Yolandi Visser von Die Antwoord und Ferris von Deichkind zählen zu den illustren Kunden der Hamburger Designerin Katrin Diedrich. Hinter ihrem Streetwear-Label „Ethel Vaughn“ steckt ein echtes Familien-Business, dessen Zentrale sich in ihrem Haus mitten in Hamburg-Altona befindet. Wie man heute in Hamburg so ein Wahnsinnshaus findet und warum Ethel Vaughn so special ist, das erzählt sie uns hier.
femtastics: In einem Interview in „Die Zeit“ sagtest du mal, New York ist das Ziel. Ist es das noch?
Katrin Diedrich: Ich wollte hier nie weg, auch wenn New York geil ist (lacht). Es ging nur darum, dass ich mal meine Sachen da verkaufen will. Das will ich auch immer noch. Von dem großen Retail-Aufschlag habe ich mich allerdings mit zwei Kindern verabschiedet. Mein Mann Nic ist mal voll mit ins Unternehmen mit eingestiegen und wir wollten Ethel Vaughn richtig dick aufziehen. Aber wir haben schnell gemerkt, dass die Familie krass darunter leidet. Zu zweit schaffst du das auch nicht, du brauchst auf jeden Fall Leute für Business und PR. Das musst du dir aber erstmal leisten können.
Also wächst du jetzt in einem kleineren Rahmen, mit dem du dich wohl fühlst?
Ich will auf jeden Fall weiter wachsen und coole Projekte mit unterschiedlichen Designern, Künstlern und Grafikern umsetzen. Lokal funktioniert das Label auch super gut in Hamburg. Ich bin jetzt mit drei anderen Mädels zusammen in dem Laden „Kleine Freiheit N°1“ in Sankt Pauli, das schockt auf jeden Fall richtig.
Ich mag Jungs mit Cap in Baggys, Turnschuhen und T-Shirts am liebsten!
Gefühlt sind viele Hamburger Designer glücklich mit einer überschaubaren Unternehmensgröße und streben nicht unbedingt den Big Bang an.
Du kommst vor allem auch hinterher. Wenn plötzlich die große Order kommt, artet das schnell in kompletten Stress aus. So, wie es jetzt ist, macht es mir unglaublich viel Spaß. Die Anfragen von außerhalb kommen trotzdem.
Streetwear war nie ganz weg, erlebt aber gerade wieder einen Mega-Hype.
Sneaker und Sport sind natürlich generell ein riesiges Thema, da musste Streetwear einfach mit Vollgas wieder durchstarten – für mich sowieso immer. In New York laufen die Leute den ganzen Tag in Sportklamotten rum.
Vielleicht ist Streetwear auch der kleinste gemeinsame Nenner?
Kann auch sein. Für mich ist immer die Bequemlichkeit wichtig und, dass die Teile sich cool kombinieren lassen.
Und wir werden nie erwachsen, was ich eigentlich auch ganz gut finde.
Stimmt, das finde ich auch gut. Ich mag Jungs mit Cap in Baggys, Turnschuhen und T-Shirts am liebsten!
Du hast eine krasse Street Credibility. Wo kommt die her?
Ich habe mit dem Label Superhorstjansen angefangen, da sind wir voll undergroundmäßig abgegangen. Das war mir dann irgendwann ein bisschen zu eintönig. Aber ich bin immer gern nah am Menschen dran und kein in sich gekehrter Designer.
Ich war immer in der Hip Hop-Szene und bin da auch geblieben.
Und du bewegst dich in der Szene, aus der deine Kunden stammen. Wann ging das los?
In den Neunzigern. Als Ferris noch keiner kannte, so 1998, hab ich ihn das erste Mal gesehen und fand ihn schon super. Ich ging zu Hip Hop-Konzerten in alten Scheunen irgendwo am Arsch des Propheten. Ich war also immer in der Hip Hop-Szene und bin da auch geblieben. Ich höre auch andere Mucke, aber Hip Hop ist das, was mich immer noch am meisten packt. Und jetzt kommt Ferris vor kurzem zu mir, um sich Sachen machen zu lassen – das find ich natürlich Bombe.
Wie würdest du den Style von Ethel Vaughn beschreiben?
Die Prints sind unser Markenzeichen. Die Schnitte sind klassisch und ich habe immer bequeme Trackpants und Sweater dabei. Ich ziehe voll die Neunziger durch, das ist einfach mein Ding und die Basis, aus der alles entspringt. Ich interpretiere Streetwear neu, lasse die Sechziger oder Siebziger, oder wo auch immer mir gerade der Sinn nach steht, einfließen und habe auch mal Bock auf eine weibliche Silhouette.
Deine Mode ist zum großen Teil unisex. Brauchen wir überhaupt noch gegenderte Mode?
Ich finde reine und sehr feminine Frauenlinien auch toll. Persönlich habe ich schon immer gern Männersachen getragen, ich hatte da noch nie ’ne klare Grenze gezogen. Mir gefallen die Schnitte für Jungs auch oft derbe gut!
Mit Ethel Vaughn triffst du immer zu 100 Prozent den Style-Nerv. Wie machst du das?
Das kommt viel über die Prints, die wir machen. Mein Mann ist Location-Scout und scoutet auch viel im Internet. Er findet immer wieder Sachen und neue Künstler. Gerade hatten wir Bock auf 3D-Prints und haben dann den Künstler Vasya Kolotusha gefunden. Unglaublich, was der zaubert.
Ich bin 1981 geboren und die Neunziger haben mich geprägt.
Ein richtiges Family-Business, nice. Wie hast du die klare Marken-ID von Ethel Vaughn aufgebaut?
Das war harte Arbeit. Ich bin eher ein impulsgesteuerter Bauchmensch und habe doch länger gebraucht, bis ich wusste, wie genau das Gesicht von Ethel aussehen soll. Ich habe mich dann darauf besonnen, was mich wirklich ausmacht und was mir wichtig ist. Ich bin 1981 geboren und die Neunziger haben mich geprägt, mit Wu-Tang und allem drum und dran. Das war für mich der Schlüssel. Als das klar war, lief es.
Die Neunziger kriegen wir nicht aus uns raus, zum Glück! Yolandi Visser von Die Antwoord ist wie geboren für deine Mode und trägt sie oft. Wen würdest du noch gern in deinen Sachen sehen?
M.I.A finde ich auch mega. Die Zusammenarbeit mit Yolandi hat sich durch Zufall beim Dockville ergeben, wir haben ihr quasi die Dollar-Prints unter der Tür durchgeschoben und sie hat sie sofort getragen. Daraufhin haben wir als Antwort auf Die Antwoord den Shrimps-Print-Jogger gemacht, denn sie ist ja der Prawn Star. Sie fand es derbe und trägt es ständig.
Jetzt musst du mir verraten, wie findet man ein Haus mitten in Hamburg Altona?
Ich habe einen Location-Scout als Mann, das ist nicht so doof (lacht). Wir haben lange auf St. Pauli gewohnt und wollten mit zwei Kindern eigentlich eine Wohnung kaufen, wir haben aber nichts Passendes gefunden. Durch Zufall ist Nic an dem Haus vorbeigefahren und hat das Verkaufsschild gesehen. Das Haus stand schon mal zum Verkauf, es wollte aber niemand die Summe zahlen. Also sind sie im Preis runtergegangen, die Besitzer wollten es einfach loswerden. Wir zahlen es jetzt monatlich ab, statt Miete.
Musstet ihr denn noch viel renovieren?
Das Ehepaar, was vor uns hier gewohnt hat, hat das Haus zehn Jahre lang liebevoll renoviert und hergerichtet – mit alten Fenstern, Türen und Beschlägen. Sie haben neue Böden verlegt, Heizung eingebaut und den Teil oben, in dem sich mein Atelier befindet, angebaut. Wir haben es von Außen komplett gestrichen und einen Durchbruch gemacht.
Die Möbel habt ihr zum großen Teil gebaut, oder?
Nic hat sehr viel gebaut, den Tisch, die Lamellenschränke und vieles haben wir in Beton gegossen. Nic hat seine Werkbank im Keller – alles selfmade! Das Gartenhaus haben wir auch selbst gebaut.
Wie ist es jetzt, unter einem Dach zu arbeiten und zu wohnen?
Super! Wenn ich das Gefühl habe, ich will gerade meine Ruhe haben und arbeiten, dann gehe ich einfach hoch.
Wie sieht dein Alltag aus?
Ich stehe um sechs Uhr auf, mache die Kids fertig und dann wird erstmal gefrühstückt. Dann bringt Nic den Kleinen in die Kita und ich fange an zu arbeiten. Ich habe eine tolle Praktikantin, die mir bei allem etwas hilft.
Was steht als Nächstes bei Ethel Vaughn an?
Die Collabo mit Clara Hetzel, eine Sportkollektion, die etwas an den Mohamad Ali Trainingslook angelehnt ist. Wir haben selbst gefärbt und naturige und sehr erdige Töne verwendet.
Klingt spannend, wir freuen uns drauf!
3 Kommentare