Ein hautenger roter Strass-Catsuit war 2013 für Helene Fischer bei der „Bambi“-Verleihung ein regelrechter Karriere-Booster. Kreiert hat ihn Sascha Gaugel (44, rechts auf dem Foto), Gründer und Designer von Hausach. Im Team mit seinem Mann Kalle Hildinger (35), Experte für Styling und Visual Merchandising, entwickelt er die Looks der deutschen Prominenz. Kein Wunder, dass sich Celebrities wie Sophia Thomalla, Vanessa Mai oder Charlotte Würdig vertrauensvoll an Hausach für das maßgeschneiderte Image-Paket wenden. In einem Jugendstilhaus im Hamburger Stadtteil Winterhude lebt und arbeitet das Paar in seiner stilvoll eingerichteten 240 Quadratmeter großen Altbauwohnung. Schon bei der Begrüßung wird klar, wer hier der eigentliche Star ist: Hund Ecki!
Sascha Gaugel: Der Choreograf und Artistic Director von Helene Fischer, der Amerikaner Marvin Smith, ist einer meiner besten Freunde. Er hatte das Potenzial in ihr gesehen, noch viel mehr zu bieten, als nur Schlager zu singen. Für die artistischen Bühnenshows haben wir dann als Hingucker einen roten Strass-Catsuit entworfen, auf den 55.000 Swarovski-Steine per Hand geklebt werden mussten. Durch die „Bambi“-Verleihung wurde er bekannt.
Kalle Hildinger: Ich habe noch in der Nachtschicht hier gesessen und circa 3.000 Steine geklebt. Weil der Catsuit sehr eng sitzen sollte, mussten wir die Nähte in Teilbereichen offen lassen, um den Anzug zu fitten, und dann mussten diese Bereiche hinterher noch mit Steinchen aufgefüllt werden.
Kalle: Die Outfits für Helene sind immer alle maßgefertigt. Wir brauchen immer etwas Spielraum, weil sie sehr aktiv auf der Bühne agiert: Mal muss ein Gürtel auf das Kostüm geschnallt werden, weil sie fliegt, beim nächsten Mal sitzt er darunter. Dann macht sie einen Spagat, sie macht eine Rolle, sie fliegt, sie wird geworfen.
Sascha: Ja, deshalb schlage ich bei Neuanfragen immer ein Treffen vor, bei dem man schaut, ob es Klick macht. Es muss von beiden Seiten aus passen …
Kalle: … sonst macht es keinen Spaß und wird einfach nur krampfig. Man verbringt in Folge viel Zeit zusammen und da muss die Chemie zwischen uns und den Prominenten beziehungsweise unseren Kundinnen einfach stimmen.
Sascha: Ja, aber wir müssen immer ganz genau überlegen, welche Kundenanfragen, sei es für Imageberatung oder auch für Couture-Anfertigungen, wir wirklich annehmen können. Die eigentliche Arbeit, Dinge auszuwählen, zu entwerfen, zu schneidern und anzupassen – das müssen wir selber machen. Da hat man nur eine begrenzte Kapazität. Assistenten können uns diese Arbeiten nicht abnehmen.
Kalle: So definieren wir unser Label Hausach: Das Design macht Sascha, er hat eine klare Vision, wie etwas aussehen soll, was wir noch auf „machbar“ runterbrechen müssen. Kunst muss ja auch bezahlt werden. Und es muss zum Kontext und zur Zielgruppe passen.
Sascha: Einflüsse und Ideen dazu kommen von Kalle. Verständnis für den Zeitgeist und das Kommerzielle und die konzeptionelle Denke.
Wir mussten auch schon mal ein Kleid für Helene Fischer im Flugzeug fertig nähen.
Kalle: Wenn wir zum Beispiel Sophia Thomalla einkleiden für ihren Auftritt beim Komiker Mario Barth, dann muss ich ihr etwas anderes anziehen, als wenn sie auf die „Place to B“-Party geht und es darum geht, dass jeder sie erkennt. Sophia Thomalla weiß genau, was ihr Markt und ihr Image ist. Sie wird nicht zu einer Party eingeladen, um mit ihr hochintellektuelle Gespräche zu führen, obwohl sie das definitiv kann! Wir haben festgestellt, dass Sophia inzwischen von den unterschiedlichsten Leuten beobachtet wird und, dass sie alle toll finden! Und sie ist ja auch eine wahnsinnig klasse Frau mit Sex-Appeal.
Kalle: Nein, wir besprechen neue Projekte telefonisch und haben ja auch ihre Maße. Ich fahre zum Beispiel nach Absprache auch in die Wohnungen unserer Kundinnen, räume den Schrank aus, und hole alles raus, was nicht mehr gebraucht wird. Dann geht man gemeinsam durch: Welche Termine stehen demnächst an? Was könnte man nochmal benutzen? Sophias Sachen für den Roten Teppich sind allerdings sehr auffällig. Wenn diese Kleider schon auf jeder Zeitschrift abgedruckt waren, funktioniert das nicht. Aber wir gehen alles durch: Sind die Schuhe noch gut? Was ist in der Saison angesagt? Welche Farben fehlen noch? Was mag sie besonders? Okay, wir brauchen neue Jeans und neue Basic-T-Shirts.
Wir haben immer eine Vision und ein Ziel, wo wir eine Kundin hinbringen möchten. Beide unterschiedlich: Sascha denkt oft eleganter, ich denke oft etwas bodenständiger.
Kalle: Das Business klingt immer so unfassbar glamourös, dabei besteht es aus harter Arbeit und Fleiß. Es ist nicht so, dass man immer nur in einem hübschen Hotel aufwacht, wo gerade das Frühstück ans Bett gebracht wird. Man trinkt nicht nur Champagner, sondern man rennt auch mit 500 Tüten durch die Stadt, bis man alles besorgt hat. Manchmal muss man nachts noch irgendwohin mit dem Auto hinjuckeln …
Sascha: … dann verschieben sich die Termine, ein Flieger kommt nicht an, ein Paket wird nicht geliefert, man sitzt dann irgendwo in einem Kaff und muss trotzdem zusehen, wie man das Ding rettet. Wir mussten auch schon mal ein Kleid für Helene Fischer im Flugzeug fertig nähen. (lacht)
Sascha: Ja, seit rund 15 Jahren arbeite ich mit unserer Schnitt-Direktrice zusammen, die genau wie unsere feste Schneiderin viele Jahre im Atelier von Jil Sander gearbeitet hat.
Kalle: Als Label haben wir einen Image-Gedanken für eine Person: Wir haben immer eine Vision und ein Ziel, wo wir eine Kundin hinbringen möchten. Beide unterschiedlich: Sascha denkt oft eleganter, ich denke oft etwas bodenständiger. Als Kombination funktioniert das meistens wahnsinnig gut. Zudem haben wir über die Jahre ein großes Netzwerk von Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten, weil sie sehr gute Sachen fertigen. Für uns ist es nicht nur die Klamotte: Ich kann jemanden in ein tolles Kleid stecken, wenn die Haare und das Make-up aber nicht passen, dann stimmt der ganze Look nicht. Viele Dinge spielen da hinein: Körpersprache, Haltung, Artikulation und die Orte, wo man sich zeigt. Wir versuchen, ein weitreichendes Konzept zu erarbeiten, wo wir jemanden sehen. Und der Erfolg unserer Kundinnen gibt uns recht: Bei Helene und Sophia geht unser Konzept auf!
Sascha: Oh ja, hier im Esszimmer sind einhundert Meter Stoff verarbeitet worden! In meinem ersten kleinen Laden in der Rothenbaumchaussee habe ich mit dieser Art Stoffverkleidung der Wände das Souterrain zu einem Salon gemacht. Ich hatte dabei einen alten Pariser Salon vor Augen. Es sah auf einmal wirklich sehr wertig aus. Auch in den Läden in der Milchstraße und in Hongkong, sowie auch hier in der Wohnung: Ich mag einfach diese Wirkung vom Stoff.
Mit unserem Label Hausach versuchen wir soweit wie das jetzt schon geht, nachhaltig zu arbeiten.
Kalle: Wir stylen die Räume gerne passend zum Anlass und überlegen immer, welcher Raum dafür gut geeignet ist. Wir haben hier sogar schon einmal eine Kollektion vorgestellt und mehrere Lookbooks geschossen.
Sascha: Dafür haben wir dann umgestrichen und neue Vorhänge angefertigt. Wenn neue Kundinnen kommen, dann findet das meist im Wohnzimmerbereich statt. Mit Kundinnen, die wir schon jahrelang kennen, stehen wir meistens eh in der Küche. (lacht)
Sascha: Mit unserem Label Hausach versuchen wir soweit wie das jetzt schon geht, nachhaltig zu arbeiten. Ich benutze Organic-Seiden und versuche zumindest, immer mehr nachhaltige Stoffe zu verarbeiten. Einiges wird ja auch direkt in Hamburg für uns hergestellt, insofern fair produziert.
Die letzten Urlaube, die wir sehr genossen haben, waren in Schweden, weil das so ein bisschen heile Welt für uns ist.
Sascha: Ich habe mich auf der Pariser „Premiere Vision“, der größten Stoffmesse der Welt, schlau gemacht: Da habe ich eine Stickerei gefunden, die fair produziert. Ich bin extra selbst nach Indien geflogen, um mich persönlich davon zu überzeugen. Dort lassen zum Beispiel auch Valentino und Zac Posen produzieren. Ich war in den Manufakturen und habe die Leute bei der Arbeit beobachtet. So konnte ich sicher sein, dass es fair abläuft.
Sascha: Ich habe das Gefühl, dass das Mittelsegment momentan ein bisschen wegbricht: Entweder setzt man auf Handwerk, sehr hochwertig, also slow & fine von der Arbeitsweise her oder es ist Fast-Fast-Fashion. Die Labels, die in der Mitte liegen, werden gefühlt immer weniger.
Kalle: Das hängt sicher mit dem Social-Media-Effekt zusammen: Gerade für prominentere Menschen ist es normal, dass sie sich in bis zu fünf Looks pro Woche, manche sogar in bis zu fünf Looks pro Tag, zeigen. Die Sachen werden nur ein einziges Mal getragen, die Schuhe mit Glück mehrfach. Die Klamotte haben dann Millionen von Menschen schon als Post gesehen, und kaum jemand möchte dafür stehen, dass er die gleichen Sachen noch einmal trägt. Als Stylist macht das natürlich Spaß, aber auf der anderen Seite denkt man: Ich brauche nicht 40 schwarze Blazer, sondern es reichen zwei gute!
Sascha: Wir versuchen definitiv auch unsere Kundinnen dahin zu bringen, dass sie lieber in gute Teile investieren, die sie öfter anziehen können.
Kalle: Das stimmt! Saschas High-End-Couture-Look ist sehr zugespitzt, da gibt es nur wenige Menschen in Deutschland, die auf einem ähnlich hohen Niveau arbeiten. Dadurch ist er dafür prädestiniert, Prominente zu kleiden, weil es in Deutschland schwierig ist, gute Kleider zu bekommen. Es gibt kaum jemanden in Deutschland, der aufregende, wirklich schöne Kleider mit Wow-Effekt macht. Prominente haben viele Rote-Teppich-Auftritte und brauchen oft Kleider. Wenn allerdings deutsche Persönlichkeiten für den französischen, italienischen und amerikanischen Markt modisch uninteressant sind, dann schickt ihnen auch niemand Samples rüber. Zudem sind die Influencer hinzugekommen, von denen man sicher weiß, dass sie es auch posten, wenn man ihnen ein Kleid schickt und das sehen dann eine Millionen Leute. Wohingegen es völlig unsicher ist, ob ein zugeschicktes Abendkleid auch wirklich von einer Celebrity getragen in einem People-Magazin abgelichtet wird, da sind einfach viel zu viele Steps dazwischen.
Sascha: Wir arbeiten gerade daran, das Label Hausach mit einer Ready-to-wear-Kollektion mehr Leuten zugänglich zu machen. Der Couture-Gedanke mit der Maßanfertigung ist einfach teuer. Mein Ziel ist ein nachhaltiges, schickes Label, was für jeden, der es mag, erschwinglich ist.
Kalle: Da sind noch viele Wege, die kontrolliert werden müssen und wir gehen erst dann mit der Kollektion auf den Markt, wenn diese komplett nachhaltig produziert und vertrieben werden kann. Das fängt beim Firmenwagen an, betrifft die Mitarbeiter, die Materialien und hört beim letzten Knopf auf.
Kalle: (lacht) Also du sprichst mit den Workoholics. Ich glaube, letztes Jahr hatten wir ganze fünf Tage frei. Wir sind schon sehr fleißig.
Sascha: Ich liebe es, in den Wald fahren. Zum Beispiel in die Harburger Berge. Und wir haben einen Lieblingsort an der Ostsee: In Weissenhaus gibt es auch einen Wald an der Steilküste. Wir haben schon viele fancy Urlaube gemacht, um uns nach dem Arbeitsstress ganz weit weg zu erholen, aber das war oft gar nicht so geil. Die letzten Urlaube, die wir sehr genossen haben, waren in Schweden, weil das so ein bisschen heile Welt für uns ist. Mit Erinnerungen an „Wir Kinder aus Bullerbü“. Ums Haus herum waren dann ganz viele Blumen, Schmetterlinge, Libellen und Bienen. Ein Traum!
Kalle: Schon, aber Inspirationen sammeln wir überall auf dem Weg. Ideen für ein angemessenes Styling hatte ich sogar schon als Kind. Sonntags habe ich meiner Oma für den Kirchgang die Klamotten rausgelegt, habe ihren wertvollen Schmuck aus dem Lederkoffer vom Dachboden geholt und sie dann erinnert: „Oma, bitte nicht den Lippenstift vergessen!“ (lacht)
Autorin: Stefanie Behrens
Fotos: Nina Struve
Layout: Kaja Paradiek