Wenn Interiordesigner Peter Fehrentz, 50, sich vorstellen soll, antwortet er meist „Hast du fünf Minuten Zeit?“, denn es reicht nicht eine einzige Berufsbezeichnung für das Multitalent. Der Diplom-Metalldesigner entwirft nicht nur Möbel und Accessoires, sondern ist ein erfolgreicher Stylist, Innenarchitekt und Fotograf. Wie gestaltet so ein Style-Profi eigentlich seine eigenen vier Wände? Gemeinsam mit seinem Mann, dem Kostümbildner Dirk Zilken, hat Peter Fehrentz aus einem 250-Quadratmeter-Altbau-Loft zwischen dem Hamburger Grindel- und Schanzenviertel etwas Einzigartiges geschaffen. Und dabei war der gebürtige Bremer eigentlich auf der Suche nach einer Neubauwohnung …
Peter Fehrentz: Im Immobilienportal war eine neu aufgestockte Maisonettewohnung im Altbau inseriert, die ich bei strömendem Regen im Dezember 2015 besichtigten wollte. Im Treppenhaus erwähnte die Maklerin, dass im ersten Stock auch noch eine Altbauwohnung frei sei und wir traten ein: alles noch im Rohbau, 4,06 Meter hohe Räume, der Originalboden war abgerockt, ich war beeindruckt. Die Deckenhöhe von 2,90 Meter in der Neubauwohnung darüber kam mir dann fast schon drückend im Vergleich zum Altbau-Loft vor. Ich sehe ja berufsbedingt viele Häuser, aber noch mal zurück in den ersten Stock geschaut, fand ich die Wohnung echt besonders, sehr speziell. Die Atmosphäre war so gut!
Für mich hat die Etage mit der Offenheit, der Größe und den vielen besonderen Fenstern im übertragenen Sinne einen Warehouse-Charakter wie ein Soho-Loft in New York. So etwas gibt es nicht oft in Hamburg.
Für mich hat die Wohnung im übertragenen Sinne einen Warehouse-Charakter wie ein Soho-Loft in New York. So etwas gibt es nicht oft in Hamburg.
Das Haus war 1860 als Waisenheim für jüdische Mädchen gebaut worden, was den Grundriss mit dem Schlafsaal erklärt. Im Zweiten Weltkrieg hat es seine Funktion verloren und wurde danach für Büros genutzt, eine Anwaltskanzlei war dabei, und ich glaube auch ein Bordell war unten im Haus. Bei der grundlegenden Sanierung hat man noch einmal alles gedämmt, isoliert, Balkone angebaut und eine Neubau-Maisonettewohnung oben drauf gesetzt. Die Lage ist zentral und was der Eigentümer dann auch noch in die Sanierung des Hauses investiert hat, macht es zu einem Premiumobjekt. Zuzüglich der eigenen Investitionen könnte man sich statt dieser Altbau-Loftwohnung fürs gleiche Geld auch ein Haus in Nienstedten kaufen.
Die Raumaufteilung konnte man selber bestimmen, aber die Ausstattung wurde als Serviervorschlag mit Altbautüren, Hamburger Fußleisten, Fliesen und Sanitäreinrichtung von einem Anbieter präsentiert. Als wir den Vertrag gemacht haben, haben wir dem Inhaber erklärt, wir wollen das alles nicht, können wir das ganz anders machen und das trotzdem von euren Gewerken ausgeführt bekommen?
Die alten Pitchpine-Dielen wollten wir dunkelbraun haben, im Verzeichnis stand: Der Boden wird geschliffen und gewachst. Zwischen dem Wachsen wollte ich noch ein Farbwachs haben. Dem Parkettschleifer war aber das Risiko zu groß, dass der Boden wolkig wird oder uns nicht gefällt. Wir standen unter Zeitdruck, da wir die Wohnung in St. Georg verkauft hatten. Wir haben dann in einer Wochenendaktion den Boden selber gefärbt. Das ist natürlich krass bei 250 Quadratmetern, das auf Knien mit dem Lappen einzureiben. Wir haben es letztlich mit einer Parkettpflegemaschine eingearbeitet, was auch gut funktioniert hat.
Schon während der Pubertät, aber nach dem Abitur war ich noch zwiegespalten: Soll ich in die medizinische oder künstlerische Richtung gehen? Die Verhaltensforschung bei Tieren wäre meine Ausrichtung in der Medizin gewesen – das interessiert mich heute noch! Deshalb hatte ich vorsorglich Latein in der Schule gewählt und nach dem Abi den Zivildienst im Tierheim in Bremen gemacht, was auch eine gute Erfahrung war.
Mich hat immer interessiert, über die Grenzen hinaus zu gehen.
Parallel habe ich Modeschmuck aus Messing in einer Kellerwerkstatt hergestellt und es war in der Denke so drin, dass man als Basis erstmal eine Lehre in einem Handwerk machen sollte. Ein Praktikum beim Goldschmied gefiel mir richtig gut. Gestaltet, gebastelt und handwerklich gewerkelt haben wir zuhause viel, aber niemand aus der Familie hatte bislang beruflich künstlerisch gearbeitet. Ich wollte zuerst mal Goldschmied werden, bekam aber keine Lehrstelle, es war echt schwierig. Ich wäre dafür überall in der Region hingegangen, Hauptsache eine Lehrstelle finden – das dachte ich damals.
Ich hörte dann von jemandem, der Metalldesign studiert hat. Da kam ich auf die Idee, mich bei Goldschmiedeschulen in Hanau und Idar-Oberstein zu bewerben – und für den Studiengang „Metallgestaltung“ in Hildesheim. Bei allen dreien wurde ich angenommen, setzte dann aber auf das breitere Spektrum und wählte das Studium.
Mich hat immer interessiert, über die Grenzen hinaus zu gehen. Durch eine Quizz-Sendung im Fernsehen bin ich auf Peter Schmidt gestoßen. Er hat Parfumflakons für Jil Sander und Joop entworfen und ist damit berühmt geworden in den 70er/80er Jahren. Ich konnte dort sechs Wochen in den Semesterferien ein Praktikum machen. Das Atelier des Verpackungsdesigns war in der Feldbrunnenstraße in Hamburg-Harvestehude und in der Königstraße in Altona war die Werkstatt, um die Dummies für die Parfumflakons zu bauen. Das war nicht genau mein Ding, aber ich fand Hamburg ganz gut.
Ja, zu der Zeit habe ich im Stadtteil St. Georg eine Wohnung angeboten bekommen, bin umgezogen und habe kurzerhand das Hildesheimer Diplomsemester von Hamburg aus gemacht. Ich wollte auch endlich anfangen, zu arbeiten. Die sechs Monate langen Semester dauerten mir zu lange. Ich war im Glück als ich dann in Arbeitsphasen von einigen Wochen erste Projekte erarbeitete.
Selbstständig als Kunsthandwerker, man sucht sich einen Mentor oder wird Angestellter in einer Firma, die zum Beispiel Bestecke herstellt. Das Räumliche wollte ich weiter ausbauen und habe mir überlegt: Wo könnte ich einen Mentor finden und mich weiter ausbilden? Wohnzeitschriften wie „Ambiente“, „Architektur & Wohnen“, „Wohnidee“ fand ich interessant. Ich hatte mich bei allen mir bekannten Innenarchitekten beworben. Doch die konnten mit mir als Produktdesigner nichts anfangen. Sie suchten eher jemanden, der die technischen Bauzeichnungen wegschrubben kann – die Kreation wollten sie lieber selber machen.
Angelika Jahr war meine große Mentorin. Ihr Motto: “Du willst Räume machen, dann leg los. Du musst kein Innenarchitekt sein. Hauptsache, du machst deine Sache gut.”
Bei den Wohnzeitschriften habe ich mir 1993 Vorstellungstermine geben lassen: Barbara Friedrich war damals Chefredakteurin von „Zuhause Wohnen“. Sie konnte mich zwar nicht einstellen, hat aber Kontakte zu Fotografen hergestellt. Der Verlag „Gruner & Jahr“ arbeitete mit festen Stylisten. Angelika Jahr ließ sich als Chefredakteurin nur drei Wochen nach meinem Diplom bei „Schöner Wohnen“ im Bereich Styling ein Praktikum machen. Sie war meine große Mentorin, ihr Motto: „Du willst Räume machen, dann leg los. Du musst kein Innenarchitekt sein. Hauptsache, du machst deine Sache gut.“ Durch ihr entgegengebrachtes Vertrauen konnte ich mich entwickeln!
Im Fotostudio arbeiteten Teams mit einem Fotografen, Innenarchitekt und Stylisten. Schon in der ersten Praktikumswoche konnte ich für eine kranke Mitarbeiterin einspringen, übernahm das Styling und alles nahm seinen Lauf: Seitdem arbeite ich kontinuierlich für „Schöner Wohnen“.
Im Jahr 2009 gab es einen Einschnitt: Da war einerseits die Wirtschaftskrise, die die Branche unruhig gemacht hat, und meine Mentorin Angelika Jahr hatte die Redaktion verlassen. Das war eine Zeit des Umbruchs, auch bei „Schöner Wohnen“. Da gefiel mir nicht mehr alles so gut und ich nahm mir vor, mich endlich intensiver in die Fotografie einzuarbeiten. Ich hatte schon ewig drei Hasselblads und alle Objektive im Schrank liegen, hatte aber nie die Zeit dafür gehabt, sie zu nutzen. Jetzt war ein guter Zeitpunkt, um mir Projekte zu suchen und loszulegen: Ich habe Reportagen gemacht, mit deren Ergebnissen ich zufrieden war.
Für manche bin ich der Stylist, für andere der Innenarchitekt, für den nächsten der Produktdesigner und für andere wieder der Fotograf. Und für manche bin ich auch alles zusammen!
Ich hatte jahrelang mit Fotografen zusammengearbeitet und als Produzent gestaltet man ja maßgeblich die Bilder mit. Das heißt, der Umgang mit der Kamera, das Bild zu finden, das Bild zu bauen, also von dreidimensional in zweidimensional zu gehen, das war mir vertraut, darin war ich schon Profi. Da fehlte nur noch die Technik. Mit der digitalen Technik ist alles viel einfacher geworden.
Das ist spielerisch entstanden, ich habe kleine redaktionelle Geschichten gemacht. Das hat gut funktioniert und ich war damit ganz happy – und die Kunden auch. Ganz schnell haben sich dann auch Werbekunden dafür interessiert. Für manche bin ich der Stylist, für andere der Innenarchitekt, für den nächsten der Produktdesigner und für andere wieder der Fotograf. Und für manche bin ich auch alles zusammen!
Mich interessiert es nicht, mich selbst zu verwirklichen, so nach dem Motto „nach mir die Sintflut“.
Wenn es um ein Farbthema geht, überlege ich mir, welchen zeitgemäßen Kontext hat diese Farbe gerade, wie kann ich sie darstellen, dass es den Nerv der Zeit trifft? Finde ich die Farbe Gelb gerade gut, welche Farben können noch dazu kommen? Ich versuche mir ein räumliches Bild davon zu machen: Bin ich elegant unterwegs? Oder bin ich industriell unterwegs? Oder ist es ein Mix aus allem? Ich versuche mich in eine Welt hinein zu fühlen, in der das Lebensgefühl mit dieser Farbe stattfindet. Das ist erst nur in meinem Kopf. Dann fange ich an, Möbel zusammenzusuchen und kreise das immer mehr ein. Erst dann stelle ich mir im Sinne eines Moodboards die Möbel zusammen und irgendwann habe ich das Gefühl, dass ich das Thema gut gegriffen habe.
Ich finde es gut, wenn es inspirierend ist. Eigentlich habe ich immer den Kunden vor Augen oder auch den potentiellen Kunden, der neu gewonnen werden soll. Bei Redaktionen geht es mir um den Leser. Ich bin ja nicht in der freien Kunst unterwegs. Mich interessiert es nicht, mich selbst zu verwirklichen, so nach dem Motto „nach mir die Sintflut“.
Ja, das ist ein großer Trend, der mich persönlich auch interessiert. Ich versuche diese Grundsätze auch so weit es geht umzusetzen. Eigentlich wird bei allen Firmen, für die ich arbeite, auf diese Grundsätze geachtet. So zum Beispiel auch bei der Hamburger Firma „More“. Das ist solides Handwerk und alle ihre Möbel werden in Deutschland gefertigt. Es wird nur natürlich gegerbtes Leder verarbeitet.
Instagram ist für mich ein wichtiges Tool geworden, was ich lange Zeit ausgeklammert hatte. Dort finde ich auch kleine Labels, Handwerker mit tollen Prints und Keramiker, die ich anfrage, um ihre Produkte für Produktionen einzusetzen. Facebook nutze ich inzwischen mehr für soziale Kontakte. Da kann ich sehen, wo zum Beispiel gerade meine Freunde aus Amerika im Showbereich tätig sind. So hat man immer Anteil an ihrem Leben. Vielleicht würde man sonst nur alle halbe Jahre mal telefonieren. Andererseits telefoniert man jetzt gar nicht mehr (lacht).
Es gibt keinen „normalen Arbeitstag“ für mich. Grundsätzlich arbeite ich immer an mehreren Projekten gleichzeitig. Ich habe immer kontinuierlich ein Innenarchitekturprojekt am Laufen. Im Moment gestalte ich 2.500 Quadratmeter eines großes Fotostudios in einem Industriebau, sodass dort reale Schauplätze zum Shooten mit Tageslicht entstehen. Wir haben Wände herausgerissen, um dort Locations wie ein Fabrikloft, einen Altbau oder ein Palais mit echten, alten Bauelementen zu schaffen. Solche Projekte ziehen sich über Jahre. Gerade gestalte ich ein Yogastudio am Poelchaukamp in Winterhude. Wenn ich zum Beispiel fünf Arbeitstage dafür brauche, dann erstrecken die sich über einen Zeitraum von mehreren Monaten. Darum mache ich nicht so gerne viele Innenarchitekturprojekte gleichzeitig, weil die einen so beschlagnahmen.
Ja, allerdings bin ich immer erreichbar und beantworte auch im Urlaub meine E-Mails. Das hat Nachteile, weil man nie abschaltet und zum Beispiel unangenehme Nachrichten kommen, die einem den Tag verderben. Auf der anderen Seite kann ich wochenlang unterwegs sein, komme wieder und dann liegen da nur zehn Briefe, die ich in fünf Minuten abgearbeitet habe und ansonsten bin ich on track.
Ich möchte unbedingt noch nach Japan und ich denke, dass es nächsten Herbst etwas werden könnte.
Text: Stefanie Behrens
Fotos: Nina Struve
Layout: Carolina Moscato