Nachdem Nicole Gebel Kommunikationsdesign studiert hat, wollte sie erstmal nichts mehr mit dem Beruf zu tun haben. Ein Zufall brachte sie zu ihrer Leidenschaft zurück. Heute realisiert sie in Kiel Projekte für verschiedene Unternehmen, Agenturen und private Kunden und illustriert in ihrer freien Zeit am liebsten Frauen und Naturmotive. Wir treffen die 32-Jährige im Händchen Royal, ihr Studio für visuelle Kommunikation, und besuchen die Mama einer dreijährigen Tochter anschließend in ihrem Haus in Bordesholm. Ein Gespräch über Konkurrenzdruck im Studium, Zeitmanagement als Selbstständige und Mama und die ewige Suche nach Inspiration.
Nicole Gebel: Seit immer. Ich erinnere mich noch, dass meine Mama mir immer Prinzessinnen gezeichnet hat und, dass ich dachte: Ich möchte auch so schön zeichnen können! Und ich habe im Fernsehen gerne „She-Ra – Princess of Power“ geguckt und war fasziniert von schönen, starken Prinzessinnen. Ich habe immer Prinzessinnen gezeichnet, aber ich habe als Kind auch Naturstudien gemacht und die Wiesen und Pflanzen bei uns vor der Tür gezeichnet. Andere Hobbys hatte ich nicht, ich war nie in irgendeinem Verein, ich habe kein Musikinstrument gelernt … Ich denke, meine Eltern haben gemerkt, dass ich daran kein Interesse hatte.
Eigentlich gar nicht. Wenn mich früher jemand gefragt hat, was ich werden möchte, dann habe ich geantwortet: Ich möchte schöne Kleider nähen. Ich habe mich immer gerne verkleidet und mir Kleidung genäht. Aber erst nach meinem Abitur hat mir jemand erzählt, dass es den Studiengang Kommunikationsdesign gibt. Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen, ich kannte das gar nicht und wusste auch nicht, wo ich mich über mögliche Berufe informieren sollte. Zugang zu Internet hatte ich erst spät und in der Schule wurde uns fast nichts über kreative Berufe erzählt – und über Selbstständigkeit schon gar nichts.
Ich habe immer Bilder gesammelt. Aber, dass es den Beruf Illustrator gibt und dass, ganz generell, Zeichnen nicht gleich Zeichnen ist, das habe ich erst im Studium gelernt.
Sehr viel: von Fotografie über Illustration und Typografie bis zu digitalen Medien. Das fand ich alles sehr interessant.
Ich muss ehrlich sagen, dass das Studium keine wunderbare Zeit für mich war.
Ich muss ehrlich sagen, dass das Studium keine wunderbare Zeit für mich war. Es war sehr hart, ich habe gemerkt, dass ich viel schüchterner bin als ich anfangs dachte. Es fiel mir schwer, Kontakte zu knüpfen und auch im Studium habe ich mich nicht so richtig getraut, etwas auszuprobieren. Ich hatte das Gefühl, dass man einigen Dozenten nach dem Mund reden muss, aber gleichzeitig total einzigartig sein soll. Und hinzu kam ein großer Konkurrenzdruck. Ich habe alles mitgemacht, aber am Ende des Studiums dachte ich: So etwas mache ich nie wieder, damit will ich nichts zu tun haben!
Existenzängste hatte ich noch nie. Ich bin aber auch bereit, meine Ansprüche herunterzuschrauben, wenn ich mal weniger Geld habe.
Ein halbjähriges Praktikum bei einer Schneiderin.
Meine damalige Schwägerin hatte ein kleines Büro für Kommunikation in Hamburg und brauchte Unterstützung. Direkt im Anschluss an mein Praktikum habe ich bei ihr gearbeitet. Sie hat mir Aufgaben gegeben wie Newsletter-Gestaltung, über die ich mich ausprobieren konnte. Da habe ich gemerkt, dass ich die Arbeit doch mag und plötzlich haben sich immer neue Dinge ergeben. Nach und nach habe ich immer mehr Aufträge bekommen.
Ich hatte gar keine Ahnung – weder, wie man selbstständig ist, noch was alles dazu gehört.
Ich hatte gar keine Ahnung – weder, wie man selbstständig ist, noch was alles dazu gehört.
Ich habe in Teilzeit für einen Club in Kiel gearbeitet und habe nebenbei meine ersten Aufträge als Grafikerin angenommen, mit der Hilfe meiner damaligen Schwägerin. Ich hatte nie Schiss, dass es nicht klappen könnte. Irgendwann, kurz bevor ich schwanger geworden bin, habe ich den Job im Club gekündigt und mich ganz selbstständig gemacht.
Ich hatte gar keine Ahnung – weder, wie man selbstständig ist, noch was alles dazu gehört. Ich hatte keinen Plan und keine Angst, ich habe einfach gemacht. Und ich wusste: Wenn das nicht klappen sollte, gibt es tausend andere Dinge, die ich machen könnte. Existenzängste hatte ich noch nie. Ich bin aber auch bereit, meine Ansprüche herunterzuschrauben, wenn ich mal weniger Geld habe.
Ganz viel über Beziehungen. Ich wurde oft empfohlen. Ich bin aber sowieso niemand, der wahnsinnig viel Akquise macht und wahnsinnig viel Geld verdienen will – weil es immer noch so viele andere Projekte gibt, für die ich Zeit haben möchte. So etwas wie das Sommerloch oder die ruhige Zeit am Jahresanfang, wenn keine Aufträge kommen, das finde ich gar nicht schlimm. Ich denke dann: Geil, endlich Zeit, meine anderen Sachen zu machen! (lacht)
Ich stelle meist mehr private Projekte als Kundenprojekte online, und darüber werden auch viele Menschen auf mich aufmerksam. Sie denken dann meist, ich sei Illustratorin und wissen nicht, was ich sonst noch so mache – aber dafür habe ich ja jetzt meine Portfolio-Website, auf der man die Bandbreite meiner Arbeit sieht.
Ja, sehr. An der Uni hatte ich zum Beispiel mit der jetzigen Tätowiererin Jules Wenzel eine Illustrationsklasse und sie hatte damals schon einen sehr markanten Stil. Und ich mochte immer alle möglichen Techniken und hatte keinen typischen Stil. Ich habe mir immer viele Illustratoren angeschaut, aber wusste nie, in welche Richtung ich gehen will. Es hat richtig lange gedauert … Aber spätestens als ich Anouk bekommen habe und sich in meinem Körper alles auf „Normalzustand“ eingestellt hat und die unwichtigen Sachen herausgefallen sind, wusste ich, dass ich 50% Grafikdesignerin und 50% Illustratorin bin. Ich arbeite gerne den Kunden zu, das heißt, ich kann meinen Stil sehr anpassen und variieren. Und das macht mir Spaß!
Auf jeden Fall Frauengesichter, Häuser und Naturelemente wie Blumen oder Pflanzen. Das geht mir am leichtesten von der Hand, das kommt irgendwie automatisch.
Alle Arbeiten beginnen bei mir immer analog, als Skizze, die ich dann ggf. einscanne und am Rechner weiter bearbeite.
Auf jeden Fall – sofern ich Zeit habe. Letztens habe ich noch einmal mit Pinsel und Aquarell gearbeitet. Für private Projekte finde ich das schön, aber für einen Auftrag würde es mich sehr stressen. Es sei denn, ich wäre in der Arbeit sehr frei. Generell reizt mich alles – ich würde auch gerne mal einen Messestand bauen! (lacht)
Das sind immer die, bei denen der Kunde eine ungefähre Vorstellung hat, was er möchte, mir aber freie Hand lässt. Die „Kieler Köppe“ fand ich sehr toll – als ich Charaktere für ein Kaufhaus in Kiel gestalten durfte. Krabben, Walross, Möwe und andere Tiere. Da konnte ich auch das fertige Produkt sehen, in Form von Plakaten, Postkarten und später sogar Jutebeuteln. Häufig bekomme ich das Endergebnis gar nicht zu sehen.
Ich würde sehr gerne mal eine Rundumgestaltung machen. Also nicht nur das Corporate Design übernehmen, sondern auch die Raumgestaltung und alles, was dazu gehört. Das ist schwierig, weil dafür oft entweder kein Budget beim Kunden vorhanden ist oder große Agenturen mit so etwas beauftragt werden.
Nein, das kam noch nicht vor. Aber es ist schon einmal passiert, dass der Kunde nicht genau wusste, was er will, dass ich dann ins Blaue gearbeitet habe und dass dann nichts dabei war, was gefiel. Es hat wahrscheinlich einfach nicht gepasst. Mit den Jahren lernt man aber dazu, man fragt nach einem konkreten Briefing und schaut im Voraus, ob es passt.
Früher, als Anouk noch ganz klein war, konnte ich zu jeder Uhrzeit oder zwischendurch arbeiten. Heute stehe ich mit Anouk auf, bringe sie in den Kindergarten und weiß genau, welches Zeitfenster ich zum Arbeiten habe und wieviel ich schaffen muss. Das schaffe ich dann auch, weil ich es schaffen muss. Dazu gehört natürlich auch, realistisch zu bewerten, welche Aufträge ich annehmen kann und welche nicht. Ich versuche, nicht am Wochenende zu arbeiten, weil ich die Wochenenden für meine Familie haben will.
Mein Medium Nummer 1 um Vorlagen für Gesichter oder Ideen für Haus und Einrichtung zu bekommen, ist Pinterest. Was grafische Gestaltung betrifft, finde ich es schwierig. Ich habe den Eindruck, dass es keinen vorherrschenden Stil gibt, sondern alle möglichen Stile. Jeder macht, was er will – und das ist ja auch gut. Wirklich inspirierende Sachen finde ich aber nicht so viele. Mich inspirieren eher Filme, Musik und alles, was ich erlebe. Wenn ich zum Beispiel Zitronentörtchen esse und mich das an meine Kindheit erinnert, dann habe ich sofort eine Illustration vor Augen. Anouk inspiriert mich auch sehr – mit meiner Kollegin Katharina habe ich vor zwei das Blogbuch „Kiel am Nil“ gelauncht, für das ich ganz viele Tiere illustriert habe. Jetzt sitzen wir gerade gemeinsam an einem Kinderbuch, das nächstes Jahr erscheinen soll!
6 Kommentare
Tolles Interview, authentisch, inspirierend und schön anzusehen, sowohl die großartigen Illustrationen als auch die super Fotos! – bewundernswert, dass Nicole nie Existensängste hatte und „einfach“ gemacht hat.
Sehr inspirierendes und tolles Interview! Ich kann vor allem einen Punkt genau nachvollziehen: Die Tatsache, dass ich keine Existenzängste kenne. Wenn man bereit ist, wie sie auch sagt, seine Ansprüche mal herunter zu schrauben, dann ist das meiste auch kein Problem!
guten tag,
bitte melden.
mfg
marten
keine