Gestatten, Dr. Ricarda Schelzke – die coolste Anwältin Hamburgs

Kostümchen, Aktenberge, eintönige Büros und Paragraphenwüsten – das Bild der Anwältin ist immer noch mit vielen Klischees behaftet. Die junge Anwältin Dr. Ricarda Schelzke öffnet uns die Tür zu ihrer 2,5-Zimmerwohnung in Winterhude in zerissenen Jeans, Leo-Boots und mit sympathischem Lächeln – und überzeugt uns sofort vom Gegenteil. 2005 zog die ehrgeizige Frankfurterin fürs Jurastudium an der Bucerius Law School nach Hamburg, machte einen Zwischenstopp in San Francisco, 2010 ihren Abschluss und promovierte sofort im Anschluss. Das Thema ihres Dissertationsvortrags, genauso modern wie ihre Wohnung: „Die iCloud als Gefahr für den Rechtsanwalt?„. Seit über einem Jahr sitzt sie jetzt in einer der bekanntesten international tätigen Wirtschaftskanzleien Deutschlands – mitten in der Hamburger City, mit Dino-Bild an der Wand und Acapulco-Chair im Rücken. Wir sprechen mit der 29-Jährigen über ihre Vision, das männlich geprägte Anwaltsbild und ihre Liebe zur Kunst.

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Ricardas Wohnzimmer: Kunst trifft auf DIY und Designklassiker

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Femtastics: Warum hast du dich für ein Jurastudium entschieden?

Dr. Ricarda Schelzke: Ich habe immer so getan, als wolle ich auf keinen Fall Jura studieren, weil meine Eltern auch Juristen sind. Ich fand es immer schon spannend, wie grundlegend Jura ist. Ohne Gesetze gibt es ja kein geordnetes Zusammenleben. Kunst hätte ich auch gerne studiert. ­Aber ich dachte mir: Das eine kann man immer noch ein bisschen nebenbei betreiben, Jura als Hobby ist dann doch schwieriger.

Was hat dich an dem Berufsbild Anwältin so gereizt?

Ich finde diesen Aspekt, dass man selbst entscheidet, wie man Sachen angeht, spannend an diesem Beruf. Man kriegt das Problem und versucht einen Lösungsweg zu erarbeiten. Man guckt mit dem Mandanten zusammen: Wie können wir unsere Argumente so vorbringen, dass es schlagkräftig ist?

Also gibt es sogar einen kreativen Part?

Auf jeden Fall. Das sieht immer so schrecklich langweilig aus mit den ganzen Akten, aber den Lösungsweg zu finden, ist schon kreativ. Es wiederholt sich nie bei uns, die Fälle sind immer wieder neu.

Ist der Weg dahin denn wirklich so hart wie alle sagen?

Ein bisschen leidet man schon, aber man kann es aushalten. Die juristische Ausbildung ist leicht ungerecht, weil es beim ersten und zweiten Staatsexamen vorwiegend auf die Klausuren ankommt – was davor war, zählt nicht. Das Schicksal spielt also auch eine Rolle. Aber nicht davon abschrecken lassen, dass das Studium so lange dauert. Am Ende ist es ein spannender Beruf. An meiner Hochschule gab es im Gegensatz zur staatlichen Uni aber fortlaufend Klausuren, dort ging es mehr um konstantes Lernen – dadurch ist auch mehr hängen geblieben.

Welches Karriere-Ziel verfolgst du?

Grundsätzlich könnte ich mir auch vorstellen, irgendwann mal eine eigene Kanzlei zu haben. Als Anwalt hat man seine glorreichen Zeiten, aber erst mit wachsender Erfahrung. Ich fühle mich aber in der Großkanzlei sehr wohl, weil man an spannenden Mandaten arbeitet und sieht, wie andere Anwälte an die Arbeit herangehen.

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Kunst-Sammlerin: Giraffenbild von Ricarda Schelzke und Poster von Stefan Strumbel.

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 Es gibt wenige Anwältinnen, die sichtbar sind.

Und welche Akte liegt aktuell auf deinem Tisch?

Ich mache viel Energierecht. Wir beraten Unternehmen, wenn sie Windparks bauen, verkaufen oder kaufen wollen. Das große Ding momentan ist Offshore – Windfarms weit draußen in der Nordsee, die unvorstellbar riesig sind. Ich bin demnächst für drei Monate beim Mandanten auf Secondment und werde dann vor Ort bei Rechtsfragen unterstützen.

Vermisst du das Gericht nicht?

Vor Gericht ist es zwar spannend, aber wenn du ein Anwalt bist, der häufig zu Gericht geht, hast du eher die kleinen Fälle, die sich oft wiederholen. Während des Referendariats habe ich auch viel Strafrecht gemacht – das hat dann oft diesen „Yellow Press Touch“, warum das so unterhaltsam ist. Es ist auch beeindruckend, weil es Strafverteidiger gibt, die bestimmte Kniffe kennen, wie man Leute davon überzeugt, was richtig ist. Mein Ausbilder hat immer gesagt: Man flirtet mit der Staatsanwaltschaft.

Gibt es sowas wie ein Vorbild für dich?

Da fehlen auf jeden Fall noch ein paar weibliche Role Models. Es gibt wenige Anwältinnen, die sichtbar sind. Es wäre schön, wenn man im Studium schon mehr Vorbilder kennenlernen würde. Es gibt eine Anwältin, die sich in Harvestehude für Flüchtlinge einsetzt – die beeindruckt mich zum Beispiel.

Also ist die Rechtswelt noch eine Männerdomäne.

Die Anwaltschaft scheint dies zu sein. Diese „Ich kann alles und das steht auch gar nicht zur Debatte“-Einstellung begegnet einem schon häufiger. Generell studieren Jura aber genauso viele Frauen wie Männer. Fakt ist, dass viele Frauen in den Staatsdienst gehen und Richterin oder Staatsanwältin werden, weil du da vermeintlich einfacher Familie und Beruf miteinander verbinden kannst. In einem Dienstleistungsberuf wie in einer Kanzlei ist das schwieriger, das schreckt dann viele Frauen ab.

Wie gehst du mit dem Familienthema um?

Ich finde es doof, wenn man einfach von einer Kanzlei abhaut, ohne es probiert zu haben, Familie und Beruf zu vereinbaren. Man muss der Kanzlei auch die Chance geben, dass es geht. Es gibt Modelle und Wege. Mittlerweile gibt es immer mehr Anwältinnen mit Kindern, auch in Großkanzleien.

Gab es schon Klienten, die deutlich klar gemacht haben, dass sie keine Anwältin für ihr Mandat wollen?

Als Gerücht hört man so etwas manchmal. Ich versuche, so was zu ignorieren und mir den Schuh einfach gar nicht anzuziehen, weil das einen nur irritiert.

Wir diskutieren im Team auch oft über die Frauenqoute: Muss man das erzwingen? Kann man nicht einfach mit Leistung überzeugen? In der Medienbranche ist das vielleicht auch noch etwas Anderes.

So viele Frauen wie in den Medien werden wir nie bekommen oder eben erst in 50 Jahren. Es hat halt über Jahre nicht funktioniert, Frauen in Führungspositionen zu bekommen, dann muss jetzt eben die Frauenquote her. Da jetzt auch die geburtenschwachen Jahrgänge kommen, werden Unternehmen aber sowieso bald nicht genügend qualifizierte Männer finden. Du bist auf Frauen angewiesen, deshalb musst du auch interessant für Frauen werden. Unsere Kanzlei bietet diverse Programme zur Frauenförderung an und gehört damit auf jeden Fall zu den Vorreitern in der Branche.

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„Scheiße by Schamoni“ – die Ohrstecker wurden von Rocko Schamoni designt – ein Geschenk von ihrem Freund.

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Du hast einen sehr modischen Stil. Wie gehst du mit Dresscodes um?

Wenn ich mit Mandanten Termine habe, versuche ich natürlich nicht anzuecken und möchte seriös aussehen. Für mich ist seriös aber eben nicht nur der schwarze Hosenanzug, das kann auch ein ungewöhnliches Kleid von Acne sein.

Würdest du mit dieser Jeans auch zur Arbeit gehen?

Nein, Jeans kann man freitags tragen, wenn man keinen Termin hat, aber mit zerrissenen Jeans und Turnschuhen würde ich nie in die Kanzlei gehen.

Deine Woche ist sehr arbeitsintensiv. Wie schaltest du am Wochenende ab?

Ich gehe am Samstagmorgen immer gerne laufen und versuche auch lieber freitags eine Stunde länger zu arbeiten und alles vom Tisch zu haben, damit man es nicht mit ins Wochenende nimmt. Das geht natürlich auch nicht immer. Umräumen in der Wohnung und Power-Yoga hilft auch, einfach nur aufs Sofa legen ist für mich schwierig. Ich habe eine Kollegin, die backt nachts manchmal noch Muffins, damit sie abschalten kann (lacht).

Dein Freund ist auch angehender Anwalt. Wir könnten jetzt euer Top-Thema beim Abendessen raten.

Klar (lacht.) Juristische Fälle sind auch mal beim Abendessen ein Thema, natürlich unter Wahrung der Schweigepflicht. Manchmal muss man sich dann auch zwingen, nicht darüber zu sprechen, aber wir finden auch andere Themen. Das ist auch ein Beruf, den man ein bisschen mit in die Freizeit nimmt. Man kann nicht den Stift um 17 Uhr fallen lassen und sagen, mir ist das Problem vom Mandant egal. Als Strafverteidiger wäre das noch krasser. Wenn jemand in die U-Haft kommt, musst du wohl hin.

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Blaue und grüne Akzente im Schlafzimmer. Bild von Edwin Goossens, Kissen von pod

Meine Exitstrategie wäre, einen Laden mit Inneneinrichtung zu haben und ein bisschen Kunst.

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Wie haben eben schon deine Kunst bewundert. Wann findest du für diese Leidenschaft noch Zeit?

Das mache ich eher sonntags. Malen und Zeichnen ist für mich aber tatsächlich nicht entspannend, das finde ich eher anstrengend. Weil man auch die ganze Zeit versucht, etwas Richtiges zu schaffen und das genauso zu machen, wie man es sich vorgestellt hat – das macht auch wieder Druck (lacht).

Also Kunst als Hauptberuf wäre keine gute Idee?

Ich weiß nicht, ob ich dauerhaft Teil vom Kunstbetrieb sein wollen würde. Das als Hobby zu haben, ist glaube ich cooler, weil man dann mehr sein Ding machen kann. Wenn das dein Hauptlebensinhalt ist, dann ist das glaube ich echt hart. Der Menschenkontakt würde mir auch fehlen. Meine Exitstrategie wäre sowieso eher, einen Laden mit Inneneinrichtung zu haben und ein bisschen Kunst

Wir würden auf jeden Fall vorbeischauen. Vielen Dank für das Interview, liebe Ricarda!

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Ricarda zeigt uns ihre bisherigen Werke – eine Ausstellung ist in Planung

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Kitchen-Love: der Tisch ist selbstgebaut (mit Beinen von Hay), der mintfarbene Servierwagen kommt vom skandianvischen Label Normann Copenhagen

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Tasche von Sophie Hulme und ein Blick in ihren begehbaren Kleiderschrank

 

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Vom Hoptimist bis zum Acapulco Chair – Ricarda setzt auch in ihrem Hamburger Office auf Farbakzente und Designpieces

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Hoch hinaus: Ausflug auf die Dachterasse der Kanzlei

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Hier findet ihr Ricarda:

16 Kommentare

  • Anna sagt:

    Interessant und sehr inspirierend (auch die wunderschöne Wohnung!)

  • Nina sagt:

    Liebe Femtastics,

    auf diesem Wege möchte ich euch ganz herzlich zum Launch eures Girlpower-Onlinemagazins gratulieren!
    Ich hatte auf instagram & Co. ja schon mitbekommen, dass ihr was Großes plant, aber gestern habt ihr mich direkt begeistert. Das Konzept, das Layout, die Bilder und die Stories von femstastics finde ich bereits großartig und ich konnte mich gestern kaum von den Geschichten und schönen Bildern lösen. Ich glaube, dass ihr wirklich eine „Marktlücke“ in der ganzen Blogazine-Sphäre gefunden habt – bei mir seid ihr jedenfalls direkt auf die Favoritenleiste der Lesezeichen gekommen.

    Besonders gefällt mir, dass das Magazin die schönste Stadt Deutschlands, Hamburg – und nicht Berlin – als Homebase hat. Nach meinem Masterstudium ziehe ich im Herbst endlich in die Hansestadt und freue mich riesig. Daher kommen Inspirationen, Menschen, Orte und Geschichten aus Hamburg genau richtig.

    Diese Homestory gefällt mir besonders! Tolle Frau und tolle Wohnung. Habt ihr zufällig gute Tipps wie man am Besten an so wunderschöne Wohnungen (wie auch eure im Journal) kommt? Das wäre klasse.

    Ich freue mich auf neue Storys – und wünsche euch nun noch eine femtastische Woche! 🙂

    Liebe Grüße
    Nina

    • Liebe Nina, vielen Dank für dein tolles Feedback – wir freuen uns sehr das zu hören!

      Zur Wohnungssuche: in Hamburg ist das leider überhaupt nicht so einfach. Die typischen Anlaufstellen kennst du bestimmt schon: Immoscout, Immonet und WG gesucht. Ein kleiner Tipp wäre noch Ebay Kleinanzeigen.

      Wir wünschen Dir ab Herbst ganz viel Spaß in unserer tollen Stadt!

      Liebe Grüße,

      Katharina

  • Anna Philippa sagt:

    Ich bin über „thisisjanewayne“ auf euch gestoßen, dachte erst noch: „Mmh, sicherlich interessant, aber bestimmt wieder nur so eine Seite bei der lauter Bloggerinen und Menschen mit ähnlichen Berufen vorgestellt werden. Als ob Menschen mit anderen Berufen nicht ebenfalls inspirierend sein können.“ und dann sehe ich diesen Artikel hier. Ich bin begeistert!

  • Nina sagt:

    Bravo! Ich kann mich Anna nur anschließen. Schön dass ihr hier über den Tellerrand schaut. Wirklich tolles Interview und schöne Bilder.
    Mich würde jetzt nur noch interessieren woher das tolle Sofa kommt 🙂

  • Natalie sagt:

    Hallo liebes Femtastic-Team! Bis jetzt meine absolute Lieblings-Homestory! Sehr inspirierend, eine wunderschöne Wohnung und eine sehr sympathische Frau. Besonders gefällt mir das Mobile welches in Ricardas Wohnzimmer hängt. Wo bekomme ich so eins her? Ganz liebe Grüsse, Natalie

  • Anja sagt:

    Wow, super tolles Interview mit einer sympathischen Frau, die überraschenderweise genauso alt ist wie ich. Und verdammt – was ist das für eine coole Wohnung?!?!

    LG!

  • Maria sagt:

    Ich finde die Einrichtung doch leider erschreckend gewöhnlich um sie in dieser Form zu präsentieren aber gut wer es braucht….

  • Lena sagt:

    Das Interview ist zwar etwas älter, ich hab es beim Durchstöbern der Seite aber gerade erst entdeckt – super, vielen Dank 🙂 Ich lese wahnsinnig gern über erfolgreiche Frauen, insb. wenn sie in eher klassischen „Männerdomänen“ arbeiten. Gern mehr davon!

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