Coco Prange harmoniert optisch perfekt mit ihrer Wohnung, die mit vielen Möbelstücken ihres eigenen Labels eingerichtet ist. Unschwer zu erkennen ist ihr Stil ein Gesamtkunstwerk, der sich auf alle Lebensbereiche erstreckt. Zusammen mit ihrem Partner Mike Raaijmakers führt Coco die Möbeldesign-Marke „Johanenlies“, die hauptsächlich mit recyceltem Bauholz arbeitet. 2015 gründete Mike sein Unternehmen, 2016 stieg Coco als Creative Director mit ein. Alle Materialien bei „Johanenlies“ sind so natürlich wie möglich belassen – verwendet werden Holz, weitestgehend recycelt, Natursteine und Stahl. Gemeinsam mit Coco, Mike und Sohn Henri (8 Monate) sprechen wir bei Kaffee und Keksen darüber, wie sie im ländlichen Lübars bei Berlin arbeiten und leben – direkt am wunderschönen Naturschutzgebiet Tegeler Fließ.
Coco Prange: Wir haben uns schon vorher kennengelernt und „Johanenlies“ gemeinsam entwickelt. Ich war damals noch in einer PR-Agentur angestellt und war anfangs nur am Rande in die Firma involviert. Gegründet hat Mike zunächst alleine. Nach einem Jahr hatte „Johanenlies“ sich dann soweit entwickelt, dass ich voll mit eingestiegen bin. Bei mir war gleichzeitig auch der Wunsch ganz stark, den PR-Bereich zu verlassen und mehr eigene Kreativität auszuleben.
Coco: Ich habe Mode- und Design-Management studiert, letztlich lag mir die Gestaltung aber viel mehr. Ich habe mich im Laufe meiner Praktika immer mehr in Richtung PR entwickelt, das lag vor allem an der Jobsituation in Berlin. Ich bin dann in einem festen PR-Job gelandet, was mir anfangs auch viel Spaß gemacht hat, denn ich konnte leicht aufsteigen. Irgendwann hatte ich aber das Gefühl: Diese Arbeit ist nicht das, was mich wirklich erfüllt. Und am Ende eher etwas ausgebrannt hat. Und der gestalterische Aspekt hat mir letztlich doch sehr gefehlt.
Meiner Meinung nach sind die Bereiche Mode und Interior nicht weit von einander entfernt und verschmelzen derzeit ja auch immer mehr. Die Gelegenheit hat sich damit einfach geboten. Ich hätte zwar nie gedacht, dass ich mal in diesem Bereich arbeiten würde, aber bin jetzt sehr glücklich drüber.
Ich habe einfach angefangen – ohne den Hintergedanken zu haben, eine Möbeldesign-Firma zu gründen.
Mike: Eigentlich bin ich Weinhändler von Beruf und habe viele unterschiedliche Jobs gemacht – immer worauf ich Lust hatte. Mit der Geburt meiner ersten beiden Kinder merkte ich jedoch, dass meine Arbeitszeiten – immer abends und immer am Wochenende – nicht gut mit der Familie zu vereinbaren waren.
Mike: Ich habe einfach angefangen – ohne den Hintergedanken zu haben, eine Möbeldesign-Firma zu gründen. Das erste Bett, was ich gebaut habe, war für mich selbst und ich habe es spaßeshalber fotografiert und bei „Dawanda“ hochgeladen. Das hat sich gleich gut verkauft. Und dann habe ich noch ein Bettchen gebaut und noch ein Bettchen … alles im Weinlager (lacht). So hat alles seinen Lauf genommen. Und dann dachte ich: Lass uns das Weingeschäft mal für ein Jahr schließen und es einfach mit den Möbeln probieren.
Mike: Darüber habe ich mir gar keine Gedanken gemacht. Ich hatte ja noch die Sicherheit vom Weingeschäft, ich habe zwei Jobs parallel gemacht. Wenn es nicht läuft, dann werde ich wieder Weinhändler, habe ich mir gesagt. Ich habe einfach eine neue Herausforderung gesucht.
Coco: Das haben wir erst 2017, also zwei Jahre später, gemacht. Zu dem Zeitpunkt sind wir eine Finanzierungsrunde angegangen, haben einen Businessplan geschrieben und sind Schritt für Schritt weiter vorgegangen. Damals haben wir einen Showroom eröffnet und eine neue Linie unseres Designs entwickelt: die „Escape Collection“. Die ist ergänzend zu unserer Hauptkollektion etwas freier interpretiert und wir können unsere Designs ausleben, ohne zu sehr an gewisse Restriktionen gebunden zu sein, sodass wir damit sowohl im Material als auch im Preis gestalterische Freiheit haben.
Coco: Wir möchten aus Altem etwas Neues schaffen und versuchen Upcycling-Design in eine klare puristische Linie zu übertragen. Dabei setzen wir auf eine reduzierte Formensprache und subtile Material- und Farbkontraste. Zudem möchten wir auch dem Kunden gestalterische Freiheit ermöglichen, sodass jedes Produkt individuell anpassbar ist.
Coco: Jeder Tag ist ein bisschen anders. Mike ist oft unterwegs, zum Beispiel mit dem LKW, um Möbelstücke abzuholen oder auszuliefern. Unser Büro ist hier zuhause: mal war es einfach der Esstisch, momentan arbeiten wir im Gästezimmer. Bei mir ist die Arbeitszeit im Moment etwas begrenzt – hauptsächlich ist unser Sohn Henri mein Fulltime-Job, aber wenn er schläft, dann versuche ich, zu arbeiten. Für gewöhnlich haben wir einen regulären Arbeitstag, unterbrochen durch Familienzeit – Mike holt zwischendurch die Kinder von der Schule ab, bringt sie zum Fußball und so weiter.
Mike: Die Arbeitseinteilung ist bei uns nicht bewusst strikt getrennt, aber sie teilt sich durch unsere unterschiedlichen Kompetenzen auf. Coco macht das Design, vor allem die „Escape Kollektion“, und ich bin für die täglichen Abläufe zuständig: Produktion, Logistik, Kundenkontakt, Buchhaltung. Ich habe auch nach wie vor Design-Ideen, aber das passiert mittlerweile immer in Absprache mit Coco.
Mike: Besonders stolz sind wir auf das Bett „Luberon“, für das wir auch einen Preis bekommen haben. Es ist entstanden als wir einen Tisch gebaut und den einfach umgedreht haben – Tischbeine nach oben. Ein Kunde kam in die Werkstatt, der es super schön fand, und meinte: „Mach das doch mal in Weiß!“ Und Coco meinte: „Oder mach das mal in Rosa!“
Auf Instagram beispielsweise entsteht schnell aus Individualität, die gehyped wird, ein Einheitsbrei, der sehr kommerziell ist und nicht mehr viel Vielfalt zulässt.
Coco: Aus der Mode, aus der Kunst, aus der Natur, durch Emotionen, gesellschaftlichen Strömungen. Was im Leben so auf einen prallt. Das halte ich gar nicht in klassischen Moodboards fest, sondern eher in meinem Kopf. Wenn es allerdings darum geht, ein Produkt zu entwickeln, dann setze ich mich hin und nehme mir als Aufgabe: So, jetzt entwerfe ich einen Tisch oder ein Regal – und dann sitze ich ein bis zwei Tage an einem Produkt.
Mike: Ja, bei mir kommt alles beim Machen.
Coco: Richtig erkannt. (alle lachen) Ich persönlich kann absolut keine Möbel bauen, ich habe zwei linke Hände. Zum Glück haben wir einen sehr guten Schreiner, Max, der unsere Ideen in die Realität umsetzen kann – er arbeitet seit zwei Jahren für uns.
Mike: Ein Jahr lang habe ich alles selber gemacht, das ist mir dann aber zu viel geworden. Und du musst in Deutschland einen Meister haben, um Möbel herzustellen und verkaufen zu dürfen. Es ist überhaupt nicht leicht, einen guten Schreiner zu finden.
Coco: Gewissermassen, ja. Auf Instagram beispielsweise entsteht schnell aus Individualität, die gehyped wird, ein Einheitsbrei, der sehr kommerziell ist und nicht mehr viel Vielfalt zulässt. Das passiert in allen Bereichen: Interior, Mode, Persönlichkeiten, … Dadurch wird am Ende leider alles etwas ausdruckslos, was dadurch total von der Ursprungsidee abweicht.
Coco: Ja, wir nutzen Instagram auch viel, es hat uns auch schon sehr viel gebracht. Es zu ignorieren, wäre auch nicht richtig. Und was unsere eigenen Designs angeht: Einfach nicht zu sehr beeinflussen lassen. Wir versuchen unserer Linie treu zu bleiben.
Hier ist das Leben wie auf dem Dorf mit dem Naturschutzgebiet vor der Tür. Man ist sofort entspannt durch die Weite und Ruhe – das ist echt unbezahlbar.
Coco: Nee, wir hatten Glück. Dabei hatten wir einige Kriterien. Jede zweite Woche sind wir mit Mikes älteren zwei Kindern zu fünft. Da braucht man natürlich Platz, dennoch wollten wir gerne schön wohnen. In der Stadt, am liebsten mit einem kleinen Garten und zwei Bädern, wird’s dann schon schwierig. Wichtig war uns auch, ruhiger als vorher zu wohnen. Das wurde uns irgendwann zu viel an der Karl-Marx-Allee. Zu all diesen Kriterien gab es meistens nur noch eine Handvoll Wohnungen im Angebot.
Hier ist das Leben wie auf dem Dorf mit dem Naturschutzgebiet vor der Tür. Man ist sofort entspannt durch die Weite und Ruhe – das ist echt unbezahlbar. Nur braucht man circa eine Stunde in die Innenstadt von Berlin.
Mike: Und die Kinder blühen hier auch auf, mähen den Rasen, pflanzen Tomaten und Paprika, wir gehen zu Fuß zum See und die Kinder können alleine ein Eis holen gehen. Außerdem ist der Tegeler Fließ direkt vor der Tür: Sumpflandschaft, Felder, Frösche, Wildschweine …
Coco: Tatsächlich seit wir hier draußen wohnen deutlich häufiger und aktiver. Wir haben hier viel mehr Platz und mit dem Garten bietet es sich so gut an.
Coco: Das funktioniert insofern sehr gut, weil es keine Rivalitäten darüber gibt, wer welche Kompetenzbereiche hat. Das kann ja oft schwierig werden. Es ist wahnsinnig toll, dass wir uns so ergänzen, aber überhaupt nicht überschneiden. Jeder von uns macht seinen Bereich relativ eigenständig, auch wenn wir uns absprechen.
Mike: Es bleibt auch nicht die Zeit, alles gemeinsam zu machen. Momentan haben wir noch nicht die finanziellen Mittel, um beispielsweise jemanden für die Buchhaltung und für die Logistik einzustellen. Das heißt, ist wie gestern ein Möbelstück fertig, miete ich einen Wagen, fahre zum Schreiner und bringe das Möbelstück zum Kunden. Das mach ich alles selbst.
Mike: Ich mag unter anderem unsere Schneidebretter sehr. Sie werden einfach aus Verschnitt von zum Beispiel der Bank, auf der du gerade sitzt, gemacht. Und die Bank ist aus alten Dachbalken gemacht. Oder zum Beispiel unser Messerblock: In dem steckt viel mehr Arbeit und Entwicklung drin als man auf dem ersten Blick meinen mag. Oder unsere Eierbecher: Sie sind unsere neuesten Produkte.
Mike: Der Marmor ist im Prinzip Überrest. Die Becher werden in Maschinen, die sechs Meter lang sind, zugesägt. Es ist einfacher, eine lange Tischplatte auszusägen. Der Stein ist einfach viel zerbrechlicher. Erst wird ein Viereck ausgesägt und dann der Innenkreis – beides mit Wasserstrahltechnik. Jede Farbe, die du innerhalb des Marmors siehst, ist ein anderes Gestein und deshalb ist er leichter zerbrechlich.
Fotos: Sophia Lukasch
Interview: Marie Freise
Layout: Kaja Paradiek
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Lübars – „hach, wie romantisch“- ist nicht draußen auf dem Lande, sondern ein Ortsteil des Berliner Bezirkes Reinickendorf.