Zarah, Flo, Fränky und Rosa sind die vier Köpfe hinter dem Sexshopkolletiv Fuck Yeah aus Hamburg. Sie haben sich als Ziel gesetzt, eine Alternative zu den üblichen Läden zu schaffen. Sexueller Konservatismus findet sich ihrer Meinung nach noch immer in unserem gesellschaftlichen Alltag wieder. Deswegen stehen sie für mehr Gleichberechtigung und Vielfalt sowie für sexuelle Selbstbestimmung, unterschiedliche Begehren und Körper. Mit einem feministischen Anspruch möchten sie in Zukunft in einem Laden neben ausgewählten Sextoys, Gleitgel und Safer-Sex-Zubehör auch alternative Menstruationsprodukte, Literatur, Filme, Pornos und Kunst anbieten, sowie Workshops und Kulturprogramm. Wir sprechen mit ihnen über sex-positiven Feminismus, sexuelle Aufklärung im Bildungswesen und diskriminierende Klischees in der Pornografie.
Rosa: Der Begriff ist entstanden in Abgrenzung zu der PorNo-Bewegung, die in Deutschland vor allem durch Alice Schwarzer in den 80er-Jahren bekannt geworden ist. Ursprünglich ist diese pornokritische und feministische Bewegung in den USA entstanden. Andere Feministinnen wiederum sind der Auffassung, dass der Porno an sich nicht verkehrt ist, ein tolles Medium sein kann und unterschiedliche Möglichkeiten bietet. Der Grundgedanke von sex-positivem Feminismus ist simpel, jedoch nicht selbstverständlich. In der gesamten Gesellschaft ist Sex immer noch ein Tabuthema, es findet keine offene Aufklärung statt. Viele Leute wissen überhaupt nicht genügend über ihre Körper und Sexualität Bescheid. Es ist uns wichtig, dafür zu arbeiten, dass unser Laden einen positiven Umgang mit Sex ermöglicht.
Unser Laden soll einen positiven Umgang mit Sex ermöglichen.
Zarah: Die Sexindustrie ist wenig sex-positiv. Für uns ist sex-positiv im Verständnis von konsensualem Sex. Solange alle Beteiligten einvernehmlich Spaß haben, ist das für uns in Ordnung – auch in Sachen wie kinky oder BDSM. Die Pornos, die ich kenne, sind jedoch wenig konsensual produziert. Häufig wissen die Darstellerinnen oder Darsteller gar nicht, was beim Dreh passiert und werden teilweise genötigt, Sachen zu machen, die sie gar nicht machen wollen. Gerade ändert sich viel bei der Vermarktung und Produktion von Sextoys. Es werden neue Marketingstrategien ausprobiert, aber das herkömmliche Klischee von Sextoys wirbt noch mit einer negativen Pornoästhetik. Die Frau wird als verfügbares Objekt gesehen, worauf auch die Produkte anspielen.
Rosa: Wir wollen ein besonderes Sortiment anbieten, aber auch herkömmliche Sextoys, denn wir sind abhängig von den Herstellern. Dabei legen wir Wert darauf, dass alle Produkte für den Körper gut sind. Das ist leider nicht selbstverständlich. Viele Toys, vor allem billige Sachen, enthalten potenziell schädliche Kunststoffe und die soll es bei uns nicht geben. Es soll keine Mainstream-Pornobilder geben, wo Körper stereotypisch gezeigt werden. Stattdessen wollen wir positive und empowernde Bilder von verschiedenen Körpertypen zeigen. Darüber hinaus möchten wir neben den Produkten auch Sexeducation mit Workshops, Kursen und Vorträgen anbieten.
Rosa: Unterschiedlich. Fränky arbeitet beispielsweise in einem anderen Sexshop. Bei uns anderen war es privates und politisches Interesse. Ich habe mich vorher mit Pornografie im Studium beschäftigt.
Zarah: Mich hat es geärgert, dass es das bislang nicht gab. In meiner WG-Küche ist die Idee entstanden, einen solchen Sexshop in Hamburg zu machen. Meine Mitbewohnerin war öfters in den USA und kannte dort die Läden „Early to bed“ und „Smitten Kitten“. Dort gibt es eine längere Tradition von feministischen, sex-positiven Sexshops. Irgendwie fehlt das in Hamburg und ich war genervt, wenn ich Sextoys kaufen wollte. Im Internet wollte ich sie nicht kaufen, weil es wichtig ist, sie mal anzufassen und zu spüren, wie sich das Material anfühlt. Ich gehe gern in Sexshops, schaue mich um und lasse mich inspirieren. Hier mache ich das aber nie gerne, weil ich mich in der Atmosphäre von Hamburger Sexshops nicht wiederfinde. Das ist nicht, wie ich Sexualität leben will.
Ich war genervt, wenn ich Sextoys kaufen wollte.
Flo: Ich komme aus der Werbebranche und habe vorher für einen großen Versandhandel für Sextoys gearbeitet und dort Werbeformate produziert. Für mich war das Onlineshopping das Angenehmere, weil man nicht in die Läden gehen muss. Der große Nachteil ist, wie Zarah schon sagte, dass man die Sachen nicht anfassen kann.
Flo: Was Events angeht, sind wir bei den Lesbisch-Schwulen Filmtagen und präsentieren dort einen Film, der sich Snapshot nennt. Des Weiteren sind wir bei den PorYes Awards in Berlin mit dabei, welche von Laura Méritt, einer Aktivistin der PorYes Bewegung, initiiert werden.
Zarah: Wir haben bei unserem Crowdfunding unseren Sextoys-Introduction-Workshop verkauft, den werden wir weiterhin anbieten. Wir finden, dass Aufklärung noch nötig ist, was wir durch Gespräche mit Freunden merken oder dadurch, wie Sexualität in den Medien repräsentiert wird. Man sieht, wie selbstverständlich männlich konnotierte Sexualität gepflegt wird und, dass über weibliche Lust Unwissenheit herrscht. Was ist ein weiblicher Orgasmus und wie funktioniert er?
Man sieht, wie selbstverständlich männlich konnotierte Sexualität gepflegt wird und, dass über weibliche Lust Unwissenheit herrscht.
Zarah: In normalen Beziehungen, in denen die Menschen verliebt sind und über alles reden, hört es beim Sex auf einmal auf. Das ist in Ordnung, solange der männliche Part ein erfülltes Sexleben hat. Die Frauen denken, es sei in Ordnung, nicht zu kommen oder es wird nicht darüber gesprochen. Ich glaube, dass man Personen empowern kann, indem man das öffentlich macht, Workshops gibt, Lobbyarbeit macht und thematische Bücher promotet, um Öffentlichkeit zu schaffen.
Rosa: Wir haben auf unseren Ständen zum Beispiel beim „Vogelball“ in Hamburg Safer Sex Tütchen verteilt, in denen Kondome von der Firma „My Size“ drin waren. Das Besondere an den Kondomen ist, dass es sie in sechs unterschiedlichen Größen gibt. Viele Leute waren sehr erstaunt. Eigentlich könnte man meinen, dass es auf der Hand liegt, dass für verschiedene Penisgrößen eine oder zwei Standardgrößen nicht ausreichen. Wenn das Kondom nicht richtig passt, kann der Sex nicht gut sein und ist nicht safe. Deswegen finde ich es wichtig, darüber aufzuklären.
Zarah: Vor allem haben die Frauen nachgefragt. Die Penisträger haben ohne nachzufragen die Kondome genommen. Daraufhin habe ich gefragt: „Welche Größe brauchst du denn?“ Dann haben sie es wieder weggelegt und sind gegangen, weil sie nicht über ihre Penisgröße reden wollten. Dabei geht es bei Kondomen nicht um die Länge, sondern um die Dicke. Vielleicht ist es ein altes Trauma bei Penisträgern. Die Freundinnen der Penisträger waren interessierter und haben das hinterrücks für ihren Lover eingesteckt.
Flo: Dazu gibt es ein Maßband, mit dem man den Umfang messen kann und die Größen sind in Farben ablesbar.
Zarah: Wir wollen nebenbei einen Onlineshop machen. Über Verpackungen haben wir noch nicht gesprochen. Ich hätte gerne beides, sodass man die Option hat, das Paket neutral zu versenden oder es richtig fett draufzuschreiben, um ein Statement zu setzen. Ich könnte mir vorstellen, dass man bei uns im Laden auch beide Optionen hat.
Rosa: Das ist ähnlich wie mit den Hemmungen. Es ist gut, wenn ich nicht mit jedem über Sex reden muss. Die Art wie über Sex geredet wird, ist jedoch nicht positiv und empowernd. Es wird viel über Körper geurteilt und das ist ein Gesprächsthema. Aber auch Leute, die miteinander Sex haben, reden zu wenig darüber.
Zarah: Es gibt Theorien dazu, dass die Gesellschaft durch Werbung und Popkultur sexualisiert ist. Das ist ein zweischneidiges Schwert, da Sexualität auf der einen Seite medial überpräsent ist und ständig verfügbar. Das, was dahinter steht, wie die eigene Intimität und Lust, wird dabei aber nicht thematisiert. Hauptsache man hat große Brüste, Arsch und Wespentaille, aber was ich dann damit mache, wird nicht besprochen. Das fehlt mir. Das Thema Sexualität ist überpräsent und vermittelt ein falsches Bild.
Sexualität ist auf der einen Seite medial überpräsent und ständig verfügbar. Das, was dahinter steht, wie die eigene Intimität und Lust, wird dabei aber nicht thematisiert.
Rosa: Es gibt eine Idealvorstellung für Frauen in unserer Generation. Die beinhaltet sexuell aktiv zu sein und ein erfolgreiches Sexualleben zu haben. Du musst beruflich und in der Familie erfolgreich sein und zu deinem Privatleben gehört der tolle Sex. Der muss großartig sein – wenn er das nicht ist, dann ist es schambehaftet, darüber zu sprechen.
Zarah: Ich war letztens bei einem Workshop zur Empfängnisverhütung von einer Bekannten, die Hebamme ist. Ich war schockiert darüber, wie wenig ich über meinen eigenen Zyklus weiß. Es schadet nicht, das Wissen kontinuierlich frisch zu halten, weil wissenschaftliche Erkenntnisse sich ändern. Mehr Bildung kann nicht schaden. Die Frage ist nur, ob die Schulen das übernehmen können.
Rosa: Es gibt Initiativen von Pädagogen, die versuchen, Kindern in der Schule mit Sexualität vertraut zu machen. Da gibt es viel Gegenwind von besorgten Eltern, die aus einem konservativen Spektrum kommen. Die finden es schlimm, wenn man mit Kindern zu früh über Homosexualität spricht.
Flo: Bei uns gab es sexuelle Aufklärung. Aber es waren zwei Stunden im Unterricht und man hätte mit dem Stoff eine Woche füllen können. Meiner Meinung nach könnte es früher ansetzen. Zu dem Zeitpunkt, wo es dann passiert, hatten die ersten Sex und für alle anderen war es unangenehm.
Rosa: Auf jeden Fall. Dennoch brauchen Kids zu diesem Thema erwachsene Bezugspersonen, die ein Auge darauf haben. Da hinkt die Pädagogik hinterher. Ich denke, dass sexuelle Sozialisation quasi frühkindlich anfängt. Du bekommst immer ein Verständnis von Körper und Sexualität vermittelt. Deswegen bräuchte man sexuelle Aufklärung nicht erst in der Pubertät.
Zarah: Wir hatten zum Beispiel im Kindergarten ein Aufklärungsbuch. Das hat mich als Kind verwirrt, weil ich die Zusammenhänge nicht verstanden habe. In meiner Schulzeit hatte ich das Gefühl, dass der Sexualkundeunterricht auf uns Mädchen ausgelegt war, dass wir uns damit beschäftigen sollten, nicht schwanger zu werden, uns nicht anzustecken und keinen Blödsinn zu machen. Außerdem ist es für Frauen normal, sich regelmäßig beim Frauenarzt untersuchen zu lassen. Beim anderen Geschlecht verhält es sich anders. Besuche beim Urologen finden oftmals erst mit 65 Jahren statt, wenn ein Krebsrisiko besteht. Das Thema Sexualität wird nicht thematisiert. Jedoch kümmert sich meine Frauenärztin nicht nur um meine Krebsvorsorge, sondern auch um Themen wie Empfängnisverhütung, Geschlechtskrankheiten oder Hormone. Es wäre cool, wenn es diese Möglichkeit für Leute mit Penis ebenfalls gäbe. Viele Männer wissen nicht, wie die Pille funktioniert und was sie mit dem Körper der Frau macht.
Viele Männer wissen nicht, wie die Pille funktioniert und was sie mit dem Körper der Frau macht.
Zarah: Wir wurden auf Facebook dafür angegriffen, dass wir uns sex-positiv verorten, weil wir Sexarbeit positiv gegenüber gestimmt sind. Wenn Sexarbeit von Leuten freiwillig und selbstbestimmt gemacht wird, dann unterstützen wir das. So sehen wir das bei Pornos auch. Porno ist nicht per se scheiße und frauenverachtend. Dafür haben wir ordentlich kassiert bei Facebook. Da ging ein Shitstorm los von anderen feministischen Gruppen, die in ihren Grundsatzentscheidungen das Gegenteil vertreten und nicht zum Dialog bereit sind.
Rosa: Der Mainstream Porno ist schon sehr schlimm. Das gilt natürlich auch nicht für alle Pornos. Bei YouPorn gibt es auch die Kategorie „female friendly“ – da würde ich nicht sagen, dass es toll ist, aber immerhin.
Zarah: Pornos, die ich interessant finde, kosten mich etwas, weil die fair bezahlen und auf das Geld angewiesen sind. Es sind kleine Produktionsstudios, die es sich nicht leisten können, gratis Pornos ins Netz zu stellen, wie es andere große Pornoseiten machen können.
Fränky: Ich habe das Gefühl, dass „female friendly“ Pornos mit dem Vorurteil arbeiten, dass Frauen Liebe und Männer nur Sex wollen und so liebevoller Sex entsteht. Das heißt, du findest zum Beispiel keine BDSM-Pornos. Sondern „female friendly“ ist ein Weichzeichner für „Wir haben 30 Minuten Analverkehr am Strand, zeigen es aus drei unterschiedlichen Kameraeinstellungen und untermalen es mit romantischer Musik. Am besten noch mit Sonnenuntergang und die Typen sehen etwas besser aus.“
„Female Friendly“ bedeutet bei Pornos 30 Minuten Analverkehr am Strand, romantische Musik, Sonnenuntergang und die Typen sehen besser aus.
Rosa: Es ist uns ein großes Anliegen, dass bei uns alles schadstofffrei ist. Ökologisch wird bei uns nicht alles sein. Wir schauen, was es für Alternativen zu Kunststoffen gibt. Es gibt zum Beispiel auch Dildos aus Holz, aber man muss schauen, ob das ebenfalls ökologisch produziert ist.
Fränky: Das ist ein bisschen die Frage der Preiskategorien, da wir gerne verschiedene Kategorien anbieten wollen. Für Personen, die noch nicht wissen, was sie gut finden. Es ist nicht schlau, gleich 100 Euro zu investieren und hinterher gefällt es einem nicht.
Rosa: Auf Stereotype wie nur Schwarz und Rot haben wir keinen Bock!
Zarah: Über die genaue Gestaltung in puncto Farben sind wir uns noch nicht einig. Ansonsten möchten wir eine Sitzecke, was uns auch dann von anderen Sexshops unterscheidet, weil wir auch Bücher, gratis Booklets und Infozettel anbieten wollen. Wir wollen nicht nur das Publikum ansprechen, die genau wissen, was sie wollen und super aufgeklärt sind, sondern auch Leute, die das erste Mal in einen Sexshop gehen. Die müssen dann nicht gleich an das Anal-Plug-Regal gehen, sie sollen sich vielleicht erst einmal auf das Sofa setzen, einen Tee trinken und vielleicht ein Buch in die Hand nehmen, das etwas über Analsex erklärt. Sodass man sich auch wohlfühlt in unserem Laden und wir ein bisschen Wohnzimmer- oder WG-Küchen-Atmosphäre schaffen.
3 Kommentare
Ich dachte eigentlich, dass es selbstverständlich ist, dass alle Produkte für den Körper gut sind. Ich und mein Mann wollen auch mal einen Erotikshop besuchen. Dabei werde ich genau darauf achten, dass wir nur verträgliche Dinge kaufen.