Jede Sekunde gelangen Mikroplastikpartikel und Schadstoffe in unsere Gewässer, mit schrecklichen Folgen für unsere Tier- und Pflanzenwelt und somit auch für uns Menschen. Höchste Zeit effektiv etwas dagegen zu unternehmen. Das hat sich das Team von „Ecofario“ mit seinem innovativen Wasserreinigungssystem zur Aufgabe gemacht: saubere Gewässer, frei von Mikroplastik und Toxinen. 2020 gewann das Unternehmen den „Deutschen Nachhaltigkeitspreis“ und wurde in der Kategorie „Resources“ zum nachhaltigsten Start-ups Deutschlands gewählt. Mit Dr. Sebastian Porkert, Erfinder und Gründer von „Ecofario“, der seit 2011 auch Dozent an der Hochschule für angewandte Wissenschaften München ist, sprechen wir über seine Geschäftsidee, die ungewöhnliche Finanzierung, Zukunftsperspektiven und, wie wir das Plastikproblem global in den Griff bekommen können.
Dr. Sebastian Porkert: Das variiert sehr stark, je nach Messmethode oder Messstandort. Im Regelfall haben wir in dem Wasser, das schon gereinigt aus der Kläranlage kommt, zwischen 5.000-10.000 Mikroplastikpartikel pro 1.000 Liter. Wahrscheinlich ist die Zahl sogar noch größer, wenn man zusätzlich die Partikel mitzählt, die unter einem Mikrometer groß sind.
Ich glaube, ausnahmslos überall. Es gibt keinen Bereich der Ökosysteme mehr, wo kein Mikroplastik zu finden ist – egal, ob Tiefsee, arktisches Eis, Hochland oder Gletscher, es ist überall, in allen Lebensmitteln, in allen Erden. Wenn du aus einer Kunststoffflasche trinkst, trinkst du auch Mikroplastik, wenn dein Essen in einer Kunststoffverpackung steckt, isst du Mikroplastik. Es ist wirklich überall.
Es gibt keinen Bereich der Ökosysteme mehr, wo kein Mikroplastik zu finden ist – egal, ob Tiefsee, arktisches Eis, Hochland oder Gletscher, es ist überall, in allen Lebensmitteln.
So etwa 5 Gramm pro Woche, das entspricht ungefähr einer Kreditkarte. Ich finde, das ist ganz schön viel.
Da scheiden sich die Geister. Wenn du eine Umweltbehörde fragst, würden sie wahrscheinlich sagen, es sei nicht gefährlich, weil die Konzentrationen so gering sind und es leider noch keine Datenlage dazu gibt, da es die Mikroplastikforschung maximal seit zehn Jahren gibt – und das ist weit zurückgegriffen. Erst seit etwa fünf Jahren wird das alles etwas handfester. Mikroplastik steht auf jeden Fall im Verdacht, Krebs und Hormonschäden zu verursachen. Das liegt vor allem an der Materialzusammensetzung: Meistens sind da Farbstoffe, Weichmacher, Brandschutzmittel, usw., drin, damit der Kunststoff überhaupt verwendbar ist. Ich denke, es ist nicht gelogen, wenn ich sage, dass 90% dieser Zusätze gesundheitsschädlich sind. Es gibt zwar toxikologische Grenzwerte für diese Stoffe, dennoch stehen sie alle im Verdacht, krebserregend oder hormonaktiv zu sein. Das vielleicht Bedenklichste, wie ich finde, ist die Hormonaktivität, denn da passiert schon bei Mikrodosierungen wirklich viel im Körper.
Mikroplastik steht auf jeden Fall im Verdacht, Krebs und Hormonschäden zu verursachen.
Ein weiteres Problem ist, dass die Mikroplastikpartikel an ihrer Oberfläche andere Schadstoffe absorbieren können. Kommt also im Wasser ein Östrogen um die Ecke, lagert sich dieses sehr wahrscheinlich an der Oberfläche des Mikroplastikteilchens ab. Das Gleiche passiert natürlich auch mit anderen Hormonen und Toxinen. Die Teilchen sammeln das auf, und wenn die in der Kläranlage nicht rausgeholt werden, landen sie letztlich in unserem Organismus.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist: Wenn die Partikel sehr klein sind, also im Nano-Bereich, werden sie zellgängig, das heißt, sie können die Zellmembran durchdringen. Und man hat momentan noch keine Ahnung, welchen Schaden sie dort anrichten können. Es gibt Medikamente, die sich diese Zellgängigkeit von Kunststoffpartikeln zunutze machen. Sie lagern sich im Darm an, um über einen längeren Zeitraum wirkfähig sein zu können. Dabei handelt es sich freilich um hochreine Substanzen. Was allerdings passiert, wenn schmutzige Mikroplastikpartikel sich dort anlagern, wissen wir nicht. Es wird jedoch vermutet, dass dies Darmkrebs fördern kann. Von Muscheln beispielsweise ist bekannt, dass solche Partikel entzündliches Gewebe hervorrufen können, somit auch Krebs. Natürlich ist das alles eine Frage der Konzentration und vermutlich auch der Wirkdauer, dennoch stellt sich die Frage, wie groß der negative Einfluss auf die menschliche Gesundheit und die der Ökosysteme ist.
Eine Kläranlage schafft es sicherlich, an die 95% solcher Stoffe herauszufiltern. Wenn jetzt aber 100% in einer Kläranlage etwa eine Tonne beträgt, bleiben immerhin noch etwa 50 kg Mikroplastik im Wasser.
Etwa 2013, 2014. Ich komme ursprünglich aus der Papiertechnologie und habe in dem Bereich auch promoviert. Die Papierherstellung arbeitet zu 95% mit Wasser, das heißt, verfahrenstechnisch hatte ich zu dieser Zeit schon ganz viel mit Abwasser zu tun. Zur Mikroplastikthematik kam ich eher durch Zufall. Ich hatte etwas über mit Mikroplastik verseuchte Sedimente im Gardasee gelesen, und der Gardasee ist eigentlich ein extrem sauberes Gewässer. Ich habe mich ein bisschen damit beschäftigt und für mich war schnell klar, dass da offenbar die Kläranlagen versagen. Schließlich hatte ich eines Nachts die Idee für ein Verfahren wie wir es dann mit „Ecofario“ umgesetzt haben.
Im Endeffekt ist es supereinfach. Wir erzeugen einen sehr definierten Wasserwirbel, der extrem stark rotiert.
Wir erzeugen einen sehr definierten Wasserwirbel, der extrem stark rotiert.
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Es funktioniert tatsächlich ähnlich. Diese Staubsauger basieren auf dem Zyklonprinzip. Wir haben dieses Prinzip in den Grundzügen ein bisschen frisiert, sodass wir um Faktor 50 effizienter sein können. Dabei entsteht ein ganz definierter Wasserwirbel, allein durch die Strömungsgeschwindigkeit des Wassers. Wir treiben nichts an, wir rühren nicht, wir strömen das Wasser lediglich in einen Kegel. Je höher die Fließgeschwindigkeit, desto größer die Fliehkräfte und desto besser ist die Reinigungskraft. In dem so entstehenden Wirbel wandern die Mikroplastikpartikel, die leichter sind als Wasser, nach innen ins Wirbelzentrum. Dort wird der Strom in zwei weitere Ströme aufgeteilt – in sauber und schmutzig. Dieser Vorgang wird so oft wiederholt, bis nur noch ganz wenig verschmutztes Wasser übrig bleibt. Wir arbeiten also mehrstufig.
Nein, alles kriegen wir leider nicht raus. Nach unseren Auswertungen gehen wir davon aus, dass wir 95% schaffen. Das bedeutet, eine Kläranlage schafft es etwa 95% Partikel herauszufiltern, bleiben also 5%, die die Kläranlage nicht herausbekommt. Hier kommen wir ins Spiel: Wir reinigen die übrigen 5% nochmals und schaffen wiederum 95%, also landen wir insgesamt bei ungefähr 99,999%, was wir herausfiltern können.
Das wird mit dem Klärschlamm verbrannt. Bei sehr kleinen Kläranlagen ist es allerdings momentan noch so, dass der Schlamm auf Felder ausgebracht werden darf. Dieser wird vor allem für die Düngung von Energiemais genutzt. Das soll aber bald verboten werden, dann muss der Klärschlamm überall verbrannt werden. Beim Verbrennungsvorgang werden die Mikroplastikteilchen komplett zerstört und können so nicht wieder in die Umwelt gelangen.
Ansätze wie Recycling sind leider nicht praktikabel. Wir bekommen oft Anfragen, ob wir das Mikroplastik am Schluss nicht isolieren könnten, damit man daraus beispielsweise Sonnenbrillen machen kann. Das ginge prinzipiell schon, aber das ist wirtschaftlich und auch ökologisch totaler Humbug, das wäre mit erheblichem Aufwand und zu viel Energieverbrauch verbunden. Außerdem ist es massemäßig einfach zu wenig und zudem schmutzig.
Wir denken zum Beispiel darüber nach, unsere Technologie nach Schiffshavarien einzusetzen, als Vorreinigungsstufe
Unserer Anlage ist es grundsätzlich total egal, was reinkommt. Wir brauchen lediglich ein Trägermedium, also Flüssigkeit oder Gas, und einen Kontaminanten, welcher eine andere Dichte besitzt. Es würde also auch funktionieren, Öl von Wasser zu trennen. Wir denken zum Beispiel darüber nach, unsere Technologie nach Schiffshavarien einzusetzen, als Vorreinigungsstufe sozusagen. Genauso wäre es auch denkbar, sie in der Papierindustrie zu nutzen, um Leichtschadstoffe aus dem Wasser zu holen. Das System ist wirklich äußerst vielseitig einsetzbar. Bei gelösten Substanzen funktioniert das Ganze allerdings nicht. Wenn etwas erst einmal in einer Flüssigkeit gelöst ist, bekommst du es praktisch mit physikalischen Mitteln nicht mehr heraus.
Was heißt „wollten“? Die mussten! (lacht) Anfangs waren wir ein dreiköpfiges Team, da hießen wir noch „Microplast-ics“. Einer aus dem Ursprungs-Team ist dann abgesprungen, dafür sind zwei neue Mitstreiter dazu gekommen. Wir sind jetzt also zu viert. Mein Kollege Robert Krapez ist dafür zuständig, das umzusetzen, was aus meinem Kopf kommt. Adrian Scholl ist unser Financer, und Stefan Tomme der Anwendungstechniker.
Das war schon eine Entwicklungsreise. 2014 haben wir angefangen und Mitte letztes Jahres unseren Piloten in Betrieb genommen. Unsere GmbH haben wir 2018 gegründet, nachdem wir die ersten Patente eingereicht hatten und uns sicher waren, dass das, was wir vorhaben, auch funktioniert.
2019 haben wir zudem eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, die allerdings ziemlich in die Hose ging.
Zu Anfang ausschließlich aus Eigenkapital – da ging wirklich ein Haufen drauf. Bei einem Ideenwettbewerb haben wir zusätzlich 10.000 Euro abgeräumt. Dann gab es noch einen Zuschuss durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Da gibt es ein Förderprogramm, namens „Wipano„, für kleine und mittlere Unternehmen. 2019 haben wir zudem eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, die allerdings ziemlich in die Hose ging. Der große Gamechanger kam durch einen einseitigen Artikel über „Ecofario“ in der „Süddeutschen Zeitung“. Diesen hat eine Münchner Dame gelesen, die, wie sie selbst sagt, zu viel Geld hat, und etwas Sinnvolles damit machen wollte. Sie hat uns 400.000 Euro gegeben, mit der Bedingung, dass dieses Geld zielgerichtet nur für die Produktion investiert wird. Damit haben wir unseren Prototypen gebaut. Anfangs stand eine Schenkung im Raum, wir möchten das Geld jedoch gerne zurückzahlen. Da die Dame es aber nicht selbst behalten möchte, fließt es an die „Prinzessin Therese von Bayern-Stiftung“, eine Förderstiftung der LMU zur Förderung von Frauen in wissenschaftlich-technischen Ausbildungsberufen. Das heißt, mit ihrem Geld fördert sie unser Start-up und gleichzeitig junge Frauen über die Stiftung der LMU. Und uns hat das, ganz grob gesagt, den Arsch gerettet, sonst hätten wir das nicht durchhalten können.
Der große Gamechanger kam durch einen einseitigen Artikel über „Ecofario“ in der „Süddeutschen Zeitung“. Diesen hat eine Münchner Dame gelesen, die, wie sie selbst sagt, zu viel Geld hat, und etwas Sinnvolles damit machen wollte.
Grundsätzlich ist sie überall einsetzbar, außer bei extrem kleinen Kläranlagen. Wenn zu wenig Wasser da ist, wird es schwierig. Ansonsten funktioniert die Anlage unabhängig von der Art des Gewässers, ab 20.000 bis zu 2-3 Mio. Einwohnern. Das System ist ganz einfach skalierbar.
Wir haben momentan eine Pilotanlage, mit der wir von Kläranlage zu Kläranlage und von Industriebetrieb zu Industriebetrieb ziehen, um das System unter verschiedenen Grundvoraussetzungen zu testen. Diese steht auf einem Hänger und ist somit mobil. Alles, was wir brauchen, ist ein dicker Stromanschluss und ein Becken, wo wir Wasser absaugen und wieder zurückführen können. Irgendwann soll die Anlage natürlich fest verbaut werden. Bis Ende des Jahres wollen wir für unseren ersten richtigen Kunden eine großtechnische Pilotanlage installieren.
Das Interesse ist sehr groß, weil inzwischen natürlich alle wissen, dass Mikroplastik ein riesiges Problem ist. Außerdem sind wir deutlich günstiger als andere Reinigungssysteme, haben weniger Wartungsaufwand und weniger Verschleiß.
Ganz einfach runtergebrochen: Wir machen es ohne Filter und ohne Chemie. Auch in den Kosten unterscheiden wir uns deutlich, da nahezu nur Energiekosten anfallen. Den Bürger würde das ca. 2-5 Euro pro Jahr mehr kosten.
Es ist in Deutschland und Europa patentiert, in den USA angemeldet, ebenso in China und Japan. Wir würden dann Zweidrittel des globalen Wassermarktes mit unseren Patenten abdecken. So schaffen wir uns als Unternehmen ein gewisses Standing. Ob wir diese Märkte alle persönlich bedienen können, ist natürlich fraglich, aber dann geht es in Richtung Lizenzierung. Wir sind immer noch ein Unternehmen und natürlich geht es da auch um wirtschaftlichen Erfolg, den wir über gesundes und nachhaltiges Wachstum zu erreichen versuchen. Wir wollen nicht möglichst schnell skalieren und uns künstlich aufblasen. In unseren Investorengesprächen machen wir auch klar, dass wir „Ecofario“ so gestalten wollen, dass wir Teile unseres Gewinns in ökologische und soziale Projekte abführen wollen, also den Nachhaltigkeitsaspekt weiter verfolgen.
In unseren Grundstrukturen möchten wir lokal bleiben und mit regionalen Unternehmen zusammenarbeiten. Wir bleiben in Deutschland und wollen auch die Produktionsketten in Deutschland halten. Wir glauben an gesundes Wachstum, wir bauen darauf, dass es uns in zehn Jahren noch gibt. Deswegen sind wir 2020 auch als Deutschlands nachhaltigstes Start-up ausgezeichnet worden.
Es ist Zeit, eine Philosophie des Verbietens und nicht des Belohnens zu generieren, mit harten Strafen für Unternehmen, Kommunen und für Individuen, die dagegen verstoßen.
Schwierig … Ich glaube, wir sind auf einem ganz guten Weg als Gesellschaft. Wir wissen alle, dass wir mehr auf die Umwelt achten müssen, um uns nicht unser eigenes Grab zu schaufeln. Ein Freund aus Australien sagt diesbezüglich immer: „it’s like shitting in your own breakfast bowl“. Ich glaube, das trifft es ganz gut.
Plastik generell ist nicht mehr wegzudenken, für unsere Gesellschaft, für unseren Wohlstand. Es gibt beinahe keine Produkte mehr, in denen nicht auch Kunststoff verarbeitet ist. Kunststoffe sind extrem wichtig, müssen aber in einer zirkulären, nachhaltigen, wirtschaftlichen Weise wieder rückgeführt werden.
Ohne Kunststoff kein Wohlstand, das heißt, wir werden es nie schaffen, Kunststoff komplett zu vermeiden.
Keine Geschäfte mehr mit Ländern, die Umweltsäue sind.
Jetzt ist es extrem wichtig ist, dass unsere Politik in die Puschen kommt und Kunststoff betreffend ganz harte und klare Regularien aufsetzt. Rezyklierbarkeit ist ganz wichtig – Produkte, die wirklich recyclebar sind. Bei Kompositen, also Mischprodukten, ist das nicht mehr möglich, die landen dann im Ofen. Auch Vermeidung von Kunststoff ist extrem wichtig, da muss noch viel mehr passieren. Es ist Zeit, eine Philosophie des Verbietens und nicht des Belohnens zu generieren, mit harten Strafen für Unternehmen, Kommunen und für Individuen, die dagegen verstoßen. Da ist die Politik absolut im Zugzwang, auch global. Keine Geschäfte mehr mit Ländern, die Umweltsäue sind. Gerade als Europäische Union oder als Bundesrepublik Deutschland sitzen wir an einem sehr langen Hebel, weil wir zu den wirtschaftsstärksten Nationen gehören. Letztlich muss ich als Bürger*in einfach wählen gehen, um etwas zu ändern.