Influencer*innen werden oft dafür kritisiert, zu wenig Haltung zu zeigen und keine Stellung in gesellschaftspolitischen Fragen zu beziehen. Marie Nasemann, die als Schauspielerin, Model und Fair Fashion Aktivistin unterwegs ist, kann man dies nicht vorwerfen: Nicht nur, dass die 30-Jährige einen Großteil ihres Wirkens in den Dienst der Nachhaltigkeit mit Fokus auf Green Fashion stellt, sie nutzt ihre Reichweite über ihr Blog „Fairknallt“ auch immer wieder für gesellschaftspolitische Statements. Denn, so Marie, wer schweigt, ist einverstanden. Und das ist sie keinesfalls. Wir besuchen Marie Nasemann in ihrer frisch bezogenen Altbauwohnung in einem Berliner Dachgeschoss. Schöne, alte Türen und unverputzte Wände wurden erhalten und mit viel modernem Glas ergänzt. Mit dabei ist „Love Beauty and Planet“, die neue vegane Beauty-Marke aus dem Hause Unilever mit hochwertigen natürlichen Inhaltsstoffen aus verantwortungsbewussten Quellen. Marie erzählt uns, warum ihr Herz für Nachhaltigkeit, Fair Fashion und natürliche Kosmetik schlägt und wie sie ihre Lebensweise nachhaltiger gestaltet.
Ein einschneidendes Erlebnis war der Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch 2013.
Marie Nasemann: Meine Liebe zur Mode war immer groß. Durch meine Teilnahme an „Germany’s Next Topmodel“ bin ich noch mehr in die Branche gerutscht. Ich war ein ziemlicher Shopaholic und mein schlechtes Gewissen, was immer wieder aufkam, habe ich einfach verdrängt. Ein einschneidendes Erlebnis war der Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch 2013. Es sind damals über 1000 Menschen ums Leben gekommen. Diese Nachricht hat mich schockiert. Aber die Katastrophe hat eine Reihe von Diskussionen angestoßen, ich erinnere mich an eine Sendung von Günther Jauch zum Thema „Auf wessen Kosten produzieren wir eigentlich Mode?“. Das hat mir die Augen geöffnet und ich wusste, ich will und muss etwas anders machen. Ich habe begonnen mich extrem zu reduzieren, der Umzug fürs Schauspielstudium nach Hamburg hat das begünstigt.
Ich bin immer weiter in das Thema Textilproduktion eingestiegen, also wo, wie und vor allem von wem produziert wird. Auf dem roten Teppich habe ich erstmal nur deutsche Designer*innen getragen und habe mich viel mit ihnen ausgetauscht. Durch die intensive Beschäftigung hatte ich irgendwann das Marken Know-how zusammen und Ahnung von Siegeln und Materialien. Es wäre schade gewesen, dieses Wissen mit niemandem teilen zu können, deshalb war die logische Konsequenz das Blog zu gründen. Vor drei Jahren war noch nicht abzusehen, ob man mit einem Blog über nachhaltige Mode Geld verdienen kann. Aber es gibt zum Glück immer mehr Marken und Unternehmen, die nachhaltig und fair produzieren und agieren. Das macht es mir möglich meiner Leidenschaft nachzugehen und trotzdem meine Miete bezahlen zu können.
Wir haben begrenzte Ressourcen und deshalb braucht es generell neue Kreislaufsysteme in der Mode.
Es wird mehr. Ich sehe fast jeden Tag neue Labels auf Instagram, natürlich auch international und nicht nur in Deutschland. Seit fünf Jahren bin ich auf der nachhaltigen Modemesse in Berlin unterwegs und bekomme die Stimmung der Marken mit. Viele Brands, die, die früher eher nischig waren, haben jetzt mehr Auswahl und größere Kollektionen. Und durch die größere Bandbreite wird es Konsument*innen einfacher gemacht, das zu finden, was sie suchen. Das ist eine tolle Entwicklung. Dennoch dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass der Fast Fashion-Konsum auf der anderen Seite immer stärker wächst. Wir haben begrenzte Ressourcen und deshalb braucht es generell neue Kreislaufsysteme in der Mode, wie zum Beispiel Recycling oder mehr Systeme zum Kleider Leihen.
Ich bin Fan des Vorreiterlabels „Armedangels“, da sie bezahlbar für die breite Masse faire und nachhaltige Mode anbieten. Das amerikanische Label „The Reformation“ produziert tolle Kleider für besondere Anlässe, was oft in der nachhaltigen Modewelt schwer zu finden ist. Aber ich trage auch gerne Kleidung von kleineren, deutschen Labels. Zum Beispiel „Jan’n’June“ aus Hamburg, die machen tolle, kombinierbare Basics und Mode im Businessbereich. „Julia Leifert“ designt schöne Hosenanzüge für den roten Teppich. „Filippa K“, „Lanius“, „Eco Alf“, „Souldaze Collection“ und „Underprotection“ sind ein paar weitere Brands, die ich viel trage.
Vor der Mode ging es bei mir mit der Ernährung los, ich kaufe Bioprodukte und verzichte seit neun Jahren, außer jetzt in der Schwangerschaft, auf Fleisch. Danach ging es mit Kosmetik weiter. Ich mistete mein ganzes Badezimmer aus und verabschiedete mich von einem Großteil meiner Produkte. Chemie und hormonverändernde Stoffe will ich verständlicherweise nicht auf meiner Haut haben. Mittlerweile betrifft das Umdenken alle Bereiche – gerade bin ich mit der Umstellung meiner elektronischen Haushaltsgeräte beschäftigt. Außerdem fahre ich mehr Fahrrad. Ich bin aber noch weit davon entfernt, perfekt zu sein. Zero Waste einzukaufen, gelingt mir aus Zeitgründen meistens und unterwegs vermeide ich Kaffeebecher sowie Plastikbesteck und -flaschen, indem ich mein eigenes Equipment dabei habe.
Auf jeden Fall. Ich würde gern in einem Unverpackt-Laden einkaufen, aber habe keinen in der Nähe. Und bei Wochenmärkten muss man sich natürlich an die Zeiten halten, das verchecke ich leider meistens oder habe gerade dann keine Zeit, um einkaufen zu gehen.
Wichtig ist, wo die Inhaltsstoffe herkommen und wie sie angebaut werden, nämlich auf Böden, die nicht durch Chemikalien zerstört werden.
Außer nachhaltiger Mode, Naturkosmetik und Biolebensmitteln, war mir der Wechsel zu Ökostrom wichtig und dass mein Geld bei einer nachhaltig agierenden Bank liegt. Das sind einfache Dinge, die man einmal umstellt und schon tut man eigentlich ständig ohne Aufwand etwas Gutes.
Im Bereich Kosmetik auf nachhaltige Produkte umzusteigen ist viel einfacher als in der Mode, weil es ein viel größeres Angebot gibt. Wie man am Label „Love Beauty and Planet“ gut sehen kann, ist dies auch kein Nischenthema mehr. Ich benutze nur noch natürliche Produkte, die sowohl für die Haut als auch die Haare gut sind. Wichtig ist, wo die Inhaltsstoffe herkommen und wie sie angebaut werden, nämlich auf Böden, die nicht durch Chemikalien zerstört werden.
Besonders was Körper- und Haarpflege betrifft, ist es mir wichtig, nur auf natürliche Inhaltsstoffe zurückzugreifen.
Man findet vielleicht nicht unbedingt einen Lippenstift, der 48 Stunden lang hält – allerdings habe ich noch nie verstanden, wofür man das braucht (lacht). Ich mag es sowieso gern etwas natürlicher. Für den roten Teppich benutze ich ausschließlich Naturkosmetik und habe wirklich gar nicht das Gefühl, dass ich irgendwelche Kompromisse eingehen muss. Und besonders was Körper- und Haarpflege betrifft, ist es mir wichtig, nur auf natürliche Inhaltsstoffe zurückzugreifen. Mein Körper und die Umwelt freuen sich in gleichem Maße und ich erziele gleiche, wenn nicht sogar bessere Ergebnisse als mit herkömmlichen Produkten.
Ich versuche viele Menschen für meine Themen zu begeistern und anzustecken – aber nie mit erhobenem Zeigefinger. Ich probiere Dingen, für die ich keine Verwendung mehr habe, ein zweites Leben zu geben. Zum Beispiel verkaufe ich Klamotten auf dem Flohmarkt und freue mich, wenn jemand Fremdes in meinem alten Pullover ein neues Lieblingsstück gefunden hat. Auch Einrichtungsgegenstände oder andere Gegenstände landen nicht auf dem Sperrmüll, sondern in Kleinanzeigen oder werden an Freund*innen verschenkt.
Ich bin froh, hauptsächlich in Deutschland arbeiten zu können, da kann man alles gut mit dem Zug erreichen.
Ja, aber ich fliege immer weniger. Dieses Jahr waren es 13 Flüge, darunter war kein Langstreckenflug. Das klingt erstmal viel, aber wenn ich mir überlege, dass ich früher Frequent Traveller werden wollte … (lacht) Davon bin ich mittlerweile sehr weit entfernt. Bis zum Sommer hatte ich noch ein Theater-Engagement in Karlsruhe und bin manchmal bis zu viermal die Woche sechseinhalb Stunden Zug gefahren. Ich wollte das Fliegen vermeiden, aber klar, so eine lange Reise kostet schon Energie. Ich bin froh, hauptsächlich in Deutschland arbeiten zu können, da kann man alles gut mit dem Zug erreichen. Aber 11 Stunden von Berlin nach London mit der Bahn zum Beispiel und dazu noch schwanger, das geht halt gerade nicht. Wenn ich fliege, kompensiere ich über „Atmosfair“, das stillt zumindest ein bisschen das schlechte Gewissen.
Eine Zeit lang habe ich gedacht: „Du kannst nicht Model und Schauspielerin und Moderatorin sein, du musst dich festlegen!“ Ich glaubte lange Zeit, es sei ein Manko, nicht diesen einen Bereich zu haben, in dem ich ein Profi bin. Inzwischen sehe ich das anders und finde die Abwechslung in meinem Job total schön. Ich spiele zum Beispiel mal viel Theater, dann betreue ich meinen Blog wieder intensiver, zwischendurch kommen Model Jobs rein und vielleicht noch ein Filmdreh. Es ist sehr abwechslungsreich!
Es kristallisiert sich allerdings heraus, dass das Nachhaltigkeitsthema mein Hauptthema wird und mehr Jobs damit zusammenhängen. Das finde ich schön, weil es in einen wissenschaftlichen Bereich geht, in dem ich mich inzwischen super auskenne. Da ich ja auch nicht studiert habe, sondern „nur“ eine Schauspielausbildung, fehlte mir das manchmal. Es gibt mir ein gutes Selbstbewusstsein, in diesem Bereich ein Profi zu sein. Das möchte ich auch weitergeben: Spezialisiert euch, dann kann euch keiner was sagen! Oft wurde ich oder mein Wissen, meine Intelligenz in meinem Leben von älteren Männern, aber auch Frauen kleingeredet. Jetzt weiß ich mich zu wehren.
Ich dachte lange Zeit, dass man sich nicht äußern sollte, wenn man nicht jeden Tag die Zeitung liest und immer top informiert ist. Das ist natürlich Quatsch. Wir haben als Influencer*innen eine sehr große Reichweite und gerade in Zeiten, in denen es politisch so auseinander driftet und eine demokratiefeindliche Partei so eine Macht hat, muss man sich einfach positionieren. Wer schweigt, ist einverstanden mit der Situation und das bin ich keinesfalls. Ich verstehe auch, wenn sich jemand nicht traut und Angst hat, etwas Falsches zu sagen, aber ich sehe es als meine Pflicht. Weil ich glaube, dass ich es irgendwann bereuen werde, wenn ich meine Stimme nicht genutzt habe. Außerdem wäre immer nur mein Gesicht zu zeigen, auf Dauer für mich selbst sehr langweilig. (lacht)
Ich habe inzwischen ein viel größeres Selbstbewusstsein und den Mut, zu sagen, was ich denke.
Jede Woche sieht anders aus. Mir ist es wichtig, nicht zu spät aufzustehen. Dann beantworte ich am liebsten erstmal meine Mails und bleibe oft sehr lange vor dem Computer. Aber es gibt auch Tage, da stehe ich zwölf Stunden vor der Kamera. Viele haben ja Angst vor der Freiberuflichkeit, vielleicht aus der Sorge heraus, sich allein nicht motivieren zu können. Mir hat es an Motivation tatsächlich nie gemangelt. Und seit ich das Blog mit dem Themenfokus mache, weiß ich jeden Tag, wofür es sich zu arbeiten lohnt. Ich versuche meinem Alltag durch andere Routinen eine Struktur zu geben, zum Beispiel, indem ich zweimal die Woche zum Yoga gehe oder indem ich die Abende mit meinem Freund verbringe und nicht mehr parallel auf mein Handy gucke und Mails checke.
Ich saß noch nie so auf so vielen Panels und Talk-Sendungen wie dieses Jahr. Zum Beispiel war ich zu Gast bei Markus Lanz, der plötzlich eine Diskussion über die Oberflächlichkeit und den fehlenden Feminismus auf Instagram lostritt. Beides konnte ich natürlich nicht unterschreiben.
Mich davon nicht einschüchtern zu lassen und Konter geben zu können, darauf war ich in diesem Jahr besonders stolz. Ich habe inzwischen ein viel größeres Selbstbewusstsein und den Mut, zu sagen, was ich denke. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass ich dieses Jahr 30 geworden bin. (lacht)
Layout: Kaja Paradiek
– Werbung: Diese Story ist in Zusammenarbeit mit Love Beauty and Planet entstanden –
3 Kommentare
Hallo liebes femtastics-Team,
vielen Dank für diesen tollen Bericht. Ich lese eure Homestories immer sehr gerne!
Ich habe nur eine Frage, könnt ihr mir sagen, woher das Sideboard in Marie Nasemanns Wohnzimmer ist?
Vielen Dank und viele Grüße
Alina