Elisabeth Articus ist Designerin, Künstlerin, Gründerin und dabei zu 100% bestrebt, ihrer eigenen Vision zu folgen. Die gebürtige Kölnerin lebt nach Stationen in Hamburg und Berlin seit gut eineinhalb Jahren in Barcelona – eine Spontanentscheidung, Corona und der Liebe geschuldet. Von hier aus führt Elli ihr Label „All About Articus“, unter dem sie Echtschmuck aus 18 Karat recyceltem Gold kreiert. Hinter jedem ihrer Schmuckstücke – vom Edelstein-Smiley über eine Eiswaffel mit Perle zum kleinen Roboter aus Gold – steckt eine persönliche Geschichte. Zudem malt Elli und entwirft Grafik- sowie Packaging-Designs für andere Brands.
Wir besuchen die 33-Jährige in ihrem spanischen Zuhause, in dem sie zusammen mit ihrem Freund lebt, und sprechen darüber wie sie in Barcelona Kontakte geknüpft hat, ihr Label getreu ihren Prinzipien neu erfunden hat und welche Zukunftsvision sie in ihrer Arbeit motiviert.
Elisabeth Articus: Ich wollte eigentlich nur mal aus Berlin raus und weil die Flüge günstig waren, fiel die Wahl auf Barcelona. Ich wusste, dass Mark, mein jetziger Freund, den ich aus dem Kunststudium in Stuttgart kannte, in Barcelona lebte und habe ihn gefragt, ob wir uns nicht mal auf ein Bier treffen wollen. Daraus hat sich mehr entwickelt (lacht). Das war im Sommer 2019 und ich dachte zunächst, dass es gut als Beziehung zwischen Berlin und Barcelona funktioniert. Dann kam Corona. Ich wollte Mark eigentlich nur für drei Tage besuchen, aber dann kam der Lockdown und wir durften das Haus nicht verlassen. Irgendwann konnten wir wieder nach Berlin fliegen, aber alles war so unsicher – und ich dachte: Ich ziehe jetzt einfach nach Barcelona!
Ich habe es, ehrlich gesagt, gar nicht richtig mit ihm besprochen. Ich habe nur daran gedacht, dass ich nicht weiß, wie es weiter geht, wann wir uns sehen können, und mich hat das Hin- und Her-Reisen gestört. In Berlin konnte ich mich auf nichts festlegen, weil ich dann doch so wenig dort war. Das wollte ich nicht mehr und bin kurzerhand umgezogen. Das war im August 2020.
Ich wollte meinen Freund eigentlich nur für drei Tage besuchen, aber dann kam der Lockdown und wir durften das Haus nicht verlassen.
Ich wollte erst einmal alleine wohnen. Ich wollte keinesfalls von ihm abhängig sein und als seine nicht-spanisch-sprechende Freundin nur hinter ihm herdackeln. Ich hatte also zunächst eine eigene Wohnung, bis wir im Frühjahr letztes Jahres beschlossen, zusammenzuziehen. Es hat allerdings bis August gedauert, bis wir in unsere jetzige Wohnung eingezogen sind.
Es war wirklich schwierig. Viele Wohnungen werden nur zur Vermietung über „Airbnb“ genutzt und die Mietpreise sind ziemlich hoch. Wir brauchten außerdem recht viel Platz, weil wir in unserer Wohnung auch malen, sie also auch als Atelier dienen muss.
Ich habe einen Spanisch-Intensivkurs gemacht, weil ich zumindest in der Lage sein wollte, mich grob verständigen zu können. Das war ein guter Einstieg. Dann habe ich mir ein Studio zum Arbeiten gesucht, um unter Menschen zu kommen, wodurch Kontakte entstanden sind. Außerdem bin ich Fan von „Bumble Friends“, darüber habe ich so viele interessante Leute kennengelernt, die auch mal außerhalb meiner Bubble sind. Zu Weihnachten habe ich einen Pop-Up-Shop zusammen mit anderen Designerinnen aus Barcelona organisiert. Ich habe sie einfach über Instagram angeschrieben. Mit ihnen treffe ich mich seitdem regelmäßig. Das ist richtig schön.
Ich muss auf jeden Fall viel dafür tun, Leute kennenzulernen. Das ist manchmal nicht einfach, aber es funktioniert, wenn man will. Natürlich gibt es auch Tage, an denen ich denke: O Mann, was für ein Scheiß, in Hamburg und Berlin hätte ich so viele Freund*innen und Kontakte, und hier ist es manchmal so anstrengend. Aber es ist auch schön!
Aber ich finde es interessant zu sehen, dass ein verbindendes Element total reicht! Die Menschen vom Pop-Up oder über „Bumble Friends“ sind alle so unterschiedlich – was ihr Alter, ihre Berufe, etc. betrifft. In Berlin hätte ich sie nie kennengelernt, da hatte ich immer mit Menschen aus meiner Branche zu tun.
Ich muss auf jeden Fall viel dafür tun, hier Leute kennenzulernen. Das ist manchmal nicht einfach, aber es funktioniert, wenn man will.
Schon während meines Studiums habe ich in den Semesterferien eigene Produkte hergestellt und habe an Märkten teilgenommen. Irgendwann habe ich angefangen, Schmuck und Handyhüllen zu machen, war damit auf einer Messe und der erste große Kunde – das war damals „Onygo“ – hat meine Produkte gekauft, um sie in seinen Läden zu vertreiben. So kam eins zum anderen und mein Label hat sich entwickelt, noch während ich im Studium war. Ich konnte mir nach dem Studium, ehrlich gesagt, nichts anderes vorstellen als selbstständig zu sein.
Ich zwar zwischenzeitlich mal kurz in einer Agentur angestellt, um das auszuprobieren, aber ich habe schnell gemerkt, dass das nichts für mich ist, auch wenn es eine super Erfahrung war.
Ich bin wirklich recht planlos gestartet, deshalb habe ich zum Beispiel noch immer keine E-Mail-Adresse, die @allabourarticus heißt, aber ich bin mittlerweile an einem Punkt angekommen, an dem ich den Laden ein bisschen aufräumen will (lacht).
Ich weiß aber genau: Selbst wenn ich einen Businessplan hätte, würde ich nach drei Wochen etwas anderes machen, das nicht im Businessplan steht. Denn ich mache das alles ja auch, weil ich diese Freiheit im Arbeiten will.
Für mich sind Schmuckstücke keine Accessoires, sondern wie Tagebucheinträge. Sie erzählen immer von Geschichten und Gefühlen.
Ich habe zu Beginn nicht für andere Kund*innen gearbeitet, sondern nur meine eigenen Produkte gemacht. Dass ich auch als Designerin für andere Brands tätig wurde, begann erst vor rund zwei Jahren. Das waren Aufträge, die sich über persönliche Kontakte ergeben haben. Und das war in einer Zeit als ich mit meinem eigenen Label etwas zu kämpfen hatte, weil es in einer Transformation steckte.
Früher habe ich Modeschmuck gemacht, aber ich wollte schon lange, dass alle Produkte nur in Europa gefertigt werden und nur aus Echtgold bestehen – aber ich hatte einfach kein Geld dafür. Ich habe mich damit ziemlich gequält, denn ich wollte das Alte eigentlich nicht mehr. Ich wusste: Wenn ich Schmuck mache, dann sollen es gute Produkte sein, bei denen ich ganz sicher sein kann, dass keine schlechten Materialien verarbeitet wurden. Ich will keine Produkte machen, die man dreimal trägt und dann wegwirft. Ich möchte 100% sicher sein, dass alles zu 100% gut ist. Aber das kostet viel Geld.
Und um zur vorigen Frage zurückzukommen: Ich liebe mittlerweile beides, die Arbeit für Kund*innen und die Arbeit mit „All About Articus“. Es ist eine Mischung, die mir mega Spaß macht!
Ich versuche immer etwas Gutes zu finden. Deshalb ist mein Hauptkonzept bei „All About Articus“: Es gibt 100 gute Gründe, glücklich zu sein.
Selbst wenn ich einen Businessplan hätte, würde ich nach drei Wochen etwas anderes machen, das nicht im Businessplan steht. Denn ich mache das alles ja auch, weil ich diese Freiheit im Arbeiten will.
Mein Label ist sehr persönlich, es kommt ja aus mir. Für mich sind Schmuckstücke keine Accessoires, sondern wie Tagebucheinträge. Ich kann dir zu jedem Schmuckstück, das ich trage und das nicht von mir selbst entworfen wurde, genau sagen, warum, wann und wo ich es gekauft habe. Das gilt auch für die Schmuckstücke, die ich designe. Sie erzählen immer von Geschichten und Gefühlen, die ich erlebt habe oder erzählt bekommen habe. Und es sollen kleine Snippets sein, mit denen Menschen ihre eigenen Geschichten erzählen können.
Ich versuche, bei allem, was passiert, positiv zu bleiben. Das heißt nicht, dass ich Guru-haft überall nur Glück sehe – überhaupt nicht – aber ich versuche immer etwas Gutes zu finden. Deshalb ist mein Hauptkonzept bei „All About Articus“: Es gibt 100 gute Gründe, glücklich zu sein. Dazu entwerfe ich 100 verschiedene Charms, jeden Monat kommt ein neuer. Jeder davon ist eine Momentaufnahme aus meinem Leben und meinem Umfeld. Es ist eine Stimmung oder Botschaft, die ich versuche, in ein Schmuckstück zu übersetzen.
Die Message „Es ist ganz einfach, Freude zu teilen!“ habe ich zum Beispiel in meinem „Ice Cream Charm“ zum Ausdruck gebracht, weil du ein Eis teilen und damit andere glücklich machen kannst. Ich möchte, dass sich die Träger*innen meiner Schmuckstücke an die guten Dinge im Leben erinnern.
Ich will keine Produkte machen, die man dreimal trägt und dann wegwirft. Ich möchte 100% sicher sein, dass alles zu 100% gut ist.
Es ist lange Kopfarbeit, ich erzähle zuerst die Geschichte hinter meiner Idee. Dann zeichne ich das Design bestimmt 400 mal, seitenweise immer das Gleiche. Erst dann weiß ich, dass es etwas Gutes ist – wenn ich nicht davon ablassen kann. Ich habe zahlreiche Skizzenbücher voller kleiner Zeichnungen. Manchmal liegt die Idee auch drei Monate herum, ich denke über sie nach und nehme sie dann wieder auf.
Dann geht’s an die Computerarbeit und es wird technisch. Ich erstelle ein Modell, plane die genauen Maße und Materialien – und bespreche die Idee dann mit den Goldschmieden, die mir sagen, wie sie umsetzbar ist. Manchmal kann dieser Prozess auch länger dauern.
Ich habe gegoogelt bis mir die Finger wund geworden sind und habe mich intensiv in alle Themen rund um die Produktion eingelesen. Natürlich verrät dir auch niemand seine Produzent*innen, denn es ist ja ein Markengeheimnis. Ich hatte irgendwann eine Liste von Produzent*innen, die ich interessant fand, und habe sie mir angeschaut. Diejenigen, mit denen ich jetzt zusammenarbeite, haben mich direkt überzeugt. Es ist ein Familienbetrieb, ich habe mich direkt wohl bei ihnen gefühlt und den Eindruck, dass sie verstehen, was ich designe. Sie bringen sich ein und wollen zusammen mit mir ein gutes Produkt kreieren.
Auf jeden Fall ist es wichtig, zu genießen, welche Vorteile man in der Selbstständigkeit gewinnt – denn es gibt natürlich auch Nachteile, wenn man selbstständig ist.
Ich möchte nicht, dass meine Schmuckstücke nur wie Massenprodukte in Regalen liegen, ohne, dass ihre Story erzählt wird. Aber ich plane eine Zusammenarbeit mit vielleicht drei verschiedenen Stores, zu denen ich eine Verbindung habe.
Am wichtigsten finde ich, dass man keine Angst haben darf. Angst ist der Faktor, der uns am meisten hemmt. Wenn ich Angst habe, frage ich mich: „Was ist der Worst Case, was ist das Schlimmste, das passieren kann?“. Meistens hilft mir das, weil ich sehe, dass es nicht so schlimm wäre. Vielleicht verliere ich Zeit oder einen Job oder etwas Geld – aber wie schlimm ist das wirklich?
Außerdem muss man – und das gelingt mir selbst nicht jeden Tag – es auch genießen, den Prozess zu erleben. Man muss sich sagen: „Was ich erlebe, gehört zum Prozess dazu.“ und nicht deprimiert sein, wenn die eigenen Vorstellungen nicht oder nicht sofort erfüllt werden. In Plänen und Erwartungen steckt ein großes Enttäuschungspotential. Manchmal muss man sich Zeit geben, um zu schauen, wie sich die Dinge entwickeln. … Aber vielleicht ist das auch eine verträumte Kunstakademie-Perspektive (lacht).
Auf jeden Fall ist es wichtig, zu genießen, welche Vorteile man gewinnt – denn es gibt natürlich auch Nachteile, wenn man selbstständig ist. „Man muss immer selbst und ständig arbeiten und man hat keine Sicherheit!“ – ja, auf der Welle kannst du reiten; aber du kannst dir auch dein Leben und deine Arbeit selbstbestimmt gestalten. Und wenn es möglich ist, sich mal in die Sonne zu setzen oder spontan für ein langes Wochenende wegzufliegen, dann solltest du das tun. Man muss aufpassen, dass man nicht in der Negativität versinkt. Man muss auch die Vorteile sehen.
Ich möchte ein großes Studio gründen, mit dem ich Frauen*, die nicht so viel Glück im Leben hatten, sichere Arbeitsplätze bieten kann.
Ich habe eine klare Vision, wohin es mit „All About Articus“ gehen soll, und eine genaue Vorstellung, wie das Studio aussehen soll, das ich gerne hätte. Ich möchte ein großes Studio gründen, mit dem ich Frauen*, die nicht so viel Glück im Leben hatten, sichere Arbeitsplätze bieten kann. Es soll ein Zuhause für meine Marke sein, aber ich möchte auch etwas zurückgeben und anderen Menschen helfen. Es soll eine Gemeinschaft sein, in der jede*r vom anderen profitiert. Diese Idee vor Augen zu haben, motiviert mich. Vielleicht ist das sogar mein Lebenstraum.
Zu meiner näheren Vision gehört es, wieder einen Pop-Up zu machen und Workshops oder eine Art Stammtisch zu veranstalten, um Menschen zusammenzubringen. Das gibt mir eher einen Antrieb, als definierte Ziele zur Steigerung von Conversion Rates oder Ähnliches (lacht). Gleichzeitig weiß ich, dass meine Marke wachsen muss, damit ich mir meinen Traum erfüllen kann.
Layout: Kaja Paradiek
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