Zimmerpflanzen feiern in unseren Wohnungen seit einiger Zeit ihr großes Comeback und in den designaffinen Metropolen ploppen immer mehr Pflanzen-Stores auf. Zelda Czok hat erst vor einigen Wochen ihren Store Winkel van Sinkel in der Hamburger Neustadt eröffnet und zählt damit zu den Vorreitern in Deutschland. Das Besondere: Die Halbholländerin ergänzt ihr wachsendes Sortiment mit Produkten von spannenden niederländischen Labels – von der Duftkerze über die Kaktus-Postkarte bis hin zum Gin. Wir haben mit der 37-Jährigen, die mit ihrem Freund und Tochter und Sohn (7 und 11 Jahre) in Hamburg-Alsterdorf wohnt, über Pileas, ihre Patchwork-Familie und De Pijp, das neue Trendviertel in Amsterdam, gesprochen, und sie im Laden und zu Hause besucht.
femtastics: Wie bist du auf die Zimmerpflanze gekommen?
Zelda Czok: Es hat als Hobby angefangen. Bei meinem letzten Job ist das Thema Pflanzen mehr in den Fokus gerückt, allerdings auf Konzernebene. Ich war im Onlinebereich von Blume 2000 tätig und habe den Gesamteinkauf für die Pflanzen gemacht. Mich hat das Thema Pflanzen an sich, aber auch, dass die Leute wieder verstärkt Pflanzen mit zu sich nach Hause nehmen, sehr gereizt.
Beim Pflanzenkauf gibt es, besonders in Deutschland, ja auch noch wenige tolle Anlaufstellen.
Genau, man stellt ganz schnell fest, dass man Pflanzen nur im Baumarkt oder im Supermarkt bekommt. Oder du hast einen coolen Topf und keine coole Pflanze dazu oder eine Pflanze und keinen Topf dazu oder die Qualität der Pflanze ist nicht toll.
In anderen europäischen Ländern wird man da schon eher fündig – in Paris habe ich zum Beispiel den Succulents Cactus Store und das Atelier Green Factory entdeckt.
In großen Metropolen, wo es eine hohe Trendaffinität gibt, gibt es schon ähnliche Konzepte. Die kenne ich natürlich auch, zum Beispiel der Cactus Store in Kopenhagen oder Wilderness in Amsterdam. In Hamburg hat das aber noch gefehlt!
Du hast holländische Wurzeln. Seit wann lebst du in Hamburg?
Ich bin Halbholländerin, wurde aber in Deutschland geboren und lebe seit meinem sechsten Lebensjahr in Hamburg. Ich habe aber sämtliche Ferien in Holland verbracht und war immer bei meinen Großeltern zu Besuch. Dadurch bin ich stark mit der Kultur verankert – Holland ist meine zweite Heimat. Als ich ins Teenageralter gekommen bin, habe ich dann immer meine Tante Irma de Bruijne, die Künstlerin ist, und ihre Familie besucht. Der Familienzweig von Irma ist sehr kunstaffin. Das hat mich in meinem ästhetischen Empfinden stark geprägt. Wir sind damals viel in Amsterdam gewesen und so habe ich die Stadt für mich entdeckt.
Wenn du etwas mutiger bist und etwas anbietest, das andere nicht haben, gehst du ein größeres Risiko ein – ich habe ein paar Jahre gebraucht, mich zu trauen.
Bevor du den Laden eröffnet hast, warst du bisher immer festangestellt?
Ja, ich habe damals bei meinem Vater im Laden eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau gemacht und danach Sozialökonomie studiert. Danach habe ich zwei Jahre beim Hamburger Store Lys Vintage im Backoffice und Verkauf gearbeitet und bin 2015 als Einkäuferin zu Blume 2000 gegangen.
Und wann hast du dich für den Schritt in die Selbstständigkeit entschieden?
Erst vor vier Monaten (lacht). Ich hatte die Option, wieder auf Konzernseite zu gehen und musste dann überlegen. Mein Vater hat früher immer Läden gehabt, das heißt, ich bin damit aufgewachsen – ihm gehörten die Cucinaria Stores in Hamburg. Als damals das Kochthema groß wurde, war das der Lifestyle-Laden in der Schanze. Die Läden hat er aber schon längst verkauft.
Dadurch kennst du das Einzelhandel-Business …
Ich weiß durch ihn und seine Geschäfte, wie es ist, selbstständig zu sein. Welche Verantwortung man hat, welche Risiken man hat und wie viel man letztlich auch arbeitet. Deshalb habe ich mich auch lange davor gescheut, einen eigenen Laden zu eröffnen. Ich merke aber schon länger, dass ich meine Potenziale noch längst nicht ausgeschöpft habe – das ist mit der Selbstständigkeit jetzt endlich anders.
Das heißt, du hattest eigentlich nie den Plan, einen eigenen Laden aufzumachen?
Ich habe mich immer geweigert (lacht), weil ich wahnsinnig viel Respekt davor habe. Man muss sich selbst schon ziemlich gut vertrauen. Besonders, wenn du etwas mutiger bist und etwas anbietest, das andere nicht haben, gehst du ein größeres Risiko ein – ich habe ein paar Jahre gebraucht, mich zu trauen. Mir war es sehr wichtig für meine Kinder da zu sein, besonders als sie noch klein waren.
Und dann hast du dir die Ladenfläche gesucht?
Nein, wir hatten zuerst die Ladenfläche (lacht). Mein Lebenspartner Andreas hat für sich ein Büro gesucht und dann die Fläche in der Hamburger Neustadt angeboten bekommen. Dann kamen Gespräche in Gang – wir haben in den letzten zwei Jahren schon öfter darüber nachgedacht, uns selbstständig zu machen. Die Frage stand im Raum: Machen wir es jetzt? Machen wir es zusammen? Als die Fläche da war, war klar: Jetzt mache ich es! Es war klar, wenn ich einen Laden eröffnen will, muss ich vor Weihnachten noch aufmachen. So ging die Planung direkt los.
Den Laden und den Einkauf mache ich überwigend alleine, aber Andreas unterstützt mich. Er hat zum Beispiel das Logo und die Karten entworfen. Generell haben wir alles, was wir alleine machen konnten, auch alleine gemacht. Und wo ich an Grenzen stoße, hole ich mir Hilfe.
Mitten im Laden steht ein Gewächshaus – ein aufkommender Interior-Trend. Wie kam es zur der Idee? Habt ihr es selbst gebaut?
Wir hatten die Idee und haben es entworfen. Andreas hat es am Computer gezeichnet und der Mann von Anne Zimmer, der Goldschmiedin, die die Hälfte der Lädenfläche nutzt, hat uns das Haus gebaut. Das Dreiecksregal haben wir auch selbst entworfen und ein Tischler hat es nach unseren Wünschen angefertigt.
Winkel van Sinkel steht übersetzt für “General Store” oder auch Kaufhaus.
Woher kommt der Name Winkel van Sinkel?
Der kommt von dem allerersten Kaufhaus Hollands, das 1860 eröffnet wurde. Dort gab es alles – vom Korsett über Drogerieartikel bis hin zu Süßigkeiten. Der Begriff Winkel van Sinkel steht also übersetzt für “General Store” oder auch Kaufhaus. Das passt so gut zu meinem Laden, da ich so viele unterschiedliche Warengruppen anbiete. Und es passt auch zu meiner Herkunft.
Wo kommen deine Pflanzen her?
Ich habe natürlich meine Quellen (lacht). Durch meine Jobs habe ich ein bisschen was gesehen, ich kenne diverse Gärtnereien und habe Leute vor Ort, die gut entscheiden können, welche Pflanzen qualitativ gut und welche nicht so gut sind. Ich habe mir ein Netzwerk aufgebaut, das mir ermöglicht, Pflanzen zum absolut fairen Preis und in einer super Qualität zu bekommen. Wenn ich bestelle, sind die Pflanzen innerhalb von 24 Stunden da und ich habe richtig frische Ware. Es war mir auch wichtig, dass wir als kleiner Laden keine horrenden Preise für Pflanzen nehmen. Nur Sonderpflanzen, die man nicht so oft bekommt, sind teurer.
Möchtest du irgendwann selbst Ableger machen und noch mehr gärtnern?
Ich finde die Idee ganz toll, im Moment sehe ich das aber nicht. Pflanzen sind für mich ein wichtiges Thema, ich mag aber die anderen Bereiche – wir haben ganz viele kleine holländische Labels im Store – auch sehr gerne. Da gibt es noch so viel Potenzial. Ich glaube, es ist spannender, dieses Konzept immer weiter voran zu bringen und immer Neues mitzubringen. Ich verstehe mich weniger als Gärtnerin, sondern mehr als Ideengeberin.
Du hast es eben schon angedeutet. Neben Pflanzen verkaufst du auch Papeterie, Gin, Keramik und Lederaccessoires. Kommen die Produkte alle von holländischen Labels?
Wir haben auch ein paar andere dazwischen, aber etwa 80 Prozent sind holländische Labels. In Deutschland sind sie nach wie vor nur sehr wenig vertreten, was ich sehr schade finde, da sie so schöne Sachen zu fairen Preisen machen.
Finde eine Pflanze, die zu dir passt, sodass sie nicht nur die Raumluft verbessert und optisch schön aussieht, sondern auch Ausdruck deiner Person ist.
Wie würdest du den holländischen Stil beschreiben?
Die Holländer denken um die Ecke, haben Humor und sind nicht ganz so clean – es ist daher auch eine tolle Ergänzung zum skandinavischen Stil. Der holländische Einrichtungsstil ist nicht so perfekt, mischt mehr und ist oftmals gemütlicher.
Kannst du ein paar Labels nennen, die es bei dir gibt?
Wir haben unglaublich schöne Prints von My Deer Art und Karten und Notizhefte von Annett Wellink, die sie mit der Hand bemalt. Zum Beispiel mit vielen kleinen Palmen oder Augen. Außerdem verkaufe ich ganz tolle Espresso-Tassen von de Intuitiefabriek, Prints von Sanny van Loon, Geschirr und Schalen von HK Living sowie Naturkosmetik und Raumdüfte von Marie-Stella Maris. Zudem gibt es im Laden die tollen Gläser von Pikaplant – sie fertigen geschlossene Systeme für Pflanzen. Wir haben Kaffeepflanzen in den Gläsern, die einfach wachsen und man selbst muss gar nichts mehr machen. Mir war von Anfang an wichtig, dass wir eine große Breite an Produkten anbieten.
Kakteen, Monsteras und Sukkulenten sind überall auf Instagram und in durchgestylten Wohnungen zu sehen. Was wird deiner Meinung nach die nächste It-Pflanze? Die Luftpflanzen?
Tillandsien, die Luftpflanzen, sind definitiv ein ganz großes Thema im Moment. Das ist in der Masse aber noch gar nicht so angekommen. Außerdem finden viele meiner Kunden die Opuntie vulgaris ziemlich spannend – das ist eine Kaktusfeige, bei der man man die Früchte auch abbrechen und theoretisch auch essen kann. Pileas sind auch toll, weil die so rar sind.
Aber es geht gar nicht darum, welche Pflanze im Trend ist. Ein viel spannender Ansatz ist: Finde eine Pflanze, die zu dir passt, sodass sie nicht nur die Raumluft verbessert und optisch schön aussieht, sondern auch Ausdruck deiner Person ist.
Hast du Pflegetipps für Pflanzen?
Das Wichtigste ist, dass man die Pflanzen nicht überwässert. Und man sollte darauf achten, dass man die richtige Erde nimmt. Du solltest einen Kaktus zum Beispiel nicht in eine Zimmerpflanzenerde stellen, dann bekommt er zu feuchte Füße und sagt Tschüß.
Dann geht’s relativ schnell schon in die einzelnen Gattungen. Farne brauchen zum Beispiel eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit, was natürlich im Winter bei Heizungsluft schwierig ist. Man sollte sie dann regelmäßig besprühen, das mögen die meisten Pflanzen sowieso ganz gerne. Die Opuntien brauchen besonders viel Licht, mindestens drei Sonnenstunden pro Tag.
Grundsätzlich sollte man vielleicht ein- bis zweimal die Woche gießen – wir gucken aber ganz pflanzenspezifisch. Es kann auch sein, dass die Pflanzen in den ersten zwei, drei Wochen etwas mehr Wasser brauchen, weil sie anfangen zu arbeiten und sich akklimatisieren. Wenn sie dann langsam ihr Klima geschaffen haben, brauchen sie deutlich weniger Wasser. Man sollte besonders am Anfang immer mal schauen – danach hat man in der Regel sehr pflegeleichte Pflanzen.
Du hast einen 7-jährige Tochter und einen 11-jährigen Sohn und musst jeden Tag, auch samstags, im Laden stehen. Wie bekommst du das unter einen Hut?
Ich bin geschieden und dadurch haben wir eine Patchwork-Situation. Die Kinder sind am Wochenende bei ihrem Vater und an den Wochenenden, wo sie bei mir sind, kommen sie mit in den Laden. Oder mein Partner Andreas und ich wechseln uns ab. Wenn wir irgendwann Unterstützung im Laden haben, wird das einfacher.
Du bist ein großer Amsterdam-Fan. Die Stadt hat sich in den letzten Jahren sehr gewandelt. Hast du ein paar Tipps für schöne Stores, Hotels oder Cafés?
Ich habe eine Freundin, die ein sehr charmantes Bed & Breakfast namens „Colours in De Pijp“ in dem Stadtviertel De Pijp betreibt. Das Viertel ist mittlerweile ein Trendviertel. Das Restaurant Little Collins ist auch toll – dort gibt es Shared Plates, du bekommst einen Teller und kannst dann gemeinsam mit Freunden von allen Tellern picken. Ich mag Restaurants, die unkompliziert und bodenständig sind und einen gewissen Charme haben. Hutspot finde ich fürs Shoppen toll – sie haben Klamotten, ein Café und verkaufen auch Accessoires. Wilderness ist auch ein toller Laden, der sich auch auf Grünpflanzen spezialisiert hat und diese mit Vintagestücken kombiniert. Außerdem ist das Rijksmuseum unfassbar toll geworden – auch ein Spaziergang durch den Garten lohnt sich. Und es ist in Amsterdam natürlich schön, sich einfach zu Fuß oder mit dem Fahrrad treiben zu lassen.
Kannst du auch einen Urlaubsort in Holland empfehlen?
Castriucum ist super süß. Ein Campingplatz, der relativ nah am Wasser liegt. Dort gibt es ein, zwei nette Läden, wo man auch etwas trinken gehen kann. Der Strand ist total schön und dort leben unglaublich tolle und lustige Leute. Ich hatte mir damals einen festen Wohnwagen, so einen Star Caravan wie ihn alle Holländer haben, gemietet – das ist Freiheit pur. Du gehst in Gummistiefeln auf die Toilette und der Tag besteht aus: Wann mache ich mich fertig und was esse ich, während die Kinder rumlaufen – es ist wie im Paradies, du kümmerst dich eigentlich um nichts. Du reduzierst dich auf die einfachsten Aufgaben.
Rotterdam entwickelt sich gerade auch ganz spannend. Die Stadt ist total im Kommen, dort gibt es gerade ganz spannende Bewegungen besonders bei den jüngeren Leuten und es entstehen viele neue Läden, Architektur und vieles mehr.
Das klingt gut! Du hast den Laden gerade erst eröffnet. Was ist denn noch für die Zukunft geplant?
Ich versuche ganz stark im Hier und Jetzt zu leben. Was aber definitiv fürs nächste Jahr ansteht, ist der Webshop. Ich habe noch ganz viele Ideen, wie ich mit dem Laden wachsen kann und will.
Wir wünschen dir auf jeden Fall weiterhin viel Erfolg und sind ab sofort deine neuen Stammkunden. Danke für das Interview!
Store: Wexstraße 28, Hamburg
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15 Kommentare
Wie cool ist das denn?! Im Januar bin ich wieder in Hamburg und weiß nun genau, wo ich als erstes vorbei schaue 🙂
Wow, was für ein schöner Laden <3 Zelda, da ich erstmal nicht nach Hamburg komme, kannst du mir einen Laden in Berlin empfehlen wo ich so tolle Pflanzen bekomme! Tolle Story, femtastics!
Liebe Stephanie,
in Berlin findest du tolle Pflanzen bei Marsano. Die beiden Besitzerinnen haben wir hier auch schon besucht: https://femtastics.com/short-stories/marsano-berlin-blumen-im-grossen-stil/
Liebe Grüße,
Lisa