Im Alter von 23 Jahren hat Ricarda Messner ihr erstes Magazin herausgebracht: eine Zeitschrift mit dem Titel „Flaneur“. Auf die erste Ausgabe folgten weitere – und im Sommer 2016 ein zweites Magazin, namens „Sofa“. Während andere nach dem Studium eine Unternehmenskarriere anstreben, hat Ricarda Messner sich schon früh getraut, ihr eigenes Ding zu machen. Warum sie sich ausgerechnet für Print-Magazine entschieden hat, wie sie diese finanziert und welches Medienprojekt sie für die Zukunft reizt, das erzählt uns die 27-Jährige in ihrer Wohnung in Berlin-Charlottenburg.
Ricarda Messner: Ich habe immer schon viel gelesen, aber ich war kein Print-Fanatiker oder Magazinsammler. Als ich das erste Mal darüber nachgedacht habe, ein eigenes Magazin zu machen, war es keine Ansage an die digitale Generation. Es hatte eher etwas mit meinem Konzept für „Flaneur“ zu tun.
Ja und wir nehmen uns immer wahnsinnig viel Zeit für eine Ausgabe. Wir fahren in die jeweiligen Stadt und verbringen dort zwei Monate zur Recherche. Dieses Konzept ließe sich mit einem Online-Medium gar nicht vereinen.
Dort stellen wir Inhalte vor, die nicht für das gedruckte Magazin gedacht sind, zum Beispiel Vidoes …
Es geht darum, mit den Grenzen des Printmediums zu spielen. Wir versuchen, alle Inhalte im Heft darzustellen. Aber, was sich nicht gedruckt darstellen lässt, veröffentlichen wir auf der Website.
Ich hatte gar keine Erfahrung im Publishing. Deshalb haben wir einfach alles so gemacht, wie wir wollten.
Es lang einfach daran, dass ich gar keine Erfahrung im Publishing hatte. Deshalb haben wir einfach alles so gemacht, wie wir wollten. Wir sind an das Projekt komplett unbefangen herangetreten und inhaltlich und gestalterisch ist es ohne Restriktionen entstanden. Erst als wir uns schon für das Format entschieden hatten, haben wir gemerkt, dass es vergleichsweise groß und teuer ist. Und erst als die Hefte gedruckt waren, haben wir uns Gedanken um die Portokosten gemacht und gemerkt, wie schwer das Magazin ist.
Die erste Ausgabe habe ich über Anzeigen finanziert. Ich hatte ein paar Kontakte und bin zum Beispiel einfach zu adidas gegangen und habe sie gefragt, ob sie nicht eine Anzeige kaufen wollen (lacht). Sie haben dann eine Doppelseite gebucht. Ich glaube daran, dass, wenn man etwas gründet oder eine neue Idee hat, der eigene Enthusiasmus ansteckend ist. Man zieht die anderen Leute mit. Irgendwann kommt der Punkt, an dem man auch sich selbst mit Enthusiasmus füttern muss, wenn das Produkt da ist und man es am Leben halten muss – das ist dann Phase Zwei.
Ich glaube daran, dass, wenn man etwas gründet oder eine neue Idee hat, der eigene Enthusiasmus ansteckend ist.
Die Resonanz auf die erste Ausgabe war so gut, dass wir weitermachen mussten. Für das zweite Heft sind wir nach Leipzig gegangen und dann kam die Einladung vom Goethe-Institut aus Montreal, um dort unser drittes Heft zu machen. Das ist das Schöne, wenn man Dinge so offen angeht und es keinen Business-Plan gibt. Man kann gar nicht von seinem Plan abweichen, wenn man keinen hat, und dann lässt man sich auf alles ein.
Als wir gemeinsam in Sao Paulo saßen, wurde uns bewusst, was wir erreicht haben. Dass wir es überhaupt bis Brasilien geschafft haben mit unserem kleinen Indie-Magazin, ist unglaublich. Es ist noch nicht vorbei mit „Flaneur“, aber jetzt könnten wir auch zufrieden aufhören.
Man kann gar nicht von seinem Plan abweichen, wenn man keinen hat, und dann lässt man sich auf alles ein.
Das musste ich machen, um „Flaneur“ herausbringen zu können. Ich habe offiziell einen Verlag als Gewerbe angemeldet. Ich habe ihn „Publishing Dreams (editionmessner) Verlag“ genannt – damit ich einen Namen habe, falls ich noch andere Magazine herausbringen will.
Ich wollte das Wissen, das ich mir angeeignet hatte, für ein neues Projekt nutzen. „Sofa“ ist zusammen mit einer Freundin, die in Kanada lebt, entstanden. Ich fand es interessant, ein Produkt zu machen, das sich ganz anders finanzieren lässt als „Flaneur“ und das auch kommerzieller ist. „Flaneur“ ist sehr unabhängig, was Kooperationen mit Marken betrifft. Bei „Sofa“ wollen wir popkultureller sein. Es ist angelehnt an den Look der guten alten „Bravo“, kostet nur 6 Euro und die Produktionskosten sind ein Traum im Vergleich zu „Flaneur“.
Ich hatte vielleicht noch nicht die richtige Idee für ein digitales Magazin. Also eine Idee, die man digital umsetzen sollte. Ich habe den Eindruck, dass viele Print-Magazin unbedacht herausgebracht werden. Manchmal stehe ich im Zeitschriftenladen, sehe neue Magazine und frage mich echt, ob das nötig war. Manche der Konzepte wären viel besser für digital geeignet.
Man sollte einfach das Medium nutzen, in dem der jeweilige Content am besten funktioniert!
Das war auch damals so, als ich im Alter von 23 mit „Flaneur“ angefangen habe, damals haben immer alle gesagt: „Du bist 23, du musst doch digital machen!“. Das war immer so eine komische Diskussion. Man sollte einfach das Medium nutzen, in dem der jeweilige Content am besten funktioniert!
Ich finde das Zielgruppen-Prinzip total schwierig. Die erste Ausgabe von „Sofa“ dreht sich um die Teenager von heute – da haben alle immer gesagt: „Ah, es ist ein Teenager-Magazin!“. Aber das stimmt nicht. Auch im Alter von 50 kann ich mich für die Zukunft unserer Gesellschaft interessieren.
Eben! Zielgruppen sind das klassische Schubladendenken.
Die erste Ausgabe von „Sofa“ dreht sich um die Teenager von heute – da haben alle immer gesagt: „Ah, es ist ein Teenager-Magazin!“. Aber das stimmt nicht.
Sehr dezentral. Oft bin ich hier, zu Hause am Schreibtisch. Aber das verlangt viel Disziplin ab. In den Produktionsphasen treffen wir uns im Designstudio und setzen uns zu fünft zusammen.
Die Leute vor Ort sind immer total offen für eine Zusammenarbeit und freuen sich über unser Interesse an ihrer Stadt. Wir geben den Contributors vor Ort die Möglichkeit, mit ihrer eigenen Stadt neu zu arbeiten. Wir sind sehr offen dafür, von ihnen zu hören, was aktuelle Themen vor Ort sind. Und es braucht lokale Autoren, um diese Themen zu erzählen.
Genau, in der geht es um das Thema Cyber Love. Jetzt werden viele Menschen hoffentlich merken, dass wir definitiv kein Teenager-Magazin sind. Der Look wird ein bisschen erwachsener als bei der ersten Ausgabe, aber es bleibt gewollt etwas trashig.
Letztes Jahr habe ich angefangen, auch selbst mehr zu schreiben. Zum Beispiel für das „Zeit Magazin“, „L‘Officiel“ oder die „Welt am Sonntag“. Zusammen mit Christoph Amend schreibe ich den neuen täglichen Zeitmagazin-Newsletter, „Was für ein Tag“. Einfach, um nebenher noch etwas Geld zu verdienen. Aber der Begriff „Journalistin“ klingt viel aktiver als ich es am Ende bin (lacht). Ich schreibe einfach über meine eigenen Themen oder eigenen Observationen.
Es reizt mich definitiv, aber eher projektbezogen. Ich freue mich, wenn ich die Infrastruktur von Verlagen für meine Inhalte nutzen kann. Eine Festanstellung, in der ich von Montag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr in einem Verlag sitze, wäre für mich aber nicht vorstellbar.
Ich würde gerne so langsam anfangen, Bücher herauszubringen. Aber das ist die Königsdisziplin und da ist die Finanzierung noch einmal eine ganz andere Sache. Was mich auch reizt, ist, die gute alte Zeitung noch einmal neu zu denken. Ich kann keine Tageszeitung machen, aber vielleicht eine, die einmal im Monat herauskommt …
Was mich auch reizt, ist, die gute alte Zeitung noch einmal neu zu denken.
Hier bin ich geboren und aufgewachsen. Hier ist nichts hip, international oder angesagt. Hier spricht man noch Berlinerisch und geht in den Biergarten, der schon seit Ewigkeiten existiert. Ich mag das! Außerdem fühle ich mich hier sehr Zuhause. Es ist schön, in einer Stadt, die sich schnell verändert, ein stetiges Gefühl von Zuhause und einer Konstanten zu haben. Und mit dieser Wohnung verbindet mich eine ganz besondere Geschichte: Meine Mutter hat früher, als ich ein Baby war, in dieser Wohnung gewohnt. Ich habe Fotos von meinem ersten Geburtstag, den wir in dieser Wohnung gefeiert haben, gesehen. Irgendwann war die Wohnung wieder frei und ich habe mich sofort beworben. Es ist wirklich meine Wohnung (lacht).