Das Kennenlernen zwischen Patrick Burkert (37) und Karen Prats (33) liest sich wie eine moderne Lovestory: Sie sind die Gründer von zwei konkurrierenden Start-ups – er in Berlin, sie in Barcelona. Bei ihrem ersten persönlichen Treffen ist klar, dass sie einander wiedersehen wollen. Sechs Monate später sind sie verheiratet.
Nach der Fusion ihrer Unternehmen steigen Patrick und Karen irgendwann aus und widmen sich neuen Abenteuern: Einerseits ihrer gemeinsamen Tochter, die 2018 zur Welt kommt, andererseits – eben durch und durch das Entrepreneur-Paar – den nächsten beruflichen Projekten. Gerade entwickeln die beiden Start-up-Experten ein internationales Co-Living-Haus für digitale Nomaden.
Wir besuchen die junge Familie in ihrem Zuhause in El Masnou und sprechen mit Patrick darüber, wie seine Liebesgeschichte mit Barcelona begann, was er Gründer*innen rät und wieso er an Co-Living als Wohnkonzept der Zukunft glaubt.
Patrick Burkert: Ich habe 2014 in Berlin zusammen mit zwei Freunden „PopUp Berlin“ gegründet, ein Start-up zur Vermittlung von Pop-up-Spaces, aus dem später „Go—PopUp“ wurde. Die Resonanz darauf war direkt riesig. Unter anderem hat sich „Immobilien Scout“ gemeldet, die mit uns zusammenarbeiten wollten. Es gab unheimlich viel Leerstand von Gewerbeimmobilien in Berlin und sehr viel Interesse für Kurzzeitmieten. Wir haben schon nach weniger als drei Monaten ein Millionen-Investment bekommen, weshalb ich damals an der TU Berlin und den T-Labs mein PhD-Studium in Experience Design abgebrochen habe, um mich ganz dem Unternehmen zu widmen. Auch das Interesse aus dem Ausland war groß. Irgendwann 2015 hatte ich eine E-Mail von Karen Prats von „Pop Places“ aus Spanien in der Inbox. Ich wusste, dass es ähnliche Modelle in anderen Ländern gab, weil Immobilien natürlich ein hyperlokales Thema sind. Karen schrieb mir, dass sie viele Nachfragen von Brands aus Barcelona hätte, die nach Berlin wollten, um dort Pop-up-Shops zu veranstalten. Wir hatten umgekehrt viele Brands, die gerne nach Barcelona wollten.
Mitten im Prozess, unsere Unternehmen zu mergen, habe ich, drei Monate nach unserem ersten Date, Karen in Paris gefragt, ob sie mich heiraten will.
Ich fand die berufliche Zusammenarbeit zu dem Zeitpunkt noch nicht so spannend, weil wir ja selbst mitten im Aufbau der Company in Berlin waren, während Karen total kollaborativ gedacht hat. Ganz im Sinne von „Open Innovation“. Karen hat begonnen, sich mit allen internationalen Pop-up-Plattformen zu connecten und wir haben beschlossen, gemeinsam eine Art Pop-up-Lobby zu gründen, um alle aus dem Bereich zusammenzubringen. In unserem Berliner Büro haben wir eine Party veranstaltet und Karen auch eingeladen. So haben wir uns zum ersten Mal gesehen – vorher hatten wir immer nur digital Kontakt. Ich war direkt „blown away“ von ihr und meine anfängliche Skepsis hat sich verwandelt in: „Die finde ich verdammt gut!“. (lacht)
Ich wollte sie am Tag nach der Party unbedingt noch wiedersehen. Von Karens Instagram-Profil wusste ich, dass sie ein richtiger Foodie ist. Hummer essen im angesagten Strandrestaurant und so. Also habe ich sie auf einen Döner eingeladen. Und danach auf ein Bier ins „Holsten-Eck“ in Kreuzberg. (lacht) Das war der Beginn unserer Liebesgeschichte.
Ja. Und anfangs dachten wir auch: Moment mal, wir können kein Paar werden, das ist vielleicht nicht das richtige Signal. (lacht) Aber Karen hat mich nach Barcelona eingeladen, um ihr Team kennenzulernen, dann kamen sie wiederum nach Berlin. Und irgendwann haben wir beschlossen, uns für die nächste Funding-Runde zusammenzutun, also unsere Unternehmen zu verschmelzen. So ist „Go—PopUp“ entstanden, als internationales Unternehmen. Und mitten in diesem Prozess habe ich, drei Monate nach unserem ersten Date, Karen in Paris gefragt, ob sie mich heiraten will. Wir waren gemeinsam auf dem „Ouishare“-Festival und ich habe ihr spontan einen Antrag gemacht. Wie zwei Teenager! (lacht) Sie hat Ja gesagt und, dass wir drei Monate später auf Formentera heiraten sollen. Meine Antwort war nur: Machen wir, machen wir alles!
Als ich aus Paris zurück nach Berlin kam, sagten meine Mitgründer: „Was tust Du? Die ganze Unternehmung ist in Gefahr!“. (lacht) Aber so haben wir’s dann gemacht: Wir haben uns im März 2015 das erste Mal gesehen und im September 2015 auf Formentera geheiratet. Unsere Familien und Freund*innen haben sich auf der Hochzeit zum ersten Mal gesehen.
Ich bin Freitag abends übers Wochenende immer nach Barcelona geflogen, montags zurück, und war unter der Woche in Berlin im Büro.
Ich habe bis 2018 weiter in Berlin gewohnt, Karen in Barcelona. Ich bin Freitag abends übers Wochenende immer nach Barcelona geflogen, montags zurück, und war unter der Woche in Berlin im Büro. Manchmal sind wir auch gemeinsam gependelt und waren mal zwei Wochen gemeinsam in Berlin, mal zwei Wochen in Barcelona. Währenddessen ist „Go—PopUp“ weiter gewachsen und für Karen und mich war klar, dass wir irgendwann aussteigen wollen. Kurz nach unserem gemeinsamen Exit war Karen schwanger.
Berlin war für uns längerfristig keine Option, weil meine Familie in Süddeutschland lebt und Karen aus Barcelona kommt und ihre Familie hier ist.
Wir haben uns erst einmal eine Auszeit genommen und waren einige Monate in den USA, in New York und Florida, wo Karen auch Familie hat. Nach unserer Rückkehr haben wir zunächst im Stadtteil Gràcia in Barcelona gelebt. Wir lieben das Viertel, aber als unsere Tochter auf der Welt war, fanden wir Gràcia sehr anstrengend – zu eng, zu voll, zu laut. Hier in El Masnou haben wir den Strand vor der Tür und es ist viel entspannter.
Wir sind eben Gründer und unsere Köpfe sind permanent voller Ideen. Irgendwann hat man das Skillset, relativ schnell beurteilen zu können, ob aus einer Idee mehr werden kann. „OGNC“ ist eine Co-Consultancy bzw. Co-Creagency für „Entrepreneurial Consulting“, also ein Zusammenschluss aus freien Kreativen, Gründer*innen und Investor*innen, die alle schon mal erfolgreich Unternehmen aufgebaut haben. Wir schauen uns Start-ups an und unterstützen sie entweder operativ oder finanziell. Wir bringen den Start-ups einerseits Geld, andererseits Menschen mit Know-How, die ihnen weiterhelfen können.
Das erste Kundenprojekt mit „OGNC“ war die Migräne-App „M-sense“ in Berlin und mein letztes Investment ist ein Start-up aus Barcelona, „Oliva Health“, das dem Thema mentale Gesundheit gewidmet ist und Therapeuten digital vermittelt.
Parallel dazu habe ich „Boatim“ mitgegründet. „Boatim“ ist eine Plattform zum Kaufen, Verkaufen und Chartern von Booten, die erst Kunde von „OGNC“ war und bei der ich Lust hatte, einzusteigen. Ich wurde also Co-Gründer und war anderthalb Jahre lang CMO.
Wir sind eben Gründer und unsere Köpfe sind permanent voller Ideen.
Mich interessieren persönlich alle Start-up-Themen, die gesellschaftlichen Einfluss haben oder nehmen können, und Technologien entwickeln, die diesen Einfluss erst ermöglichen.
Sei es, den unfairen Gate-Keeper aus transaktionsbasierten Prozessen rauszunehmen, wie bei „Go—PopUp“ oder auch „Boatim“, um jenen Zugang zu etwas zu geben, die davor keinen Zugang hatten – oder diesen teuer bezahlen mussten –; aber auch alles rund um individuelle und persönliche Herausforderungen, wie beispielsweise – so relevant wie niemals zuvor – das Thema Burnout, und damit verbunden die Frage, wie wir morgen leben und arbeiten möchten.
Alles rund um Living, Working and Health ist im Moment wahnsinnig interessant für uns. So arbeite ich im Moment auch mit „Seqera Labs“ in Barcelona zusammen, die eine Open-Source-Lösung für Scientific Workflows in Lifescience und Healthcare entwickelt haben, die unter anderem auch von „BioNTech“ für die Entwicklung der Impfstoffe oder in der Krebsforschung verwendet wird und durch die „Chan Zuckerberg Initiative“ und mehrere VCs unterstützt wird.
Ich bin tatsächlich sehr umtriebig – die Welt ist einfach viel zu spannend, um sich nicht kreativ an ihr mit seinen eigenen Ideen zu beteiligen.
Mach‘ dir früh genug Gedanken ums Team, um Recruiting und deine Mission. Für welche Werte steht dein Unternehmen? Du musst dein Wertesystem definieren – das ist in der Frühphase der Gründung essentiell. Denn diese Werte sind wichtig, um dich mit Menschen zu connecten, die ein gleiches Wertesystem haben wie du und die später mit dir arbeiten werden. Es definiert, welche Menschen in dein Unternehmen kommen und wie dein Unternehmen agiert.
Ich mag das Feuer der Gründung. Worin ich ganz gut bin, sind Greenfield-Projekte: Angenommen, du kommst mit einer Idee auf mich zu; dann brauche ich eine Woche, connecte alle Punkte in meinem Kopf, mache ein Excel-Sheet und schaue, ob es sich lohnen würde, aus der Idee ein Start-up zu machen.
Wenn die Companies irgendwann so groß sind, dass es sehr viel operative Arbeit ist, mit vielen Mitarbeiter*innen, dann benötigt man andere, mehr spezifische Profile als mich. Dann wird es sehr prozesslastig, es entsteht Routine und als Gründer*in wirst du nicht mehr das machen, was du eigentlich machen wolltest. Deshalb auch hier nochmal sehr wichtig zu erwähnen, dass das Team absolut im Vordergrund stehen muss, denn jedes Unternehmen hat zu jeder Zeit der Gründungs- und Wachstumsphase unterschiedliche Bedürfnisse und Anforderungen, die man als Gründer*in kennen muss und dann entsprechend die richtigen Leute ins Team holen muss, die zur Phase passen.
Während ich einige Projekte umgesetzt habe, hat sich Karen eine Auszeit genommen, um sich ganz unserer Tochter Mila zu widmen. Das hatten wir gemeinsam zu vereinbart. Aber Karen tickt genauso wie ich und kann nie still stehen. Sie hat im letzten Jahr zusammen mit einer Illustratorin ein Buch zum Thema Schwangerschaft und Stillen herausgebracht, „Breastfeeding Around the World“, das sie über Crowdfunding finanziert haben. Das Buch möchte mit herrschenden Stigmata rund ums Stillen aufräumen.
Und gerade arbeiten Karen und ich gemeinsam an einem ganz neuen Projekt …
Du musst dein Wertesystem definieren – das ist in der Frühphase der Gründung essentiell.
Karen und ich starten gemeinsam mit weiteren Co-Gründer*innen „Circles House“, ein Co-Living-Konzept. Co-Living bedeutet – ähnlich wie beim Co-Working, wo sich Menschen ein Büro teilen – dass unterschiedliche Menschen sich ein Haus teilen und gemeinsam wohnen. Wie eine riesengroße WG, aber alles standardisiert. Ein bisschen wie das „Soho House“ für digitale Nomaden. Man zahlt einen Mitgliedsbeitrag und kann sich aussuchen, ob man im Haus in einer eigenen Wohnung oder einem eigenen Zimmer leben möchte. Das Interior-Design spielt eine große Rolle und ebenso das Gefühl, zu Hause zu sein. Drum herum soll es Events, Sportangebote und Möglichkeiten für Community und Austausch geben. Natürlich auch einen integrierten Co-Working-Space.
Als Mitglied wird man dann zwischen den „Circles“ Häusern in verschiedenen Ländern wechseln können. Wenn Du zum Beispiel in Berlin wohnst und Lust hast, für drei Monate nach Barcelona oder Miami zu gehen, dann schaust du, ob ein Mitglied in einem entsprechenden „Circles“ Haus mit dir tauschen will oder etwas frei ist – und dann kannst du unkompliziert für eine Weile umziehen. Du kannst natürlich auch die ganze Zeit im selben Haus wohnen, wenn du willst, aber die Idee ist eigentlich, ein digitales Nomadenleben zu vereinfachen.
Das Haus hier in Barcelona wird gerade gebaut und soll, wenn alles nach Plan läuft, noch Ende des Jahres eröffnen. Wir haben wahnsinnig viele Ideen für Services, Events und Produkte rund um „Circles“.
Nein, an unterschiedliche Altersgruppen. Ein Beispiel: Ich gehöre zu den Millennials, die jetzt 40 werden, die vielleicht Kinder haben und sich ein Haus auf dem Land wünschen, die um die Welt gereist sind und sentimental werden, wenn sie „Kings of Leon“ hören, weil sie das an wilde Zeiten erinnert … Wir sehnen uns nach Gemeinschaft und wollen eine Homebase, gleichzeitig möchten wir weiterhin unterwegs sein können und reisen. „Circles“ soll genau diese Mischung aus Bedürfnissen befriedigen.
Der Vibe hier ist einfach, dass sich alles nach vorne bewegt. Das ist wahnsinnig spannend!
Es gibt es hier ein großes, kreatives Umfeld. Barcelona ist eine sehr spannende „Smart City“, die schon vor Jahren so genannte „Superblocks“ angelegt hat, die Bewohnern mehr Lebensqualität bieten sollen, indem dort der Verkehr beruhigt wurde, damit zum Beispiel Kinder auf der Straße spielen können. Überall kannst du dir via App ein Fahrrad ausleihen oder andere smarte Angebote nutzen. Das Stadtviertel Poblenou sollte gezielt moderne internationale Unternehmen anziehen. Das alles – in Kombination mit dem guten Wetter und dem Strand vor der Tür – hat viele kreative Leute angezogen. Zudem ist es hier relativ leicht, sich selbstständig zu melden, indem Krankenversicherung und andere Absicherungen Teil davon sind.
Ich habe den Eindruck, dass die Themen Entrepreneurship und Start-ups hier geradezu omnipräsent sind. Und das spiegelt sich auch administrativ und institutionell wider.
Ich finde, der Vibe hier ist einfach, dass sich alles nach vorne bewegt. Das ist wahnsinnig spannend! Jeden Tag passiert hier etwas, es ist so bunt und kreativ.
Ganz ehrlich, das lässt sich so nicht direkt vergleichen. Deutschland hat auch seine Vorzüge, keine Frage, vor allem was finanzielle Förderungen angeht. Spanien bzw. Katalonien aber auch. Die Netzwerke hier sind leichter zugänglich, in den letzten Jahren wurde viel in “Social Capital” und die Start-up-Szene investiert, um Talente und Investor*innen aus aller Welt anzuziehen, aber auch, um das eigene, lokale Potential zu fördern. Man kann nur gemeinsam und voneinander lernen, daher sehe ich das lieber auf Augenhöhe und mache mir Gedanken, wie das beste aus beiden Welten in der Zukunft zusammenpassen kann und welchen Beitrag ich dazu auch hier leisten kann, beispielsweise eben mit „OGNC“.
Ich denke, ich bleib‘ hier. Oder zieh‘ dann mit unseren „Circles“ Häusern um die Welt. (lacht)
Vor einigen Jahren ist hier das „Netzwerk Deutschsprachige Nachwuchskräfte“, „NeDeNa„, entstanden, mit mittlerweile über 900 Mitgliedern aus der Wirtschaft, Start-up- und Kreativ-Szene in und rund um Barcelona. Wir treffen uns regelmäßig bzw. treffen uns bald wieder regelmäßig, um uns zu vernetzen und auszutauschen. Aber auch das „Barcelona Activa“, die „Barcelona Tech City“ oder die unheimlich vielen Co-Workings, Meetups und Events hier fördern den Austausch und den Eintritt in die Szene.
Layouts: Kaja Paradiek