Fermentiertes Gemüse ist derzeit, im wahrsten Sinne des Wortes, in aller Munde. Was hinter diesem Trend steckt und warum fermentiertes Gemüse so wertvoll für unsere (Darm-)Gesundheit ist, darüber sprechen wir mit Sebastian Koch (39), einem der Gründer von „Completeorganics“. Das Start-up „Completeorganics“ stellt roh fermentiertes Gemüse, voll mit probiotischen Bakterien, in Bio-Qualität, komplett natürlich, vegan, nachhaltig, ohne Zusätze, selbst per Hand in München her – vor vier Jahren gegründet von Sebastian Koch, Boris Varchmin und Max Gutscher.
Mit fermentiertem Gemüse wurden lange Überfahrten und somit die Entdeckungen der Welt überhaupt erst möglich.
Sebastian Koch: Fermentation ist wahrscheinlich die älteste Konservierungsmethode und wird bis heute überall auf der Welt angewandt. Diese Technik hat sogar die Seefahrt revolutioniert. Mit fermentiertem Gemüse wurden lange Überfahrten und somit die Entdeckungen der Welt überhaupt erst möglich. Lebensmittel wurden mittels Fermentation haltbar gemacht und konnten mit auf Reisen genommen werden. So war eine gewisse Vitaminzufuhr gewährleistet und Mangelkrankheiten wie Skorbut wurde vorgebeugt.
Zum einen ist es sicherlich die Sehnsucht nach mehr Natürlichkeit. Wir haben in unserer Gesellschaft einen Turning Point erreicht. Wir wollen Nachhaltigkeit leben und uns natürlich ernähren. Ein weiterer Punkt ist, dass fermentiertes Gemüse ausgesprochen wertvoll für die Darmgesundheit ist. Es gibt Studien, die zeigen, dass ein intaktes Darmmikrobiom die Basis für ein starkes Immunsystem ist. Es kann sogar Nahrungsunverträglichkeiten, Allergien usw. lindern. Zudem weiß man heute, dass im Darm Serotonin gebildet wird, was sich wiederum positiv auf unsere Psyche auswirkt und bei Depressionen, Stressabbau usw. hilft. Wir wollen zwar nicht behaupten, dass unsere Produkte das alles leisten können, aber sie haben sicher einen positiven Effekt.
Wir haben in unserer Gesellschaft einen Turning Point erreicht. Wir wollen Nachhaltigkeit leben und uns natürlich ernähren.
Fermentierte Produkte sollten möglichst in die tägliche Ernährung integriert werden. Man kann mit einem Esslöffel anfangen, damit sich der Darm auf die probiotische Ernährung einstellen kann. Das Gemüse muss auch keineswegs pur verzehrt werden, es kann zum Beispiel als Beilage oder als Basis für Salate verwendet werden. Unsere Produkte sind extrem vielfältig. Wir sind gerade dabei eine komplett neue Website zu launchen, auf der es zahlreiche Rezepte geben wird.
Zum einen natürlich unser fermentiertes Gemüse als Cuts. Außerdem Drinks. Hierfür nutzen wir die Laken, die bei der Fermentierung des Gemüses übrig bleiben. Sie sind ebenso gehaltvoll und probiotisch wie das Gemüse. Kürzlich haben wir noch Salsas und Saucen auf den Markt gebracht. Wir wollen unsere Produktpalette noch weiter vergrößern und haben viele Ideen. Aus unserer Sicht stehen wir erst ganz am Anfang.
Je nach Gemüseart, Jahreszeit und Außentemperatur, lassen wir unser Gemüse 10-20 Tage fermentieren, ehe es abgefüllt wird und wenig später in den Handel geht. Bereits nach zwei bis drei Tagen startet der Fermentationsprozess und Milchsäurebakterien beginnen, den Zuckeranteil im Gemüse in Milchsäure umzuwandeln. Das macht das Gemüse sauer und natürlich haltbar.
99 Prozent ähnlicher Produkte auf dem Markt sind mit Zucker und/ oder Konservierungsstoffen versetzt und pasteurisiert. Pasteurisierte Lebensmittel werden erhitzt und wichtige Nährstoffe gehen dabei verloren. Bei der Fermentation dagegen bleiben nahezu alle Vitamine, Mineralien, etc. erhalten, darüber hinaus bilden sich probiotische Bakterien. Daher ist fermentiertes Gemüse aus ernährungsphysiologischer Sicht sogar noch wertvoller als frisches.
Definitiv die etwas weniger würzigen Sorten. Unsere Karotte mit Ingwer, das Curtido Kimchi oder das Kraut mit Cranberries, die sind alle recht mild und gut für den Anfang geeignet.
Bei der Fermentation bleiben nahezu alle Vitamine, Mineralien, etc. erhalten, darüber hinaus bilden sich probiotische Bakterien. Daher ist fermentiertes Gemüse aus ernährungsphysiologischer Sicht sogar noch wertvoller als frisches.
Wir versuchen so nachhaltig und dem Gemeinwohl so zuträglich wie möglich zu arbeiten und zu wirtschaften, das ist Teil unseres Konzepts. Dazu gehören natürlich auch kurze Lieferketten. Während der Erntefenster, von Juni bis Dezember, gelingt uns das innerhalb Deutschlands sehr gut und wir beziehen nahezu 100 Prozent aus regionaler Landwirtschaft, im Umkreis von circa 150 Kilometer. Leider schaffen wir das nicht ganzjährig. Zwischen Januar und Mai beziehen wir den Großteil unserer Gemüse von Bio-Betrieben aus Südeuropa. Der Plan ist, die regionalen Fenster noch auszuweiten, indem wir unsere Lagerungsmöglichkeiten vergrößern und andere Gemüsesorten testen, die länger gelagert werden könnten.
Wir sind Mitglied beim Bündnis “Wir retten Lebensmittel” vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Das heißt, wir verarbeiten sogenannte krumme Dinger, Über- und Untergrößen, also alles, was in den Läden unverkäuflich ist.
Wir sind in Österreich, in der Schweiz, in den Niederlanden, in Frankreich und in Luxemburg auf dem Markt. Wir konnten uns in den letzten drei Jahren schon ganz gut verbreiten. Zuerst haben wir alles im kleinen Rahmen, im Raum München, in kleineren Bioläden getestet. Wir haben uns bewusst Zeit genommen um unsere Rezepturen zu schärfen und weitere zu entwickeln. 2018 haben wir begonnen über Großhändler auch überregional zu vertreiben. Bis dato sind wir die einzigen in Deutschland, die fermentiertes Gemüse in dieser Form anbieten.
Wir sind schnell zu dem Schluss gekommen, dass wir etwas Eigenes entwickeln wollen – ein eigenes Produkt, das man anfassen, sehen und im Idealfall schmecken und riechen kann.
Max und ich waren beide nicht mehr ganz glücklich in unserer jeweiligen beruflichen Tätigkeit – Max war erfolgreicher Werber, ich war im Sportmanagement – deshalb haben wir uns vor vier Jahren zusammengesetzt und Ideen gewälzt. Wir sind ziemlich schnell zu dem Schluss gekommen, dass wir etwas Eigenes entwickeln wollen. Ein eigenes Produkt, das man anfassen, sehen und im Idealfall schmecken und riechen kann.
Max wurde in seinem Stammrestaurant mit Boris bekannt gemacht. Boris ist gelernter Koch, und hatte damals schon die Idee, fermentiertes Gemüse auf den Markt zu bringen. Er hatte schon ein bisschen in diese Richtung experimentiert. Letztlich haben wir dann zu dritt entschieden: Lasst uns das Ding gemeinsam angehen.
Boris macht die Produktion, Produktentwicklung und Forschung, während ich mich um die Bereiche Marketing, Vertrieb, Administration und Strategie kümmere. Max ist ins operative Geschäft nicht involviert.
Ja genau, er hatte schon die ersten drei, vier Kernsorten entwickelt. Boris hat sehr viel Erfahrung in der gehobenen Gastronomie, in der Fermentation schon immer von Bedeutung war. Zudem hat er ein Faible für die asiatische Küche, insbesondere die japanische und die koreanische, und da spielt Fermentation eine ganz große Rolle – wie man am Beispiel Kimchi gut sehen kann.
Anfangs haben wir in der Garage produziert. Der übliche Weg wäre dann eigentlich, einen Hersteller zu finden, der die Produktion übernimmt. Aber in der von uns gewünschten Form wollte das niemand übernehmen. Die Angst war zu groß, dass irgendwelche Keime und unerwünschten Bakterien bei der Herstellung, so ganz ohne Pasteurisierung, entstehen könnten. Niemand war bereit, dafür seine Anlagen zur Verfügung zu stellen oder Produkthaftungsrisiken zu übernehmen. Da war uns klar, dass wir das selbst machen müssen. So ist unsere eigene Produktion, in Aschheim (bei München), entstanden. Inzwischen haben wir 15 Mitarbeiter*innen.
Wir tüfteln gerade an einem “original koreanischen Kimchi”, wobei es das originale Kimchi nicht wirklich gibt, da es ungefähr 1.800 “originale” Kimchi-Rezepte gibt. Kimchi liegt auf jeden Fall derzeit stark im Trend. Unsere Kimchi-Produkte sind auch ganz klar unsere stärksten Produkte.
Fotos: Completeorganics/Stefan Randlkofer