Slow Riding: Maggie Haselwanter reist mit dem Mofa um die Welt

Einmal mit dem Mofa einen Roadtrip durch Italien machen und zwischendurch Pasta essen, das war Maggie Haselwanters (39) ursprünglicher Traum. Aber es kam anders. Schuld daran war ein „Tinder“-Date, bei dem es zwar nicht gefunkt hatte, das ihr dafür aber den Weg zu einem viel größeren Abenteuer ebnete: Eine Weltreise. Auf ihrem Reise-Mofa namens „Sunny“ ging die Österreicherin 2019 im Auftrag eines Schweizer Mofa-Onlineshops allein auf große Tour rund um die Welt und berichtete auf Weblogs, Social-Media-Kanälen und in Reiseführern über ihre abenteuerliche und sehr langsame Reiseart des Slow Riding. Mit einer Fahrgeschwindigkeit von nicht mehr als 25 km/h fuhr sie über Berge und durch Täler und setzte damit ein Zeichen: In einer Zeit, in der wir von Hektik, Schnelllebigkeit und Stress geprägt sind, geht es beim Slow Riding um nachhaltige Entschleunigung, bewusstes Erleben und den Luxus des langsamen Reisens.

Die Österreicherin Maggie Haselwanter machte sich 2019 mit ihrem Mofa auf den Weg.

Slow Riding ist eine ganz bewusste Gegenströmung zur schnelllebigen Zeit und beinhaltet langsam zu reisen, langsam zu leben und vor allem bewusst zu leben.

Maggie unterwegs in der Türkei mit ihrem Reise-Mofa „Sunny“.

femtastics: Bevor die Pandemie kam, warst du mit dem Mofa 1,5 Jahren auf Reisen. Was ist Slow Riding für dich?

Maggie Haselwanter: Da Mofas nur 25 km/h schnell fahren, ist man mit ihnen sehr langsam unterwegs. Das heißt es eigentlich. Aber es bedeutet sehr viel mehr als nur Langsamkeit. Es ist eine ganz bewusste Gegenströmung zur schnelllebigen Zeit und beinhaltet langsam zu reisen, langsam zu leben und vor allem bewusst zu leben. Ich fahre auch Motorrad und das ist das komplette Gegenteil, weil es mir beim Motorradfahren um die Geschwindigkeit, die Kraft der Maschine und das Adrenalin im Körper geht. Beim Slow Riding hast du nichts von alle dem, dafür aber Zeit, die Gegend bewusst wahrzunehmen und sie dir anzuschauen. Dadurch merkst du, dass du eins mit der Natur wirst.

Wie kam es zu der Idee im Slow-Tempo auf dem Mofa um die Welt zu reisen?

Ich war 2018 mit meinem Papa auf einem Mofa-Marathon im Ötztal in Österreich, bei dem sich bis zu 3.500 Mopedfahrer*innen treffen. Abends dachte ich mir: „Hey, hier sind knapp 3.000 Männer. Vielleicht sollte ich bei „Tinder“ nachschauen, ob hier jemand Nettes dabei ist.“ Dadurch habe ich Chris getindert, der wie sich herausstellte der Marketing-Chef des Unternehmens „Mofakult“ war. Es hat zwischen uns zwar nicht gefunkt, aber einige Monate später rief er mich an und fragte, ob ich ihm und seiner Firma nicht eine Stadttour durch Innsbruck geben möchte. Das tat ich gern. Beim Kaffee und Kuchen habe ich den Jungs beiläufig von meinem Plan erzählt, im Sommer 2019 mit dem Mofa von Innsbruck nach Sizilien zu fahren. Am nächsten Tag erzählten sie mir von ihrem geplanten Projekt und sagten: „Wir wollen jemanden mit dem Mofa um die Welt schicken – und diejenige bist du!“ Ich habe sofort gespürt: Ich will das machen!

Die erste Panne kam, als ich im Nirgendwo in den Alpen war.

War eine Weltreise schon immer ein Traum, den du dir erfüllen wolltest?

Nein, eigentlich wollte ich nur einen Roadtrip durch Italien machen und dort zwischendurch leckere Pasta essen und das Leben genießen. Weiter hatte ich nicht gedacht und mir ehrlich gesagt auch nicht zugetraut. Ich wusste schließlich nur, wie man Motorrad oder Mofa fährt, nicht aber wie man zum Beispiel auch ein Moped repariert.

Und wie hast du dieses Problem für dich gelöst?

Ich habe mir das Reparieren eines Mofas beibringen lassen. Zumindest das, was am meisten kaputt geht, wie Bremsen, Kupplungskabel oder Reifen – eben diese ganzen Verschleißteile, die ich selbst austauschen könnte. Das war auch gut, denn die erste Panne kam, als ich im Nirgendwo in den Alpen war.

Links: Maggie in Artvin Atatepe, Türkei.

Das muss eine echte Zerreißprobe für dich gewesen sein …

Ja, war es auch. Es war Urlaubszeit in Italien und weit und breit war kein Mensch auf der Straße zu sehen. Dort ist mir dann die Kette gerissen. Im ersten Moment war ich vollkommen überfordert und hatte Panik. Aber dann habe ich tief durchgeatmet mir gesagt: „Beruhige dich. Du weißt wie es geht und du probierst es jetzt einfach“. Glücklicherweise kam dann doch noch ein anderer Motorradfahrer, der mithelfen konnte, sodass „Sunny“ in Kürze wieder fahrtüchtig war.

Das war noch zu Beginn deiner Reise. Wie haben die Leute dort auf dich reagiert?

(Lacht) Das war teilweise unglaublich. Ich bin auf dem Weg vielen Gleichgesinnten begegnet, das war wirklich toll. Aber in Italien war ich zeitweise ein echtes Fotospektakel. Manchmal hielten sie mich sogar extra an, um mit mir ein Foto zu machen. Das war schon sehr lustig. Ich habe dort viele freundliche und hilfsbereite Menschen kennenlernen dürfen.

Dadurch, dass ich einfach meinen Traum und den vieler Menschen lebte, war ich allein deswegen schon eine Inspiration dafür, was alles möglich ist.

Insgesamt warst du eineinhalb Jahre auf Tour. Ein halbes Jahr lang hast du dich auf die Reise vorbereitet. Wie hast du das alles finanzieren können?

Ich hatte das Glück, dass ich für die Reise ein monatliches Gehalt von „Mofakult“ gezahlt bekommen habe. Ich musste mir darum also keine Sorgen machen und eigentlich nur fahren und mich selbst und meine Unterkünfte organisieren. Niemals hätte ich es vorher für möglich gehalten, um die Welt zu reisen und dafür auch noch bezahlt zu werden.

Dann kam 2020 Corona und du musstest drei Monate unfreiwillig in der Türkei pausieren. Wie war das für dich?

Das war am Anfang komisch, da ich zuvor mit der Schweiz, Italien, Albanien, Mazedonien und Griechenland fünf verschiedene Länder bereist hatte, schon knapp ein Jahr unterwegs war und mich mittlerweile daran gewöhnt hatte, immer weiterzureisen. Aber ich merkte, dass mir diese Auszeit guttat, um mich zu erholen. Jeden Tag unterwegs zu sein und mich um alles zu kümmern, wie Unterkunft organisieren, Klamotten packen, Social Media-Beiträge und Videos erstellen, schlauchten sehr. Daher konnte ich in diesen drei Monaten meine Batterien neu aufladen und dann voll Power wieder losfahren als es weitergehen durfte.

Allerdings kam ich trotzdem nicht weit, weil die Grenzen zum Iran und nach Georgien weiterhin geschlossen blieben. Von da an ist es mühsam geworden, weshalb ich auch nach Hause geflogen bin. Als ich einige Wochen später zurückkam und es in der Türkei schon recht kalt war, ich trotzdem nicht weiterfahren konnte, haben wir das Projekt dann leider abgebrochen.

Welche Idee steckte hinter diesem Projekt dich auf Weltreise zu schicken?

Es ging nicht um Verkaufszahlen. Es ging darum zu inspirieren und vielleicht auch die Leute zu motivieren, ihre Träume und Wünsche anzugehen. Viele Menschen träumen von einer Weltreise auf dem Motorrad, aber keine*r tut es aus den verschiedensten Gründen. Für „Mofakult“ war es wichtig, dass es wenigstens eine*r tut und dem Rest davon berichtet. Das fand ich total idealistisch und hat mir auf Anhieb gefallen, sodass ich sofort zugesagt habe.

Und konntest du Menschen inspirieren?

(Lacht) Ich weiß noch, wie ich mich anfangs gefragt habe: „Wie soll ich das denn machen?“ Aber es dauerte nicht lange und ich stellte fest, dass meine Reise und die Art und Weise wie ich sie über Social Media dokumentiert habe, schon ausreichten. Oder wenn Kinder, Frauen* oder Männer* mich auf der Straße sahen und verstanden, dass ich eine Frau* bin, dauerte es nicht lange und sie beklatschten mich oder jubelten mir zu. Dadurch, dass ich einfach meinen Traum und den vieler Menschen lebte, war ich allein deswegen schon eine Inspiration dafür, was alles möglich ist. Besonders für Mädchen* und Frauen*, für die in vielen Ländern eine Weltreise nicht üblich oder möglich ist.

Die besten Geschichten entstehen, wenn man trotz Angst bewusst die Entscheidung trifft: Ich mache es trotzdem!

Traumhafte Straße durch Tatvan, Türkei.

Gab es einen Moment, der dich besonders berührt hat?

Ja. Ich bin durch eine Bekannte in Athen in eine Schule eingeladen worden, wo ich in einer Abiturient*innen-Klasse einen Vortrag über meinen weniger konventionellen Werdegang und meine Reise halten sollte. Das Ziel dieses Vortrags war, den Schüler*innen zu zeigen, dass es möglich ist den eigenen Weg zu gehen. Selbst wenn es völlig absurd klingt oder die Familie dagegen ist. Ich stellte ihnen die Frage, welche Geschichten sie gern ihren Enkelkindern von sich erzählen möchten, wenn sie 86 Jahre alt sind. Damit wollte ich ihnen vermitteln, dass man nie die Hoffnung aufgeben soll und viele Neins am Ende doch zu einem Ja führen. Am Ende waren sie dann so motiviert, dass sie mit mir ihre Träume teilten. Das war ein tolles Erlebnis.

Permanent mit sich allein zu sein, war die totale Konfrontation mit mir selbst in meinen schönsten und schlimmsten Facetten.

Spielt Angst bei dir eigentlich gar keine Rolle?

Klar, immer! Die Angst ist mein ständiger Begleiter. Jedes Mal, wenn ich wieder kurz davor bin ins Ausland zu gehen und mein gewohntes Umfeld zu verlassen, habe und hatte ich Angst. Ich weiß mittlerweile, dass das einfach zu jedem Abenteuer dazugehört. Denn die besten Geschichten entstehen erst dann, wenn man trotz Angst bewusst die Entscheidung trifft: „Ich mache es trotzdem!“

Inwiefern hat die Reise auch dir selbst etwas gebracht?

Ich habe dadurch viel näher zu mir selbst gefunden. Permanent mit sich allein zu sein, war die totale Konfrontation mit mir selbst in meinen schönsten und schlimmsten Facetten. Und es hat mich letztlich näher zum Menschen gebracht. Ich begegne ihnen auf einer viel tieferen Ebene als früher. Das ist auch der Grund, weshalb ich mittlerweile eine Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin mache.

Am Anfang der Reise fehlte mir der Selbstkontakt, am Ende das Teilen. Mir fehlte ein Begleiter.

Auch wenn du mit deiner Weltreise den Traum vieler Menschen gelebt hast: Gab es etwas, was dir auf deiner Tour fehlte?

Oh ja, das gab es. Am Anfang der Reise fehlte mir der Selbstkontakt, am Ende das Teilen. Mir fehlte ein*e Begleiter*in. Jemand, mit dem ich all die schönen und auch schwierigen Moment sowie die vielen Eindrücke hätte gemeinsam erleben können. Ich habe es zwar durch meine Social Media-Beiträge versucht zu teilen, aber es war nicht das Gleiche als wenn jemand dabei gewesen wäre. Und mir fehlte letzten Endes auch eine helfende Hand, damit nicht alles an mir selbst hängen blieb. Wie oft dachte ich mir: „Zu zweit geht es so viel leichter“. Das war rückblickend das Anstrengendste.

Was hat dich während deiner Reise nachhaltig überrascht?

Die Freundlichkeit der Menschen, davon war ich am meisten überrascht. Besonders in Ländern wie der Türkei oder Albanien. Das waren die freundlichsten und nettesten Menschen, die mich dort aufgenommen haben. Teilweise waren sie so freundlich zu mir, dass ich ab und an das Gefühl hatte, es fast nicht auszuhalten (lacht). In der Türkei hatte ich eine Panne und stand am Straßenrand. Es war, als hätten sie auf mich gewartet, so schnell waren Leute da, um mir zu helfen. Und wenn ich dort eine Pause gemacht habe, wurde mir sofort Tee und Kuchen angeboten. Ich war völlig überrascht von der Herzlichkeit in diesen Ländern, da in den Medien oft negativ berichtet wird. Dass ich dieses totale Gegenteil erleben durfte, das war für mich das Schönste an der Reise.

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Bist du stolz auf dich, dass du die Reise angetreten bist?

Ja, unbedingt. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich es gemacht habe und mein Bestes gegeben habe. Wenn ich alt bin, kann ich davon auf jeden Fall meinen Enkelkindern erzählen (lacht). Aber ich bin auch stolz darauf, weil ich durch meine Reise viele Herzen berührt habe. Ich habe viel Feedback von Menschen bekommen, die mir schrieben, dass sie durch meine Tour ihr Leben verändert haben und dabei sind ihre Träume anzugehen. Ich bin unglaublich dankbar erfahren zu haben, dass durch mein eigenes Tun sich das Gute auf der Welt multiplizierte.

Was hat dich deine Reise für immer gelehrt?

Dass alles möglich ist. Aber wichtiger noch: Schritt für Schritt zu gehen, um dein Ziel zu erreichen. Am Anfang der Tour kamen mir Zweifel und ich fragte mich, wie soll ich es bloß schaffen bis nach Neuseeland zu kommen? Als ich dann unterwegs war und erst Italien, dann Albanien, dann die Türkei erreichte, dachte ich mir: „Ach schau an. So geht das also“. Alles ist möglich. Aber denke nicht zu weit voraus, sondern gehe immer Schritt für Schritt. Dann ist es machbar anstatt überfordernd oder beängstigend.

Auf deinem eigenen Weg triffst du immer Gleichgesinnte.

Das plötzliche Ende deiner Tour ist nun mittlerweile eineinhalb Jahre her. Was tust du heute?

Ich habe mir ein Wohnmobil zugelegt, weil ich nicht zurück in eine Wohnung in einer Stadt wollte, aber auch nicht so recht wusste, wohin ich will. Ich bin aktuell noch in der Phase, in der ich für mich herausfinden will, wo und wie ich mein Leben leben will. Was ich auf jeden Fall weiß, ist, dass ich mit Menschen arbeiten möchte, weshalb ich nebenher eine Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin mache. Ursprünglich komme ich aus der Film- und Werbebranche, aber das will ich nicht mehr ausüben. Und ich will nicht mehr allein sein, weshalb ich so etwas wie eine Wohngemeinschaft auf einem Bauernhof oder Ähnliches suche. Ich bin zuversichtlich, dass sich etwas Tolles ergeben wird. Denn auf deinem eigenen Weg triffst du immer Gleichgesinnte.

Absolut! Vielen Dank für das schöne Gespräch, liebe Maggie!

Hier findet ihr Maggie Haselwanter:

Fotos: Maggie Haselwanter

Interview: Rowena Hinzmann

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