verständnis von weiblicher Führung, warum Frauen* sich seltener selbst feiern, was es heißt, aus dem Bauch heraus Großes zu schaffen und warum sie gerne Zeit auf Friedhöfen verbringt.

"Im Moment fühlt es sich an, als wäre ich auf dem richtigen Weg."

femtastics: Elif, was lässt dich morgens aufstehen? Was treibt dich an?

Das ändert sich, je nachdem, wo ich gerade im Leben stehe. Im Moment fühlt es sich an, als wäre ich auf dem richtigen Weg. Ich weiß nicht, wohin genau er führt, aber er ist gesund, lebendig und groß. Natürlich habe ich kurzfristige und langfristige Träume, aber das Wichtigste für mich ist, dass mein Vater gesund ist. Das ist für mich der Ursprung von allem. Die Dankbarkeit dafür treibt mich an.

Ich hoffe, dass dieser Weg, den ich mit ihm gemeinsam gehe, noch ein langer wird und ich würde nur zu gerne herausfinden, was der größere Sinn dahinter ist.

Elifs Vater – von allen nur liebevoll „Baba“ genannt – ist mehr als nur ein Familienmitglied im Hintergrund. Er ist Seele, Gastgeber und guter Geist des "Gül". Kein Tag vergeht, an dem er nicht mit anpackt, durch den Raum wirbelt, charmant Witze macht oder neue Snacks auftischt. Auch während unseres Gesprächs taucht er immer wieder auf, mit einem Lächeln, einem Kommentar, einem Teller voller Überraschungen.

Das "Gül" Restaurant in Zürich
"Mein Stil ist organisiert, gleichzeitig intuitiv. Er entsteht aus dem Bauch heraus und passt sich seiner Umgebung an."

Wie lässt sich dein Kochstil beschreiben?

Sehr feminin. Jemand, den ich sehr schätze, hat das mal zu mir gesagt und ich habe lange darüber nachgedacht. Mein Stil ist organisiert, gleichzeitig intuitiv. Er entsteht aus dem Bauch heraus und passt sich seiner Umgebung und den Produkten an.

Wenn ich nur für mich koche, ist es ganz simpel. Ich liebe Gerichte, bei denen man die Produkte noch erkennt. Wenn ein Gericht transformiert wird, dann soll es eine Geschichte erzählen. Ich möchte, dass es Bedeutung hat. Wenn ich in der Restaurantküche stehe, bin ich nie allein. Ich arbeite mit Menschen, die oft ganz andere Fähigkeiten mitbringen, als ich sie habe. Ich möchte sie fordern, sie aus der Komfortzone holen und gleichzeitig selbst als Führungskraft mit ihnen wachsen. All das wirkt sich auf meinen eigenen Stil aus.

"Als weibliche Führungskraft erkläre ich mich viel. Vor allem meine Entscheidungen."

Was ist aus deiner Sicht die größte Herausforderung für Frauen* in der Gastronomie?

Es betrifft nicht nur unsere Branche, es ist ein gesellschaftliches Thema. Je mehr ich mit Frauen* aus anderen Berufen spreche, desto klarer wird: Die Strukturen ähneln sich und es beginnt mit der Erziehung. Ganz banal gesagt: Wenn ein Mädchen zur Welt kommt, dann kommt es immer noch vor, dass niemand applaudiert. Und wenn du mit so einem leisen Willkommen ins Leben startest, dann hinterlässt das Spuren, selbst wenn du gerade erst geboren bist.

In der Gastronomie dauert es, bis man sich mit den richtigen Menschen umgibt, die auch dieselben Werte teilen. Das ist essenziell. Als weibliche Führungskraft erkläre ich mich viel. Vor allem meine Entscheidungen. Ich muss das nicht, aber ich habe es in den meisten Fällen instinktiv getan. Warum, weiß ich bis heute nicht genau.

Hast du ein Beispiel?

Einmal erklärte ich einem sehr arroganten Mann* meine Vision, mit viel Liebe zum Detail. Und er sagte nur: "Erzähl mir einfach deine Idee, ich hab’s verstanden." Ich dachte nur: Ich habe dir gerade ein ganzes Bild gezeichnet und das ist deine Reaktion?

Das Team vom "Gül"
Brokkoli à la "Gül"
Die Terrasse vom "Gül"
Das Team vom "Gül"
Brokkoli à la "Gül"
Die Terrasse vom "Gül"
Das Team vom "Gül"
Brokkoli à la "Gül"
Die Terrasse vom "Gül"
Das Team vom "Gül"
Brokkoli à la "Gül"
Die Terrasse vom "Gül"

Das Team vom "Gül"

Brokkoli à la "Gül"

Die Terrasse vom "Gül"

Das Team vom "Gül"

Brokkoli à la "Gül"

Die Terrasse vom "Gül"

Das Team vom "Gül"

Brokkoli à la "Gül"

Die Terrasse vom "Gül"

Das Team vom "Gül"

Brokkoli à la "Gül"

Die Terrasse vom "Gül"

01/03
"Präsenz und ein großes Ego sind nicht gleichzusetzen mit Wissen. Nur weil jemand laut ist, heißt es nicht, dass er*sie mehr kann."

Welchen Umgang hast du damit für dich entwickelt?

Ich habe gelernt, solche Missverständnisse nicht zu fürchten. Manchmal liegt es nicht daran, dass jemand dich nicht versteht, sondern dass er*sie nicht verstehen will. Weil er*sie nie gelernt hat, Frauen* zuzuhören oder sie ernst zu nehmen. So wie sie dich in Frage stellen, darfst du lernen, dich nicht ständig selbst in Frage zu stellen. Und: Präsenz und ein großes Ego sind nicht gleichzusetzen mit Wissen. Diese Lektion habe ich in all den Jahren wirklich verinnerlicht. Nur weil jemand laut ist, heißt es nicht, dass er*sie mehr kann.

Wurdest du je anders behandelt, weil du eine Frau* bist?

Das ist schwer zu sagen. In solchen Momenten fragt man sich ja in der Regel nicht: „Behandelst du mich gerade so, weil ich eine Frau* bin?“ Es gab Situationen, die fühlten sich für mich schwieriger an. Vielleicht wegen dem, was ich bin. Ich habe nie bewusst darüber nachgedacht, ob es an meinem Geschlecht liegt. Aber nächstes Mal, wenn ich dieses Gefühl habe, werde ich fragen. Vorausgesetzt ich habe den Mumm dazu (lacht). Danke für die Inspiration!

"Wenn auch nur ein paar Menschen etwas von meinem Gesagten mitnehmen, dann beginnt Veränderung."

Was muss sich verändern, damit mehr Gleichberechtigung in der Gastronomie möglich wird?

Die Sprache der Küche und des Gastgewerbes hat sich über viele Jahrzehnte entwickelt. Früher galt: Wer eine Küche leiten wollte, musste laut sein, hart, unter Druck arbeiten.

Das verändert sich langsam, aber ich habe gelernt, dass ich mit meiner Küche nicht die ganze Welt verändern kann. Niemand kann das allein. In meiner kleinen Welt mit rund 40 Menschen, die in meinem Umfeld arbeiten, kann ich etwas bewirken. Und wenn auch nur ein paar dieser Menschen etwas von meinem Gesagten mitnehmen, wenn sie weiterziehen, dann beginnt Veränderung genau hier.

Was ist dein Lieblingsgericht im Gül?

Lahmacun!

Dein Lieblingsrestaurant?

Stand Heute würde ich sagen: das „Cosme“ in New York – ein mexikanisches Restaurant. Wenn du dort bist, iss unbedingt an der Bar. Es ist die beste Erfahrung überhaupt. Und in Istanbul liebe ich das Restaurant „Karaköy Lokantası“– es wird bereits in dritter Generation geführt und ist abseits der zahlreichen Kebab Läden der Stadt mein Favorit.

Mercimek Salatasi mit Tarhana

Mercimek Salatasi mit Tarhana - lecker!

Und in Zürich?

Ich habe viele Lieblingsgerichte an verschiedenen Orten. Für einen guten Cocktail gehe ich in die „Kronenhalle“, da trinke ich einen Bloody Mary mit Gin statt Wodka. Zum Lunch gehe ich gerne ins „Hatecke“. Und fürs Dinner… das kann ich nicht verraten, sonst killt mich meine beste Freundin (lacht). Wir halten es geheim. Nur so viel: Es ist ein kleiner Italiener.

Hast du einen Lieblingsort in Zürich?

Ehrlich gesagt: Friedhöfe. Sie sind so friedlich (lacht), grün, ruhig – alles, was man braucht, um die Nerven zu beruhigen.

Dein Rat an andere Frauen*, die sich vielleicht in der Gastronomie oder auch einem anderen Bereich verwirklichen wollen?

Einfach machen. Du hast nichts zu verlieren. Du weißt nie, wohin die Reise führt. Scheitere! Und scheitere oft, denn nur dann lernst du. Und dann gehst du weiter, versuchst es nochmal oder du weißt zumindest, was du nicht willst.

Was war dein größter Fehler?

So viele! Mamma mia! Aber der größte war einmal nicht auf mein Bauchgefühl gehört zu haben. Mein größtes Mantra und auch mein bester Rat: Immer, immer auf den Bauch hören.

Hier findet ihr Elif Oskan und das "Gül":

Fotos: Joan Minder (Porträt), Charlotte Fischli, Gül Restoran
Collage: "Canva"