Sue Giers ist in der Hamburger Modeszene zu Hause wie Gucci-Schuhe im Schrank einer Fashionista. Sie ist Inhaberin der Boutique Linette und war mehrere Jahre lang PR-Chefin der Modemarke Closed. Dieses Jahr hat sie ein neues Projekt gestartet: ihr Online-Magazin SoSue. Zusammen mit ihrem Team widmet sich Sue Mode- und Lifestyle-Themen mit viel Spaß und Leidenschaft. Außerdem hat sie ihre eigene SoSUE-Kollektion ins Leben gerufen. Wir besuchen die gebürtige Wolfburgerin in ihrer Traumwohnung in Hamburg-Harvestehude und sprechen über ihren Werdegang, Linette, PR, und wie es zur Gründung ihres eigenen Blogazines kam.
Ja, das sind Jeans und Sneakers und obenrum vielleicht eine verspielte Bluse, aber meistens ein T-Shirt oder ein Sweatshirt. Und auf jeden Fall eine knallige Mütze oder ein Ringelschal. Ich brauche für mein Outfit immer ein Highlight. Aber das Kind in mir verkleidet sich auch gerne mal. Manchmal will ich modisch etwas darstellen und spiele mit den Rollen und Facetten, die ich habe.
Das Kind in mir verkleidet sich gerne. Manchmal will ich modisch etwas darstellen und spiele mit den Rollen und Facetten, die ich habe.
Manchmal unterstreiche ich mit Mode meine Stimmung, manchmal wirke ich auch einer Stimmung entgegen – wenn es draußen grau ist oder ich mich nicht so gut fühle, ziehe ich bewusst Farbe an. Kleidung ist Ausdruck der Persönlichkeit, aber kann auch eine Krücke sein, die einem hilft, sich besser zu fühlen.
Ja, eine Mischung aus alten Stücken, die wie Polaroidfotos für mich sind, und neuen Lieblingen. In Düsseldorf habe ich mir kürzlich die gerade sehr angesagten Gucci-Pumps in leuchtendem Gelb gekauft. Die stehen aktuell in meinem Schrank und warten auf ihren ersten großen Auftritt. Oft überlege ich mir gut, wann ich neue Teile das erste Mal trage, damit ich den Moment später auch gut in Erinnerung behalten kann.
Ich habe schon als Schülerin Praktika bei Verlagen gemacht, bei der „Für Sie“ und bei den „Wolfsburger Nachrichten“, zum Beispiel. Mich hat Journalismus interessiert. Als ich nach dem Abitur in New York war, hat mich die Stadt so fasziniert, dass ich alles, was ich erlebte, dokumentieren wollte. So kam ich auf die Idee, Dokumentarische Fotografie an der Parson‘s School zu studieren.
Ich bin an eine Produktionsfirma geraten, habe ein Volontariat gemacht und gleich am Anfang Clint Eastwood interviewt.
Als ich zurück nach Deutschland kam, habe ich angefangen, Literatur und Germanistik zu studieren, weil ich immer gerne geschrieben habe. Dann kam die Zeit des Fernseh-Booms. Ich bin an eine Produktionsfirma geraten, habe ein Volontariat gemacht und gleich am Anfang Clint Eastwood interviewt. In der Film- und Fernsehbranche bin ich viele Jahre geblieben. So bin ich auch nach Los Angeles gekommen und habe ein Korrespondentennetz und eine Produktionsfirma für den Verlag Milchstraße aufgebaut. Das hat unheimlich viel Spaß gemacht!
Mode hat mich immer interessiert. Früher habe ich wahnsinnig gerne Second-Hand-Mode gekauft – am liebsten in der Karolinenstraße in Hamburg oder im East Village in New York, als ich dort gelebt habe. Stil hat überhaupt nichts mit Geld zu tun. Aber ich kann dir noch genau sagen, welches Luxusteil ich mir von meinem ersten Gehalt gekauft habe – es war ein Prada-Kostüm, in Venedig bei den Filmfestspielen (lacht). Klamotten sind für mich wie ein Fotoalbum, ich verbinde mit ihnen Erinnerungen.
Stil hat überhaupt nichts mit Geld zu tun. Aber ich kann dir noch genau sagen, welches Luxusteil ich mir von meinem ersten Gehalt gekauft habe: ein Prada-Kostüm!
Richtig, meine Schwiegermutter hatte Maßstäbe gesetzt und Linette zu einer der bekanntesten Modeboutiquen in Hamburg gemacht. Ich hatte also einen Heidenrespekt davor, den Store zu führen. Ich hatte früher schon einmal versucht, bei Linette mitzuarbeiten. Aber täglich im Laden zu stehen, das fiel mir sehr schwer. Ich mag es lieber abwechslungsreicher – Verkauf, Beratung, PR und Einkauf, eben alles, was dazu gehört, um so einen tollen Shop zu führen.
Die Sachen müssen auch auf dem Kleiderbügel und – das ist das Wichtigste – an den Kundinnen gut aussehen. Es bringt mir nichts, wenn die Mode nur am Model gut aussieht. Das wissen die Kundinnen ja nicht.
Das ist ziemlich komplex. Es geht darum, Modetrends zu komprimieren und auch zu überlegen, welche Kleidungsstücke in unterschiedlichen Kleidergrößen gut aussehen. Da lastet ein großer Druck auf einem, weil es natürlich auch mit einem finanziellen Risiko verbunden ist. Ich muss voraussagen, welche Stücke sich gut verkaufen werden. Einerseits muss man auf die Verkaufszahlen schauen und analysieren, was sich in der Vergangenheit gut verkauft hat, andererseits muss man in die Zukunft blicken und wissen, welche Brands oder Stücke nicht mehr gut laufen werden. Ego-Träume kann ich da auf gar keinen Fall ausleben. Aber natürlich braucht es auch die sogenannten „Fensterteile“, die dich in den Laden ziehen und die dir Lust auf Mode machen. Es gilt, einen Spagat hinzukriegen und den Kunden zuzuhören.
Bei Closed bin ich so reingerutscht. Als Frau des Chefs hat man natürlich ganz andere Möglichkeiten – ich durfte mich mit dem großartigen Designteam zusammensetzen, alles Frauen in meinem Alter, und gemeinsam Ideen entwickeln. Man muss Geschichten erzählen! Das kannte ich aus dem Journalismus.
Ich habe Closed-Jeans zu den Fashion Weeks getragen und den Closed-Style vorgelebt.
Ja, aber das müssen nicht zwingend große Kampagnen sein. Wichtig ist, dass die Geschichten authentisch sind – man muss sie leben. Closed hat sich Schritt für Schritt entwickelt. Ich habe Closed-Jeans zu den Fashion Weeks getragen und den Closed-Style vorgelebt. Irgendwann waren die Jeans in meinem Kleiderschrank zu Dreiviertel Closed.
Klar. Für mich ist das Schönste, wenn ich alle meine Talente und Interessen verbinden kann. Das ist auch der Grund, warum ich SoSue gegründet habe. Da kommt alles zusammen: ich schreibe, mache kleine Produktionen und kann viel ausprobieren. Außerdem hat man den direkten Kontakt zu seinen Lesern.
Ja. Ich fand Modeblogs immer total toll! Ich habe sie nie skeptisch betrachtet, sondern immer euphorisch. Aber ich hatte extreme Berührungsängste, was die Technik betrifft. … Die haben sich mit der Zeit abgebaut.
Ich habe gemerkt, dass es eine Nische für ein erwachsenes Modeblog gibt. Ich stehe stellvertretend für eine Frau in ihren 40ern, die Brüche im Leben erlebt hat und versucht, das Leben zu meistern.
Ich habe gemerkt, dass es eine Nische für ein erwachsenes Modeblog gibt. Für mich war klar, dass ich es nicht alleine machen möchte, sondern im Team. Das Blog ist zwar nach mir benannt, aber ich stehe stellvertretend für eine Frau in ihren 40ern, die Brüche im Leben erlebt hat und versucht, das Leben zu meistern. In meinem Umfeld kenne ich viele Frauen, die die gleichen Sorgen und Freuden teilen und die im Netz noch kein richtiges Zuhause gefunden haben.
Ja. Heutzutage wollen alle großen Online-Shops auch redaktionelle Inhalte haben – und ich wollte es anders herum aufziehen, zuerst das Blog, dann die passenden Produkte. Ich persönlich kaufe auch am liebsten Produkte, zu denen ich eine emotionale Verbindung durch eine Story habe.
Früher habe ich mir meine Arbeit 50/50 zwischen Closed und Linette aufgeteilt. Ich war vormittags bei Closed und nachmittags bei Linette. Heute muss ich mit SoSue und Linette flexibler sein. Aber ich finde es toll, selbstbestimmt zu arbeiten. Natürlich hat man weniger Sicherheit, wenn man ein eigenes Projekt startet, und vielleicht auch einmal eine schlaflose Nacht, aber dafür kann man eben frei arbeiten. Und für mich persönlich lässt sich eine flexible Arbeitsweise auch gut mit meinen Kindern vereinen.
Ganz froh bin ich, dass meine Freundin Stefanie dabei ist. Sie kenne ich schon seit dem Beginn meiner Karriere und jetzt arbeiten wir zum ersten Mal zusammen. Auch Knuth kenne ich schon lange – und als einziger Mann in unserem Team schreibt er die frauenverstehenden Texte für uns. Wir haben auch ein junges Küken im Team, Yassi, die Social Media viel besser versteht als wir. Berit hat uns eine Bewerbung geschrieben, die mich direkt überzeugt hat. Sie hat uns total verstanden.
Zum Teil aus dem Shop. Aber wir haben auch alle noch andere Jobs, wir können unsere Arbeit durch SoSue noch nicht finanzieren. SoSue gibt es ja erst seit wenigen Monaten. In der nächsten Phase möchten wir auch Kooperationen eingehen.
Ich möchte, dass es erfolgreich wird. Mit Berit, die Modedesignerin ist, arbeite ich an weiteren Produkten. Ich habe mich jetzt an meine erste eigene Jeans getraut. Ich hoffe, dass wir weitere eigene Produkte herausbringen können, aber auch, dass ich noch mehr tolle Produkte für den Shop finde – am liebsten von deutschen Designern. Ich möchte deutsches Modedesign unterstützen.
Eine Zeit lang war das Sarah Jessica Parker. Ich hasse es, wenn Leute zu mir sagen: Du bist die deutsche Sarah Jessica Parker. Aber Streetstyle-Fotos von ihr fand ich schon toll und neue Fotos habe ich wie ein besessener Fan verfolgt. Jenna Lyons, die ehemalige Kreativdirektorin von J.Crew, hat auch einen richtig guten Stil. Und ich mag den französischen Stil, zum Beispiel Caroline de Maigret. Insgeheim habe ich vielleicht wegen ihr aufgehört, mir die Haare zu fönen. Die Französinnen sind immer so lässig und natürlich, das gefällt mir am allerbesten.
Oft überlege ich mir gut, wann ich neue Teile das erste Mal trage, damit ich den Moment später auch gut in Erinnerung behalten kann.
Ich finde weiße Pumps toll. Sie machen jeden Look modern. Außerdem sind die It-Pieces dieses Sommers weite High-Waist-Hosen, Statement-Blusen mit Rüschen oder weiten Ärmeln und alles in Rosa oder Rot. Was Taschen angeht, bin ich immer auf der Suche nach einem Modell, das ein gutes Understatement ist und das sich gut anfühlt. Gerade hat Stiebich & Rieth eine tolle Tasche in Grau herausgebracht. Außerdem liebe ich die Kleider von meiner Freundin Yvonne S, sie vermitteln mir direkt ein Gefühl von Sommer im Herzen.
Layout: Carolina Moscato
5 Kommentare
Endlich!! Seitdem ihr die Homestory mit Sue Giers auf Instagram angekündigt hattet, habe ich auf die Veröffentlichung gewartet. Auch wenn ich mit 24 nicht so ganz in die Zielgruppe ihres Blogs rutsche, finde ich eure Homestory und Sue selbst sowieso super spannend und inspirierend. Liebsten Dank für die tolle Sonntagslektüre!
Herzlich
Frieda
Danke für die schöne Rückmeldung, liebe Frieda! Wir freuen uns, dass die Homestory dir gefällt! <3
Eine richtige Powerfrau! Tolle Homestory, großartiges Interview, verdammt authentische Frau und ein kleines bisschen Vorbild.