Eurowings, Axe, Volkswagen, Media Markt, McDonalds, Audi, Saturn, Aktion Mensch, … Die Liste der Kunden, für die Claas Ortmann Werbespots realisiert hat, ist lang. Der 39-Jährige, der in Norderstedt aufgewachsen ist, entwickelte schon als Teenager ein Interesse für Regiearbeit – und dann sehr schnell seinen Berufswunsch. Nach ersten Erfahrungen mit der Produktion von Musikvideos fand er seinen Weg in die Werbebranche, in der er heute ziemlich erfolgreich unterwegs ist. Wir besuchen Claas in seiner stilvollen, weitläufigen Single-Wohnung auf St. Pauli zum Gespräch über frühe Vorbilder, den Einstieg in die Branche, Reisen und warum ihm eine schöne Wohnung so wichtig ist.
Claas Ortmann: Als ich etwa 15 Jahre alt war, ist VIVA in Deutschland gestartet. Sie haben immer die Namen der Regisseure der Musikvideos eingeblendet. Ich habe mir die Namen gemerkt und wusste dann, wenn ich den Namen gelesen habe, ob ein Video gut oder nicht so meins ist. Durch VIVA habe ich begonnen, mir über den Einfluss des Regisseurs oder der Regisseurin Gedanken zu machen. Ich habe tatsächlich angefangen, über die Namen Buch zu führen und zu recherchieren – da gab es das Internet ja noch nicht.
Mitte der Neunziger habe ich „Pulp Fiction“ geguckt und das hat mich so geflasht, weil es anders war als alles, was ich kannte. Das wollte ich machen! Ich habe mich mit ein paar Freunden zusammengeschlossen und meine Eltern um eine Videokamera angebettelt – und dann haben wir schön beknackte Gangster-Filmchen gedreht, im Industriegebiet von Norderstedt. (lacht)
Durch VIVA habe ich begonnen, mir über den Einfluss des Regisseurs oder der Regisseurin Gedanken zu machen.
Genau. Zusammen mit meinen Eltern habe ich mich informiert, wie man das beruflich umsetzen kann. Nach Schule und Zivi habe ich ein Praktikum in einer Musikvideo-Produktionsfirma gemacht, die unter anderem Videos für die ganzen Hamburger Hip Hopper wie Fettes Brot und Ferris MC machten. Mein erster Dreh war „Du trägst keine Liebe in dir“ von Echt.
Am dritten Tag habe ich ganz frech gefragt, ob ich auch mal darf. Immerhin haben sie mich Konzepte schreiben lassen. Die Briefings waren oft wie folgt: Es muss getanzt werden, es muss Sommer sein und dazu schöne Mädels am Start. Ansonsten hatte ich alle Freiheiten. Zwei meiner Konzepte wurden tatsächlich umgesetzt.
Als ich 15 war habe ich mit einem Freund Werbefilme nachgespielt, ganz toll, sage ich dir. Bereits da habe ich die Liebe fürs kurze Format entdeckt. Nach der Musikvideo-Zeit war ich noch dreieinhalb Jahre in einer Werbefilmproduktion und bin da hängen geblieben.
Um Regie machen zu können, musste ich studieren. In München, an der Filmhochschule HFF, musste man damals für das Studium mindestens 24 Jahre alt sein. Die wollten, dass du ein bisschen Lebenserfahrung hast. Meine Ausbildung habe ich als Spielfilmdrehbuchautor und Regisseur gemacht. Als Masterstudiengang konnte man noch Werbung obendrauf machen, dazu musste man sich intern bewerben und hat dann ein bisschen Geld gekriegt, um ein bis zwei spekulative Werbefilme zu drehen.
Danach musste ich mich entscheiden: Will ich in den Spielfilmbereich oder in die Werbung? Für beides bedarf es eines wahnsinnigen Energieaufwands, man muss Klinken putzen. Ich habe mich für die Werbung entschieden.
Ja, aber auch, weil ich die Werbung durch die Jahre vor der HFF lieben gelernt habe. Ab dem Drehbuch dauert es mindestens nochmal drei Jahre, einen Spielfilm zu machen, drei Jahre bis du das erste Ergebnis hast. Bei der Werbung ist die Energie höher, von Auftrag bis Dreh vergehen nur ein paar Wochen und irgendwie gefiel mir das.
Bei Werbefilmen vergehen von Auftrag bis Dreh nur ein paar Wochen und irgendwie gefiel mir das.
Es ist wichtig, Kontakte zu pflegen, aber wenn man gute Filme in seinem Portfolio hat, ist das mehr wert als auf jeder Party zu sein.
Ein Jahr lang lief nichts, obwohl ich auf allen Veranstaltungen „Hallo“ gesagt habe. Ich habe damals versucht, mit diesem ganz schrägen Humor meinen Idolen nachzueifern. Ich habe viele Produktionsfirmen getroffen, aber die meisten meinten: Melde dich doch nochmal, wenn du so zehn Filme hast. Ja, aber wie bekomme ich denn zehn Filme? Ich muss ja irgendwie Aufträge bekommen!
Auf einer Veranstaltung habe ich dann einen Kreativen einer Werbeagentur getroffen, der sagte: „Cool, so schrägen Scheiß macht keiner in Deutschland, hast du nicht Bock?“ So hat er mir nach einem Jahr den ersten Auftrag gegeben. Da ist der Knoten geplatzt und es ging los. Ich habe eine Agentin bekommen, die mir ein paar Aufträge besorgt hat. Das war vor knapp acht Jahren.
Schon wichtig. Man sagt klischeehaft, die Werbung sei ein People Business, und gerade am Anfang, als mich noch keine Sau kannte, bin ich überall hin: „Hallo, ich bin Claas und mache jetzt Regie.“ Ich habe natürlich immer meine Visitenkarten vergessen, 1.000 Stück gedruckt und immer vergessen. … Auch jetzt ist es wichtig, Kontakte zu pflegen, aber wenn man gute Filme in seinem Portfolio hat, ist das mehr wert als auf jeder Party zu sein.
Es war eher eine Herzentscheidung. Ich hatte eine tolle Zeit in München, aber nie das Gefühl: Das ist die Stadt, in der ich mal alt werden möchte. Mir war immer klar, dass ich nach Hamburg gehe, nicht nach Berlin, obwohl ich mich dort bestimmt wohlfühlen würde. Aber ich mag das Übersichtliche. Ich habe hier Freunde, die kenne ich seit ich 15 bin, und das ist so viel wert! Wenn ich einen neuen Film gemacht habe, sind sie knallhart ehrlich und sagen nicht nur: „Ach, wie toll, super Ding!“
Das geht als Regisseur in der Regel gar nicht anders. Darüber habe ich mir am Anfang gar keine Gedanken gemacht – ich hatte einfach wahnsinnig stark diesen Berufswunsch. Ich hatte auch nie einen Plan B. Rückblickend weiß ich es sehr zu schätzen, dass mich meine Eltern so unterstützt haben.
Das geht alles extrem schnell. Ein Kunde geht zu einer Werbeagentur und die entwickeln ihm eine Werbestrategie: Print, Film, Online, alles. Ihre Filmidee schickt die Agentur an mehrere Filmproduktionen. Und wenn das eine von meinen Filmproduktionen ist und die glauben, das ist doch was für Claas, dann schicken sie mir das Konzept, ich lese es durch und sage, ob es mich interessiert oder nicht. Wenn ja, schlägt die Produktionsfirma mich der Agentur vor und wenn die mich auswählen, bin ich im Pitch. Meistens pitchen die Agenturen mit drei Regisseuren. Man telefoniert und tauscht sich aus. Ich werfe meine Ideen in den Ring, setze mich ein paar Tage an meinen Schreibtisch und schreibe meine Regie-Interpretation. Das ist ein mehrseitiges Dokument, in dem ich meine Ideen zum Film genau festhalte. Und wenn die Agentur das alles gut findet, dann sagt sie: Der Junge kriegt den Job!
Ich habe hier Freunde, die kenne ich seit ich 15 bin, und das ist so viel wert! Wenn ich einen neuen Film gemacht habe, sind sie knallhart ehrlich und sagen nicht nur: „Ach, wie toll, super Ding!“
Dann setze ich alles in Gang: Ich schicke mein Casting-Briefing an die Casting-Agentur – meistens Leute, mit denen ich schon oft zusammengearbeitet habe, die meinen Stil kennen. Dann wähle ich aus den Vorschlägen drei Schauspieler aus, die ich der Agentur zeige. Als nächstes wird die Location ausgesucht, ich briefe den Szenenbildner, und bespreche mit dem Kameramann, den ich selbst aussuche, welchen Stil ich mir vorstelle.
Ich finde, die wichtigste Aufgabe für einen Regisseur ist es, festzulegen, in welchen Bildern er einen Film erzählen will.
Genau, ich kritzle Kinderzeichnungen für meine Storyboards und schicke die an meinen Illustrator, der das – Gott sei Dank! – interpretieren kann und hübsch macht.
Na klar. Meist liegen die Drehorte im Ausland. Ich gucke mir im jeweiligen Land eine Auswahl an möglichen Motiven an und treffe dann die finale Entscheidung, wo wir drehen. Anschließend bespreche ich mich mit dem Kameramann, welches unsere Perspektiven und Winkel sind. Beim Dreh wird nur noch umgesetzt. Ich habe gemerkt, wenn ich gut vorbereitet bin, kann ich mich ganz auf die Schauspieler konzentrieren.
Nach dem Dreh zieht man sich in den Schnitt zurück, ich briefe meine Cutter und lasse sie erstmal machen, bis sie eine Version haben. Dann sitze ich mit ihnen ein paar Tage zusammen, und wenn die Schnitte fertig sind, präsentieren wir sie der Agentur. Wenn die happy ist, zeigen wir den Film gemeinsam dem Kunden – und wenn der auch happy ist, ist der Film fertig! (lacht) Na ja, nicht ganz, es werden noch die Farben gemacht und der Ton.
Beim aktuellen Projekt, zum Beispiel, habe ich letzte Woche geschnitten und morgen ist die Kundenpräsentation. Der Start war erst vor vier Wochen, das war echt eng, weil es ein großes Projekt ist. Vier Drehtage in Lissabon. Vor sieben Wochen habe ich das erste Mal von dem Projekt erfahren und jetzt ist es schon abgedreht.
Ja, das ist der große Vor- und Nachteil des Ganzen. Ich weiß, ich fliege in zwei Wochen für den nächsten Auftrag nach Belgrad, aber es kann auch sein, dass ich in drei Wochen etwas drehe, wovon ich heute noch nichts weiß. Das ist immer sehr kurzfristig, und da sehr viele Reisen involviert sind, bleibt es immer aufregend, sagen wir mal so. (lacht)
Die wichtigste Aufgabe für einen Regisseur ist es, festzulegen, in welchen Bildern er einen Film erzählen will.
Viel zu wenig.
Da sagst du genau das Richtige! Wenn ich mal frei habe, ist das ja eigentlich gut; aber anstatt mich zu freuen, denke ich: Und jetzt? Es muss doch weitergehen! Ich bin immer auf der Jagd nach dem nächsten Ding und freue mich, wenn wieder ein Pitch herein kommt. Letztes Jahr habe ich nur zwei Wochen Urlaub gemacht. Dieses Jahr waren die ersten vier Monate so voll, was natürlich schön ist, aber ich habe gemerkt: Ich muss jetzt Urlaub machen. Ich bin relativ spontan für zweieinhalb Wochen nach Mexiko geflogen. Auf dem Rückweg im Flugzeug kam schon der nächste Auftrag.
Viele denken bei Werbung ja leider erstmal: schrecklich. Dabei gibt es doch so tolle Werbespots, die man sich, wie einen Kurzfilm, gerne ansieht. Ich glaube daran, dass Werbung hängen bleibt, wenn sie unterhält, witzig ist und emotional etwas auslöst. Mit diesem Anspruch gehe ich an meine Arbeit heran.
Schön wär’s. Nein, wir haben einen Ort gesucht, der alle Motive hergibt – und sind schließlich nach Malaysia gereist. Der Eiffelturm wurde per Computer reingesetzt. „Rom“ war ein Feld im Nirgendwo, wo alles nur aus Styropor gebaut wurde. Dieses Jahr haben wir noch einmal mit Christoph Maria Herbst gedreht und wir konnten terminlich nicht reisen. Das Skript sah die Wüste von Marokko vor, also haben wir ganz viel Sand im Studio aufgeschüttet und am Computer die Wüste weiterentwickelt. Das hat erstaunlich gut geklappt – viel zu gut! Nicht, dass man auf blöde Ideen kommt! (lacht)
Ich glaube daran, dass Werbung hängen bleibt, wenn sie unterhält, witzig ist und emotional etwas auslöst.
Gerade weil ich so viel unterwegs bin, möchte ich, wenn ich nach Hause komme, eine Insel zum Wohlfühlen haben.
Ich habe vor sechs, sieben Jahren begonnen, mich dafür zu interessieren, was die Geheimnisse von schönem Wohnen sind. Meine gute Freundin Ini Neumann hat mich inspiriert. Es hat geholfen, dass ich bei meinem Umzug zurück nach Hamburg fast nichts mitgenommen habe. Ich bin nur mit meinem Schreibtisch und einer Matratze nach Hamburg gekommen.
Ich bin viel unterwegs und dachte mir immer: Warum sollst du dich schön einrichten, wenn du eh nie zu Hause bist? Aber genau deswegen! Gerade weil ich so viel unterwegs bin, möchte ich, wenn ich nach Hause komme, eine Insel zum Wohlfühlen haben. Wohn-Karma ist mir wahnsinnig wichtig.