Zwei zweifache Väter, Frust beim Möbelkauf und der Wunsch, die Welt ein kleines Stück besser zu machen: Das sind die Zutaten von „Bekind“. Die Marke steht für Kindermöbel, die ein Leben lang halten, die fair produziert sind – und die auch die Designherzen von Eltern höher schlagen lassen. Wir sprechen mit Co-Gründer Philip Dabrowski (35) darüber, wie er zusammen mit Lars Theenhaus (41) die Idee für eine neue Möbelkultur entwickelt hat, welche Probleme er bei „Wegwerfmöbeln“ fürs Kinderzimmer sieht und wie aus dem Unternehmensberater und dem Innenarchitekten ein Gründerduo geworden ist. Außerdem spricht der Wahl-Münsteraner offen darüber, warum ein Crowdfunding scheiterte und wie es sich anfühlt, mitten in der Corona-Krise ein nachhaltiges Unternehmen großzuziehen.
Die Basis für „Bekind“ war der Wendehocker, den es schon seit Jahrzehnten gibt, der aber in der Regel keinen gehobenen Designansprüchen genügt.
Philip Dabrowski: Die ganze große Idee von Lars und mir ist es, eine nachhaltigere Möbelkultur zu etablieren. Auslöser dafür war die Geburt unserer Kinder. Wir haben unabhängig von einander festgestellt, wie schwierig es ist, vernünftige Möbel fürs Kinderzimmer zu finden. Es gibt in diesem Segment so viele Wegwerfmöbel – in dem Sinne, dass sie aus minderwertigen Materialien bestehen, klapprig oder wacklig sind, schnell kaputtgehen. Außerdem sind sie oft nur für eine sehr begrenzte Altersspanne nutzbar, weil sie nicht mitwachsen oder für verschiedene Zwecke nutzbar sind. Und wenn Möbel in diesem Sinne funktional sind, sind sie in der Regel ziemlich hässlich.
Lars ist Schreiner, der konnte sich relativ gut helfen, indem er Dinge angefertigt oder umgebaut hat. Als meine Tochter geboren wurde und ich Möbel suchte, habe ich Lars gefragt, wo ich etwas Gutes finde und er sagte: „Da gibt es irgendwie nichts.“. Dann haben wir angefangen, darüber nachzudenken, ob man das nicht anders oder besser machen könnte.
Erst einmal ist für uns der Nachhaltigkeits- und Ganzheitlichkeitsgedanke wichtig – es sollen alle etwas davon haben. Es kann in unseren Augen nicht sein, dass eine Partei auf Kosten einer anderen profitiert. Außerdem haben wir durch unsere Kinder erlebt, dass sie natürlich nicht die meiste Zeit im Kinderzimmer verbringen, sondern im Wohnzimmer, in der Küche – überall dort, wo die Eltern sind. Deshalb ist uns wichtig, dass das Design der Möbel auch Erwachsene anspricht, auch wenn es natürlich in erster Linie um die Kinder geht. Basis für „Bekind“ war der Wendehocker, den es schon seit Jahrzehnten gibt, der aber in der Regel keinen gehobenen Designansprüchen genügt.
Er zeichnet sich im Prinzip dadurch aus, dass man durch Drehung unterschiedliche Sitzhöhen erreicht. Unser Hocker ist würfelförmig, die Sitzbank ist nicht genau in der Mitte, sondern asymmetrisch versetzt. In einer Aufstellung hat man eine niedrige Sitzhöhe, später sitzen die Kinder etwas oberhalb der Mitte. Und wenn man ihn kippt, können größere Kinder oder Erwachsene drauf sitzen – oder auch schon kleine, das macht ja jedes Kind so wie es möchte.
Ja, das war uns auch ganz wichtig, dass der Hocker sicher steht. Er ist sehr massiv, viele Kindermöbel sind sehr klapprig, dazu sind unsere Möbel der Gegenentwurf. Der Hocker ist ziemlich schwer, da sind manche Leute erst einmal skeptisch, aber das ist aus unserer Sicht total sinnvoll: Die Kinder klettern darauf und sollen nicht umfallen. Wir wollen auch nicht, dass die ganz Kleinen den Hocker durch die Gegend tragen und ihn irgendwo drauf stellen, wo er kippelt. Man kann die Hocker aber durch angeschrägte Kanten relativ leicht ziehen. Zusätzlich zum Hocker gibt es noch eine Bank, die doppelt so breit ist und auch als Tisch funktioniert.
Es gab viele Kneipenabende mit Skizzen auf Notizzetteln und Bierdeckeln – wie man sich Unternehmertumromatik vorstellt.
Ich war ursprünglich Unternehmensberater, dann habe ich parallel dazu „Team Escape“, ein Escape-Room-Unternehmen, mit zwei Kumpels aufgebaut, später bin ich in die komplette Selbstständigkeit gegangen. Mit Lars war ich sehr gut befreundet und wir haben immer schon darüber gesprochen, dass wir etwas zusammen machen wollen. Lars ist studierter Innenarchitekt und ich habe in seiner Schreinerei wahnsinnig großes Potenzial gesehen, aber ihm fehlte etwas die wirtschaftliche und organisatorische Komponente. Er wollte, dass jemand mit einem anderen Blickwinkel und anderem Know-How dabei ist, als gleichberechtigter Partner mit 50 Prozent der Anteile.
Noch nicht direkt. Als wir das erste Mal darüber sprachen, fand ich die Idee super, hatte aber keine Zeit und kein Kapital dafür. Nach der Geburt meiner Tochter haben meine Frau und ich beschlossen, von Köln zurück in die alte Heimat Münster zu ziehen. Also habe ich die Wohnung in Köln verkauft und einen Teil des Erlöses genutzt, um mich bei Lars einzukaufen. Ich habe zu ihm gesagt: „Jetzt habe ich genug Geld und Zeit, lass uns darüber sprechen.“. Es gab viele Kneipenabende mit Skizzen auf Notizzetteln und Bierdeckeln – wie man sich Unternehmertumromatik vorstellt. Irgendwann folgten natürlich Excel-Tabellen und wir haben gesagt: „Das ist super, lass es uns machen!“.
Wir haben uns von „Kickstarter“ recht viel versprochen. Wir hatten auf eine gewisse Viralität gehofft, aber die hat sich nicht eingestellt.
Ich bin 2019 bei Lars eingestiegen und wir haben meinen Anteil als Projektbudget ausgerufen. Damit haben wir angefangen, Prototypen zu entwickeln und zu bauen. Markenstrategie aufstellen, Website gestalten, Logistikkonzept entwickeln – nach und nach haben wir alles aufgebaut. Im Sommer 2020 sind wir an den Start gegangen, was vom Timing her dank Corona natürlich so mittelmäßig war. Aber wir waren mitten im Prozess, das ließ sich nicht verschieben.
Ja, wir haben uns von „Kickstarter“ recht viel versprochen. Wie vermutlich viele Gründer*innen dachten wir, es könnte eine Abkürzung sein. Uns war klar, dass es wichtig sein wird, eine große Reichweite aufzubauen. Wir hatten auf eine gewisse Viralität gehofft, aber die hat sich nicht eingestellt. Da kann natürlich Corona eine Rolle gespielt haben, die Leute hatten andere Sorgen und nicht so viel gedankliche Kapazität für eine neue Möbelmarke mit Nachhaltigkeitsfokus. Ich glaube auch, dass wir das Marketingthema unterschätzt haben. Wir dachten, es könnte funktionieren, wenn wir eine gute Idee haben und sie gut kommunizieren – aber da braucht es wohl eine massive Marketingkampagne.
Unser Ziel waren 20.000 Euro, wir haben aber nur 10.000 bekommen. Es war relativ schnell absehbar, dass es nicht erfolgreich ist. Wir haben eingesehen, dass wir nicht die Abkürzung gehen können, dass wir den längeren und mühseligeren, aber vermutlich auch nachhaltigeren Weg gehen müssen. Wir sind relativ schnell mit unserem eigenen Onlineshop an den Start gegangen und haben daran gearbeitet, „Bekind“ Schritt für Schritt bekannter zu machen. Anfang August 2020 waren die ersten Möbel im Shop.
Die Resonanz von den Menschen, die unsere Möbel in die Hände bekommen, ist sensationell gut. Wir bekommen super Feedback und die Leute bedanken sich überschwänglich – aber es sind noch nicht genug Menschen, die unsere Möbel kaufen. Daran arbeiten wir jetzt. Es ist noch einiges zu tun, um unsere Marke bekannter zu machen, aber ich bin mir relativ sicher, wenn das gelingt und immer mehr Leute von uns erfahren, dass es sich dann gut entwickelt.
Meiner Einschätzung nach konnten vom Lockdown vor allem etablierte Onlinehändler und Marktplätze profitieren. In der Situation standen die Menschen allgemein vor so vielen neuen Herausforderungen und Fragen, sie wurden vor so viele Unsicherheiten gestellt, dass sie meiner Meinung nach in anderen Bereichen eher auf Bewährtes zurückgreifen wollten. Man hatte keine Lust, sich mit anderen neuen Dingen zu beschäftigen – zumindest, wenn sie nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den omnipräsenten Corona-Problemen standen.
Es ist natürlich teurer als bei einigen sehr bekannten Anbietern von Möbelbausätzen, aber einen nachhaltigen und fair produzierten Hocker aus hochwertigem Material für 39 Euro anzubieten, das ist einfach nicht möglich. Bei uns macht allein das Material mehr als die Hälfte des Verkaufspreises aus. Wenn wir unseren 195-Euro-Hocker in einer optimierten Produktion mit entsprechend hohen Stückzahlen herstellen, kostet er 120 Euro in der Produktion. Da ist noch kein Marketing enthalten, keine Rücklagen für unsere Geschäftsentwicklung, nichts von unseren ohnehin noch nicht hohen Gehaltskosten.
Nein, auch bei den in der Wahrnehmung zunächst hohen Preisen bleibt nicht viel übrig. Deshalb haben wir auch keinen großen Spielraum für Kooperationen oder Angebote. In Möbelhäusern gibt es oft 40 oder 60 Prozent auf alles – da würden wir allein für das Material schon draufzahlen. Die Preiswahrnehmung vieler Leute ist geprägt durch solche Angebote, aber da muss einem klar sein: Das kann kein vernünftiges und zertifiziertes Material sein, der kann nicht von fair bezahlten Arbeiter*innen hergestellt werden. Die Kund*innen profitieren auf Kosten der Umwelt, der Handwerker*innen und der Gesellschaft.
Die Kriterien, die man häufig zuerst damit in Verbindung bringt, sind aus unserer Sicht gar nicht die ganz zentralen Punkte. Natürlich ist es uns wichtig, kein wildgeschlagenes Holz und kein Raubbauholz zu verwenden. Unser Holz kommt aus der Nähe, überwiegend aus dem Sauerland und dem Spessart. Wir produzieren nur in Köln in der eigenen Werkstatt mit angestellten Schreinergesell*innen und Lehrlingen. Hier wird nichts durch die Weltgeschichte geschifft und es sind auch keine kambodschanischen Kinder beteiligt.
Das sind die Grundvoraussetzungen – aber wir sind der Meinung, dass die unbegrenzte Nutzungsdauer das zentrale Nachhaltigkeitskriterium ist. Das stellt sicher, dass der Ressourceneinsatz gerechtfertigt ist. Dazu sind Wegwerfmöbel das wesentliche Gegenbeispiel: Wenn es nach drei, vier oder fünf Jahren auf den Müll fliegt, dann sind die Ressourcen deutlich weniger sinnvoll eingesetzt als wenn es ein Leben lang hält. Wir können natürlich nicht sicherstellen, dass es jede*r auch so nutzt, aber so ist es angelegt.
Genau, der Hocker steht erst im Kinderzimmer, später kann er genauso gut ein Beistelltisch im Schlafzimmer oder Wohnzimmer sein. Im Idealfall kann man ihn ein Leben lang mitnehmen und später noch vererben. Um das zu unterstützen, haben wir die Möbel mit einer lebenslangen Garantie ausgestattet. Die greift natürlich nicht, wenn man den Hocker stundenlang ins Plantschbecken stellt. (lacht) Aber wenn man ihn so verwendet wie man es soll, dann garantieren wir lebenslang.
Uns hat es sehr geholfen, dass wir so richtig hinter unserer Idee stehen und mehr als nur wirtschaftlichen Erfolg damit bezwecken wollen.
Uns hat es sehr geholfen, dass wir so richtig hinter unserer Idee stehen und mehr als nur wirtschaftlichen Erfolg damit bezwecken wollen. Ich selbst habe noch nie an einem Projekt gearbeitet, das von der ganzen Idee her so rund ist, bei dem kein einziger Zweifel dabei ist, kein Bereich, bei dem ich sage: „Ist nicht richtig gut, aber wir machen das jetzt so.“ Wenn man komplett daran glaubt und alles irgendwie schlüssig ist, wenn ganz klar ist, was zu tun ist und was nicht, dann hilft es einem auch in einer Zeit, in der es mal nicht so läuft. Wenn das Herz nicht so sehr daran hängt, ist es viel schwieriger, das Projekt trotzdem durchzuziehen. Aber natürlich ist es dann auch leichter, es wieder aufzugeben.
Unser nächstes Ziel ist es, „Bekind“ zu etablieren und über die gerade schwere Zeit zu bringen. Prinzipiell ist es unser Wunsch, die Marke auszubauen. Wir haben Ideen für weitere Möbel fürs Kinderzimmer, aber auch für andere Segmente, in denen ähnliche Probleme herrschen und in denen wir großes Potenzial sehen. Wir wollen auch die ganze Schreinerei, die „Gesellschaft für Innenraumkultur“, stärker so positionieren, dass jeder sofort sieht, dass es hier anders läuft als in vielen anderen Betrieben. Hier ist alles mit lebenslanger Garantie ausgestattet, weil Lars sagt, er baut ohnehin nichts, was irgendwie schrottig ist und kaputt geht. Wir haben viele Ideen!
Layout: Kaja Paradiek
Fotos: Alexandra Kern für „Bekind“