Plötzlich Arbeitnehmerin: Von der Selbständigkeit zurück in die Festanstellung?

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17. November 2023

Viele Menschen wagen den Schritt vom Angestelltenverhältnis in die Selbständigkeit – aber wie sieht es eigentlich in die andere Richtung aus? femtastics Autorin Corinna Mamok hat vor Kurzem ihre Selbständigkeit gegen eine Festanstellung getauscht. Eine große Veränderung, die mit vielen Ängsten und persönlichen Herausforderungen einherging. Ein großer Punkt war dabei das Thema Führung. Wie es ist, sich „plötzlich“ (wieder) in einem Machtgefälle wiederzufinden und wie die ersten Monate im Angestelltenverhältnis für Corinna waren, hat sie für uns aufgeschrieben.

Wer bin ich, wenn ich nicht selbstständig bin?

Zurück in die Festanstellung – das Mutigste, was ich dieses Jahr gemacht habe

Wenn man mich fragt, was das Mutigste war, das ich in diesem Jahr gemacht habe, dann war es meine Entscheidung, ins Angestelltenverhältnis zu wechseln. Nach Jahren als selbstständige Fotografin und Autorin bin ich seit Juli angestellt, zum zweiten Mal in meinem Leben. Die, die sich mit Baby direkt nach dem Studium ins Unternehmertum gestürzt hat, hat jetzt einen „9 to 5“ Job.

Ein Fakt, der mich selbst zum Schmunzeln bringt und der sich nach fünf Monaten immer noch ein wenig falsch anfühlt. Falsch, weil ich lange Zeit viele Aspekte meiner Persönlichkeit über meine Selbstständigkeit definiert habe und ich jetzt mit dem Jobwechsel nicht mehr so genau weiß, ob ich noch dieselbe Person bin.

Ich war schon immer jemand, der gern und auch viel gearbeitet hat. Teilweise habe ich mich auch darüber definiert, auch wenn ich das für ungesund halte. Trotz dieses Wissens und dieser Einstellung ist meine Arbeit nach wie vor eine der tragenden Säulen, aus denen ich meinen Selbstwert ziehe. Aus diesem Grund war der Schritt ins Angestelltenverhältnis zu wechseln so schwer für mich, denn er ging automatisch mit der Frage „Wer bin ich, wenn ich nicht selbstständig bin?“ einher.

Wie viel von mir mit meiner Selbstständigkeit verflochten war, wurde mir erst bewusst, als der „Instagram“ Algorithmus mir ein Zitat ausspielte, das ich vor ein paar Jahren noch gefeiert hätte. „If you don’t take risks, you will always work for someone who does“ (Nora Denzel) fühlte sich nun wie ein Schlag in die Magengrube an. Mit der Unterschrift unter dem Vertrag schien ich die Seite gewechselt zu haben.

Nachdem ich es las, verbrachte ich einen ganzen Nachmittag damit, an mir zu zweifeln und mich zu fragen, ob ich mit der Entscheidung, Arbeitnehmerin zu sein, automatisch feige und risikoscheu geworden bin. Plötzlich waren da die großen Fragen: Wie will ich leben? Wie will ich arbeiten? Wer will ich sein? Und passen die Antworten auf diese Fragen wirklich zu einem Angestelltenverhältnis? Konnte ich immer noch genauso risikofreudig und mutig sein wie vorher, auch wenn ich jetzt das gewählt hatte, was andere als Sicherheit betrachten?

Schließlich tat ich nur das, was die meisten ihr Leben lang tun: Ich arbeitete für jemand anderen.

Keine große Sache, oder doch?

Einerseits fand ich es absolut notwendig, mir all diese Fragen zu stellen, und gleichzeitig kam mir das Fass, das ich öffnete, unglaublich lächerlich vor. Schließlich tat ich nur das, was die meisten ihr Leben lang tun: Ich arbeitete für jemand anderen. Keine große Sache, oder doch?

Der Grund, warum ich mich überhaupt für die Festanstellung entschieden hatte, war das unerträgliche Gefühl der Stagnation. Ich beherrschte meinen Job als Fotografin, aber ich war regelrecht ausgehungert, was Feedback und Brainstormings anging. Und irgendwie war die Solo-Selbstständigkeit zu meiner Komfortzone geworden. Mir fehlte das Wachstum. Ich wollte im Team arbeiten, neuen Input bekommen, mich neuen Herausforderungen stellen. Plötzlich war ich neugierig, wie dieses Arbeitnehmersein, über das die meisten schimpfen, in der Realität so ist.

Eine Sache wollte ich allerdings nie: eine*n Vorgesetzte*n. In meinem Kopf war diese Person das notwendige Übel, um den Rest erleben zu können. Und plötzlich war da diese Person, die laut Organigramm meine Chefin war. Mir war schnell klar, ich könnte diesen Menschen hinter dieser Position mögen. Doch was ich nicht mochte, war dieses künstlich erzeugte Machtgefälle. Dadurch fühlten sich alle Begegnungen mit dieser Person richtig und falsch zugleich an. Irgendwie war alles leicht und durch die ungeschriebenen Verhaltensregeln doch wieder schwer. Ich fragte mich bei jedem zweiten Satz, darf ich das sagen? Oder ist das unangebracht, weil Führungskraft?

Mir fehlte das Wachstum. Ich wollte im Team arbeiten, neuen Input bekommen, mich neuen Herausforderungen stellen.

Mit den Führungskräften aus meiner Vergangenheit gab es solche Situationen nie. Die waren alle eher schwierig. Der eine ließ mich mit einer Zahnbürste die Fugen im OP reinigen, die andere zog mitten im Meeting an meinem Pullover und meinte, mit meinem Kleidungsstil wäre ich hier falsch (man hatte doch tatsächlich den Ansatz meiner Schulter gesehen). Doch hier war es von Anfang an anders. Die Führungskräfte in diesem Unternehmen legten eine Wertschätzung an den Tag, die ich bisher nur aus Erzählungen kannte, aber nie selbst erlebt hatte. Das war interessant, faszinierend und ein Stück weit befremdlich zugleich.

Ungleichgewicht oder Kommunikation auf Augenhöhe?

Auch die Kommunikation auf Augenhöhe, bei der man am Ende doch die Hierarchien (wenn auch flach) spürt, war neu und irritierend. Bestes Beispiel: der Bewerbungsprozess. Es war ein nettes, offenes und ehrliches Gespräch. Doch während meine Vorgesetzten hier die Gelegenheit bekamen, mir Löcher in den Bauch zu fragen und mich als Mensch kennenzulernen, hatte ich nur die Möglichkeit, an der Oberfläche zu kratzen. Zumindest sagte mir das mein Gefühl. Fragen übers Unternehmen sind okay, persönliche Fragen an die Menschen, für die ich zukünftig arbeiten sollte: nicht okay. Zumindest nicht so tief, wie ich sie gern gestellt hätte. Das führte trotz aller Bemühungen überspitzt gesagt zu dem Gefühl, nackt in einem Raum voller angezogener Menschen zu sein. Ein Ungleichgewicht eben.

Das wiederum führte in den ersten Wochen dazu, dass ich regelrechte Anpassungsstörungen hatte und sehr intensiv über Führung und Macht nachdachte. Je mehr ich mich damit auseinandersetzte, desto stärker fiel mir auf, wie sehr ich dieses Machtgefälle hasste. Aber auch, wie viel von meinem Gesamt-Arbeitserlebnis an meinen Vorgesetzten hing. Ich stellte fest, dass ich mich eher an die Personen binde und nicht an das Unternehmen an sich. Und das führte zu noch mehr Chaos. Denn ich brauchte die persönliche und menschliche Beziehung zu meinen Vorgesetzten, um eine gute Arbeitnehmerin zu sein und gleichzeitig wurde diese Beziehung immer wieder durch das vorherrschende Machtgefälle gestört und abgebaut. Ein Teufelskreislauf.

Wenn ich mich führen lasse, dann muss ich dieser Person vertrauen können.

Besonders deutlich wurde das, als ich nach nur drei Wochen an einen Punkt kam, wo ich das Gefühl hatte, meine Führungskraft hätte gegen mein Werteverständnis in einer bestimmten Situation reagiert. Weniger emotionale Menschen hätten es vielleicht einfach hingenommen. Ich konnte das nicht. Für mich war es eine Alles- oder Nichts-Situation. Hätte ich es nicht angesprochen, oder hätte es sich nicht geklärt, wäre das ein Grund gewesen, früher oder später zu gehen. Ganz egal, wie toll das Team ist oder wie sehr ich diese Aufgabe mag. Es wäre daran gescheitert, dass ich mich nicht mehr führen gelassen hätte.

Ein offenes Gespräch

Denn wenn ich mich führen lasse, dann muss ich dieser Person vertrauen können. Und sie muss in meinen Augen menschlich so interessant sein, dass es sich lohnt, ihr zu folgen. Zum Glück waren diese Führungskraft und ihr Führungsstil interessant und anders als das, was ich kannte. Die Art, wie sie mit den Menschen umging, faszinierte mich. Und das führte fernab dieser Situation zu einem völlig neuen Arbeitnehmererlebnis. Also suchte ich das offene Gespräch. In dem Moment war das der Horror, im Nachhinein jedoch das Beste, was ich machen konnte. Denn ich habe viel daraus gelernt, über mich und über das, was ich von meiner Führungskraft erwarte.

Also suchte ich das offene Gespräch. In dem Moment war das der Horror, im Nachhinein jedoch das Beste, was ich machen konnte.

Erstens, genau wie Führungskräfte Potenzial in ihren Arbeitnehmern sehen können, kann man als Arbeitnehmerin auch Potenzial in seinen Führungskräften sehen. Und diesen Personen einen Vertrauensvorschuss gewähren, auch wenn sie mal was verbocken. Zweitens, genau wie in anderen zwischenmenschlichen Beziehungen, erwarte ich auch von meinen Vorgesetzten nicht, dass sie in meinen Kopf gucken können, sondern bin bereit, auf sie zuzugehen, wenn sich was falsch anfühlt. Das führt dazu, dass ich mich immer noch genauso mutig und risikofreudig fühle wie vorher, auch wenn der Rahmen ein anderer ist. Und drittens, die Persönlichkeit und der Führungsstil meiner Vorgesetzten entscheiden darüber, ob ich ihnen folgen kann. Ich muss mit meinen Gefühlen und Gedanken gehört und ernst genommen werden und ich brauche diese offenen und ehrliche Momente mit ihnen.

Wenn ich meine Gefühle der ersten Monate im Angestelltenverhältnis in nur einem Wort benennen müsste, dann wäre es „verletzlich“. Für jemanden zu arbeiten hat mich auf eine Weise verletzlich gemacht, die ich so selbst noch nicht an mir kannte. Ich war nicht nur nackt, mir fehlte zusätzlich die erste Hautschicht. Das machte mich irgendwie roh, aber auch so echt wie noch in keinem anderen Arbeitsverhältnis. Und vielleicht ist genau das der Grund dafür, warum es sich trotz vieler Dinge, die ich am Arbeitnehmersein absolut nicht verstehe und auch blöd finde, am Ende dennoch mehr richtig als falsch anfühlt.

Hier findet ihr Corinna Mamok:

Illustration: Adobe Stock

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