Eine Wohnung im Süden, eine in Hamburg. Miriam Seixas, studierte Kunst- und Kulturwissenschaftlerin und Projektleiterin in einer PR Agentur, und ihr portugiesischer Ehemann Pedro, Fotograf, haben sich letztes Jahr dazu entschlossen, eine Zweitwohnung bei Porto zu kaufen. Wir besuchen die 36-Jährige in ihrer Jugendstilwohnung am Atlantik und werfen einen Blick in ihre Dachgeschosswohnung in Hamburg-Ottensen. Wir sprechen mit @frau.kieselstein, so ihr Instagram-Name, über das Leben und Arbeiten in zwei Städten, die Herausforderungen beim Untervermieten und das Pendeln in Zeiten von Corona. On top gibt sie Tipps, wie jede*r easy mehr Farbe in die Wohnung einziehen lassen kann.
Miriam Seixas: Das kann ich gar nicht sagen. Durch unsere digitalen Berufe haben mein Mann und ich die Möglichkeit ortsunabhängig zu arbeiten und haben somit zwei Lebensmittelpunkte. In Hamburg ist unser Leben eher ruhiger, was wahrscheinlich etwas dem Wetter geschuldet ist. Wir sind gerne zu Hause, machen es uns gemütlich und kochen mit Freunden. In Porto ist es lauter und bunter, auch weil Pedros Großfamilie dort lebt.
Zwei Dinge können die Portugiesen besser als wir: Sie sind echte Lebeleute, die Dinge genießen können und die Dinge so nehmen, wie sie sind, was sich besonders im Umgang mit härteren Phasen im Leben zeigt. Hier beweisen sie unglaubliche Gelassenheit und Stolz. Die Deutschen sind eher groß darin, sich zu beklagen.
Andersherum, auch wenn es super klischeehaft ist, können sich die Portugiesen auf jeden Fall noch etwas von den typisch deutschen Tugenden wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit abschneiden. (lacht)
Ich habe das Privileg, auch von anderen Orten als dem Büro arbeiten zu können. Alles, was ich dafür brauche, ist ein Laptop und stabiles Internet.
Als Projektmanagerin bin ich ziemlich digital unterwegs und habe dadurch das Privileg, auch von anderen Orten als dem Büro arbeiten zu können. Alles, was ich dafür brauche, sind ein Laptop und stabiles Internet. Durch Corona hat sich dieses hybride Arbeitsmodell ohnehin weiter durchgesetzt und auch die Agentur ist noch offener geworden, was längere Arbeitsphasen außerhalb des Büros betrifft.
Tatsächlich stehe ich gerade vor einem beruflichen Wechsel und werde die PR Agentur zum Jahresende verlassen. Ursprünglich bin ich Kulturwissenschaftlerin und habe viele Jahre an Museen und Theatern gearbeitet. Vor drei Jahren ging ich der Liebe wegen nach Hamburg und wechselte in den Agenturbereich. Das war damals durchaus eine bewusste Entscheidung. Ich wollte mal etwas Anderes ausprobieren, große digitale Kampagnen managen und mich so weiter als Projektmanagerin professionalisieren. Nach fast drei Jahren vermisse ich die Kulturwelt mittlerweile aber sehr. Daher freue ich mich jetzt auf eine neue Aufgabe und die Rückkehr zu meinen beruflichen Wurzeln. Ich werde ein Projekt zur Digitalisierung von Kulturinstitutionen koordinieren.
Das ist sehr unterschiedlich und hängt davon ab, wie wir es zeitlich vereinbaren können mit unseren Projekten. Wir haben die Wohnung erst letztes Jahr im Frühjahr gekauft, daher muss sich noch vieles einpendeln. Und dieses Jahr grätschte uns Corona in unsere Pläne.
Ich folge gerne den „beigen-weißen“ Einrichtungs-Accounts bei Instagram und finde es bei anderen auch total schön. Ich kann es nur bei mir selbst einfach nicht durchhalten.
Ich folge gerne den „beigen-weißen“ Einrichtungs-Accounts bei Instagram und finde es bei anderen auch total schön. Ich kann es nur bei mir selbst einfach nicht durchhalten. Ich habe in der neuen Wohnung in Ottensen sogar probiert es etwas dezenter zu halten, aber dann finde ich wieder etwas in einer tollen Farbe und schon bin ich wieder mitten drin in der Farbwelt. Das bin einfach ich!
Meine Inspiration nehme ich von überall. Mal von einem Museumsbesuch und einer tollen Ausstellung, ein anderes Mal einfach von einem Gang durch die Straßen, bei dem mir etwas auffällt. In Portugal zum Beispiel habe ich mich viel von der Umgebung inspirieren lassen. Porto ist total bunt, allein schon durch die tollen Fliesenfassaden, die man dort überall sieht. Das Blau unserer Wohnzimmertür ist beispielsweise vom Gebäude gegenüber aufgegriffen.
Ganz viel entsteht durch Zufall und durch das Beobachten meiner Umwelt. Das kann auch mal ein Apfel sein, den ich neben eine Vase auf den Tisch lege und so ergibt sich ganz ungeplant eine tolle Farbkombi.
Das würde ich schon sagen. Das war ein bisschen die Herausforderung bei der Einrichtung. Eigentlich ist mein Stil eher im Scandi-Chic verwurzelt, der passt aber übehaupt nicht nach Portugal. Alleine das Licht ist ganz anders oder auch der kulturelle Kontext, da würde der Stil total deplatziert wirken. Daher habe ich mich bewusst entschieden eher auf das Mediterrane zu setzen, andere Materialien, mehr Terrakotta und dunklere Farben zu verwenden. Nichtsdestotrotz habe ich in Portugal ein paar Klassiker im skandinavischen Stil integriert. Nur fallen die hier nicht direkt auf, da sie ganz anders inszeniert sind. In meiner Hamburger Wohnung herrscht eher der moderne Scandi-Stil mit pastelligen Tönen und vielen Mitbringseln aus Dänemark.
Wenn ich Räume betrete, habe ich direkt ein Konzept im Kopf, gerade was Farben und Materialen angeht.
Teils, teils. Wenn ich Räume betrete, habe ich direkt ein Konzept im Kopf, gerade was Farben und Materialen angeht. Da halte ich mich in der Regel auch dran, weil es dann ein Leitfaden ist, der sich durchziehen soll. Trotzdem erlaube ich mir die Freiheit davon abzuweichen. Gerade durch Spontanität entstehen die besten und überraschendsten Kombinationen. Es ist eine Mischung aus beidem – ein nicht zu starres Konzept zu haben, das immer noch genügend Freiraum für Änderung lässt.
Mir graut es davor mit der Wohnung in Porto irgendwann fertig zu sein. Ich habe bislang immer nur in Mietwohnungen gewohnt und wenn ich sie komplett eingerichtet hatte, bin ich meistens wieder umgezogen. (lacht) In Porto und Hamburg haben wir noch so viele Baustellen und Pläne und werden sicherlich noch einige Jahre beschäftigt sein.
Das Besondere an Kunst ist für mich der Perspektivenwechsel, den sie vollzieht. Sie schafft es immer wieder zu überraschen und regt zur Auseinandersetzung mit Dingen an.
Einen sehr großen. Für mich ist das eine Lebenshaltung. Das Besondere an Kunst ist für mich der Perspektivenwechsel, den sie vollzieht. Sie schafft es immer wieder zu überraschen und regt zur Auseinandersetzung mit Dingen an. Diese Freiheit und Flexibilität die Perspektive zu wechseln, finde ich unglaublich wichtig. Diese Lebenshaltung habe ich von der Kunst übernommen.
Mich auf eine*n festzulegen, fällt mir schwer. Generell mag ich Kunst, die sich mit gesellschaftskritischen Themen auseinandersetzt, das jedoch mit einem Augenzwinkern und nicht mit einem mahnenden Zeigefinger, zum Beispiel „Fischli & Weiss“ als Klassiker. Die haben für mich schon fast einen politischen Anspruch, gehen aber mit einer kindlichen Perspektive und total viel Charme und Witz an die Dinge heran.
Um die Jahrhundertwende lebte der ehemalige Senator Portos mit seiner Familie in unserer heutigen Wohnung.
Ganz klares Ja für Altbau. Sowohl in Porto als auch in Hamburg, haben wir nur nach Altbauwohnungen gesucht. Wobei ich einen Neubau nicht explizit ausschließen würde, es müsste aber schon einen künstlerischen Anspruch, etwas Besonderes haben und von den normalen modernen Kästen abweichen. Das findet man in Deutschland und auch in Portugal eher selten.
Altbauten haben immer eine Geschichte. Unser Haus in Porto hat eine total faszinierende. Um die Jahrhundertwende lebte der ehemalige Senator Portos mit seiner Familie in unserer heutigen Wohnung. Er ist noch heute sehr berühmt und hat mit dazu beigetragen, dass Portugal überhaupt zur Republik wurde. Seine Schriftstellerfreund*innen hat er in unser jetziges Wohnzimmer zum Essen eingeladen. Sowas finde ich einfach toll und das kann dir kein Neubau auf dieser Welt bieten.
Ein Eimer Farbe oder ein Meter Stoff kosten nicht die Welt, der Effekt ist aber riesig.
Das Allerwichtigste überhaupt ist mutig zu sein und das zu machen, wozu man Lust hat, unabhängig davon, was andere gut finden – was eigentlich für fast alle Lebenslagen hilfreich sein kann.
Tatsächlich hilft es bei der persönlichen Stilbildung ungemein, wenn du dich ausprobierst. So entwickelst du ein Gefühl dafür, was dir wichtig ist, welche Farben und Stile du magst und wovon du dich lieber verabschieden möchtest. Ich selbst habe unglaublich viel ausprobiert, auch dadurch gefördert, dass ich sehr oft umgezogen bin und so immer wieder neu vor der Herausforderung stand, mir ein kuscheliges Zuhause zu schaffen, damals als Studentin zudem noch mit sehr wenig Budget. Das kleine Budget war aber nicht hinderlich, sondern wirkte auf mich eher kreativitätsfördernd. Vielleicht fing ich deshalb irgendwann an, gezielt mit Farben zu experimentieren, denn ein Eimer Farbe oder ein Meter Stoff kosten nicht die Welt, der Effekt ist aber riesig.
Licht ist eins der allerwichtigsten Kriterien beim Einrichten für mich. Mache dir vorher Gedanken, wann die Sonne in das Zimmer scheint. Ist es lichtdurchflutet weil die Fenster gen Süden gehen? Hast du früh morgens Sonne? Oder nie direkte Sonneneinstrahlung, weil die Fenster nach Norden gehen oder der Raum vielleicht gar keine Fenster hat? Das Tageslicht verändert sich mit dem Stand der Sonne und hat entscheidenden Einfluss auf die gesamte Raumwirkung und die Farbwahrnehmung. So achte ich zum Beispiel darauf, dass ich bei eher dunkleren Räumen, die nach Norden zeigen, eher helle, warme Töne nutze. Sonst wirkt es schnell kalt und kann sehr dunkel werden. Umgekehrt kannst du bei südlich gelegenen Zimmern mit Farben die übermäßige Sonnenwärme ein bisschen „löschen“, indem du zu kühleren Farben greifst wie Grün- oder Blautöne.
Und auch die ausreichende Ausstattung eines Raums mit Lampen ist sehr wichtig. Ich liebe Lampen und kann gar nicht genug davon haben, aber tatsächlich habe ich oft beobachtet, dass viel zu wenig Lampen geplant werden. Ein Raum sollte immer gut ausgeleuchtet sein und Lampen für die verschiedenen Bedürfnisse anbieten. Deckenlampen sind für mich in der Regel eher das „Putzlicht“ – für gemütliche Stimmung ist es mir viel zu grell. Dafür verteile ich im Raum lieber verschiedene Lampen, die indirektes, warmes Licht streuen. Zum Lesen wiederum setze ich gezielte Strahler ein, die den Raum punktuell an den Sitzplätzen erhellen.
1) Nimm einen Stapel Farbkarten aus dem Baumarkt mit zum Ausprobieren und Kombinieren. Farbfächer sind nicht zufällig die „Bibel“ jedes Gestalters.
2) Erst einmal nur eine Wand streichen und wirken lassen, alternativ kannst du auch Mdf-Platten aus dem Baumarkt holen und diese in deiner Lieblingsfarbe streichen. An die Wand gelehnt sind sie sehr dekorativ und lassen sich schnell verändern oder in den Keller bringen, wenn du dich satt gesehen hast.
3) Mit kleinen Akzenten anfangen. Es muss nicht immer gleich eine neue Wandfarbe sein. Bunte Kerzen, gemusterte Kissen auf dem Sofa oder ein neu lackierter Stuhl setzen farbige Akzente und eignen sich prima als Einstieg für das Experimentieren mit Farben.
Das wird sich noch einpendeln, da wir erst Ende letzten Jahres überhaupt inseriert haben. Der bürokratische Aufwand zum Anmelden einer Airbnb-Wohnung ist in Portugal beachtlich. Es lief tatsächlich sehr gut an. Das kleine Örtchen unmittelbar nördlich von Porto, wo wir unsere Wohnung haben, ist in Portugal und Spanien ein bekannter Badeort, daher hatten wir schnell mehrere Anfragen. Allerdings folgten dann sehr viele Stornos durch Corona im Frühjahr. Im Sommer hatte sich die Lage auch in Portugal etwas entspannt und erste Gäste kehrten zurück, jetzt muss man beobachten, was Herbst und Winter bringen. Allerdings legen wir es nicht darauf an, die Wohnung permanent zu vermieten, da der Verschleiß dadurch deutlich zunimmt und wir sie ja sehr hochwertig eingerichtet haben. Es ist eher als kleine Nebeneinnahme gedacht, die wir gern zwischendurch mitnehmen, um davon weitere Renovierungsarbeiten an der Wohnung zu finanzieren, darauf angewiesen sind wir aber glücklicherweise nicht.
Eigentlich hatten wir geplant, über Weihnachten hin zu fliegen, aber ob das dieses Jahr klappen wird, wird sich zeigen. Wenn Porto zum Risikogebiet erklärt wird, werden wir in Hamburg bleiben und das Beste daraus machen. Wir bleiben flexibel und planen nicht viel im Voraus, auch wenn es mich natürlich traurig macht, wenn wir so wenig Zeit in unserem geliebten zweiten Zuhause verbringen können. Aber Maria kümmert sich ganz wunderbar um alles, wenn wir nicht vor Ort sind. Sie ist eine resolute ältere Dame, die um die Ecke wohnt und die gute Seele des Hauses ist. Sie geht regelmäßig bei uns vorbei und richtet alles für die Gäste her. Außerdem hat sie im Gegensatz zu mir ein Händchen für Pflanzen, deshalb grünt und blüht unser Wintergarten neuerdings. (lacht)
Momentan bin ich durch meine Arbeit noch an Hamburg gebunden, aber ich könnte mir vorstellen mal eine ganze Weile nach Portugal zu gehen.
Fotos: Miriam & Pedro Seixas
Text: Katharina Charpian, Laura Sangs
Layout: Kaja Paradiek